TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/25 W247 2186375-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.07.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W247 2186373-1/23E

W247 2186377-1/20E

W247 2186376-1/11E

W247 2186375-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.)

XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2018, Zln. 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX , 4.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF. als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich der Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide wird den Beschwerden stattgegeben und 3.) XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, sowie 1.) XXXX , 2.) XXXX und 4.) XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX , und 4.) XXXX , eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die beschwerdeführenden Parteien (BF1 bis BF4) sind russische Staatsangehörige und der tschetschenischen Volksgruppe, sowie dem muslimischen Glauben - sunnitischer Ausrichtung - zugehörig. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind miteinander verheiratet und Eltern der minderjährigen Drittbis Viertbeschwerdeführer (BF3 bis BF4). Die BF2 ist gesetzliche Vertreterin der BF3 bis BF4.

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (BF1 bis BF3) reisten spätestens im März 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 29.03.2017 der BF1 und die BF2 für sich bzw. der minderjährige BF3 durch seine gesetzliche Vertreterin die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen der BF1 und die BF2 am 30.03.2017 vor der Landespolizeidirektion XXXX erstbefragt wurden. Nach Zulassung ihrer Verfahren wurden BF1 und BF2 am 30.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , jeweils im Beisein eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Der BF4 wurde am

XXXX im österreichischen Bundesgebiet geboren und stellte dieser durch seinen gesetzlichen Vertreter am 29.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen des Familienverfahrens.

2.1. Der BF1 brachte im Rahmen seiner Erstbefragung hinsichtlich seiner Fluchtgründe vor, dass er drei junge Leute mit dem Auto nach XXXX gefahren habe. Während dieser Fahrt hätten sie bei einem Supermarkt angehalten und wären diese Personen in den Markt gegangen. Nach zehn Minuten seien sie wieder mit einer großen Tasche herausgekommen und wären sie dann weitergefahren. Er habe sie ca. 1 km nach XXXX aussteigen lassen und hätte einer gesagt, dass er (der BF1) niemanden davon erzählen solle, andernfalls er Probleme bekommen würde. Einen Tag später sei er mit seiner Frau nach Grozny ins Spital gefahren, wo ihn sein Bruder Bislan angerufen und ihm mitgeteilt habe, dass Kriegsleute in Masken nach ihm gefragt hätten. Diese hätten seinen Vater mitgenommen. Daraufhin sei er mit seiner Familie nach Inguschetien gefahren.

2.2. Die BF2 brachte im Rahmen ihrer Erstbefragung hinsichtlich ihrer Fluchtgründe vor, dass sie den Herkunftsstaat wegen der Probleme ihres Mannes verlassen hätte.

3.1. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2017 gab der BF1 auf die Frage nach seinen Fluchtgründen zusammenfassend an, dass er einen Taxistand in XXXX gehabt hätte. Er habe dort drei ungefähr gleichaltrige Männer aufgenommen, die ihm unbekannt gewesen seien. Sie hätten ihn gebeten, nach XXXX zu fahren. Noch in dieser Ortschaft hätten sie ihn gebeten, vor einem Geschäft zu halten. Sie seien zu dritt in dieses Geschäft gegangen und wären sie mit vollen Taschen herausgekommen. Es sei ein Lebensmittelgeschäft gewesen. Danach seien sie nach XXXX gefahren, in den Ort hinein und wieder hinaus. Danach seien sie noch 1 km weitergefahren, als sie ihn gebeten hätten, stehen zu bleiben. Zwei der Personen wären mit den Tüten ausgestiegen und hätten ihm gesagt, dass er, falls er jemanden davon erzähle, Probleme bekommen würde. Weiters hätten sie ihm gesagt, dass sie nicht Probleme bekämen, wenn er etwas sagen würde, sondern er derjenige wäre, der Probleme bekommen würde. Da wäre ihm klar geworden, dass es sich um Widerstandskämpfer handeln würde. Er habe nach dem 19.02.2017 nicht mehr als Taxifahrer gearbeitet. Am nächsten Tag sei er mit seiner Frau und dem Kind in das Krankenhaus nach Grozny gefahren. Während dessen habe er von seinem Bruder einen Anruf bekommen, der ihm mitgeteilt hätte, dass maskierte Militärs das Haus gestürmt und nach ihm gefragt hätten. Sein Vater sei von der Polizei zusammengeschlagen und am nächsten Tag festgenommen, jedoch am gleichen Tag wieder entlassen worden und habe man ihm gesagt, dass er entweder ihn (den BF1) ausliefern oder seinen Aufenthaltsort nennen sollte, andernfalls die Familie Probleme bekommen würde.

Hinsichtlich etwaiger verwandtschaftlicher Anknüpfungspunkte im Inland gab der BF1 an, dass sich in Österreich ein Großonkel und drei Großcousins aufhalten würden.

3.2. Die BF2 gab im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem BFA am selben Tag zusammengefasst an, dass sie wegen der Probleme ihres Mannes ausreisen hätte müssen. Sie wäre Mitte Februar 2017 mit ihrem Sohn im LKH gewesen, während ihr Mann draußen gewartet habe. Nach dem Termin habe ihr Mann ihr erzählt, dass dieser einen Anruf von seinem Bruder bekommen habe, der ihm gesagt hätte, dass Maskierte bei ihnen zu Hause gewesen wären und sie nicht nach Hause zurückkehren sollten. Sie hätten sich dann sich entschlossen, nach Inguschetien zu fahren.

Befragt zum Gesundheitszustand ihrer Kinder gab die BF2 an, dass ihr ältester Sohn XXXX (BF3) krank wäre. Er leide an einer Entwicklungsstörung, Epilepsie und sowie an Mikrozephalie.

Die minderjährigen Beschwerdeführer wurden aufgrund ihres kindlichen Alters nicht niederschriftlich einvernommen.

Die Beschwerdeführer brachten erstinstanzlich folgende Dokumente/Unterlage in Vorlage:

* Heiratsurkunde mit beglaubigter Übersetzung vom XXXX ;

* Konvolut an ärztlichen Befunden betreffend den mj. BF3;

* Passkopien betreffend BF1 bis BF3;

4.1. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde (BFA) vom 11.01.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

4.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat und führte aus, dass nicht festgestellt werden hätte können, dass die Beschwerdeführer in der Russischen Föderation asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen seien oder sie derartiges im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchten müssten. Die Beschwerdeführer hätten mit ihrem Vorbringen keine glaubhaften Sachverhalte anführen können, die die Annahme rechtfertigen würden, dass sie in ihrem Herkunftsstaat einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder unmenschlichen Behandlung im Fall einer Rückkehr ausgesetzt wären. Auch aus sonstigen Umständen habe keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer an schweren, lebensbedrohlichen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes leiden würden. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die Lebensgrundlage im Heimatlang nicht gänzlich entzogen wäre und sie wieder die Möglichkeit hätten im Haus des Vaters des BF1 leben zu können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer in der Russischen Föderation einer realen Gefahr des Todes, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung oder der Gefahr der Folter ausgesetzt wären bzw. ihr Leben auf sonstige Weise gefährdet sei. Die Beschwerdeführer würden von der Grundversorgung leben, hätten keine Deutschkurse absolviert, wären in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen und wären sie nicht selbsterhaltungsfähig. Es würden keine Hinweise für eine derartige Integration bzw. Verfestigung in Österreich vorliegen, die einer Rückkehrentscheidung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführer seien in Österreich strafrechtlich unbescholten.

4.3. Beweiswürdigend führte das BFA in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer nicht glaubwürdig wäre. Konkrete glaubwürdige Anhaltspunkte für persönliche oder staatliche Verfolgungshandlungen hätten dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht entnommen werden können. Das Vorbringen des BF1, wonach er als Taxifahrer drei ihm unbekannte Männer nach XXXX mitgenommen habe, wobei diese ihm dann angedroht hätten, davon niemandem etwas zu erzählen, andernfalls er Probleme bekommen würde, sei so emotionslos, allgemein gehalten und unsubstantiiert und bliebe dieses ohne nachprüfbare Fakten und Daten. Er habe selbst auf Nachfrage erklärt, dass er keine genaueren Angaben bezüglich der Geschehnisse machen könne. Weder könne er sich an das genaue Aussehen der vermeintlichen Widerstandskämpfer erinnern, noch könne er Beweismittel vorlegen, um seine Angaben zu untermauern. Selbiges gelte für die Angaben der BF2, sodass dem Vorbringen der Beschwerdeführer insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen sei. Trotz behaupteter Schwierigkeiten der Beschwerdeführer mit den Behörden in Russland, wäre die Ausreise per Pass nicht problemlos möglich gewesen. Insgesamt habe nur die Feststellung erfolgen können, dass die von den Beschwerdeführern vorgetragene Fluchtgeschichte zum Fluchtgrund nicht der Wirklichkeit entspreche.

4.4. Die Beschwerdeführer hätten nicht darzulegen vermocht, dass ihnen im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation die Lebensgrundlage entzogen wäre.

4.5. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätten. Es sei nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet der Russischen Föderation einer realen Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 3 EMRK ausgeliefert seien.

4.6. Demnach - so die belangte Behörde - könnten die von den Beschwerdeführern behaupteten Fluchtgründe nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus deren Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Es würden keine Hinweise für eine besondere Integration bzw. Verfestigung in Österreich vorliegen, die einer Rückkehrentscheidung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegenstünden. Im gegenständlichen Fall sei der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich durch die Stellung von - letztlich unbegründeten - Asylanträgen begründet. Die Beschwerdeführer hätten somit nie Aufenthaltstitel gehabt, die auf einen gesicherten Aufenthalt in Österreich schließen lassen hätten können. Die beabsichtigte Abschiebung der Beschwerdeführer würde nicht in ihr Familienleben untereinander eingreifen, da sie wenn gemeinsam durchgeführt würde. Weiters verfolge diese das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung. Da den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel ausberücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt würde und eine Rückkehrentscheidung zulässig sei, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 11.01.2018 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Mit für alle Beschwerdeführer gleichlautendem Schriftsatz vom 29.01.2018, beim BFA eingelangt am 14.02.2018, wurde durch ihren Rechtsberater für alle Beschwerdeführer Beschwerde gegen die gegenständlichen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich aller Spruchpunkte eingebracht. Begründend wurde von Beschwerdeseite ausgeführt, dass seitens der belangten Behörde unterlassen worden sei, auf das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen und eine Gesamtbeurteilung anhand aller verfügbarer herkunftsland-bezogener Informationen verabsäumt worden. Darüber hinaus wären die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen zur Russischen Föderation unvollständig. Die Feststellung seitens der belangten Behörde, wonach die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsland keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen seien, sei unrichtig. Hierzu sei auf das Vorbringen der Beschwerdeführer verwiesen, wonach der BF1 unwissentlich drei Widerstandskämpfer mit seinem Taxi befördert hätte und dadurch ihnen beim Transport von Lebensmitteln geholfen habe und deswegen von den Behörden gesucht werde. Die Gefahr von Kollektivstrafen für die gesamte Familie sei durch die Länderfeststellungen ersichtlich. Dies sei auch durch die erfolgte Verhaftung und Misshandlung des Vaters des BF1 ersichtlich. Aufgrund der drohenden Verfolgung durch die Polizei könnten sich die Beschwerdeführer auch keine Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat aufbauen. Ihre Versorgung im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat wäre stark gefährdet und sei davon auszugehen, dass sie in eine hoffnungslose Notlage geraten würden. Insbesondere habe sich die belangte Behörde unzureichend mit der gesundheitlichen Situation des BF3 auseinandergesetzt. So sei eine adäquate medizinische Versorgung des BF3 im Herkunftsstaat - ohne erhebliche finanzielle Mittel - nicht gegeben. Zudem würden die Beschwerdeführer versuchen, sich zu integrieren und auch Deutsch zu lernen. Sie seien strafrechtlich unbescholten und würde ihr Aufenthalt weder die öffentliche Ruhe und Ordnung, noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl gefährden. Ein Eingriff in das schützenswerte Privatleben der Beschwerdeführer sei daher unverhältnismäßig. Die Beschwerdeseite beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) der Beschwerde stattgeben und den Beschwerdeführern den Status des Asylberechtigten zusprechen; 2.) in eventu den Beschwerdeführern subsidiären Schutz gewähren, 3.) in eventu die Rückehrentscheidungen als unzulässig aufheben und den Beschwerdeführern einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilen und 4.) in eventu die angefochtenen Bescheide zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen, 5.) jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen.

7. Die Beschwerdevorlagen vom 14.02.2018 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 16.02.2018 ein.

8. Mit Schriftsatz vom 26.02.2019 wurde den Beschwerdeführern die Ladung für die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Unter einem wurde ihnen das aktuelle Länderinformationsblatt (LIB) zur Russischen Föderation übermittelt. Hierbei wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit eingeräumt, dazu bis zum 15.03.2019 einlangend Stellung zu nehmen.

9. Mit Stellungnahme vom 29.03.2019 brachten die Beschwerdeführer durch ihren Rechtsberater vor, dass das mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelte Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation vom 31.08.2018, letzte KI eingefügt am 28.02.2019, die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Verfolgungsgefahr vollinhaltlich glaubwürdig erscheinen lasse. Sie hätten das Heimatland verlassen müssen, da dem BF1 unterstellt worden sei, Rebellen zu unterstützen. Im Falle einer Rückkehr drohe der Familie Verfolgung aufgrund der dem BF1 unterstellten politischen Gesinnung. Laut dem LIB würden mutmaßliche Unterstützer von Aufständischen besonders oft in das Visier von Sicherheitskräften gelangen. Auch würde das LIB belegen, dass es in Tschetschenien zu Strafprozessen auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen komme. Soweit die Beschwerdeführer geschildert hätten, dass maskierte Männer das Haus der Familie gestürmt und nach dem BF1 gesucht hätten, sei auszuführen, dass ein Großteil der Menschenrechtsverletzungen Sicherheitskräften zugeschrieben würde, die in der Regel maskiert seien. Auch werde durch das LIB bestätigt, dass maskierte Sicherheitskräfte normalerweise ohne vorher eine Vorladung zu schicken, Häuser stürmen würden. Zum Vorbringen, dass der Vater des BF1 von den Sicherheitskräften mitgenommen worden sei, nachdem der BF1 nicht auffindbar gewesen sei, ist auszuführen, dass Sippenhaft in Tschetschenien weit verbreitet sei. Wie aus dem LIB hervorgehe, könnten Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation verhaftet werden und drohten den Beschwerdeführern im Falle der Verhaften schwerste Menschenrechtsverletzungen.

10. Am 05.04.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung eines Dolmetschers für die Russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen.

[...] RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Russischen Föderation (RF) an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise zuletzt aufgehalten haben.

BF1: Ich heiße XXXX , bin am XXXX in Grozny geboren. Mein Wohnort in der tschetschenischen Republik ist XXXX . Den letzten Monat vor meiner Abreise verbrachte ich aber XXXX .

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF1: Tschetschenien, ich bin Tschetschener, meine Muttersprache ist tschetschenisch.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF1: Ja, dem Islam.

RI: Welcher Form des Islams?

BF1: Sunnite.

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Russischen Föderation, welche Ihre Identität beweisen? Wenn ja, welcher?

BF1: Ich habe den Inlandspass und den Reisepass, diese Pässe habe ich bei der Asylantragsstellung abgebeben. Ich hatte auch einen russischen Führerschein, diesen legte ich am Flughafen vor, das Original wurde mir zurückgegeben. Ich habe mittlerweile den russischen Führerschein auf einen österreichischen Führerschein umschreiben lassen.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie abgeschlossen? Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt?

BF1: Ich habe die Schule Nr. 1 in der XXXX besucht und elf Klassen Mittelschule absolviert. 2006 machte ich meinen Abschluss an der tschetschenischen staatlichen Universität wo ich Jus studiert habe und als Bachelor abgeschlossen habe. Ich habe verschiedene Berufe ausgeübt, als Elektromonteur, als Techniker in einem Vorhängewerk und zuletzt habe ich als Taxifahrer gearbeitet.

RI: Wie lange haben Sie Jus studiert?

BF1: Von 2002-2006.

RI: Wie viele Abschnitte hat das Jusstudium in der Russischen Föderation?

BF1: Wie soll ich das verstehen?

RI: Es wird ja mehrere Abschnitte haben oder?

BF1: Ehrlichgesagt ist mein Studium schon lange her und ich habe schon einiges vergessen.

RI wiederholt die Frage.

BF1: Das Studium ist in Semester aufgeteilt.

RI: Nennen Sie mir bitte 5 Rechtsgebiete, welche Sie im Rahmen Ihres Jusstudium kennengelernt haben.

BF1: Zivilrecht, Strafrecht, Zivilprozessrecht, Verwaltungsrecht, ich kann mich leider nicht mehr an den Rest erinnern. Nach meinem Studium habe ich den Beruf nicht ausgeübt.

RI: Sie haben Prüfungen gemacht, Sie haben Lehrveranstaltung besucht. Die Grundzüge des Studiums werden Ihnen ja noch geläufig sein oder?

BF1: Wenn ich ehrlich bin war das Studium dort zu 80 Prozent auf Bestechungsgelder aufgebaut.

RI: Also haben Sie gar nicht gelernt, sondern nur bezahlt?

BF1: Ich habe schon gelernt, aber als ich es auf eigene Faust versucht habe im ersten und zweiten Studienjahr, ist es mir nicht gelungen und ich habe gesehen, dass es sinnlos ist und habe schnell verstanden, dass ich zahlen muss.

RI: Der Bachelorabschluss ist schon echt, oder ist der ein fake?

BF1: Ich habe die Universität nach vier Jahren abgebrochen und das Diplom nicht ausgehändigt bekommen, der Grund dafür waren die Lehrer dort. Der Grund für meinen Studienabbruch, war der, dass ich nicht unterrichtet wurde und dass mir nichts beigebracht wurde.

RI: D.h. Ihnen wurde der Bachelorabschluss nie übergeben und Sie haben nie den Titel verliehen bekommen?

BF1 Nein.

RI: Warum haben Sie das dann im Verfahren behauptet?

BF1: Weil das der erste akademische Grad ist, den man bekommt. Ich habe es leider nicht ganz abgeschlossen. Mein Traum wäre es eigentlich, zuerst den C2 Deutschkurs abzuschließen und dann Jus zu studieren.

RI: Es ist wichtig, dass Sie die Wahrheit im Verfahren angeben. Meine nächste Frage wäre gewesen, warum Sie nie als Jurist gearbeitet haben. Da nun klar ist, dass Sie keinen Abschluss haben, hat sich die Frage erledigt.

RI: Haben Sie sich außer an dem von Ihnen angegebenen, letzten Wohnort in der Russischen Föderation auch an einem anderen Wohnort längere Zeit aufgehalten?

BF1: Nein, längere Zeit nicht.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zur Zeit in der RF und in welcher Stadt?

BF1: Meine meisten Verwandten leben in XXXX . Es gibt auch einige die in XXXX leben und einige in Grozny.

RI: Zählen Sie diese bitte auf, wer wohnt wo?

BF1: Väterlicherseits mit der Ausnahme von zwei Brüdern meines Vaters leben zwei Schwestern und vier Brüder meines Vaters in XXXX . Es gibt auch väterlicherseits in XXXX Cousins und Cousinen in XXXX , aber diese kenne ich nicht so gut.

RI: Wer lebt in XXXX ?

BF1: In XXXX lebt ein Cousin meines Vaters also ein Onkel zweiten Grades, er hat zwei Söhne und eine Tochter.

RI: Wo leben Ihre Eltern und Ihre Geschwister?

BF1: Meine Eltern und mein älterer Bruder leben zurzeit in Kasachstan. Zwei jüngere Brüder leben in Südkorea. Und eine Schwester ist verheiratet, die lebt in Grozny.

RI: Wie Sie aus der RF ausreisten, haben Ihre Eltern und Ihre Geschwister aber noch in XXXX gelebt, stimmt das?

BF1: Ja.

RI: Wann sind Ihre Verwandten von Ihrem letzten oben angegebenen Wohnort XXXX weggezogen, wohin sind sie gezogen und was war der Grund des Wohnortswechsels?

BF1: Mein älterer Bruder ist mit meinen Eltern Ende Oktober 2017 nach Kasachstan ausgereist, der Grund dafür waren die Belästigungen seitens der Behörden, mein Vater wurde immer wieder zu meinem Aufenthaltsort befragt und das wurde dann zu viel. Welche Behörden es genau waren kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht.

RI: Was ist mit den anderen Brüdern?

BF1: Im September 2017 sind zwei Brüder nach Südkorea ausgereist, aus demselben Grunde. D.h. wegen den Problemen die ich hatte. Sie sind bis dato dort.

RI: Wo in Südkorea?

BF1: In der Hauptstadt.

RI: Was ist mit dem Haus Ihres Vaters in Stanica Assinovksaja geschehen? Wem gehört es jetzt?

BF1: Das Haus gehört immer noch meinem Vater, es steht leer.

RI: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Eltern und Geschwistern? Und wenn ja, mit wem und wie oft und wie kommunizieren Sie?

BF1: Ja, ich kann jederzeit mit meinen Verwandten Kontakt aufnehmen, das tue ich auch. Ich habe mit ihnen einmal die Woche Kontakt, mit meinen Eltern und auch mit meinen Brüdern. Mit meinen Brüdern aber nur einmal im Monat ca.

RI: Mit welchen Brüdern stehen Sie in Kontakt?

BF1: Mit allen dreien.

RI: Bitte zählen Sie ihre Brüder namentlich auf und sagen mir jeweils wo welcher Bruder lebt?

BF1: XXXX .

RI: Wieso heißt Ihr jüngerer Bruder XXXX nun XXXX ? Was war der Grund der Namensänderung und wann erfolgte diese?

BF1: Das war sein Wunsch und er hat seinen Namen geändert, weil unser Urgroßvater so geheißen hat. Wir haben auch weitere Verwandte die diesen Namen tragen.

RI: Gab es einen konkreten Anlassfall für die Namensänderung?

BF1: Nein.

RI: Hat das nicht etwa mit den Behörden zu tun?

BF1: Nein, nicht das mir bekannt ist.

RI: Wann haben Sie Ihre Frau geheiratet?

BF1: 2015.

RI: Haben Sie Verwandte die in Österreich leben?

BF1: Ja, habe ich.

RI: Welche?

BF1: Der Cousin meines Vaters, er ist schon öst. Staatsangehöriger. Drei Cousins zweiten Grades meines Vaters, alle mit Familie.

RI: VORHALTUNG: Sie haben bei Ihrer polizeilichen Ersteinvernahme am 30.03.2017 auf Seite 2 des Protokolls, befragt nach Familienangehörigen in Österreich oder einem EU-Staat keine Angehörigen angegeben. Bei Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2017 haben Sie erstmals, befragt nach Familienangehörigen einen Großonkel und 3 Großcousins, wohnhaft in Linz, angegeben. Gleiches haben Sie auch heute angegeben, warum ist Ihnen erst beim BFA eingefallen, dass Sie Familie in Österreich haben?

BF1: Ich habe damals angegeben, als ich von der Polizei angehalten wurde, damals am Flughafen habe ich angegeben, dass ich keine Verwandten in Ö habe, dass man mich nicht weiterreisen lässt. Ich habe es aus Angst ausgesagt.

RI: Was ist die Logik dahinter?

BF1: Ich habe mir gedacht, wenn ich angebe, dass ich hier Verwandtschaft habe, dann wird die Polizei denken, dass ich nur hierherkomme, damit ich meine Verwandten besuchen kann. Als ich mithilfe eines D am Telefon befragt wurde, habe ich gesagt, dass ich Angst habe, dass sie mich weiterschicken. Die Polizei hat gesagt, dass ich diese Angst nicht haben muss.

RI: Sie haben aber nicht bei der Erstbefragung gesagt, dass Sie in Ö Verwandte haben?

BF1: Nein, ich hatte Angst, ich hatte auch Angst, dass meine Verwandten meinetwegen Probleme bekommen könnten.

RI: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

BF1: Am 29.03.2017.

RI: Sind Sie oder Mitglieder Ihrer Familie, ich spreche von Ihrer Frau und Ihren Kindern, seit Ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation wieder einmal in der RF gewesen, sei auf Besuch oder auf Urlaub?

BF1: Nein.

RI: Schildern Sie bitte Ihre Fluchtgründe? Ich ersuche Sie mir ein möglichst klares und stimmiges Bild des Geschehenen zu vermitteln.

BF1: Meine Situation begann dann, als ich in der letzten Zeit als Taxifahrer gearbeitet habe. Ich habe Kunden chauffiert, ohne zu wissen, dass Sie Gegner der derzeitigen Machthaber sind, im Untergrund leben. Aus diesem Grund bekam ich Probleme, wegen dieser Leute. Es waren drei junge Burschen, ganz normal angezogen, sie haben sich an mich gewandt und sie fragten mich, ob ich sie bis zur Ortschaft XXXX fahren könnten. Ich stimmte zu und wir sind losgefahren.

RI: War es eine ganz normale Taxifahrt?

BF1: Ich war als Taxifahrer als Einzelunternehmer tätig, ich hatte auch eine Lizenz dafür, und ich habe es mir selber einteilen können. Es hat als ganz normale Taxifahrt begonnen. Wir sind nach XXXX über XXXX gefahren, als wir in XXXX waren, haben sie mich ersucht, beim Lebensmittelgeschäft stehen zu bleiben und das Auto anzuhalten. Dies tat ich, ich stimmte zu, sie kauften etwas ein, aber ich weiß nicht was. Ich ging ins Geschäft nicht mit, daher kann ich es nicht sagen, was sie genau gekauft haben. Wir sind dann Richtung XXXX gefahren. Diese Ortschaft XXXX ist ca. 10 km von XXXX entfernt. Als wir in XXXX ankamen, ersuchten sie mich, dass ich Richtung XXXX fahren, das ist die nächste Ortschaft nach XXXX . Ich sagte meinen Kunden, dass wir eigentlich nur bis XXXX vereinbart haben, aber sie baten mich höflich, und sagten, dass sie dort aussteigen werden, so habe ich sie weitergeführt. Wir sind dann ein oder zwei Km max. von XXXX entfernt gewesen, das tat ich dann auch.

RI. Wo war das? In einem Wald, bei einem Feldweg?

BF1: Bei einem Waldstück, als sie ausgestiegen sind sie auch in den Wald hineingegangen. Zwei gingen sofort los, einer blieb bei mir und erklärte, mir was die Sache ist. Er erklärte mir, dass sie alle bei einer Untergrundbande sind, und ich sollte niemandem von der Taxifahrt erzählen.

RI: Was geschah weiter?

BF1: Er sagte mir auch, dass sie eh keine Probleme bekommen, weil sie im Untergrund sind und sich verstecken, aber ich würde Probleme bekommen. Es gab dort keine Fußgeher, die diese Leute sehen hätten können, als die Leute ausstiegen und in den Wald gingen, aber es gab dort einige Fahrzeuge, die vorbeifuhren. Ich wendete das Auto und fuhr nachhause. Ich habe dann überlegt, wie man erfahren hat, dass ich die Leute Richtung Wald brachte, ich überlegte lange, da war ich schon hier in Österreich. Die einzige Erklärung für mich war, dass jemand, der zu dem Zeitpunkt vorbeifuhr, meine Kennzeichen aufgeschrieben hat und an die Behörden weitergeleitet hat. Es gibt noch eine Erklärung, dass möglicherweise bei den Untergrundkämpfern von den Behörden drinnen war und verdeckt ermittelt hat, und das so erfahren wurde.

RI: Sie fuhren nachhause, die drei gingen in den Wald. Was ist dann passiert?

BF1: Ich fuhr nachhause und habe dann niemandem von dem Vorfall erzählt, nicht mal meinem Vater, meinen Brüdern oder meiner Frau. Am nächsten Tag hatten wir einen Termin für mein krankes Kind in der Stadt Grozny, im Kinderspital. Wir sind gegen 7:30h, in etwa, ins Krankenhaus gefahren. Es waren keine längeren Untersuchungen an dem Tag vorgesehen, es war nur ein Kontrolltermin bei einem Neurologen. Meine Frau ging mit den Kind zum Arzt und ich blieb im Auto. Dann hat mich mein jüngerer Bruder XXXX angerufen. Er hat mir gesagt, ich soll nicht nachhause fahren, weil Maskierte in unser Haus eingedrungen sind. Als erstes fragten diese Leute, wo ich mich aufhalte und sie stellten das ganze Haus auf den Kopf. Als gesagt wurde, dass ich nur zu einem Arzttermin fuhr und die Familienmitglieder gefragt wurden, wurde ihnen gesagt, dass ich Beihilfe geleistet habe und zwar den Mitgliedern einer illegalen, bewaffneten Gruppierung.

RI: Wurde ihnen auch gesagt, wie diese Beihilfe ausgesehen haben soll?

BF1: Ja, diese Beihilfe äußerte sich im Transport dieser Mitglieder und Lebensmittel. Ich wurde der Beihilfe verdächtigt.

RI: Was geschah weiter?

BF1: Dann sagte er mir noch, dass mein Vater mitgenommen wurde und ich nicht nachhause kommen sollte.

RI: Der Vater wurde sofort mitgenommen?

BF1: Nein, einen Tag später.

RI. Wie konnte Ihnen dann XXXX am Telefon sagen, dass der Vater mitgenommen wurde, wenn der Vater erst einen Tag später mitgenommen worden ist?

BF1: Das habe ich verwechselt. Es war meinerseits eine Verwechslung, er hat es mir damals am Telefon nicht gesagt. Diese Information hat mir dann mein Vater selbst erzählt.

RI: Wie ging es weiter?

BF1: Ich bin dann nicht nach XXXX zurückgekehrt, sondern bin zu meinem Onkel nach XXXX gefahren. Meinen Vater habe sie dann mitgenommen und zusammengeschlagen, dann haben sie ihn gehen lassen und ihn aufgefordert mich auszuliefern, wenn mein Vater das nicht tun würde, dann würde meine gesamte Familie Probleme bekommen.

RI: Was geschah weiter?

BF1: Ich war dann die ganze Zeit bei meinem Onkel in XXXX , für etwa ein Monat. Auf die Straße ging ich so gut wie gar nicht, wenn dann nur in der Nacht. Bis zu meiner Ausreise blieb ich dort.

RI: Schildern Sie weiter, wie kam es zur Ausreise?

BF1: Ich bin dann aus der Stadt XXXX nach Moskau geflogen. Dort in Moskau übernachtete ich in einem Hotel. Dann bin ich nach Montenegro weitergeflogen. Bei Zollkontrollen in Moskau wurde ich gefragt, was das Ziel meiner Reise sei, was ich vorhaben würde und warum ich nur ein One-Way-Ticket habe. Auf die Frage, was das Ziel meiner Reise sei, sagte ich, wir würden auf Urlaub fahren. Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt schwanger, wir dürfen uns ja 90 Tage ohne Visum aufhalten. Ich erklärte es so, dass wir noch nicht wussten, wie lange wir auf Urlaub bleiben würden, daher nur ein Hinflug. Ich habe noch damals bei der Kontrolle angegeben, dass ich dort einen Freund hätte, ich hatte aber keinen Freund dort, ich wollte alles nur logisch machen. Es war sicherlich nicht alles wahr, mein Reiseziel war es nicht, Urlaub in Montenegro zu machen, ich habe es nur gesagt, dass ich keine Probleme bei der Ausreise bekommen würde.

RI: Aber Sie waren ja dann in Montenegro oder?

BF1: Ja.

RI: Was geschah dann?

BF1: Ich kam nach Montenegro, dort fragte ich einen Taxifahrer, wo ich dort günstige eine Unterkunft bekommen würde, dann fuhren wir von XXXX nach XXXX und dort blieben wir zwei Tage. Dieser Taxifahrer brachte uns in XXXX in ein Hotel und ich ersuchte ihn, dass er uns dann wieder zum Flughafen bringen würde.

RI: Wie kam es dann zum Rückflug?

BF1: Ich hatte einen Flug von XXXX über Wien nach Minsk gebucht. Ich würde es aber nicht als Rückflug bezeichnen. Es war ein Flug nach XXXX . Mein Ziel war es in XXXX zu bleiben.

RI: Als was war es gebucht?

BF1: Es war sozusagen nicht als Rückflug nachhause gebucht, sondern als eine Reise nach Minsk. Es war ein einziger Flug.

RI: Es war nicht mit Hinflug und mit Rückflug, sondern es war ein Flug, der mehrere Stationen hatte oder?

BF1: Ja, es ein Flug von XXXX nach Minsk mit Zwischenstationen. Mein Cousin half mir den Flug im Internet zu buchen. Ich ließ mich auch beraten, wie ich ohne Visum reinkommen kann, weil es für mich ein Problem wäre ein Visum zu bekommen.

RI: Haben Sie noch etwas vorzubringen?

BF1: Nein.

RI: Wann hat diese Taxifahrt nach XXXX stattgefunden?

BF1: Im Februar 2017, am 19. war es.

RI: Wie viele Personen haben Sie bei dieser Fahrt transportiert und ist Ihnen irgendetwas an diesen Personen aufgefallen, was Ihnen merkwürdig erschienen ist (Aussehen, Akzent, Kleidung)?

BF1: Der eine von diesen Personen hat nicht wie ein Kaukasier ausgeschaut, es war eher ein heller slawischer Typ. Die anderen zwei waren dunkle Typen, Kaukasier. Es waren drei Leute, etwa in meinem Alter, vielleicht ein bisschen älter.

RI: Wie hieß der Supermarkt an dem Sie Halt gemacht haben?

BF1: XXXX (gehe nicht vorbei).

RI: Haben diese Taxikunden mit Ihnen irgendetwas gesprochen oder sich Ihnen in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben während der Taxifahrt?

BF1: Gesprächig waren sie nicht sonderlich, was mir komisch vorkam, normalerweise wenn ich Kunden führe dann redet man miteinander. Das einzige was sie mir sagten war, dass wir Nachbarn seien und aus dem Nachbardorf sind. Einer fragte mich, eher smalltalkmäßig, wie lange ich schon als Taxifahrer fahre. Sonst gab es - soweit erinnerlich - keine Gespräche.

RI: Kannten Sie diese Leute, kamen Sie Ihnen bekannt vor?

BF1: Nein, absolut nicht.

RI: Ist während der Taxifahrt selbst irgendetwas Merkwürdiges oder Auffälliges geschehen?

BF1: Eigentlich nicht, außer, wie ich bereits sagte, dass es bis XXXX vereinbart war, dann fuhren sie weiter. Dann stiegen sie beim Wald aus. Sie hatten schon Bärte aber keine langen Bärte. Sogar kürzere Bärte, als ich jetzt habe. Ich hörte, dass solche Leute, die von irgendwo herkommen, um etwas zu besorgen, die kommen nicht mit solchen äußerlichen Merkmalen, dass man es eindeutig einordnen kann.

RI: VORHALTUNG: Bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2017 haben Sie auf der dritten Vorderseite des Protokolls befragt, nach Ihrem Fluchtgrund unter anderem folgendes angegeben: "Zwei von denen stiegen mit den Tüten aus, bevor der dritte ausgestiegen ist sagte er zu mir, dass falls ich jemandem davon erzählen würde, dass ich sie dorthin gebracht habe, würde ich große Probleme bekommen. Sie sagten auch, dass sie keine Probleme bekommen würden, denn ich sei derjenige, der Probleme bekommen würde, sollte ich etwas sagen. Da wurde mir klar, dass diese drei Personen Widerstandskämpfe sind und gegen die Behörden kämpfen." In der heutigen Verhandlung haben Sie hingegen angegeben, dass der dritte Widerstandskämpfer sich Ihnen gegenüber als Widerstandskämpfer zu erkennen gegeben hat, indem er sagte, dass er bei einer Widerstandsgruppe ist. Wieso haben Sie das nicht schon vor dem BFA angegeben?

BF1: Ich möchte Folgendes sagen: Dass ich genauso wie heute auch am 30.11.2017 darüber ausgesagt habe, und zwar, dass der dritte mir gegenüber äußerte, dass ich niemandem davon erzählen soll, weil sie bei der Gruppierung sind.

RI: Hat er Ihnen gesagt, dass er bei der Gruppierung ist, oder haben Sie es nur aus der Situation geschlossen?

BF1: Aus dem, was er mir erzählte, habe ich es geschlossen, dass er ein Widerstandskämpfer ist. Er hat es nicht explizit gesagt. Endgültig war für mich klar, dass diese Menschen, Banditen, Widerstandskämpfer, wie auch immer waren, als die Maskierten in unser Haus eingedrungen sind. Das ist die übliche Vorgehensweise der Behörden, wenn die Behörden erfahren, dass irgendwer hilft oder selbst dabei ist. Es ist so, dass wegen Kontakten mit solchen Menschen sehr viele unschuldige Leute Probleme bekommen haben. Bei uns ist es ganz normal, sein Handy jemandem zu borgen, wenn er es braucht. Bei uns wurde sowas aber auch schon als Beihilfe für die Widerstandskämpfe gewertet. Wie kann man nur nachweisen, dass man einem Menschen nur ein Handy geborgt hat, schon aus dem Grund bekommt man große Probleme. Es ist tatsächlich so, dass sehr viele in unserer zivilen Gesellschaft Kontakte zu den Bandengruppierungen haben und diesen helfen, sonst könnten diese Gruppierung gar nicht überleben. Die Mitglieder der Gruppierungen, die noch nicht amtsbekannt sind und sich noch frei bewegen können, machen sich keine Gedanken um die Sicherheit der anderen Menschen.

RI: Wieviel Zeit verging nach dieser Taxifahrt, bis maskierte Männer bei Ihnen zu Hause vor der Tür standen?

BF1: Nicht ganz 24 Stunden vergingen, an dem Tag, als die Taxifahrt stattfand, bekam ich keine Probleme. Nachmittags kam ich nachhause. Am nächsten Tag um 7:30 Uhr fuhr ich zum Arzt. Vormittags sind die maskierten Männer eingedrungen.

RI: Wann war die Taxifahrt zu Ende?

BF1: Gegen 12 oder um 1 Uhr. Ich möchte noch hinzufügen, dass sie mich sehr gut bezahlten, also überdurchschnittlich gut. Sie wollten kein Trinkgeld haben.

RI: Wie viele maskierte Männer kamen zu Ihnen nach Hause und waren es Polizisten oder Soldaten?

BF1: Ich weiß nicht, von welcher Behörde genau diese Menschen waren, es waren 6-7 Personen und trugen Militäruniformen mit der Flagge der RF am Oberarm. Ich denke nicht, dass sie aus Kernrussland kamen, diese Flagge als Abzeichen waren, weil wir ein Teil der RF waren. Ich glaube, dass es Leute aus Tschetschenien waren. Zu 90 Prozent bin ich mir sicher.

RI: Aber Ihr Vater wird ja wohl bei der Einvernahme mitbekommen haben, wer diese maskierten Leute waren? Waren es Soldaten oder Polizisten?

BF1: Sie haben weder Ausweise vorgelegt oder sich anders ausgewiesen. Sie haben auf die Frage meines Vaters, was los sei, geantwortet, ihr Sohn hat Probleme, er hat Beihilfe geleistet, indem er Personen und Lebensmittel transportiert hat.

RI: Wurde Ihr Vater sofort mitgenommen oder später?

BF1: Nein, wurde er nicht. Sie haben gesagt, sie kommen wieder und am nächsten Tag wurde er mitgenommen. Das Haus wurde komplett durchsucht und alles wurde auf den Kopf gestellt.

RI: Wohin wurde Ihr Vater gebracht am folgenden Tag?

BF1: Mein Vater erzählte mir, dass sie ihm nicht die Möglichkeit gaben zu wissen, wohin er gebracht wurde. Als er ins Auto eingestiegen ist, wurde ihm ein Sack über den Kopf gestülpt.

RI: Wo hat er sich wiedergefundenen, als ihm der Sack runtergezogen wurde?

BF1: In einem Raum, deshalb weiß er nicht, wo er war.

RI: Wie lange wurde Ihr Vater mitgenommen und einvernommen?

BF1: Am selben Tag wurde er nachhause zurückgebracht, am Abend.

RI: Wie viele Stunden war er weg?

BF1: Falls ich mich richtig erinnere, wurde er vormittags mitgenommen und am Abend wieder zurückgebracht. Wann genau, kann ich nicht sagen.

RI: Wurde Ihr Vater nur einmal mitgenommen oder mehrfach?

BF1: So mitgenommen, dass er, wie beim ersten Mal zusammengeschlagen wurde, das geschah nur einmal. Sie haben sich mit ihm mehrfach getroffen, drei bis vier Mal.

RI: Wie getroffen?

BF1: Wo genau, das habe ich nicht nachgefragt, aber er wurde angerufen und zu einem Ort bestellt.

RI: Welcher Ort war das?

BF1: Ich fragte nicht danach. Mein Vater sagte mir, dass sowas drei oder vier Mal vorgekommen ist, soweit ich mich erinnern kann.

RI: Er wurde aber nicht von zuhause abgeholt, sondern er wurde immer zu einem Ort bestellt?

BF1: Ja.

RIK: Waren es immer die Maskierten?

BF1: Nein.

RI: Sondern?

BF: Sie sagten meinem Vater, sie wären nicht die Leute, die ins Haus eingedrungen sind, sondern nur Vermittler. Sie werden als Vermittler fungieren, dass die, die bereits einmal ins Haus eingedrungen sind nicht mehr ins Haus eindringen, und sie haben sich nicht vorgestellt. Sie sagten dem Vater, dass dem Vater ja wohl mitgeteilt worden wäre, dass er sich noch einmal mit ihnen treffen muss. Es ist die übliche Vorgehensweise dieser Leute, sie stellen sich nicht vor, sie sagen nicht für wen sie arbeiten und auch nicht, welchen Posten sie haben, oder welchen Dienstgrad.

Die Verhandlung wird von 12:04 Uhr bis 12:07 Uhr unterbrochen.

RI: D.h. Ihr Vater ist nur mitgenommen und einvernommen worden, was ist bei den anderen Malen passiert?

BF1: Als er beim ersten Mal mitgenommen wurde, wurde er nicht nur befragt, sondern auch zusammengeschlagen.

RI: Wie viel Treffen gab es?

BF1: Ich weiß es nicht genau, aber es waren so drei bis vier Treffen.

RI: In wie weit wurde Ihr Vater bei der ersten Einvernahme misshandelt worden? Was ist geschehen?

BF1: Gewöhnlich werden auch einem bei solchen Einvernahmen Stromschläger verpasst, meinem Vater aber nicht, er wurde nur geschlagen. An welcher Körperstelle er geschlagen wurde, weiß ich nicht. Es ist nicht üblich nachzufragen. Er sagte mir nur, dass er zusammengeschlagen worden ist, und zu meinem Aufenthaltsort befragt worden ist. Er fragte mich auch, ob ich tatsächlich etwas getan habe und ich antwortete ihm, es war nur die Taxifahrt.

RI: Hat Ihr Vater von den Misshandlungen bleibende Verletzungen davongetragen?

BF1: Nicht dass ich wüsste. Die Schläge, die ihm verpasst wurden, waren dafür, dass er eingeschüchtert wird, und nicht ihm zu verletzen. Also, damit er in Kontakt mit diesen Menschen bleibt und mich ihnen ausliefert. Bei uns ist es auch so, dass, wenn man zusammengeschlagen wird, dann wendet man sich nicht ans Krankenhaus und versucht auch nicht diese Körperverletzungen anzuzeigen.

RI: Wurden Ihre Brüder auch einvernommen? Wurde Ihre Mutter auch einvernommen?

BF1: Nein, nur mit meinem Vater war das. Das einzige was ist, als die Leute ins Haus eigedrungen sind, war auch XXXX dort, aber sie haben ihn nicht angerührt.

RI: Wenn Ihr Vater einvernommen worden ist, und danach noch drei bis vier Mal befragt worden ist, dann haben die Behörden ihm offenbar nicht geglaubt, dass er über Ihren Aufenthaltsort nichts wusste? Er wird wohl von den Behörden unter Beobachtung gestellt worden sein? Wissen Sie etwas davon?

BF1: Ich weiß nichts davon. Ich denke nicht, dass er unter Beobachtung gestanden ist, wenn es so wäre, dann wäre ich jetzt nicht da. Ich traf mich mit meinem Vater nur in der Nacht.

RI: Wurde gegen Sie jemals ein Haftbefehl verhängt, wurden Sie jemals offiziell angezeigt oder wurde Ihnen eine Ladung zugeschickt?

BF1: Nichts, aus diesem Grund habe ich nichts bekommen.

RI: Haben Sie irgendeinen Beweis für die behauptete Verfolgung Ihrer Person durch die Behörden in Ihrem Herkunftsstaat?

BF1: Wie kann ich Beweise dafür bringen, ich kann schwer von den Leuten eine Bestätigung holen, dass wer zusammengeschlagen oder mitgenommen wurde. Ich wurde bereits 2013 wegen einer anderen Sache mitgenommen. Man hat mich damals zusammengeschlagen, danach hat man mich gehen lassen. Ich habe mich danach an eine Menschenrechtsorganisation gewandt und zwar an Memorial, eine Menschenrechtsorganisation in Inguschetien. Es gibt auch eine Filiale von Memorial in Grozny, aber die sind dort nicht aktiv.

RI: Was passierte dann, nachdem Sie sich an Memorial gewandt hatten?

BF1: Ich reiste dann nach Inguschetien, ich suchte lange nach den Räumlichkeiten von Memorial, sie waren schwer es zu finden. Ich schilderte mein Problem, dass ich zusammengeschlagen und mitgenommen worden wäre. Die Mitarbeiter von Memorial sagten mir, sie können mir nicht wirklich helfen. Die Büros von Memorial werden immer wieder von FSB aufgesucht und die Unterlagen werden beschlagnahmt. Sie können es praktisch dokumentieren, aber sie können mir nicht helfen. Sie haben mir auch gesagt, ich kann alles niederschreiben, dass sie es schriftlich haben. Sie sagten auch, wenn diese schriftlichen Infos Behörden bekommen würden, dann würde ich noch größere Probleme bekommen.

RI: Das ist aber eine Situation aus 2013, das hat mit Ihrem eigentlichen Fluchtgrund nichts zu tun, oder hängt es mit dem Fluchtgrund zusammen?

BF1: Es hat mit dem Fluchtgrund von 2017 nichts zu tun. Sie haben mich damals mitgenommen, einen Sack über den Kopf gestülpt, mich zusammengeschlagen und gefoltert, aber es hat mir gezeigt, dass mir niemand helfen kann.

RI: Haben Sie noch etwas zu sagen?

BF1: Nein.

RI: Gibt es noch andere Fluchtgründe als die von Ihnen Geschilderten?

BF1: Nur der Staat, sonst nichts.

RI. Haben Ihre Frau und Ihre Kinder einen eigenen Fluchtgrund bzw. einen anderen Fluchtgrund als den von Ihnen Geschilderten?

BF1: Nur meinetwegen sind sie geflüchtet.

RI: Hatten Sie in der Russischen Föderation jemals Probleme aufgrund Ihrer Rasse, Religion, Ethnie, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Ihrer politischen Gesinnung? Hatten Sie abgesehen von den geschilderten Problemen noch andere Probleme mit den Behörden in Ihrem Heimatland?

BF1: Bis zu dem ersten Vorfall hatte ich gar keine Probleme mit den Behörden. Ich war ein ganz normaler Bürger.

RI: Welchen Vorfall meinen Sie?

BF1: Den im Jahr 2013.

RI: Was befürchten Sie konkret im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation?

BF1: Im Hinblick auf die Vorgehensweise, 2017, als sie mein Haus durchsuchten, meinen Vater zusammengeschlagen haben und ihn verhört haben. Bei einer Rückkehr werde ich lebenslänglich bekommen oder man macht mich im Zuge von Folterungen zu einem Invaliden und keiner wird dann meiner Familie helfen können.

RI: VORHALTUNG: Sie haben bei Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2017 als auch heute von Problemen berichtet, die Sie seit 2013 mit dem FSB gehabt haben wollen, da Sie angeblich Kontakt mit einem weitentfernten Verwandten von Ihnen gehabt haben, welcher

Widerstandskämpfer wäre. Folgende Fragen:

RI: Welcher Verwandte war es, wie heißt er und wie war der Kontakt zu ihm?

BF1: Es handelt sich dabei um den Sohn eines Cousins zweiten Grades meines Vaters namens XXXX , er hat mich über das soziale Netzwerk

XXXX kontaktiert. Er hat mir eine SMS geschrieben: "Ich bins servus, wie geht es dir, wie geht es deinem Vater, ich habe dich erkannt, weil ich ein Foto deines Vaters gesehen habe. Mir geht es gut."

RI: Wurde dieser XXXX gesucht von der Polizei gesucht?

BF1: Er war ein aktives Mitglied einer bewaffneten Gruppierung und er hat mit Waffen gekämpft.

RI: Wo ist er jetzt?

BF1: Nicht mehr am Leben, er wurde umgebracht.

RI: Wann ist er gestorben?

BF1: Ich kann mich nicht genau erinnern, es war 2014 oder 2015. Es gab keine Beerdigung, so wie es bei uns üblich ist, ich erfuhr es von seiner Mutter.

RI: Hat es zwischen dem Vorfall 2013 und Ihrem eigentlichen Fluchtgrund in 2017 noch Probleme mit den Behörden gegeben oder hat es in diesem Zeitraum keine Probleme mit den Behörden gegeben?

BF1: 2013 wurde ich zwar entlassen, man sagte mir aber, ich soll Informationen den Behörden geben, wenn XXXX wieder Kontakt mit mir aufnimmt, bei solch einer Kontaktaufnahme sollte ich versuchen sein Vertrauen zu gewinnen und ein Treffen zu arrang

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten