TE Vwgh Erkenntnis 2019/9/20 Ra 2019/02/0097

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2019
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
24/01 Strafgesetzbuch
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

KFG 1967 §134 Abs1
StGB §34 Abs1 Z17
StGB §34 Z2
StVO 1960 §98a
VStG §19
VStG §19 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. April 2019, LVwG-S-5/001-2019, betreffend Übertretung des KFG (mitbeteiligte Partei: G in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (BH) vom 7. Dezember 2018 wurde über den Mitbeteiligten wegen Übertretung des § 98a Abs. 1 KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 201 Stunden) verhängt, weil er zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher bezeichneten Ort einen konkret genannten PKW, an welchem für ihn erkennbar ein "Radar- oder Laserblocker" der Marke "Stinger" angebracht gewesen sei, gelenkt habe. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), wobei er das Straferkenntnis ausdrücklich nur hinsichtlich der Höhe der Strafe bekämpfte.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG dieser eingeschränkten Beschwerde statt und setzte die von der BH bestimmte Geldstrafe auf den Betrag von EUR 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 80 Stunden) herab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig. 3 Das LVwG führte begründend aus, der Schutzzweck der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen liege jedenfalls im Schutz vor Gefahren und nachteiligen Auswirkungen von Verkehrsteilnehmern, die sich nicht an die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten im Straßenverkehr hielten. Da Geschwindigkeitsübertretungen häufig zu schweren Verkehrsunfällen und damit einhergehenden Personen- und Sachschäden führten, sei die Intensität der Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter durch die Tat jedenfalls als hoch einzustufen. Es sei von einem durchschnittlichen Einkommen auszugehen.

Mildernd sei die geständige Verantwortung, sowie, dass keine weiteren Verwaltungsvormerkungen im Akt auflägen (auch keine außerhalb des § 98a KFG).

Spezialpräventiv bedürfe es jedenfalls der Verhängung einer entsprechenden Geldstrafe, um dem Mitbeteiligten vor Augen zu führen, dass er durch sein Verhalten nicht nur sich selbst, sondern auch andere erheblich gefährde. Zudem gelte es auch, die Allgemeinheit in generalpräventiver Hinsicht von der Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Die Verhängung von EUR 1.000,-- erscheine "etwas zu hoch" gegriffen, sodass die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe zu reduzieren sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der BH Neunkirchen als der belangten Behörde vor dem LVwG, mit der die Aufhebung dieses Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.

5 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Bei der Strafbemessung ist vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob das LVwG von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. VwGH 3.9.2018, Ra 2018/02/0243, mwN). 9 Die Revision ist im vorliegenden Fall aufgrund der in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines reumütigen Geständnisses zulässig; sie ist auch berechtigt. 10 Zunächst ist dem LVwG darin zuzustimmen, dass die Bedeutung des durch § 98a StVO geschützten Rechtsgutes, nämlich dem Schutz vor Gefahren und nachteiligen Auswirkungen von Verkehrsteilnehmern, die sich nicht an die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten im Straßenverkehr halten, als hoch anzusehen ist (vgl. auch VwGH 16.4.1997, 96/03/0358). 11 Die "geständige Verantwortung" des Mitbeteiligten wurde vom LVwG bei der Strafbemessung als mildernder Umstand gewertet. Dabei übersieht das LVwG, dass der Mitbeteiligte im Zuge seiner Anhaltung auf frischer Tat betreten wurde. Damit kommt der Einschränkung der Beschwerde des Mitbeteiligten auf die Bekämpfung der Höhe der Strafe jedoch keine Bedeutung zu: Selbst ein beim Betretenwerden auf frischer Tat abgegebenes reines Tatsachengeständnis ist nicht als Milderungsgrund im Sinne des § 34 Abs. 1 Z 17 StGB zu werten (vgl. unter vielen anderen VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009, mwH). Dieser vom LVwG bei der Strafbemessung herangezogene Milderungsgrund liegt daher nicht vor.

12 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt darüber hinaus aber auch nur die absolute Unbescholtenheit des Beschuldigten einen Milderungsgrund dar. Schon die relative Unbescholtenheit, d.h. die Tatsache, dass der Beschuldigte nicht einschlägig vorbestraft ist, führt dazu, dass kein Milderungsgrund nach § 34 Abs. 1 Z 2 StGB iVm § 19 Abs. 2 VStG vorliegt (vgl. z.B. VwGH 16.12.2015, 2013/10/0236, mwN). Der Umstand, dass der Täter nicht einschlägig vorbestraft ist, bildet somit keinen Milderungsgrund (VwGH 31.7.1998, 96/02/0566).

13 Entgegen den Ausführungen des LVwG liegt nun in Bezug auf den Mitbeteiligten keine absolute Unbescholtenheit vor: Wie den Verwaltungsakten der belangten Behörde (S 23) zu entnehmen ist, weist der Mitbeteiligte eine zum Zeitpunkt der angelasteten Übertretung rechtskräftige und bislang nicht getilgte Vorstrafe wegen der Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO auf.

14 Da das LVwG bei seiner Strafbemessung somit zwei nicht vorliegende Milderungsgründe berücksichtigt hat, erweist sich die Strafbemessung als rechtswidrig.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 20. September 2019

Schlagworte

AllgemeinBesondere RechtsgebieteErschwerende und mildernde Umstände AllgemeinErschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020097.L00

Im RIS seit

25.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten