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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/16/0344Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über den Antrag der C in W, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, Hilmgasse 10, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und über die Beschwerde im hg. Verfahren Zl. 97/16/0010, den Beschluß gefaßt:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen;
2.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
3.
Der gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gestellte Antrag, § 15 Abs. 1 Z. 17 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141, in eventu auch in § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die Wortfolge "durch Vermächtnis" als verfassungswidrig aufzuheben, wird zurückgezogen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhob mit dem am 17. Jänner 1997 - Postaufgabe 15. Jänner 1997 - beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz Bescheidbeschwerde gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 19. November 1996, Zl. 60.786-6/96. In der Beschwerde wurde behauptet, daß dieser Bescheid dem bevollmächtigten Steuerberater am 4. Dezember 1996 zugestellt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof erachtete ausgehend von diesem Vorbringen die Beschwerde (vorläufig) für rechtzeitig und stellte vor Einleitung des Vorverfahrens mit Beschluß vom 29. Jänner 1997, Zl. A 2/97, den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, § 15 Abs. 1 Z. 17 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141, in eventu auch in § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die Wortfolge "durch Vermächtnis" als verfassungswidrig aufzuheben.
In der an den Verfassungsgerichtshof erstatteten Gegenschrift wies die belangte Behörde darauf hin, der angefochtene Bescheid sei der Beschwerdeführerin nachweislich am 3. Dezember 1996 zugestellt worden, sodaß die sechswöchige Beschwerdefrist schon am 14. Jänner 1997 endete.
Die Beschwerdeführerin beantragte nach der an sie erfolgten Zustellung der Gegenschrift am 1. Juli 1998 mit Schriftsatz vom 14. Juli 1998 - Postaufgabe 14. Juli 1998 - gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte vor, der Bescheid der belangten Behörde vom 19. November 1996 sei dem Beschwerdevertreter mit einem Eingangsstempel des im Berufungsverfahren bevollmächtigten Steuerberaters übergeben worden. Dieser Eingangsstempel habe das Datum 4. Dezember 1996 getragen. Der Beschwerdevertreter sei aufgrund dieses Eingangsstempels davon ausgegangen, die Zustellung des Bescheides sei am 4. Dezember 1996 erfolgt. Der Steuerberater habe dem Beschwerdevertreter mitgeteilt, daß der Eingangsstempel auf dem Bescheid tatsächlich das Datum 4. Dezember 1996 aufweise und der angefochtene Bescheid laut dem Posteingangsbuch am 4. Dezember 1996 beim Steuerberater eingegangen sei. Er hätte keinerlei Erklärung dafür, weshalb auf dem mit der Unterschrift einer Angestellten des Steuerberaters versehenen Rückschein das Datum 3. Dezember 1996 stehe. Es habe weder für die Beschwerdeführerin noch für den Beschwerdevertreter auch nur der geringste Anlaß bestanden, an der Zustellung des Bescheides am 4. Dezember 1996 zu zweifeln.
Mit weiterem Schriftsatz vom 20. August 1998 brachte die Beschwerdeführerin in Ergänzung des Wiedereinsetzungsantrages vor, es seien mittlerweile Erhebungen bei der Wirtschaftstreuhandgesellschaft, dem Empfänger des Bescheides vom 19. November 1996, durchgeführt worden. Die zuständige Sachbearbeiterin könne sich beim besten Willen nicht erklären, wie es zu der Datumssetzung auf dem Rückschein "3. Dezember 1996" habe kommen können. In einem diesem Schriftsatz beigelegten Schreiben der Wirtschaftstreuhandgesellschaft heißt es, es lasse sich nicht mehr rekonstruieren, wieso es zu der Abweichung laut Rückschein gekommen sei. Die Mitarbeiterin könne auf Grund des lange zurückliegenden Vorfalls aus der Erinnerung keine Erklärung finden.
Der vom Wiedereinsetzungswerber selbst vorgelegten Kopie des Rückscheines läßt sich entnehmen, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 3. Dezember 1996 erfolgte.
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller schon im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, das heißt zumindest die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des behaupteten Ereignisses und das Nichtvorliegen eines Verschuldens des Wiedereinsetzungswerbers an der Fristversäumung darzutun (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, VwSlg. 9226/A).
Ein Verschulden der Partei an der Fristversäumung, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Die Partei hat für das Verschulden ihres Vertreters einzustehen.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 89/14/0254).
Die Wiedereinsetzung ist zu bewilligen, wenn eine Frist durch ein Verhalten von Angestellten des Bevollmächtigten der Partei versäumt wurde, es sei denn, es läge ein Verschulden der Partei vor. Dem Verschulden der Partei selbst ist das Verschulden ihres Vertreters gleichzustellen (vgl. hg. Beschluß vom 25. Juni 1996, Zl. 96/17/0323, 0327).
Der die Fristversäumung im vorliegenden Fall auslösende Umstand liegt im unrichtigen Eingangsvermerk der Angestellten des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers, der vom Beschwerdevertreter für die Berechnung der Beschwerdefrist anläßlich der Beschwerdeerhebung an den Verwaltungsgerichtshof übernommen wurde.
Dem Vorgang, eine einen Fristlauf auslösende Zustellung in Gestalt eines Eingangsvermerkes datumsmäßig festzuhalten, kommt eine besondere Bedeutung im Verfahren zu (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. November 1996, Zl. 95/17/0112).
Im Beschwerdefall war für die Festhaltung der Frist der Zustellung des Bescheides zunächst der im Abgabenverfahren bevollmächtigte Parteienvertreter verantwortlich. Im Wiedereinsetzungsantrag war somit das Nichtvorliegen eines Verschuldens an der Fristversäumung sowohl beim Beschwerdevertreter vor dem Verwaltungsgerichtshof als auch bei dem im Abgabenverfahren bevollmächtigten Parteienvertreter bzw. dessen Angestellten darzutun.
Im Antrag der Beschwerdeführerin wird zum Verhalten der für die Fristversäumung verantwortlichen Angestellten des steuerlichen Vertreters nur vorgebracht, es lasse sich nicht mehr rekonstruieren, weshalb es zu der Abweichung des Datums im Eingangsvermerk vom Rückschein gekommen sei. Die Angestellte der Wirtschaftstreuhandgesellschaft könne auf Grund des lange zurückliegenden Vorfalls aus der Erinnerung keine Erklärung finden.
Mit diesem Vorbringen allein hat die Beschwerdeführerin aber das Nichtvorliegen eines Verschuldens bzw. minderen Grad des Versehens des im Abgabenverfahren bevollmächtigten Parteienvertreters an der unrichtigen, für die Fristberechnung vom Beschwerdevertreter herangezogenen Fristvormerkung und der sich daraus ergebenden Fristversäumung nicht dargetan. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 VwGG schon deshalb keine Folge zu geben.
Bei diesem Ergebnis erweist sich die Beschwerde als verspätet. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluß zurückzuweisen.
Der mit Beschluß vom 29. Jänner 1997, Zl. A 2/97, an den Verfassungsgerichtshof gestellte Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, § 15 Abs. 1 Z. 17 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141, in eventu auch in § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die Wortfolge "durch Vermächtnis" als verfassungswidrig aufzuheben, war daher im Beschwerdefall mangels Vorliegens einer rechtzeitigen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zurückzuziehen.
Diese Entscheidungen waren mit Rücksicht auf den hg. Beschluß vom 29. Jänner 1997, Zl. A 2/97, in dem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat zu treffen.
Wien, am 29. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998160172.X00Im RIS seit
03.04.2001