Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §52Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des K S in K, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner und Dr. Peter Gloß, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts
Niederösterreich vom 19. Juni 2019, LVwG-AV-791/001-2018, betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes nach dem MinroG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei:
Firma G in H), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 30. Mai 2018 genehmigte die Landeshauptfrau von Niederösterreich gemäß § 116 MinroG den Gewinnungsbetriebsplan der mitbeteiligten Partei für näher bezeichnete Abbaufelder in der Gemeinde K nach Maßgabe der eingereichten Projektunterlagen und der Projektbeschreibung sowie unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen.
2 2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Juni 2019 als unbegründet ab. Die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt. 3 2.2. In seiner Begründung verwies das Verwaltungsgericht unter anderem auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen für Umwelthygiene. Diesem zu Folge sei eine unzumutbare Belästigung des Revisionswerbers oder eine Beeinträchtigung seines Lebens oder seiner Gesundheit durch Schall - und zwar sowohl durch hörbaren Schall als auch durch Infra- oder tieffrequenten Schall - durch die Erweiterung der Abbaugebiete ausgeschlossen. Selbiges habe der Amtssachverständige im verwaltungsbehördlichen Verfahren auch für die vom Revisionswerber vorgebrachten Erschütterungen, den Sprenglärm und den Lärm auf Grund der Materialrutsche attestieren können.
4 Ebenso verhalte es sich - so das Verwaltungsgericht - mit der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechts und der damit verbundenen Wasserversorgung. Auf Grund der schlüssigen, nachvollziehbaren und in sich konsistenten Ausführungen des Amtssachverständigen für Geohydrologie sei eine solche ausgeschlossen. Entsprechende Auflagen seien lediglich zu Beweissicherungszwecken vorgeschrieben worden, um die Prognoseentscheidung zu untermauern. 5 Die dem Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen hätten sich intensiv mit den vom Revisionswerber erhobenen Einwendungen - insbesondere auch mit jenen betreffend das Wasserbenutzungsrecht -
auseinandergesetzt. Dabei seien sowohl im verwaltungsbehördlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren keine objektivierbaren Gründe hervorgekommen, die die Bedenken des Revisionswerbers in jenem Ausmaß bestätigt hätten, dass eine Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes zu versagen gewesen wäre. Vielmehr hätten die behaupteten Beeinträchtigungen und Rechtswidrigkeiten allesamt nicht erkannt werden können.
6 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 4. Die vorliegende Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und verletzte sowohl den Unmittelbarkeitsgrundsatz als auch das Recht auf Parteiengehör.
10 Hierzu wird ausgeführt, dass der Revisionswerber wiederholt begründete Einwendungen gegen die eingeholten Gutachten der Amtssachverständigen erhoben habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnten Einwendungen gegen solche Gutachten unter bestimmten Voraussetzungen auch Gewicht haben, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt seien. 11 Die eingeholten Gutachten würden das Wasserbezugsrecht des Revisionswerbers nicht bzw. nicht ausreichend substantiiert behandeln. Das Wasserbezugsrecht werde durch das Vorhaben beeinträchtigt. Der geohydrologische Amtssachverständige führe aus, dass das Vorhaben nicht dazu geeignet sei, den Revisionswerber in seinen Rechten in unzumutbarer Weise zu beeinträchtigen. Weshalb trotzdem die Auflage erteilt worden sei, die Schüttung und die Qualität des Trinkwassers der Quellfassung laufend zu beweissichern, sei unschlüssig. Das Verwaltungsgericht hätte schon aus diesem Grund ein weiteres geohydrologisches Gutachten einholen müssen. Im vorliegenden Gutachten werde zudem lediglich auf die Evapotranspiration (Verdunstung) eingegangen, während andere ausschlaggebende Faktoren, wie der oberflächige und unterirdische Abfluss, der oberflächennahe unterirdische Abfluss und der Abfluss aus Grundwasser, unberücksichtigt geblieben seien. Das Gutachten erweise sich darüber hinaus auch als unschlüssig, weil die Messung am Bohrloch nicht richtig erfolgt sei und weil das Regenwasser, das in den Steinbruch fließe, entgegen der Ausführungen des Amtssachverständigen zur Gänze oberflächlich abfließe.
12 Hinsichtlich des schalltechnischen Gutachtens rügt der Revisionswerber das Ergebnis der Messung des Grundgeräuschepegels auf seinem Grundstück. Es sei auch nicht erklärlich, warum keine zeitgleiche Messung auf seinem Grundstück und direkt bei der Anlage erfolgt sei. Der Sachverständige hätte eine solche Simultanmessung veranlassen müssen. Ebenso seien die Schwingungen nur geschätzt und nicht gemessen worden. Der medizinische Amtssachverständige führe aus, dass Infraschall im gegenständlichen Verfahren keine Relevanz zukomme und deshalb nicht explizit zu behandeln gewesen sei. Dabei werde übersehen, dass Messungen hinsichtlich Infraschall nicht berücksichtigt worden seien bzw. keine Messergebnisse vorlägen.
Produktionsstätten könnten - so der Sachverständige - eine potentielle Quelle für tieffrequenten Schall darstellen. Beim gegenständlichen Unternehmen handle es sich um eine Produktionsstätte, die entsprechenden Infraschall bzw. tieffrequenten Schall verursache. Dennoch seien nach Auffassung des Amtssachverständigen im vorliegenden Fall eine erhebliche Belästigung oder gar eine Gefahr für die Gesundheit durch Infraschall-Immissionen und Immissionen durch tieffrequenten Schall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Da dieser Einschätzung keine Messwerte zugrunde lägen, sei das Sachverständigengutachten auch aus diesem Grund unschlüssig bzw. unvollständig und hätte deshalb durch das Verwaltungsgericht ein weiteres Gutachten eingeholt werden müssen.
13 5. Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
14 Der Revisionswerber wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht herangezogenen und seiner Entscheidung zugrunde gelegten Amtssachverständigengutachten. Inwieweit in diesem Zusammenhang der Unmittelbarkeitsgrundsatz und das Recht auf Parteiengehör eine Rolle spielen sollen, wird in der Revision nicht näher ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich. 15 Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen. Die Parteien haben die Möglichkeit, einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. VwGH 26.2.2016, Ro 2014/03/0004, mwN). All dies gilt auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0057).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt jedoch Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus, ebenso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens auch dann Gewicht zu, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insbesondere auch ohne Gegengutachten erhoben werden (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2017/07/0214, mwN). Hingegen ist nach der hg. Rechtsprechung ein Einwand gegen die Wahl des Messpunktes (für eine Lärmmessung) nicht zielführend, wenn er nicht auf gleicher fachlicher Ebene erfolgt (vgl. VwGH 29.4.2014, 2013/04/0164, mwN).
16 Der Revisionswerber bestreitet nicht, dass er den erwähnten Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist. Dass diese Gutachten unschlüssig und unvollständig wären und ihnen somit Mängel im Sinn der oben wiedergegebenen Rechtsprechung (vgl. VwGH Ra 2017/07/0214) anhaften würden, wird vom Revisionswerber nicht nachvollziehbar aufgezeigt.
Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf das vom Revisionswerber erstattete Beschwerdevorbringen im Einzelnen eingegangen. Es ist nicht erkennbar, dass die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 29.11.2017, Ra 2015/04/0014, mwN). Folglich ist auch nicht zu beanstanden, dass keine weiteren Gutachten eingeholt wurden.
17 6. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 18. September 2019
Schlagworte
Gutachten Parteiengehör ParteieneinwendungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019040103.L00Im RIS seit
11.11.2019Zuletzt aktualisiert am
11.11.2019