TE Vwgh Beschluss 2019/9/18 Ra 2019/04/0102

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Veröffentlicht am 18.09.2019
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Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §87 Abs1 Z3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des F E W in G, vertreten durch Mag. Stefan Hajos, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 47-49, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 24. Juni 2019, Zl. LVwG-AV-1043/001-2018, betreffend Widerruf der Geschäftsführerbestellung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (belangte Behörde) vom 26. Juli 2018 wurde die Bestellung des Revisionswerbers zum gewerberechtlichen Geschäftsführer für das Gewerbe "Reisebüro" für die R GmbH am Standort in L gemäß § 91 Abs. 1 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 widerrufen. 2 2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 361 Abs. 3 GewO 1994 wies das Landesverwaltungsgericht Nied erösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. Juni 2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 2.2. In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass die R GmbH seit 28. Jänner 2014 Inhaberin der Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe "Reisebüros" am Standort in L sei. Mit Bescheid vom 28. Jänner 2014 habe die belangte Behörde auch die Bestellung des Revisionswerbers zum gewerberechtlichen Geschäftsführer für die Ausübung dieses Gewerbes genehmigt.

4 In der bei weitem überwiegenden Anzahl der Strafverfügungen und Straferkenntnisse sei dem Revisionswerber jeweils angelastet worden, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der R GmbH mit Sitz in L zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Gewerbetreibende eine weitere Betriebsstätte zur Ausübung des Gewerbes "Reisebüro" nicht mit einer äußeren Geschäftsbezeichnung im Sinn des § 66 Abs. 2 GewO 1994 versehen habe bzw. die Anzeige der Einstellung des Gewerbes "Reisebüro" in einer weiteren Betriebsstätte nicht rechtzeitig erfolgt sei (§ 46 Abs. 2 Z 1 GewO 1994). Dabei handle es sich zwar an sich um geringfügige Übertretungen der Gewerbeordnung 1994. Lediglich bei einem Straferkenntnis indiziere die verhängte Strafe in der Höhe von EUR 800,--, dass eine schwerwiegende Übertretung vorgelegen sei. Das in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" könne jedoch auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der in Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften erfüllt sein.

5 Nach einer Strafregisterauskunft des Magistrats Wien vom 24. Juni 2014 lägen zudem 40 (mittlerweile getilgte) gleichartige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen vor, was auf eine besondere Gleichgültigkeit des Revisionswerbers gegenüber den zu beachtenden Rechtsvorschriften schließen lasse. Hinzu kämen weitere neun Übertretungen der - der Umsetzung der Richtlinie über Pauschalreisen (RL 90/314/EWG) dienenden - Reisebürosicherungsverordnung. Soweit in den Strafbescheiden des Magistrats der Stadt Wien vom 25. April 2018 und vom 20. Juni 2018 ein sich über mehrere Monate erstreckender Tatzeitraum angelastet worden sei, verdeutliche dies umso mehr die Uneinsichtigkeit des Revisionswerbers hinsichtlich der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen. Ebenso stelle der Rückfall trotz rechtskräftiger Bestrafung ein wichtiges Indiz für die Unzuverlässigkeit dar.

6 Entgegen dem Beschwerdevorbringen lägen im vorliegenden Fall Verwaltungsübertretungen vor, die zweifelsfrei in Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe "Reisebüros" zu beachten seien. Der Verwaltungsstrafregisterauszug des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Juni 2014 weise 49 bereits getilgte verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf (darunter neun Vormerkungen wegen Übertretungen der Reisebürosicherungsverordnung) sowie 40 Vormerkungen wegen Übertretungen der Gewerbeordnung 1994 im Zeitraum von 24. Dezember 2009 bis 24. Juni 2014. Darüber hinaus lägen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung 21 nicht getilgte rechtskräftigte Übertretungen der Gewerbeordnung 1994 im Zeitraum von circa fünf Jahren nach seiner Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer im Jahr 2014 vor, die im Rahmen der gegenständlichen Gewerbeausübung jedenfalls zu beachten seien. Diese würden alleine bereits die Annahme rechtfertigen, dass der Revisionswerber die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze. Lediglich hinsichtlich des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 29. April 2014 sei mittlerweile durch Zeitablauf Tilgung eingetreten. Die im Verwaltungsstrafregisterauszug des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Juni 2014 angeführten Vormerkungen seien insofern relevant, als das sich aus den Verstößen ergebende Persönlichkeitsbild wegen des wiederholten Rückfalls trotz rechtskräftiger Bestrafung ebenfalls den Schluss rechtfertige, dass dem Revisionswerber die Zuverlässigkeit fehle. Schließlich sei auf Grund des uneinsichtigen Verhaltens des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung auch in Zukunft ein vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten.

7 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 4. In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausgeführt, es liege eine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil das angefochtene Erkenntnis von der zu § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

Nach dieser erweise sich ein Verstoß dann als schwerwiegend, wenn er geeignet sei, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen. Auch müsse es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handeln, die bei der Ausübung gerade des gegenständlichen bzw. betreffenden Gewerbes "besonders" zu beachten seien. Solche Verstöße könnten dann auch die Annahme rechtfertigen, der Betreffende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen, obwohl es sich nur um geringfügige Verletzungen der in Zusammenhang mit dem konkreten Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften handle. Ebenso dürfe nicht nur auf die Anzahl der im gegebenen Fall vorliegenden Übertretungen abgestellt werden. Vielmehr müsse auch die konkrete Art der durch die Übertretungen verletzten Schutzinteressen und die Schwere ihrer Beeinträchtigung beachtet werden. Auch das habe das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall verkannt. Zudem seien die im angefochtenen Erkenntnis angeführten rechtskräftigen Übertretungen nicht geeignet, das Ansehen des Berufszweiges der Reisebüros herabzusetzen. Vor allem aber lägen keine Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen vor, die gerade bei der Ausübung des Gewerbes der Reisebüros "besonders" zu beachten wären. Es handle sich lediglich um Verstöße gegen allgemeine, für alle Gewerbetreibenden geltende Vorschriften. Das Verwaltungsgericht vermeine, jeder Verstoß gegen die Gewerbeordnung 1994 würde einen solchen darstellen, der sich gegen Vorschriften richtet, die bei der Ausübung des Gewerbes "Reisebüros" gerade "besonders" zu beachten wären.

11 5. Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 genannte Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch dann, wenn durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Verletzungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten ist. Entscheidend ist in einem solchen Fall, dass sich aus der Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (vgl. VwGH 14.10.2015, Ra 2015/04/0065, mwN). Die Schwere der Rechtsverletzung ist anhand der rechtskräftigen Strafbescheide zu beurteilen. Schwere Verletzungen werden etwa dann angenommen, wenn Verstöße trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden (vgl. VwGH 22.5.2012, 2012/04/0062, mwN).

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das Verwaltungsgericht nicht darauf beschränkt, bloß die Anzahl der vorliegenden Übertretungen ins Treffen zu führen. Vielmehr wurden im angefochtenen Erkenntnis - wie von der hg. Rechtsprechung gefordert (vgl. die Nachweise bei Thienel, Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung zur GewO 1994, in: FS Raschauer (2013) 597 (618 f)) - sowohl Feststellungen zu den verhängten Strafen und den verletzten Rechtsvorschriften getroffen als auch auf die Art der verletzten Schutzinteressen und die Schwere ihrer Verletzung Bedacht genommen.

14 Auch mit dem Vorbringen, das in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 genannte Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil lediglich Verstöße gegen allgemeine, für alle Gewerbetreibenden geltende Vorschriften vorlägen und nicht solche, die gerade bei der Ausübung des Gewerbes der Reisebüros "besonders" zu beachten wären, wird ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung nicht aufgezeigt:

15 In dem von der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis VwGH 18.6.2012, 2012/04/0026, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass nach den Gesetzesmaterialien zum Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 ein Verstoß dann als schwerwiegend anzusehen ist, wenn er geeignet ist, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen; außerdem muss es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handeln, die bei der Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes "besonders" zu beachten sind, wozu etwa Verstöße gegen die Ausübungs- und Standesregeln (vgl. § 69 Abs. 2 GewO 1994) gehören. 16 Die vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis herangezogenen Gesetzesmaterialien stellen aber auch klar, dass zu den bei der Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes besonders zu beachtenden Verstößen nicht nur Verstöße gegen die Ausübungs- und Standesregeln gehören. Vielmehr seien damit auch Verstöße gegen sonstige gewerberechtliche Vorschriften und insbesondere die Missachtung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen gemeint (vgl. RV 635 BlgNR 18. GP 293).

17 Entgegen dem Revisionsvorbringen fallen damit jedenfalls auch Verstöße gegen jene gewerberechtlichen Vorschriften darunter, die - wie etwa § 46 Abs 2 Z 1 und § 66 GewO 1994 - für alle Gewerbetreibenden gelten. Ein derart enger Konnex zum betreffenden Gewerbe, wie ihn der Revisionswerber für geboten erachtet, kann aus dem Erkenntnis VwGH 2012/04/0026 somit nicht abgeleitet werden.

18 Der Revisionswerber übersieht zudem, dass sich die erwähnten Erläuterungen auf die Regierungsvorlage zur Gewerberechtsrechtsnovelle 1992 (BGBl. Nr. 29/1993) beziehen, die in § 87 Abs. 1 Z 3 noch auf Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe "besonders" zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen abstellte (vgl. RV 635 BlgNR 18. GP 15). Im parlamentarischen Verfahren ist das Wort "besonders" jedoch entfallen, sodass nach der Gesetz gewordenen (und nach wie vor in Geltung stehenden) Fassung nicht nur die Übertretung von "besonders zu beachtenden" Bestimmungen den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 erfüllt (vgl. dazu Marzi, Die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994, in: Gruber/Paliege-Barfuß (Hrsg.), Gewerberecht Jahrbuch 2010 (2010) 137 (142)).

19 Für den in § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 geforderten Konnex zum betreffenden Gewerbe ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes demnach auch nicht entscheidend, dass der Gewerbeinhaber einen Teil der Tathandlungen bei der Ausübung anderer, von der Entziehung nicht betroffener Gewerbe begangen hat, sofern die dabei übertretenen Rechtsvorschriften auch bei der Ausübung des gegenständlichen, von der Entziehung betroffenen Gewerbes zu beachten sind (vgl. VwGH 23.5.2014, Ro 2014/04/0009, mwN). Gleiches gilt, wenn der Gewerbetreibende die Tathandlungen bei der Ausübung eines anderen, mittlerweile eingestellten Gewerbes begangen hat (vgl. VwGH 26.2.2014, 2013/04/0179, sowie Stolzlechner/Seider/Vogelsang, GewO2 (2018) § 87 Rz. 3). 20 6. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019040102.L00

Im RIS seit

11.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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