TE Vwgh Beschluss 2019/9/18 Ra 2019/18/0349

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Veröffentlicht am 18.09.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des A B, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2019, Zlen. G308 2177701- 1/28E, G308 2177735-1/18E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist irakischer Staatsangehöriger, stammt aus Bagdad und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er stellte am 16. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er mit seinem Partner ein gemeinsames Geschäft betrieben habe, entführt, geschlagen und nach dem Aufenthaltsort seines Partners befragt worden sei. Aufgrund einer Lösegeldzahlung seines Vaters sei er frei gekommen. Ob es sich bei den Entführern um Milizen gehandelt habe, könne er nicht sagen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, erneut in diese Situation zu kommen.

2 Mit Bescheid vom 20. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Am 18. März 2019 stellte er zudem den Antrag auf die Einholung eines länderspezifischen Sachverständigengutachtens bzw. die Beiziehung eines Vertrauensanwaltes.

4 Die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde sowie den Antrag auf Einholung eines länderspezifischen Sachverständigengutachten wies das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 In seiner Begründung bezüglich der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten führte das BVwG zusammengefasst aus, dass es das Vorbringen des Revisionswerbers als widersprüchlich, gesteigert und unglaubwürdig erachte. Es sei dem Revisionswerber somit nicht gelungen, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen darzulegen. Hinsichtlich der Nichtgewährung subsidiären Schutzes legte das BVwG dar, dass eine Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK im Falle einer Rückkehr nicht drohe. In seiner Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK erwog das BVwG, dass fallbezogen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden.

6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit monierte, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle eine nähere Definition des Merkmals einer besonders berücksichtigungswürdigen Integration. Im Übrigen sei die vom BVwG im vorliegenden Fall vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar. Der Revisionswerber verfüge als selbstständiger Herrenfrisör über einen monatlichen Umsatz in der Höhe von 3.283 EUR. 7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 1.3.2016, Ra 2015/18/0247).

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).

13 Sofern die Revision einzig die durchgeführte Interessenabwägung des BVwG beanstandet, ist ihr entgegenzuhalten, dass das BVwG nicht verkannte, dass der Revisionswerber insbesondere in beruflicher Hinsicht nicht unerhebliche Integrationsbemühungen gesetzt hat. In seiner Abwägung berücksichtigte das BVwG den etwa vierjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers, seine selbstständige Erwerbstätigkeit als Herrenfrisör, seine bisher erworbenen Sprachkenntnisse, das bestehende soziale Umfeld sowie seine Unbescholtenheit und stellte diese privaten Interessen den öffentlichen Interessen gegenüber. Schließlich kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens gegenüber den - durch den unsicheren Aufenthaltsstatus des Revisionswerbers - relativierten persönlichen Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden. Dass diese Interessenabwägung unvertretbar wäre, vermag die Revision vor dem Hintergrund der zuvor genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufzuzeigen.

14 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180349.L00

Im RIS seit

25.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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