TE OGH 2019/9/13 10ObS111/19z

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Veröffentlicht am 13.09.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch MMag. Maria Größ, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Mai 2019, GZ 10 Rs 47/19h-12, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 20. Februar 2019, GZ 24 Cgs 1/19s-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 11. 12. 2018 lehnte die beklagte Gebietskrankenkasse die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens für das am 31. 7. 2018 geborene Kind J***** für den Zeitraum von 31. 7. 2018 bis 30. 7. 2019 ab.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 28. 10. 2018 bis 30. 7. 2019 statt und wies das Mehrbegehren auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 31. 7. 2018 bis 27. 10. 2018 ab. Rechtlich ging es davon aus, nach dem Wortlaut des § 2 Abs 8 KBGG sei lediglich die Obsorgeberechtigung des antragstellenden Elternteils verlangt, nicht aber dass der antragstellende Elternteil mit dem Kind ein „Heim erster Ordnung“ bilden müsse. Die Abweisung des Mehrbegehrens liege darin begründet, dass der Kinderbetreuungsgeldanspruch für den Zeitraum des Wochengeldanspruchs ruhe.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagestattgebenden Teil des Urteils gerichteten Berufung der beklagten Partei nicht Folge und ließ die Revision zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 ObS 51/19a vom 28. Mai 2019 zu der in der Revision als erheblich bezeichneten Rechtsfrage bereits mit ausführlicher Begründung dahin Stellung genommen, dass nach dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs 8 KBGG bei getrennt lebenden Elternteilen nicht – als (zusätzliche) Anspruchsvoraussetzung zur Obsorge beider Eltern – auch noch der Wohnsitz des Anspruchswerbers als hauptsächlicher Aufenthaltsort des Kindes festgelegt sein muss (§ 177 Abs 4 ABGB). Die Ansicht, der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld wäre bei getrennt lebenden Elternteilen ganz generell (also auch wenn kein Missbrauchsproblem vorliegen sollte) nur dann zu bejahen, wenn der antragstellende Elternteil nicht nur obsorgeberechtigt sei, sondern darüber hinaus sein Wohnsitz als Haushalt der hauptsächlichen Betreuung festgelegt sei, finde im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Dieser Standpunkt lasse sich auch weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 9. 10. 2015, G 152/2015, VfSlg 20.018 ableiten.

2. Die Ansicht der Vorinstanzen, die mit dem Vater des Kindes verheiratete Klägerin, die mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, dort mit dem Kind hauptwohnsitzlich gemeldet ist und die Familienbeihilfe beziehe, erfülle sämtliche vom KBGG aufgeforderten Anspruchsvoraussetzungen für den Kinderbetreuungsgeldbezug, steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Festzuhalten ist, dass auch im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein in den Gesetzesmaterialien angesprochenes „Missbrauchsproblem“ bestehen könnte (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 4).

3. Liegt eine – wenngleich nach der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ergangene – Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu der maßgebenden Rechtsfrage bereits vor, ist die Revision unzulässig, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein müssen (RS0112921 [T4, T5]).

4. Die Klägerin konnte bei Erstattung ihrer Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision nicht erkennen, weil zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung 10 ObS 51/19a noch nicht vorgelegen war. Ihr stehen daher in entsprechender Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung auch dann zu, wenn sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (RS0112921 [T6]; RS0123861).

Textnummer

E126318

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00111.19Z.0913.000

Im RIS seit

17.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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