Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****, und 2. F*****, beide *****, vertreten durch die MM Metzler & Musel Rechtsanwälte GmbH, Linz, gegen die beklagte Partei B*****GmbH, *****, vertreten durch Mag. Caterina Ortner, Rechtsanwältin in Linz, sowie die Nebenintervenientinnen 1. Ing. J. *****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch MMag. Arnold Gigleitner, Rechtsanwalt in Linz, 2. a***** gmbh, *****, vertreten durch die Wildmoser/Koch & Partner Rechtsanwälte GmbH, Linz, 3. H*****gesellschaft mbH in Liquidation, *****, vertreten durch Dr. Walter Müller und andere, Rechtsanwälte in Linz, und 4. G***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 127.936,41 EUR sA sowie wegen Leistung (Streitwert insgesamt 18.000 EUR) und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien (Revisionsinteresse 126.603,80 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Februar 2019, GZ 1 R 112/18y-203, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. Mai 2018, GZ 38 Cg 46/13x-191, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden unter Wegfall der im angefochtenen Urteil enthaltenen
Entscheidung über die Kostenrekurse der beklagten Partei sowie der vierten Nebenintervenientin dahin abgeändert, dass Punkt II.4. des erstinstanzlichen Urteils zu lauten hat:
„Zwischen den Streitteilen wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche künftige Schäden ersatzpflichtig ist, die am Haus *****, gelegen auf dem Grundstück *****, entstehen und ihre Ursache in der Errichtung des nordseitigen Gebäudes *****, auf dem Grundstück *****, und die mit der Errichtung dieses Gebäudes zusammenhängenden Veränderungen der Freiflächen auf den Grundstücken *****, haben.“
Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens aufgetragen.
Die Kläger sind schuldig, der beklagten Partei sowie der zweiten, dritten und vierten Nebenintervenientin deren jeweils mit 2.685,42 EUR (darin 447,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind insgesamt zu 11/12tel Miteigentümer einer Liegenschaft mit einem „Gründerzeithaus“, in dem sich im Erdgeschoss – derzeit nicht vermietete – Geschäftslokale und in den drei Obergeschossen Wohnungen befinden. Die Beklagte ist Eigentümerin der Nachbarliegenschaft. Sie ließ darauf ab Herbst 2008 aufgrund einer ihr erteilten Baubewilligung ein
– unmittelbar an das Haus der Kläger anschließendes – Gebäude mit 23 Wohnungen, einer Büroeinheit und 61 Tiefgaragenabstellplätzen errichten. Die Beklagte beauftragte die Erstnebenintervenientin mit den Baumeisterarbeiten, die Zweitnebenintervenientin mit der örtlichen Bauaufsicht und die Drittnebenintervenientin mit der Erbringung der „statischen Leistungen“, die sich dafür der Viertnebenintervenientin bediente.
Die Kläger begehren den Ersatz der fiktiven (also noch nicht aufgewendeten) Reparaturkosten für die durch die Bautätigkeit der Beklagten verursachten Schäden an ihrem Gebäude, das dadurch wieder in den Zustand vor Beginn der Bauarbeiten versetzt werden soll. Eine Reparatur dieser Schäden werde nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens
– gemeinsam mit anderen Sanierungsarbeiten – durchgeführt. Hilfsweise stützen die Kläger ihr Zahlungsbegehren auf den Ersatz der von der Beklagten verursachten Wertminderung ihres Gebäudes. Es wird auch die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden an ihrem Gebäude begehrt; ebenso die Entfernung von Bauresten aus einer (zwischen den beiden Gebäuden befindlichen) Gebäudefuge. Diese Ablagerungen hätten einerseits die Grundgrenze überschritten, andererseits sei dadurch eine unzulässige Schallbrücke entstanden. Außerdem begehren die Kläger die Entfernung der Wärmedämmung und „sonstiger Gebäudeteile“ sowie der Bodenplatte des Gebäudes der Beklagten, soweit diese Teile auf das Grundstück der Kläger reichen oder die Bodenplatte ohne Trennfuge an ihr Haus „anbetoniert“ wurde; ebenso die Entfernung einer auf dem Grundstück der Kläger erfolgten Geländeaufschüttung, hilfsweise die Unterlassung von Grund- und Oberflächenzuflüssen sowie eines zusätzlichen Erddrucks auf ihr Haus.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren im Umfang von 29.333,33 EUR statt und wies das darüber hinausgehende (Zahlungs-)Mehrbegehren sowie die auf „Entfernung“, Unterlassung sowie auf Feststellung gerichteten Begehren ab. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
Durch die von der Beklagten beauftragten Bauarbeiten entstanden (zusätzliche) Risse, Vergrößerungen bereits bestehender Risse sowie (zusätzliche) Abplatzungen am Gebäude der Kläger. Dessen ohnehin schlechter Zustand wurde dadurch weiter verschlechtert. Insgesamt wurden durch die Bauarbeiten der Beklagten folgende Schäden am Haus der Kläger verursacht: ca 35 % der Rissbildungen am Gewölbe im „Raum 2“ und die gesamte Bodenaufwölbung in diesem Raum; ca 50 % der Mauerwerksschwächung und des „Y-Risses“ an der Außenwand sowie der Risse im ersten Obergeschoss; die gesamte Beschädigung des Fliesenbodens im „Raum 2“; ca 50 % der Durchfeuchtungsschäden und der Schäden an der nördlichen Feuermauer.
Die Gesamtkosten für eine Behebung dieser Schäden betragen 55.271,69 EUR netto. Durch die Reparatur würde sich die Lebensdauer der betroffenen Gebäudeteile nicht verlängern. Die Kläger (sowie der dritte Miteigentümer) beabsichtigen nicht, ihr Gebäude „im klagsgegenständlichen Umfang“ zu sanieren. Die durch die Bautätigkeit der Beklagten verursachte Wertminderung der Liegenschaft der Kläger beträgt 32.000 EUR.
Die Wärmedämmung des Gebäudes der Beklagten ragt – oberhalb des Hauses der Kläger – um bis zu 13 cm in den „Luftraum“ der Liegenschaft der Kläger; die Attikaverblechung ragt um weitere 5 bis 7 cm herein (eine Messabweichung von maximal 4 cm ist möglich). Eine Nutzungseinschränkung oder sonstige Beeinträchtigung für die Kläger ergibt sich daraus nicht. Nach Abschluss der Bauarbeiten der Beklagten befanden sich kleinere Ziegelteile und Mörtelreste in einer Gebäudefuge, wodurch es aber zu keiner Schallbrücke zwischen den Gebäuden und zu keinen (sonstigen) Nachteilen für die Kläger kam. Die Bodenplatte des Gebäudes der Beklagten überragt die Grundstücksgrenze nicht; sie wurde auch nicht an das Haus der Kläger „anbetoniert“. Dass es vom Grundstück der Beklagten zu einem Grund- und Oberflächenwasserzufluss zum Gebäude der Kläger komme, konnte nicht festgestellt werden. Vom Grundstück der Beklagten wird kein – im Vergleich zum Zustand vor Beginn der Bauarbeiten – zusätzlicher Erddruck auf das Gebäude der Kläger ausgeübt. Mit weiteren durch die Bautätigkeit der Beklagten verursachten Schäden am Gebäude der Kläger ist nicht zu rechnen.
Über die von den Klägern erhobene Berufung (das auf Entfernung von Geländeaufschüttungen gerichtete Begehren wurde in zweiter Instanz fallengelassen) bestätigte das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung.
Es ging – wie das Erstgericht – davon aus, dass die Beklagte den Klägern die durch ihre Bauarbeiten verursachten Schäden verschuldensunabhängig zu ersetzen habe. Da die Kläger keine Sanierung der Schäden beabsichtigten, sei ihnen nur die – auf ihre Miteigentumsanteile entfallende – objektive Wertminderung ihres Gebäudes als Schadenersatz zuzusprechen. Ein Anspruch auf Entfernung von Bauschutt aus der Gebäudefuge bestehe nicht, weil sich die Fuge nicht auf dem Grundstück der Kläger befinde. In deren Eigentum sei daher nicht eingegriffen worden. Das ebenfalls aus einer Überschreitung der Grundstücksgrenze abgeleitete Begehren auf Entfernung der in den „Luftraum“ der Kläger ragenden Wärmedämmung und Attikaverblechung (wobei im Klagebegehren neben der Wärmedämmung nur „sonstige Gebäudeteile“ genannt wurden) sei rechtsmissbräuchlich, weil ein bloß ganz geringfügiges Hereinragen des Gebäudes der Beklagten in den „Luftraum“ der Kläger für diese mit keinerlei Nachteilen verbunden sei. Auch ein Anspruch auf Entfernung eines Teils der Bodenplatte bestehe mangels Überschreitung der Grundstücksgrenze bzw mangels „Anbetonierens“ an das Gebäude der Kläger nicht. Ein vom Grundstück der Beklagten ausgehender und auf deren Bautätigkeit zurückzuführender (zusätzlicher) Erddruck auf das Gebäude der Kläger werde nicht ausgeübt, sodass das darauf gerichtete Unterlassungsbegehren ebenso abzuweisen sei, wie das hilfsweise Begehren auf Unterlassung einer – nicht feststellbaren – Wasserzuleitung zum Grundstück der Kläger. Das Feststellungsbegehren scheitere am fehlenden Feststellungsinteresse.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht nicht von höchstgerichtlicher Judikatur abgegangen sei und für die Entscheidung die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend gewesen seien.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Kläger ist
– entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – zulässig und (hinsichtlich des Feststellungsbegehrens) auch berechtigt.
1. Zum Zahlungsbegehren:
1.1. Soweit die Revision Ausführungen zur Haftung der Beklagten dem Grunde nach enthält und etwa kritisiert, dass sich das Berufungsgericht nicht mit einer deliktischen Haftung der Beklagten auseinandergesetzt habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanzen ohnehin einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz der durch die Bauführung der Beklagten verursachten Schäden bejaht und diesen nur der Höhe nach mit der objektiven Wertminderung des beschädigten Gebäudes begrenzt haben. Auf die Frage des Haftungsgrundes muss daher nicht weiter eingegangen werden.
1.2. Die Revisionswerber wenden sich dagegen, dass ihnen nur ein Ersatz der (auf ihre Miteigentumsanteile entfallenden) objektiven Wertminderung zugesprochen wurde, nicht hingegen die begehrten (fiktiven) Reparaturkosten. Sie argumentieren, dass es sich bei den „Ausführungen“ des Erstgerichts, wonach die Kläger (sowie der dritte Miteigentümer) keine Sanierung bzw Instandsetzung des Gebäudes „im klagsgegenständlichen Umfang“ beabsichtigen, um eine korrekturbedürftige rechtliche Beurteilung handle. Richtigerweise ist die
Feststellung einer bestimmten
Absicht jedoch eine nicht revisible Tatfrage (vgl RS0043460). Der Schluss von bestimmten Tatsachen auf das Vorhandensein eines bestimmten Bewusstseins, eines bestimmten Willens oder einer bestimmten
Absicht gehört in den Bereich der Tatsachenfeststellungen (RS0043418). Dies gilt entgegen der Ansicht der Revisionswerber auch für den in die Zukunft gerichteten Willen einer Person (vgl etwa 1 Ob 620/94 zur
– wie hier – Reparaturabsicht des Geschädigten; ebenso die in der Revision zitierte Entscheidung 2 Ob 116/08k [„Feststellungen“ zur Reparaturabsicht]). Die erstinstanzliche Beweiswürdigung kann in dritter Instanz nicht mehr überprüft werden.
1.3. Die Revisionswerber ziehen nicht in Zweifel, dass ein über den Ersatz der objektiven Wertminderung hinausgehendes Begehren abzuweisen ist, wenn feststeht, dass die Reparatur nicht durchgeführt wird (vgl RS0030285 [T20]). Sie argumentieren jedoch, dass dies nur für eine „objektive“ Undurchführbarkeit gelte, hingegen nicht, wenn es dem Geschädigten bloß am („subjektiven“) Reparaturwillen fehle. Ein Unterbleiben der Reparatur steht aber nicht nur dann fest, wenn die Reparatur objektiv unmöglich ist (also nicht vorgenommen werden „kann“), sondern – wie sich etwa auch aus der von den Revisionswerbern ins Treffen geführten Entscheidung 2 Ob 116/08k ergibt – auch dann, wenn der Geschädigte die Reparatur bloß nicht beabsichtigt.
1.4. Die Revisionswerber argumentieren, dass nicht feststehe, ob sie – hinsichtlich der durch die Bauarbeiten hervorgerufenen Schäden, für die das Deckungskapital begehrt wird – überhaupt keine Reparaturen oder die Reparaturen bloß nicht zur Gänze (aber etwa hinsichtlich der „dringendsten“ Schäden) vornehmen lassen wollen. Das Berufungsgericht verstand die erstinstanzliche Feststellung, wonach die Kläger (sowie der dritte Miteigentümer) nicht beabsichtigen, ihre Gebäude „im klagsgegenständlichen Umfang“ zu sanieren bzw instand zu setzen, allerdings im Sinn einer gänzlich fehlenden Reparaturabsicht. Eine Korrektur dieses Verständnisses käme nur in Betracht, wenn an der – jeweils einzelfallbezogenen – Auslegung der erstinstanzlichen Feststellung durch das Berufungsgericht Bedenken bestünden (vgl RS0118891 [T5]), was hier nicht der Fall ist.
Für das vom Berufungsgericht zugrundegelegte Verständnis sprechen vor allem die Ausführungen des Erstgerichts in seiner (umfangreichen) Beweiswürdigung. Abgesehen davon, dass dort ganz generell von einem „fehlenden Sanierungswillen“ die Rede ist, strich das Erstgericht hervor, dass die Kläger bisher nicht einmal dringend erforderliche (der Gefahrenabwehr dienende) Reparaturmaßnahmen (wie etwa die „Unterstellung“ eines einsturzgefährdeten Raums) unternahmen. Das Erstgericht zog auch den Schluss, „dass auch ein etwaiger Zuspruch im hier gegenständlichen Verfahren nicht für die Sanierung des klägerischen Gebäudes aufgewendet werden wird“, führte aus, dass nicht glaubhaft sei, dass „nunmehr Sanierungsmaßnahme aus eigenem Antrieb vorgenommen werden“ und gelangte zu dem Ergebnis, dass keine Beweisergebnisse vorlägen, die „auch nur ansatzweise auf einen Sanierungswillen beim Zweitkläger sowie dem weiteren Miteigentümer schließen lassen würden“. Eine Korrektur des vom Berufungsgericht zugrundegelegten Verständnisses der genannten Feststellung verbietet sich aufgrund dieser Ausführungen.
Ausgehend vom gänzlichen Fehlen einer Reparaturabsicht der Kläger steht diesen nur die bereits von den Vorinstanzen zugesprochene Wertminderung zu.
2. Zur begehrten Entfernung von Bauschutt:
2.1. Die in diesem Zusammenhang behauptete Aktenwidrigkeit wurde
geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.2. Eine Rechtsrüge wird hinsichtlich der bekämpften Abweisung des auf die Entfernung von Baumaterial aus einer Gebäudefuge gerichteten Begehrens nicht erhoben.
3. Zur begehrten Entfernung der „Überbauung“:
3.1. Das Recht des Grundstückseigentümers wird durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (RS0010395). Rechtsmissbrauch (Schikane) ist aber nicht erst dann anzunehmen, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als jenes, dem Anderen Schaden zuzufügen, sondern bereits dann, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund steht und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht (RS0025230; RS0026265). Bei einem geringfügigen Grenzüberbau kann der Schikaneeinwand des Bauführers berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt (RS0115858). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (RS0110900).
3.2. Der Oberste Gerichtshof erachtete etwa das Hineinragen von Betonfundamenten (von Zaunstehern) unter der Erdoberfläche 15 bis 20 cm in das Nachbargrundstück (8 Ob 39/09g), eine über eine Länge von 19,6 m 19 bis 32 cm auf fremdem Grund errichtete Mauer (3 Ob 216/15h) oder eine Überbauung durch einen Zubau an der Grundstücksgrenze mit einer Länge von 10,16 m und einer Breite von 23 cm in einer Höhe von ca 3 bis 7,5 m (9 Ob 32/02z) als bloß geringfügig.
3.3. Die Beurteilung des Hereinragens der Wärmedämmung und der Attikaverblechung des Gebäudes der Beklagten in den „Luftraum“ der Kläger um (insgesamt) ca 16 cm (dass die Bauteile weiter hereinragen, ergibt sich aufgrund der festgestellten „Messtoleranz“ nicht) als bloß geringfügig hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Die in der Revision angeführten Entscheidungen zur Pflicht des Bauführers, sich über den Grenzverlauf zu informieren (vgl RS0011116), betreffen die Frage des Eigentumserwerbs durch Bauführung und sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Da nicht einmal ansatzweise erkennbar ist, dass die Kläger durch den „Überbau“ von irgendeinem Nachteil betroffen wären (konkrete – auch künftige – Vorteile einer Entfernung der [geringfügigen] Überbauung legen die Revisionswerber nicht dar), wohingegen die mit einem Rückbau des Bauwerks der Beklagten verbundenen massiven Aufwendungen offensichtlich sind, ein bewusstes Überbauen durch die Beklagte nicht behauptet wurde und sich den erstgerichtlichen Ausführungen insgesamt entnehmen lässt, dass die Klageführung in diesem Punkt auf eine Schädigung der Beklagten abzielt, ist die Beurteilung des „Entfernungsbegehrens“ als rechtsmissbräuchlich unbedenklich.
4. Zur begehrten Entfernung der Bodenplatte:
4.1. Der in diesem Zusammenhang behauptete zweitinstanzliche Verfahrensfehler wurde
geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
4.2. Die Ausführungen (in der Rechtsrüge) zur Beweislast gehen ins Leere, weil positiv festgestellt wurde, dass die Bodenplatte nicht auf den Grund der Kläger reicht und auch nicht „anbetoniert“ wurde. Die Regeln über die
Beweislastverteilung greifen nur dann ein, wenn eine rechtlich relevante Tatsache nicht bewiesen ist (RS0039872 [T1]).
5. Zum behaupteten Wasserzufluss und Erddruck:
5.1. Soweit in der Revision hinsichtlich des behaupteten – nach Ansicht der Kläger auf die Bautätigkeit der Beklagten zurückzuführenden – Erddrucks auf ihr Gebäude ebenfalls Beweislastfragen erörtert werden, sind die Revisionswerber auf die positive Feststellung zu verweisen, wonach vom Grundstück der Beklagten kein zusätzlicher Erddruck auf das klägerische Gebäude ausgeht.
5.2. Zur begehrten Unterlassung eines Wasserzuflusses vom Grundstück der Beklagten auf das Grundstück der Kläger traf das Erstgericht eine Negativfeststellung. Der unterbliebene Nachweis, dass es (trotz festgestellter Drainagierung auf dem Grundstück der Beklagten) zu einem Wasserzufluss zum Gebäude der Kläger kommt, fällt diesen zur Last (zur Beweislast für den Eingriff in das Eigentum vgl RS0120702). In der in der Revision genannten Entscheidung 2 Ob 147/03m befasste sich der Oberste Gerichtshof mit der Abgrenzung einer unmittelbaren Zuleitung von einer bloß mittelbaren Immission bei Aufschüttungen auf dem Nachbargrund. Die in der Revision thematisierte Frage der Beweislast für einen Eingriff in das Eigentum wird dort nicht angesprochen.
6. Zum Feststellungsbegehren:
6.1. Auch der zum Feststellungsbegehren behauptete zweitinstanzliche Verfahrensmangel wurde
geprüft und liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
6.2. In ihrer Rechtsrüge wenden sich die Revisionswerber aber zu Recht gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach es dem Feststellungsbegehren am erforderlichen Feststellungsinteresse fehle. Der Oberste Gerichtshof vertritt nunmehr in ständiger Rechtsprechung, dass der bloße Umstand, dass künftige (weitere) Schäden „nicht zu erwarten“ sind, zur Verneinung des Feststellungsinteresses im Sinne des § 228 ZPO nicht ausreicht (RS0038976 [T28]). Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob ein künftiger Schadenseintritt
mit Sicherheit auszuschließen ist. Ist dies nicht der Fall, ist dem schadenersatzrechtlichen Feststellungsbegehren stattzugeben (vgl RS0039018 [T28]). Aus der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, dass mit zukünftig eintretenden Schäden „nicht zu rechnen ist“, ergibt sich gerade nicht mit Sicherheit, dass künftige Schäden nicht (doch) eintreten könnten (RS0039018 [T20]), weshalb das Feststellungsinteresse der Kläger zu bejahen ist und ihrer Revision insoweit Berechtigung zukommt.
7. Die Aufhebung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen beruht auf einer sinngemäßen Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO (RS0124588; hier: vier Nebenintervenienten auf Beklagtenseite; mehrere Verfahrensabschnitte mit unterschiedlichen Streitwerten und Erfolgsquoten; umfangreiche Einwendungen der Kläger gegen die von der Beklagten sowie den Nebenintervenienten verzeichneten Kosten; Kostenrekurs der Beklagten sowie der Viertnebenintervenientin). Mit der Aufhebung dieser Kostenentscheidungen wird auch die einen Teil der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen bildende Erledigung der Kostenrekurse und der daraus resultierende Zuspruch von Kosten dieser Rekursverfahren hinfällig, weil insoweit ein vom (endgültigen) Erfolg in der Hauptsache gesondert zu beurteilender Zwischenstreit nicht vorliegt.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 50 Abs 1 und 43 Abs 2 ZPO. Die Beklagte sowie die (sich am Revisionsverfahren beteiligenden) Zweit-, Dritt- und Viertnebenintervenientinnen unterlagen in dritter Instanz nur hinsichtlich des Feststellungsbegehrens (Streitwert 10.000 EUR; Revisionsstreitwert insgesamt 126.603,08 EUR) und somit bloß geringfügig, sodass ihnen der volle Ersatz ihrer im Revisionsverfahren angefallenen Kosten zusteht.
Textnummer
E126276European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00062.19B.0925.000Im RIS seit
10.10.2019Zuletzt aktualisiert am
10.06.2020