TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/2 W233 2220614-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2019
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Entscheidungsdatum

02.07.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs3
AsylG 2005 §12a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W233 2220614-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2019, Zahl:

1017148006 - 190575919, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 12a Abs. 4 iVm Abs. 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in Österreich ein und stellte am 29.04.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat diesen ersten Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 16.01.2015, Zl.: 1017148006 - 14571482 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19.01.2015 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Schriftsatz vom 25.02.2016 zog der Beschwerdeführer im Wege seines damaligen ausgewiesenen Rechtsvertreters seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. (Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten) des angefochtenen Bescheides zurück, sodass dieser Spruchpunkt in Rechtskraft erwuchs.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.04.2016 wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29.04.2016, Zl. W220 2100281-1/20E, die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 23.02.2017, Zl. E 1197/2016, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.2016 aufgehoben.

Nach Durchführung einer weiteren mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.04.2016 wurden die Beschwerden des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.09.2018, Zl: W220 2100281-1/39E, gegen Spruchpunkt II. (Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten) und Spruchpunkt III. (Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan und Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung) als unbegründet abgewiesen und die in Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids auch abgesprochene Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG 2005, behoben. Dieses Erkenntnis ist am 11.09.2018 in Rechtskraft erwachsen.

Gegen den Beschwerdeführer wurde, nachdem er am 24.05.2019 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgrund eines vom Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen wurde, die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 29.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan für den 12.06.2019 festgelegt ist.

Amt 06.06.2019 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und gab bei seiner am selben Tag stattgefundenen Befragung an, dass er vor einigen Tagen erfahren hätte, dass sein Bruder in Afghanistan getötet worden wäre und in der Zwischenzeit auch seine Familie Afghanistan verlassen hätte, sodass er im Falle seiner Rückkehr in Afghanistan dort niemanden mehr hätte. Auch würde er eine westliche Kultur angenommen haben und nicht mehr beten.

Mit Mandatsbescheid vom 09.06.2019, Zl: 1017148006 - 190575919, stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass gemäß § 12a Abs. 4 AsylG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und Z 2 AsylG nicht vorliegen, sodass ihm der faktische Abschiebeschutz nicht zuzuerkennen sei.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2019 übermittelte der willkürlich vertretene Beschwerdeführer eine Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid, in der im Wesentlichen moniert wurde, dass er seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz nicht hätte früher stellen können, da er erst kurz vor dieser Antragstellung erfahren hätte, dass sein Bruder im Mai 2019 in Afghanistan getötet worden wäre. Darüber hinaus hätte sich auf die Situation in seinem Herkunftsstaat Afghanistan entscheidungsrelevant verändert.

Am 12.06.2019 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Afghanistan abgeschoben.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2019, Zl: 1017148006 - 190575919, wurde gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und Z 2 Asyl nicht vorliegen. Unter einem wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt. Begründet wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer einen Folgeantrag sechs Tage vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt habe, weswegen ihm ein faktischer Abschiebeschutz ex lege nicht zukomme. Darüber hinaus traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl umfangreiche Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstatt des Beschwerdeführers, wobei sie diese Feststellungen auf die aktuelle Information der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018, aktualisiert am 04.06.2019, stützte. Aus diesen Länderfeststellungen sei ersichtlich, dass die Situation in Afghanistan im Wesentlichen jener im Zeitpunkt der letzten Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz entspricht und daher nicht davon auszugehen sei, dass sich Änderungen ergeben hätten, die in seinem Fall zu einer anderslautenden Entscheidung führen könnten. Dieser Bescheid wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 14.06.2019 übernommen.

Mit einem am 19.06.2019 zur Post gegebenen Schriftstück wurde durch den rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2019 erhoben und im Wesentlichen das bereits in der Vorstellung erstattete Vorbringen wiederholt, wobei darüber hinaus auch moniert wurde, dass die angefochtenen Entscheidung nicht mit Bescheid sondern nur mit Spruch bezeichnet sei und es diesem Schriftstück daher an einer wesentlichen Voraussetzung eines Bescheides fehle, weshalb dieses Schriftstück als nichtig anzusehen sei. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, dass der Direktor für die Ausstellung dieses Bescheides ermächtig sei, bzw. liege kein überprüfbarer Nachweis dafür vor. Als eine weitere Mangelhaftigkeit des Verfahrens brachte der gewillkürt vertretene Beschwerdeführer vor, dass er zu seinen in seiner Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vorgebrachten Gründen nicht inhaltlich befragt wurde, sondern offensichtlich eine Aktenentscheidung vorgenommen worden sei. Schließlich rügt der Beschwerdeführer auch, dass es ihm nicht ermöglich worden wäre, seinen in Haft gestellten Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels persönlich zu stellen, obwohl dazu genug Zeit gewesen wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 30.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 16.01.2015, Zl.: 1017148006 - 14571482, rechtskräftig seit 25.02.2016 und in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.09.2018, Zl: W220 2100281-1/39E, rechtskräftig mit 11.09.2018 negativ entschieden wurde.

Mit Mandatsbescheid vom 24.05.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Schreiben vom 29.05.2019 wurde der Beschwerdeführer über die am 12.06.2019 geplante Abschiebung nach Afghanistan informiert, wobei er seine Unterschrift zur Beurkundung der Übernahme dieses Informationsschreibens verweigert.

Am 06.06.2019 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Anhaltung einen zweiten Asylantrag.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2019, Zl: 1017148006 - 190575919, wurde gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 iVm § 57 Abs. 1 AVG festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z 2 AsylG nicht vorliege. Unter einem wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2019 übermittelte der willkürlich vertretene Beschwerdeführer eine Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid.

Am 12.06.2019 wurde der Beschwerdeführer von Wien Schwechat auf dem Luftweg nach Afghanistan abgeschoben.

Aufgrund der eingebrachten Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren geführt und mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.06.2019, Zl. 1017148006 - 190575919, gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 iVm § 57 Abs. 1 AVG festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z 2 AsylG nicht vorliege und unter einem dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat im angefochtenen Bescheid umfangreiche Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, dem Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, anhand des vom ihm ins Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation über Afghanistan, vom 29.06.2018, mit der letzten Kurzinformation vom 04.06.2019, getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers an.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur allgemeinen Lage in Afghanistan wurden die im angefochtenen Bescheid festgestellten Länderinformationen herangezogen. Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. In der Beschwerde trat der Beschwerdeführer diesen Länderinformationen nicht entgegen, sondern rügte lediglich, dass sich die objektive Situation in seinem Herkunftsstaat Afghanistan entscheidungsrelevant verändert habe, ohne dies näher zu begründen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

Zunächst ist festzuhalten, dass dem gegenständlichen Verfahren ein Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 zugrunde liegt, zumal das Verfahren aufgrund des ersten Antrages auf internationalen Schutz vom 30.04.2014 bereits vor der Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutzes am 06.06.2019 rechtskräftig abgeschlossen war.

Zu Recht hat das Bundesamt ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines Folgeantrages gemäß § 12a Abs. 3 AsylG ex lege kein faktischer Abschiebeschutz zukommt, da er diesen Folgeantrag am 06.06.2019, sohin binnen 18 Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin am 12.06.2019, gestellt hat, wobei dem Beschwerdeführer dieser Abschiebetermin am 29.05.2019 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden ist, der Beschwerdeführer sich überdies in Schubhaft befunden hat und gegen ihn aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.09.2018 eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung bestanden hat.

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (330 BlgNR 24. GP) zu § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Festlegung des Abschiebetermins und die diesbezügliche Information an den Fremden seiner Antragstellung vorangehen müssen. Der Fremde muss also zum Zeitpunkt seiner Antragstellung von der Tatsache seiner zeitnah bevorstehenden Abschiebung und dem geplanten Termin Kenntnis haben. Schriftlichkeit der Information ist nicht gefordert. Die Information wird beispielsweise auch in Einem mit dem Ausspruch der Festnahme erfolgen können. Um dem Rechtsschutzgedanken ausreichend Rechnung zu tragen, ist es daher angebracht, die Rechtsfolgen des Abs. 3 nur dann eintreten zu lassen, wenn dem Fremden die bevorstehende Abschiebung bewusst ist und daher im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass es sich bei einem erst dann gestellten Folgeantrag lediglich um eine Reaktion auf die drohende Außerlandesbringung zwecks ihrer ungerechtfertigten Verhinderung handelt. Zu beachten ist dabei insbesondere der Umstand, dass der wohlmeinende Folgeantragsteller seinen Antrag natürlich sogleich bei Vorliegen einer (neuen) Verfolgungs- oder Bedrohungssituation und nicht als Reaktion auf fremdenpolizeiliche Tätigkeit stellen wird.

In casu wurde dem Beschwerdeführer am 29.05.2019 um 14:05 Uhr, sohin vor seiner Antragstellung am 06.06.2019, ein Informationsblatt über die bevorstehende Abschiebung zur Unterfertigung ausgefolgt, jedoch verweigerte er die Unterschriftsleistung. Vor dem Hintergrund der Erläuterungen zur Regierungsvorlage besteht jedoch kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer vor seiner Antragstellung "nachweislich" über den Abschiebetermin im Sinne des Gesetzes informiert wurde, zumal es lediglich der im Akt dokumentierten Information bedarf, an die keine Formerfordernisse gestellt werden und deren Wirkung durch die bloße Unterschriftsverweigerung nicht vereitelt werden kann. Im Übrigen wurde vom Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter weder in der Vorstellung noch in der Beschwerde behauptet, dass der Beschwerdeführer von seiner zeitnah bevorstehenden Abschiebung keine Kenntnis hatte. Der Beschwerdeführer wurde sohin vor dem Antragszeitpunkt, 06.06.2019, im Sinne des Gesetzes "nachweislich" über den Abschiebetermin am 12.06.2019 informiert.

Das Bundesamt hätte dem Beschwerdeführer sohin lediglich dann faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG zuerkennen müssen, wenn der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht hätte, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen habe können oder sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hätte.

Aus dem gesamten Akteninhalt haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass der Beschwerdeführer seinen Folgeantrag nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte stellen können. Er war nicht in der Lage, schlüssig darzulegen, warum er den gegenständlichen Antrag nicht bereits früher, sondern erst unmittelbar vor der geplanten Abschiebung, gestellt hat. Zwischen dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens hinsichtlich seines Antrags auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten mit 25.02.2016 und dem Folgeantrag vom 06.06.2019 lagen immerhin 3 Jahre und vier Monate. Auch die Beschwerde enthielt kein entsprechendes nachvollziehbares Vorbringen. Im Besonderen ist das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde vom 19.06.2019, dass ein Mithäftling, den er ersucht habe, mit seiner Familie in Kontakt zu treten, erfahren habe, dass seine Eltern in die Türkei geflüchtet und sein Bruder im Mai 2019 getötet worden wäre, für das erkennende Gericht weder schlüssig noch nachvollziehbar. Einen plausiblen Grund dafür, warum der Beschwerdeführer einen Mithälftig ersucht habe mit seiner Familie in Kontakt zu treten anstelle selbst mit seiner Familie Kontakt aufzunehmen, bleibt der Beschwerdeführer überdies schuldig.

Dem Bundesamt ist auch zuzustimmen, wenn es unter Berücksichtigung der seiner Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen davon ausgeht, dass sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat Afghanistan nicht entscheidungsrelevant geändert hatte. Der Beschwerdeführer hat keine ihn betreffende bzw. entscheidungsrelevante allgemeine Lageänderung im Herkunftsstaat dargelegt. Sein Fluchtvorbringen wurde bereits vormals für unglaubwürdig befunden, wobei auch ausreichend auf den Gesundheitszustand sowie die familiären als auch privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers eingegangen bzw. diese Aspekte ausreichend berücksichtigt wurden.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass das von ihm dargelegte aktuelle Bedrohungsszenario ("Mein Bruder wurde im Mai 2019 in meinem Heimatort [...] getötet. Dies deshalb, weil ich in Afghanistan Polizist war und die Taliban mich verfolgten und mich töten wollten" und "Wenn ich nach Afghanistan abgeschoben werde, bin ich mit dem sicheren Tode durch die Taliban bedroht") überprüft hätte werden müssen, übersieht er, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht der meritorische Abspruch über seinen letzten Asylantrag Verfahrensgegenstand ist, sondern nur die Frage, ob ihm faktischer Abschiebeschutz zu gewähren wäre. Die weiteren Einwände, dass sich die Behörde nicht mit den Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers beschäftigt habe und dass er der Behörde nicht zur persönlichen Antragstellung seines Antrags auf Ausstellung eines humanitären Aufenthaltstitels aus der Haft vorgeführt worden sei, stehen in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12a Abs. 4 AsylG und der Frage, ob faktischer Abschiebeschutz gewährt werden hätte müssen.

Die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z 1 AsylG für die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes war sohin nicht erfüllt.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf das Fehlen einer wesentlichen Voraussetzung für das Vorliegen eines Bescheides:

Der Beschwerdeführer moniert, dass die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht als Bescheid bezeichnet ist bzw. nicht ersichtlich sei, dass der Direktor für die Ausstellung des Bescheides ermächtig ist, weshalb diese als nichtig anzusehen sei.

Dazu ist festzuhalten, dass nach herrschender Lehre und Judikatur allein der Mangel der ausdrücklichen Bezeichnung einer Erledigung als "Bescheid" nicht bewirkt, dass ein Bescheid nicht existent ("absolut nichtig") wird (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), RZ408).

Es ist im gegenständlichen Fall zwar zutreffend, dass die Erledigung des Bundesamtes, mit der festgestellt wird, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und Z 2 Asyl im Falle des Beschwerdeführers nicht vorliegen, keine Bezeichnung als Bescheid aufweist, allerdings weist diese Erledigung sämtliche andere wesentliche Merkmale eines Bescheides auf, sodass das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid irrelevant ist (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), RZ 433 ff - Die Fehlerhaftigkeit von Bescheiden).

Der Vorwurf, dass es sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Nichtbescheid handelt, geht somit ins Leere.

Ebenso geht auch die Rüge des Beschwerdeführers, dass nicht ersichtlich sei, dass der Direktor für die Ausstellung des Bescheides ermächtig sei, ins Leere. Die im Akt einliegende Urschrift des angefochtenen Bescheides weist den Namen und die Unterschrift des Genehmigenden auf. Hinweise darauf, dass der Genehmigende keine Approbationsbefugnis oder seine Approbationsbefugnis überschritten hätten, finden sich weder im vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde noch hat dies der Beschwerdeführer konkret behauptet. Zudem sieht das erkennende Gericht keinen plausiblen Grund an der Approbationsbefugnis des den angefochtenen Bescheid Genehmigenden in Zweifel zu ziehen. Somit geht auch dieser Vorwurf des Beschwerdeführers ins Leere.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er nach Einbringung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid nicht befragt worden ist:

In diesem Zusammenhang moniert der Beschwerdeführer, dass nach dem Einbringen der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid eine offensichtliche Aktenentscheidung getroffen worden wäre, ohne auf die in seiner Vorstellung vorgebrachten Gründe einzugehen.

Dazu ist festzuhalten, dass das Bundesamt nach Einbringung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid am 11.06.2019 das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet hat und im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens den Folgeantrag vom 06.06.2019 sowie das Vorverfahren des Beschwerdeführers über seinen ersten Asylantrag vom 30.04.2014 als auch die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers einer Prüfung unterzogen hat. Aus diesen Ermittlungstätigkeiten ergibt sich, dass das Bundesamt damit innerhalb der in § 57 Abs. 3 AVG genannten Frist von zwei Wochen mit den Ermittlungen begonnen hat. Eine bestimmte Art von Ermittlungen oder eine bestimmte Form ist für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens nicht vorgeschrieben. Entscheidend ist, ob die Behörde eindeutig zu erkennen gibt, dass sie sich nach Erhebung der Vorstellung durch die Anordnung von Ermittlungen mit der den Gegenstand des Mandatsbescheids bildenden Angelegenheit befasst (vgl. VwGH 18.6.1991, 91/11/0014).

Selbst wenn man diesem Vorbringen unterstellt, dass der Beschwerdeführer damit die Verletzung des Parteiengehörs rügt, ist festzuhalten, dass eine - allenfalls - im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs jedenfalls dadurch saniert wird, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrem Rechtsmittel ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. VwGH 21.11.2001, 98/08/0029). Da im angefochtenen Bescheid auf die Gründe der Vorstellung (Änderung der objektiven Situation im Herkunftsstaat, behauptete Tötung des Bruders im Mai 2019) eingegangen wird und zudem im angefochtenen Bescheid die aktuellen Länderfeststellungen wiedergegeben worden, also dem Beschwerdeführer dadurch die gleiche Kenntnis von den Beweisergebnissen verschafft wurde, die ihm eigentlich im Rahmen eines Parteiengehörs zu vermitteln gewesen wären, wäre dieser Verfahrensmangel jedenfalls als geheilt anzusehen (vgl. VwGH 25.03.2004, 2003/07/0062). Somit geht auch dieser Einwand ins Leere.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer somit zu Recht keinen faktischen Abschiebeschutz aufgrund seines Folgeantrages vom 06.06.2019 zuerkannt.

Da im gegenständlichen Fall alle Voraussetzungen für die Nichtzuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In casu ergaben sich das Vorliegen einer rechtskräftigen Ausweisung (Rückkehrentscheidung), die maßgeblichen Zeitpunkte hinsichtlich der Information über die geplante Abschiebung und bezüglich der Folgeantragstellung sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung angehalten wurde, aus der Aktenlage und blieben vom Beschwerdeführer auch unbestritten. Der Beschwerdeführer trat zudem den von der Verwaltungsbehörde herangezogenen Länderberichten nicht substantiell entgegen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war somit aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Schlagworte

Abschiebung, faktischer Abschiebeschutz, Folgeantrag, Heilung,
Mandatsbescheid, Parteiengehör, Verfahrensmangel, Voraussetzungen,
Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W233.2220614.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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