Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners A*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, über den Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 19. März 2019, GZ 2 R 44/19i-308, mit dem dem Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 21. Jänner 2019, GZ 6 S 11/12g-301, nicht, dem Rekurs des Insolvenzverwalters Dr. G*****, dagegen teilweise Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
1. Die Anfechtungsbeschränkungen des § 528 ZPO gelten auch im Insolvenzverfahren (§ 252 IO; RIS-Justiz RS0044101 [T15]). Ein Revisionsrekurs ist daher gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist.
Eine teilweise bestätigende Entscheidung ist jedoch nur dann zur Gänze anfechtbar, wenn der bestätigende und der abändernde bzw aufhebende Teil in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass sie voneinander nicht gesondert werden können und deshalb die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann (RS0044257 [T61]). Stehen die Anträge, über die vom Rekursgericht entschieden wurde, hingegen nicht in einem derartigen Zusammenhang, sondern kann jeder für sich ein eigenes Schicksal haben, dann ist die Anfechtbarkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung für jeden Antrag gesondert zu beurteilen.
Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Sachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass also ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (1 Ob 89/99s mwN).
Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann.
Der Schuldner wirft dem Insolvenzverwalter verschiedene Verletzungen seiner Pflichten vor. Aus jedem einzelnen behaupteten Pflichtverstoß wird eine genau bezifferte Forderung abgeleitet. Jeder Anspruch kann für sich alleine unabhängig von den anderen bestehen. Es ist somit von mehreren Entscheidungsgegenständen auszugehen, bei denen die Rechtsmittelzulässigkeit einer unterschiedlichen Beurteilung unterliegt (vgl RS0042766 [T6]).
In dem Umfang, in dem das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts zur Gänze bestätigte (Ersatz von 4.500 EUR für Schätzgutachten) ist der Revisionsrekurs daher jedenfalls unzulässig und war schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
2. Der Schuldner macht weiters einen Schadenersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter über 13.736,68 EUR geltend und bringt vor, dass aufgrund der Selbstberechnung der Immobilienertragssteuer (ImmoESt) im Zusammenhang mit Liegenschaftsverkäufen aus der Masse ein vom Insolvenzverwalter verschuldeter Gemeinschaftsschaden vorliegt.
Das Erstgericht trug dem Insolvenzverwalter die Zahlung von 13.736,68 EUR an die Masse auf, weil es sich um Sondermassekosten handle.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Masseverwalters gegen diesen Beschluss Folge und wies den Antrag ab, weil keine Sondermassekosten gegeben seien und auch die Grundlage für einen Schadenersatzanspruch und die Legitimation unklar sei.
Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, wie im Fall der Masseunzulänglichkeit die ImmoESt zu berücksichtigen sei.
Der Schuldner begehrt in seinem Revisionsrekurs erkennbar, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.
Der Insolvenzverwalter beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben
Der Revisionsrekurs ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 252 IO) nicht zulässig.
3. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob – was vom Schuldner zuletzt bestritten wurde – Masseunzulänglichkeit vorliegt bzw inwieweit der Schuldner zur Geltendmachung von Gemeinschaftsschäden im Rahmen des Rechnungslegungsverfahrens legitimiert ist, weil selbst unter Zugrundelegung des Vorbringens im Revisionsrekurs kein haftungsbegründendes Verhalten des Insolvenzverwalters erkennbar ist.
4. Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung 8 Ob 141/12m klargestellt, dass die durch Liegenschaftsveräußerungen während des Insolvenzverfahrens entstehende ImmoESt eine Masseforderung und keine Sondermasseforderung oder Insolvenzforderung darstellt. Dabei hat er auf seine Rechtsprechung zu der in § 30 EStG (alt) geregelte Steuer auf den Spekulationsgewinn verwiesen, wonach diese nicht zu den Sondermassekosten zählt. Personen-Subjektsteuern, wie die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer, seien grundsätzlich der allgemeinen Masse zuzurechnen, weil sie auch nach den allgemeinen Einkommensverhältnissen des jeweiligen Steuerpflichtigen zu bezahlen seien und dabei zahlreiche auf die gesamte Masse bezughabenden Momente Bedeutung hätten. Die von der Gläubigerin befürwortete Beurteilung der Immobilienertragssteuer als Konkurs-(Insolvenz-)Forderung müsse daran scheitern, dass der die Steuerpflicht auslösende Sachverhalt (§ 46 Z 2 IO) in der Realisierung eines gestiegenen Liegenschaftswerts durch die Veräußerung bestehe, auch wenn der Wertzuwachs als solcher großteils bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei.
5. Da die Beurteilung als Masse- oder Insolvenzforderung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 IO abhängt und nicht davon, wie der steuerpflichtige Vorgang der Finanzbehörde bekannt gemacht wird, hätte entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs die Aufnahme in die Abgabenerklärung statt einer Selbstberechnung durch den Insolvenzverwalter nicht zu einer Änderung dieser Einordnung führen können.
6. Die Ausführungen des Revisionsrekurses vermögen nun nicht näher darzustellen, worin konkret die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten gelegen ist und inwieweit dadurch konkret der geltend gemachte Schaden verursacht wurde. Dass sich die Höhe des zu bezahlenden Betrags geändert hätte, wird vom Schuldner nicht behauptet.
7. Inwieweit, solange eine auch nur teilweise Abdeckung der Steuerschuld aus der Masse zu erwarten ist, mit einem Verzicht der Republik Österreich auf die Einhebung zu rechnen ist, lässt auch das Rechtsmittel offen.
8. Richtig hat schon das Rekursgericht darauf verwiesen, dass die sich aus § 30c EStG ergebende persönliche Haftung des Parteienvertreters gegenüber dem Finanzamt nicht zu seiner Haftung gegenüber dem Schuldner führt. Eine Grundlage für einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Insolvenzverwalter und eine Verpflichtung zur Zahlung des Insolvenzverwalters an die Masse lässt sich daraus nicht ableiten.
9. Der Rekurs war daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.
Textnummer
E126268European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00058.19S.0829.000Im RIS seit
10.10.2019Zuletzt aktualisiert am
10.10.2019