Entscheidungsdatum
28.05.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W231 2212605-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA AFGHANISTAN, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 04.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird
gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.05.2008 wurde dem BF im Rahmen des Familienverfahrens als mj. Familienangehörigen einer Asylberechtigten (seiner Mutter) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
I.2. Im Juni 2016 langte bei der belangten Behörde eine Verständigung über die rechtskräftige Verurteilung des BF gem. § 142 Abs. 1 StGB, § 15 StGB (Jugendstraftat) ein.
I.3. Im August 2018 wurde die belangte Behörde über eine weitere rechtskräftige Verurteilung des BF gem. § 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB, § 50 Abs. 1 Z 3 WaffenG informiert.
I.4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 04.12.2018 entzog die belangte Behörde dem BF gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 iVm § 92 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) seinen Konventionsreisepass mit der Passnummer XXXX .
Im Hinblick auf die rechtskräftigen Verurteilungen des BF habe eine positive Prognose hinsichtlich einer möglichen vom BF ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich nicht abgegeben werden können. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilungen wegen schwerwiegender Strafrechtsdelikte gehe für die belangte Behörde eindeutig hervor, dass der BF nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es sei zu befürchten, dass der BF durch einen Aufenthalt im Ausland als Passinhaber die Reputation der Republik Österreich gefährden würde, womit auch eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit gegeben sei. Der BF stelle weiterhin eine potentielle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, aus den rechtskräftigen Verurteilungen gehe ein deutlicher Mangel an Unrechtsbewusstsein hervor, woraus zu schießen sei, dass der BF nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und die bestehenden Rechtsgüter zu achten. Es könne keine positive Zukunftsprognose für das weitere Wohlverhalten des BF abgegeben werden, somit bestehe die Annahme der vom BF ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit weiterhin und sei die Maßnahme der Passentziehung gerechtfertigt.
I.5. Am 10.01.2019 langte die dagegen erhobene, rechtzeitige und zulässige Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Ein Grund für den Entzug des Konventionsreisepasses liege nicht vor.
I.6. Am 18.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in der sich die erkennende Richterin einen persönlichen Eindruck vom BF verschaffen konnte. Der BF und sein bevollmächtigter Rechtsvertreter nahmen teil, ebenso eine Vertreterin des BFA.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Sachverhalt:
II.1.1. Der BF ist volljährig und Staatsangehöriger von Afghanistan. Er lebt mit seinen Angehörigen in Wien.
Mit Bescheid vom 20.05.2008 wurde der Mutter des BF Asyl gewährt. Abgeleitet von dieser Angehörigen erhielt der BF mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.05.2008 ebenfalls Asyl, da es sich beim damals minderjährigen BF um einen Familienangehörigen einer Asylberechtigten handelte.
II.1.2. Dem BF wurden in der Folge laufend Konventionsreisepässe ausgestellt, zuletzt jener mit der Passnummer XXXX .
II.1.3. Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien zu XXXX vom 23.05.2016, rechtskräftig seit diesem Tag, wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1, § 15 StGB unter Anwendung von §§ 28 Abs. 1 StGB und § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt (Jugendstraftat). Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF gemeinsam mit einem weiteren Asylwerber im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) einem Opfer ca. € 14 an Bargeld weggenommen haben, indem sie das Opfer umzingelten und unter Vortäuschung eines zugeklappten Klappmessers die Herausgabe von Bargeld forderten. Weiters, dass der BF und sein Mittäter am selben Tag gemeinsam mit einer weiteren strafunmündigen Person einem anderen Opfer € 70 an Bargeld weggenommen haben, indem sie dieses Opfer umzingelten und unter Vortäuschung eines Messers die Herausgabe von Bargeld forderten. Weiters, dass der BF und sein Mittäter gemeinsam mit einer strafunmündigen Person weiteren Opfern ein Mobiltelefon wegnahmen, indem sie zunächst die beiden Opfer bedrängten und nach Geld fragten, und als ein Opfer mit seinem Handy die Polizei rufen wollte, diesem das Handy entrissen und weggingen, worauf das Opfer den Tätern nachging und im Tausch gegen sein Handy € 24 anbot, wobei der BF und sein Mittäter dieses "Anbot" annahmen. Zwischen Mitte Februar 2016 und Ende Februar 2016 versuchte der BF weiters unbekannten Opfern Geld wegzunehmen, wobei es deshalb beim Versuch blieb, weil die Opfer die Räuber nicht ernst nahmen oder wegliefen.
Im Rahmen der Strafzumessungsgründe berücksichtigte das Gericht beim BF mildernd das Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, sowie seinen bisher ordentlichen Lebenswandel. Erschwerend wurde die Tatwiederholung gewertet.
II.1.4. Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien zu XXXX vom 04.07.2018, rechtskräftig seit diesem Tag, wurde der BF wegen 1) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB, und 2) des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffenG nach § 107 Abs. 2 StGB unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 2 StGB wurde der Vollzug von 7 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Die erlittene Vorhaft wurde angerechnet. Die sichergestellte Gaspistole samt Schalldämpfer wurde eingezogen.
Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis und die Tatbegehung vor Vollendungen des 21. Lebensjahres. Als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, den Rückfall innerhalb offener Probezeit und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. Vom Widerruf der mit Urteil vom 23.05.2016 gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen und die Probezeit auf 5 Jahre verlängert. Für die Dauer der Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet. Gemäß § 51 Abs. 2 StGB erteilte das Gericht die Weisung an den BF, ein Antigewalt-Training zu absolvieren und einen Nachweis darüber unaufgefordert vierteljährlich vorzulegen.
Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF an einem Tag im Mai 2018 in Wien zwei Opfer gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er eine Gaspistole gegen ihren Körper richtete und diese repetierte. Weiters, dass der BF für ca. 10 Tage im Mai 2018 trotz Waffenverbotes eine Waffe, nämlich eine Gaspistole Marke Walter P 22, besessen hatte.
II.1.5 Der BF reiste mit seinem Konventionsreisepasse im Jahr 2014 oder 2015 einmal in den Iran, um dort mit seiner Familie Urlaub zu machen. Er hat derzeit nicht vor, Österreich zu verlassen.
Der BF lebt mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Er besucht eine Bundeshandelsakademie als ordentlicher Schüler und absolviert seit 24.10.2018 das gerichtlich angeordnete Anti-Gewalttraining und arbeitet dort aktiv mit.
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang sowie der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte sich die erkennende Richterin einen persönlichen Eindruck vom BF verschaffen.
Die Feststellungen zu seinem strafrechtlichen Fehlverhalten ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus einem aktuellen Strafregisterauszug sowie den aktenkundigen Urteilen des LG für Strafsachen Wien, und wurden auch vom BF nicht in Abrede gestellt. Auch der angeforderte Strafakt zu Zl. XXXX bestätigte die Verurteilung und die zugrundeliegenden Taten.
Die Feststellung zu den Gründen, aus denen der BF seinen Konventionsreisepass bislang benutzt hat, und dass er derzeit nicht vorhat, Österreich zu verlassen, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Verfahren.
Den Schulbesuch und die Absolvierung des Anti-Gewalttrainings hat der BF durch Schulbesuchs- bzw. Teilnahmebestätigungen nachgewiesen.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt (§ 1 leg.cit.).
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 3 BFA-G obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.
II.3.2. Zur Stattgabe der Beschwerde:
II.3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG 2005 sowie § 3 Abs. 2 Z 5 BFA-VG obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG.
Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;
2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;
3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;
4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;
5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
Gemäß § 93 Abs. 1 Z 1 FPG ist ein Fremdenpass zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung der Ausstellung des Fremdenpasses rechtfertigen würden.
§ 94 FPG lautet:-
(1) Konventionsreisepässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.
(2) - (4) (...)
(5) §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.-
Asylberechtigten ist gemäß § 94 Abs. 1 FPG grundsätzlich auf Antrag ein Konventionsreisepass auszustellen. Die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 iVm § 94 Abs. 5 FPG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG (Statusrichtlinie) zu lesen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16.05.2013, Zl. 2013/21/0003).
Voraussetzung für die Versagung ist in diesen Fällen eine Prognoseentscheidung, die unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des Fremden zu treffen ist.
Die belangte Behörde stützt den Entzug des Konventionsreisepasses im konkreten Fall auf § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 iVm § 92 Abs. 1
FPG.
II.3.2.2. Der Begründung des Bescheides ist zunächst zu entnehmen, dass die belangte Behörde den Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 Z 5 FPG im Blick hat (arg.: Es sei zu befürchten, dass der BF durch einen Aufenthalt im Ausland als Passinhaber die Reputation der Republik Österreich gefährden würde, womit auch eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit gegeben sei.)
Als Versagungsgrund ist demgemäß anzusehen, wenn bestimmte Annahmen die Tatsache rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet werde. Zu denken ist hier zunächst an strafrechtlich relevante Delikte gegen die Sicherheit des Staates (Angriff auf die obersten Organe) sowie Gefahren für die militärische/äußere Sicherheit des Staates (Filzwieser u.a., Asyl- und Fremdenrecht, § 92 FPG, K4).
Gemäß der Judikatur des VwGH ergibt sich der Inhalt des Begriffs der "Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit" gem. der Vorgängerregelung des § 14 Abs. 1 Z 4 PaßG 1992 insbesondere aus § 16 SPG 1991. Danach begründen etwa die Delikte des VerbotsG einen "gefährlichen Angriff" und solcherart eine "allgemeine Gefahr" gem. § 16 Abs 1 SPG 1991 (VwGH 23.04.1998, 96/18/0475), oder auch das Delikt der Schlepperei (vgl. VwHG 17.02.2006, 2006/18/0030), ebenso Delikte nach dem Suchtmittelgesetz, da in Folge von Verstößen die innere Sicherheit der Republik Österreich, insbesondere die Volksgesundheit, gefährdet ist (vgl. VwGH 01.06.1999, 96/18/0473; 10.05.2000; 97/18/0455, 18.05.200, 2000/18/0130 u.a.).
Vor dem Hintergrund der zitierten Judiaktur ist nicht zu erkennen, dass die Verurteilungen des BF wegen des Verbrechens des Raubes gem. § 142 Abs. 1, § 15 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB, und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffenG, wegen der bereits dargestellten Tathandlungen (vgl. II.1.3., II.1.4.), im konkreten Fall die Annahme rechtfertigen, dass durch einen Aufenthalt des BF die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet wäre.
II.3.2.3. Der Begründung des Bescheides ist weiters zu entnehmen, dass die belangte Behörde eine Versagung gem. § 92 Abs. 1 FPG angenommen hat, weil zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung der Ausstellung entgegenstehen.
Die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 iVm § 94 Abs. 5 FPG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Statusrichtlinie) zu lesen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen (vgl. VwGH 16.05.2013, 2013/21/0003 sowie 05.05.2015, Ro 2014/22/0031).
Voraussetzung für die Passversagung ist in den angeführten Fällen jeweils eine durch die Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des Fremden zu treffende Prognoseentscheidung. Dabei liegt keine Bindung an die einem allenfalls vorangegangenen gerichtlichen Verfahren getroffenen Erwägungen vor [...] (Filzwieser u. a., Asyl- und Fremdenrecht, § 92 FPG, K6).
Die Versagung eines Konventionsreisepasses stellt eine vorbeugende Sicherungsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten dar. Bei der Prüfung der Frage, ob die vom Gesetz geforderte Annahme gerechtfertigt ist (Zukunftsprognose), ist festzustellen, ob Tatsachen vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen (vgl. VwGH 05.07.2012, 2010/21/0345 mit Verweis auf VwGH 24.06.2010, 2009/21/0084 zum Tatbestand der Z 4 - Schlepperei). Insbesondere ist das Vorliegen bestimmter Tatsachen zu prüfen, welche die Annahme rechtfertigen, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung der Ausstellung des Konventionsreisepasses entgegenstehen (vgl. VwGH 16.05.2013, 2013/21/0003 sowie 05.05.2015, Ro 2014/22/0031).
Solche Tatsachen sind im vorliegenden Fall nicht in hinreichend hervorgekommen: Der BF wurde - ohne jegliches grenzüberschreitende Element - vor annähernd 3 Jahren wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1, § 15 StGB unter Anwendung von §§ 28 Abs. 1 StGB und § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten (bedingt nachgesehen) verurteilt, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich um die Verurteilung wegen einer Jugendstraftat handelte.
Dieser Verurteilung liegt, wie dargestellt, zugrunde, dass der BF gemeinsam mit einem weiteren Asylwerber im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) einem Opfer ca. € 14, einem weiteren Opfer € 70 an Bargeld weggenommen haben, indem sie ihre Opfer umzingelten und unter Vortäuschung eines Messers die Herausgabe von Bargeld forderten. Weiters, dass der BF und sein Mittäter weiteren Opfern ein Mobiltelefon wegnahmen, indem sie zunächst die beiden Opfer bedrängten und nach Geld fragten, und als ein Opfer mit seinem Handy die Polizei rufen wollte, diesem das Handy entrissen und weggingen, worauf das Opfer den Tätern nachging und im Tausch gegen sein Handy € 24 anbot, wobei der BF und sein Mittäter dieses "Anbot" annahmen. Weites versucht der BF in einem kurzen Zeitraum im Februar 2016 unbekannten Opfern Geld wegzunehmen.
Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien wurde der BF am 04.07.2018 erneut (zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon 7 Monate bedingt) verurteilt, und zwar wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB, und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffenG nach § 107 Abs. 2 StGB. Als mildernd waren das Geständnis und die Tatbegehung vor Vollendungen des 21. Lebensjahres zu werten, als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, den Rückfall innerhalb offener Probezeit und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF am 25.05.2018 in Wien zwei Opfer gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er eine Gaspistole gegen ihren Körper richtete und diese repetierte. Weiters, dass der BF vom 14.05.2018 bis zum 25.05.2018 trotz Waffenverbotes eine Waffe, nämlich eine Gaspistole Marke Walter P 22, besessen hatte.
Gemäß § 51 Abs. 2 StGB erteilte das Gericht die Weisung an den BF, ein Antigewalt-Training zu absolvieren, was der BF aktuell und regelmäßig befolgt.
Beide Verurteilungen erfolgten ohne jegliches grenzüberschreitende Element bzw. ohne Auslandsbezug, bei der ersten Verurteilung war zudem zu berücksichtigen, dass es sich um eine Jugendstraftat handelte, und die verhängte Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen wurde. Bei der Verurteilung im Jahr 2018 handelt es sich um die Verurteilung wegen Vergehen, und wurde die Strafe - bis auf einen Monat - ebenfalls bedingt nachgesehen. Der BF lebt mit seinen nächsten Angehörigen in Wien, besucht als ordentlicher Schüler die Schule und absolviert regelmäßig ein Anti-Gewalt-Training. Er hat Österreich seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten einmal verlassen (ca. im Jahr 2014) und ist mit seiner Familie in den Iran gereist. Er plant aktuell keine weiteren Auslandsaufenthalte.
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass der BF seinen Konventionsreisepass benutzen würde, um im Ausland weitere Straftaten zu begehen. Insgesamt ist im Entscheidungszeitpunkt des Gerichts die Annahme nicht zu rechtfertigen, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung der Ausstellung des Konventionsreisepasses entgegenstehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
II.3.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/20/0387;
05.04.2018, Ra 2017/19/0531; 03.12.2002, 99/01/0449) noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. dazu die eben zitierte Judikatur);
weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Entziehung, ersatzlose Behebung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W231.2212605.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.10.2019