Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Höhe der Korridorpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2019, GZ 7 Rs 21/19p-23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage der Bescheidqualität folgenden Schreibens:
„Sehr geehrter Herr …!
Wunschgemäß haben wir zum 1. 9. 2016 eine Pensionsvorausberechnung für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer durchgeführt.
Die monatliche Leistung würde brutto 1.474,85 EUR betragen.
Wir hoffen Ihnen damit geholfen zu haben.
Ferner ersuchen wir um Übermittlung der Abmeldung von der Pflichtversicherung.
Hochachtungsvoll …“
Mit Bescheid vom 14. 8. 2017 gewährte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt dem Kläger ab 1. 9. 2016 eine Korridorpension in Höhe von monatlich 1.381,93 EUR (somit um rund 93 EUR monatlich weniger als die Pensionsvorausberechnung erbracht hat).
Soweit für das Revisionsverfahren noch relevant stützt der Kläger sein Begehren auf eine höhere als die zugesprochene Leistung im Wesentlichen darauf, das Schreiben stelle einen Bescheid dar, weil es keinen Hinweis enthalte, dass es sich bloß um eine Vorausberechnung handle, die keine Rechtsansprüche begründe. Er habe sich auf die Richtigkeit der Pensionsvorausberechnung verlassen. Hätte er gewusst, dass die monatliche Pensionsleistung nur 1.381,93 EUR betrage, hätte er bis zur Erreichung des Regelpensionsalters weiter gearbeitet.
Die beklagte Partei bestreitet die Bescheidqualität. Es handle sich um ein reines Informationsschreiben, das eine bloße Wissenserklärung ohne Bescheidwillen darstelle. Bedauerlicherweise sei bei der Vorausberechnung ein Irrtum insofern passiert, als vergessen worden sei, den Abzug der Abschläge in Höhe von 6,3 % der Leistung vorzunehmen. In Wirklichkeit mache der Kläger Schadenersatzansprüche geltend. Auch eine etwaige Verletzung von Informations- und Beratungspflichten durch einen beklagten Sozialversicherungsträger führe aber nicht zu einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch.
Das Erstgericht wiederholte (nach Nachvollziehung der Pensionsberechnung) den Bescheid und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Rechtliche Beurteilung
In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Für die Qualifikation eines Schreibens als Bescheid ist Voraussetzung, dass der Inhalt dieses Schreibens einen eindeutigen Bescheidwillen der Behörde, also deren „autoritatives Wollen“ erkennen lässt (RS0085557 [T1]). Wollte der Versicherungsträger das Rechtsverhältnis zum Versicherten nicht bindend für die weitere Zukunft neu ordnen, sondern ihm eine bloße Information zukommen lassen, ist eine bloße Verständigung oder Mitteilung anzunehmen (RS0085681).
2. Dass die beklagte Partei dem Kläger auf dessen Wunsch hin lediglich eine Information zukommen lassen wollte, ergibt sich schon aus der Formulierung „Pensionsvorausberechnung“, die „wunschgemäß“ vorgenommen wurde und monatlich 1.474,85 EUR ergeben „würde“. Eine „Festsetzung“ der Pensionshöhe im Sinn einer verbindlichen Entscheidung über die konkrete Höhe der Pension (wie in der außerordentlichen Revision behauptet) wurde mit dem Schreiben nicht vorgenommen, ein Bescheidwille lässt sich aus den gebrauchten Formulierungen gerade nicht erschließen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es handle sich um ein bloßes Informationsschreiben, bei dem keine Vermutung eines Bescheidwillens bestehe, der erst entkräftet werden müsse, noch sei dem Schreiben zu entnehmen, dass es sich um eine verbindliche Zusage handle, deren Effektuierung lediglich noch von der Abmeldung der Pflichtversicherung abhänge, hält sich somit im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung.
3.1 Ein an den Versicherten gerichtetes Schreiben wäre ua dann als Bescheid zu werten, wenn der Versicherungsträger seinen Willen zu erkennen gibt, einem Antrag des Versicherten nicht zu entsprechen (RS0049708 [T3]). Der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung 10 ObS 88/91 lag die Erklärung des Pensionsversicherungsträgers zugrunde, die Ausgleichszulage sei „weggefallen“ und werde ab 1. 3. 1990 „eingestellt“. Damit brachte der Pensionsversicherungsträger bindend zum Ausdruck, die Ausgleichszulage nicht mehr zu leisten. Diese Situation ist mit dem vorliegenden Fall einer (wunschgemäß erfolgten) Pensionsvorausberechnung nicht vergleichbar, weil nicht ersichtlich ist, dass einem Antrag des Klägers nicht entsprochen worden wäre.
Die außerordentliche Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Textnummer
E126242European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00114.19S.0913.000Im RIS seit
09.10.2019Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021