Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §69 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde 1. des F K und 2. der M K, beide in K, beide vertreten durch Dr. Robert Mogy, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Bahnhofstraße 41, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 1. April 1998, Zl. 710.966/02-OAS/98, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens über ein landwirtschaftliches Bringungsrecht (mitbeteiligte Partei: F M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. Juni 1992 räumte die Agrarbezirksbehörde K. (ABB) über Antrag der mitbeteiligten Partei (mP) zugunsten der Liegenschaft EZ 110 der KG D. ein land- und forstwirtschaftliches Bringungsrecht über Grundstücke der Beschwerdeführer ein.
Auf Grund einer Berufung der Beschwerdeführer nahm der Landesagrarsenat (LAS) mit Bescheid vom 31. Jänner 1994 in bezug auf das Bringungsrecht mehrere Abänderungen vor. U.a. wurde der mP auch das Recht eingeräumt, auf einem im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstück einen Umkehrplatz anzulegen.
Die Beschwerdeführer beriefen.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 1994 gab die belangte Behörde der Berufung statt, behob den Bescheid des LAS und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die ABB zurück. Begründet wurde diese Entscheidung damit, der Bescheid des LAS entspreche in einigen Punkten nicht der Rechtslage. Im Zusammenhang mit dem Umkehrplatz heißt es in der Begründung, für diesen wäre eine flächensparende Ausführung in Form eines unsymmetrischen Wendehammers vorzusehen. Der Umkehrplatz wäre zudem so weit wie möglich an die Grundgrenze der mP heranzuführen, um die wirtschaftlich ungünstige Restfläche der Beschwerdeführer zu reduzieren bzw. nach Möglichkeit auf Eigengrund des Antragstellers anzuordnen. Auf diese Weise wäre der gesetzlich geforderten möglichst geringen Inanspruchnahme von Fremdgrund entsprochen. Unmittelbar im Anschluß an diese Ausführungen findet sich folgender Satz:
"Außerdem sei noch auf den Unterschied zwischen dem Zaun bei der Grundgrenze im Bereich des geplanten Umkehrplatzes und auf den Verlauf der tatsächlichen Katastergrenze hingewiesen."
Im fortgesetzten Verfahren räumte die ABB mit Bescheid vom 15. März 1995 neuerlich zugunsten der Liegenschaft EZ. 110 ein über Grundstücke der Beschwerdeführer führendes land- und forstwirtschaftliches Bringungsrecht ein, welches auch einen Umkehrplatz umfaßt.
Die Beschwerdeführer beriefen.
Mit Bescheid vom 26. Februar 1996 änderte der LAS den erstinstanzlichen Bescheid teilweise ab. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Eine gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. November 1996 als verspätet zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 2. Jänner 1997 beantragten die Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des durch Bescheid des LAS vom 26. Februar 1996 abgeschlossenen Verfahrens. Zur Begründung führten sie aus, sie hätten durch Zufall erfahren, daß es zwischen den Grundstücken Nr. 1596 und 1577 der KG D. zu sogenannten Katasterspannungen komme. Die Einpassung der Grundstücke in den Grenzkataster führe dazu, daß die Situierung der gemeinsamen Grenze nicht feststehe bzw. voraussichtlich um ca. einen halben Meter bis Meter zu Lasten der mP verschoben werden könnte. Eine Nachfrage habe ergeben, daß im erstinstanzlichen Verfahren die Grundstücksgrenze nicht vermessen worden sei, sondern daß für die Situierung des Umkehrplatzes an Ort und Stelle Pflöcke angebracht worden seien, die aber nicht den tatsächlichen Grundstücksgrenzen entsprächen. Sollte sich bestätigen, daß die tatsächliche Grundstücksgrenze zu Lasten der mP verschoben werde, dann könnte der Wendehammer nicht in der im Bescheid vorgesehenen Weise situiert werden. Außerdem ergäbe sich dann eine andere Entschädigungssumme.
Mit Bescheid vom 21. April 1997 wies der LAS den Wiederaufnahmeantrag mit der Begründung ab, die "Katasterspannungen" seien bereits im abgeschlossenen Verfahren bekannt gewesen.
Die Beschwerdeführer beriefen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichshof angefochtenen Bescheid vom 1. April 1998 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, die Beschwerdeführer verträten in der Berufung die Auffassung, daß die "Katasterspannungen" zwischen den Grundstücken Nr. 1578 und 1576 im erstinstanzlichen Verfahren bekannt gewesen seien; im Bereich der Grenze der Grundstücke Nr. 1577 und 1596 sei jedoch eine Grenzverschiebung nicht bekannt gewesen. Dies sei aber unrichtig. In dem im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 1994 werde nämlich ausdrücklich auf den Unterschied zwischen dem Zaun bei der Grundgrenze im Bereich des geplanten Umkehrplatzes und auf den Verlauf der tatsächlichen Katastergrenze hingewiesen (Seite 12 der Entscheidungsbegründung). Weiters enthalte auch der im zweiten Rechtsgang erstattete Bericht des agrartechnisch sachkundigen Mitgliedes des LAS vom 18. November 1995 eine entsprechende Feststellung. Der von den Beschwerdeführern im Wiederaufnahmeantrag als maßgebend angesehene Umstand sei den Beschwerdeführern daher bereits vor rechtskräftigem Abschluß des Bringungsrechtsverfahrens bekannt gewesen. Es habe somit für die Beschwerdeführer die Möglichkeit bestanden, diese Tatsache im zweiten Verfahrensgang konkret aufzugreifen. Wenn die Beschwerdeführer nunmehr zwischen den Grenzen der Grundstücke Nr. 1577 und 1596 einerseits und Nr. 1576 und 1578 andererseits differenzieren wollten, so vermöge dies ihrem Begehren keinen Erfolg zu vermitteln. Die belangte Behörde habe in ihrem Bescheid vom 7. Dezember 1994 ausdrücklich von Differenzen im Bereich des geplanten Umkehrplatzes gesprochen. Diese Wortfolge habe es den Beschwerdeführern ermöglicht, vor rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens sowohl die Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 1578 und 1576 als auch jene zwischen den Grundstücken Nr. 1596 und 1577 als mit dem Verlauf der tatsächlichen Katastergrenze nicht übereinstimmend zu bemängeln. Die Verwertung dieser Tatsachen sei den Beschwerdeführern somit nicht ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt erachten.
Die Beschwerdeführer bringen vor, die belangte Behörde gehe davon aus, aus dem Hinweis in ihrem Bescheid vom 7. Dezember 1994 auf Divergenzen zwischen Kataster- und Nutzungsgrenze "im Bereich des Umkehrplatzes" sei für die Beschwerdeführer die Lokalisierung der Grenzprobleme möglich gewesen. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, daß Bestandteil des Bescheides des LAS vom 26. Februar 1996 ein Lageplan sei, in welchem die Trasse und die Situierung des Dienstbarkeitsweges und des Umkehrplatzes eingezeichnet und mit rotem Leuchtstift markiert worden seien. Bei Betrachtung dieses Lageplanes falle auf, daß ausgehend vom Angelpunkt des Umkehrplatzes eine Grenze schräg bergauf verlaufe und eine Grenze geradlinig in einem spitzen Winkel zur eingezeichneten Materialseilbahn hangabwärts. Die beiden Grenzen stießen in einem Eckpunkt unmittelbar an der Grenze des Umkehrplatzes aneinander. Die hangabwärts verlaufende Grenze bilde im wesentlichen die äußere Begrenzung der Ausweiche des Umkehrplatzes, die hangaufwärts verlaufende Grenze verlaufe in zwei Linien jeweils strichliert im spitzen Winkel quer über den Beginn des Umkehrplatzes. Beide Grenzlinien lägen daher im Bereich des Umkehrplatzes. Aus der Bezeichnung "im Bereich des Umkehrplatzes" lasse sich daher nach Treu und Glauben insbesondere auf Grund des dem Bescheid beiliegenden Lageplanes eine Einschränkung der strittigen Grenze auf den hangabwärts verlaufenden Bereich nicht treffen, da auch die hangabwärts verlaufende Grenze nicht nur im Bereich des Umkehrplatzes liege, sondern diesen sogar überquere. Auffallend sei jedoch, daß in diesem Lageplan die hangabwärts verlaufende Grenze als eindeutige Linie eingezeichnet sei, und zwar mit dem Vermerk "Besitzgrenze", die hangab aufwärts verlaufende Grenze jedoch in zwei strichlierten Linien mit dem Beisatz "Nutzungsgrenze" verlaufe. Bei objektiver Zuammenschau dieser Umstände sei davon auszugehen, daß die Beschwerdeführer den strittigen Grenzbereich nur auf die hangaufwärts verlaufende Grenze hätten beziehen können. Dies deswegen, weil der Umstand, daß hangaufwärts zwei Grenzen eingezeichnet seien, darauf hindeute, daß eine Grenzlinie als Nutzungsgrenze, eine als Katastergrenze gemeint gewesen sei, sodaß bei genauer Betrachtung des Lageplans die im Bescheid verbal ausgedrückte Differenz zwischen Nutzungs- und Katastergrenze auch bildlich dargestellt sei. Die Grenze hangaufwärts sei nur strichliert eingezeichnet, die hangabwärts verlaufende Grenze jedoch im wesentlichen durchgezogen. Die kurze Strichlierungsunterbrechung deute bereits darauf hin, daß der Planverfasser damit zum Ausdruck haben bringen wollen, daß diese Grenze nicht feststehe. Auch die klare Unterscheidung in Besitzgrenze und Nutzungsgrenze deute darauf hin, daß es sich einerseits um ein dingliches Recht, nämlich um den Besitz handle, andererseits hangaufwärts jedoch nur um die faktische Innehabung, nämlich die Nutzung. Nach Ansicht der Beschwerdeführer könne es dahingestellt bleiben, ob der Planverfasser den strittigen Bereich tatsächlich hangaufwärts gesehen habe. Ein außenstehender Dritter habe nämlich den verfaßten Plan berechtigterweise in der Weise verstehen dürfen, daß die Katastergrenze hangabwärts nicht in Zweifel gezogen werde, sondern die zitierte Differenz nur hangaufwärts bestehe. Den Beschwerdeführern könne daher nicht vorgeworfen werden, daß sie den strittigen Bereich auf die im Lageplan doppelt eingezeichnete Grenze hangaufwärts bezogen hätten.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mP hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht
beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Als Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG sehen die Beschwerdeführer den Umstand an, daß der Verlauf der Grenze zwischen ihren Grundstücken und jenen der mitbeteiligten Partei nicht eindeutig feststeht. Dieser Umstand war den Beschwerdeführern aber bereits im Verwaltungsverfahren bekannt, hat doch die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 7. Dezember 1994 ausdrücklich darauf hingewiesen. Dieser Hinweis umfaßte den gesamten Bereich des geplanten Umkehrplatzes ohne jede Differenzierung zwischen hangaufwärts und hangabwärts verlaufender Grenze. Welche Schlüsse die Beschwerdeführer aus den dem Bescheid des LAS vom 26. Februar 1996 angeschlossenen Lageplan gezogen haben, ist angesichts des Umstandes, daß ihnen die Tatsache von "Katasterspannungen" im gesamten Bereich des geplanten Umkehrplatzes durch den mehrfach erwähnten Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 1994 zur Kenntnis gebracht wurden, ohne Belang. Wenn die Beschwerdeführer vorbringen, beide von ihnen angeführten Grenzlinien lägen im Bereich des Umkehrplatzes und es lasse sich daher aus der Bezeichnung "im Bereich des Umkehrplatzes" eine Einschränkung der strittigen Grenze auf den hangabwärts verlaufenden Bereich nicht treffen, da auch die hangaufwärts verlaufende Grenze nicht nur im Bereich des Umkehrplatzes liege, sondern diesen sogar überquere, dann spricht dies nicht für, sondern gegen ihren Standpunkt, gestehen sie doch damit zu, daß sämtliche als strittig in Frage kommenden Grenzen im Bereich des geplanten Umkehrplatzes liegen und daher von dem diesbezüglichen Passus im Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 1994 erfaßt sind.
Mußte aber den Beschwerdeführern bereits im Verfahren zur Einräumung des Bringungsrechtes bekannt sein, daß die Grenze nicht zweifelsfrei feststand, dann waren sie auch in der Lage, diesen Umstand im Verfahren vorzubringen. Die "Katasterspannungen" sind daher keine Tatsache, die im Verfahren ohne Verschulden der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht werden konnte. Der Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführer wurde daher zu Recht abgelehnt.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998070080.X00Im RIS seit
20.11.2000