TE OGH 2019/9/13 10Ob54/19t

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Veröffentlicht am 13.09.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S***** und 2. DI K*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Gregor Kohlbacher, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 4.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 12. Februar 2019, GZ 6 R 2/19m-8, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 6. September 2018, GZ 207 C 720/18p-6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen deren Rechtsvertreters die mit 551,86 EUR (darin enthalten 91,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Fruchtgenussberechtigte einer Liegenschaft; die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der benachbarten Liegenschaft. Zu Gunsten der Liegenschaft der Beklagten besteht auf der Liegenschaft, an der die Klägerin das Fruchtgenussrecht hat, die Dienstbarkeit des Geh-, Fahr- und Reitweges sowie des Viehtriebes in einer Breite von 2 m über das Grundstück zum Einfahrtor des darauf befindlichen Hauses („Servitutsweg“). Seit 2015 haben die Beklagten die darin befindliche Wohnung vermietet.

Mit dem Vorbringen, der Servitutsweg sei trotz Verwarnungen und Einbringung von Besitzstörungsklagen von den Mietern und deren Gästen immer wieder als Parkplatz verwendet worden, begehrt die Klägerin von den Beklagten, diese seien zur ungeteilten Hand schuldig, jede Erweiterung der Dienstbarkeit, insbesondere durch das Abstellen von Fahrzeugen, zu unterlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass in dem zwischen den Beklagten und deren Mietern (einem Mann und einer Frau) errichteten Mietvertrag ein Zusatz enthalten ist, nach dem auf dem Servitutsweg nicht geparkt werden darf, ansonsten mit einer Anzeige vom Besitzer des Weges zu rechnen sei. Auf Aufforderung des Klagsvertreters hin brachte der Zweitbeklagte am Tor ein Schild „Hier wird abgeschleppt“ an, das eine zuvor angebrachte kleinere Tafel ersetzte. Obwohl die Beklagten die beiden Mieter von Anfang an angewiesen hatten, auf dem Servitutsweg mit Fahrzeugen nicht anzuhalten oder diese dort abzustellen, parkte der Mieter und dessen Besucher dort ihre Pkw, dies sogar dann, nachdem die Klägerin gegen den Mieter bereits eine Besitzstörungsklage eingebracht hatte. Daraufhin ging sie auch gegen den Besucher mit einer Besitzstörungsklage vor. Die Mieterin hält mit ihrem PKW weiterhin zumindest ein Mal in der Woche auf dem Servitutsweg, „um Taschen hinauf zu tragen“.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, die Beklagten hätten als mittelbare Störer alle ihnen zumutbaren Maßnahmen getroffen, um die Mieter an weiteren Störungshandlungen zu hindern. Da der Klägerin die Mieter und deren Gast bekannt gewesen sei, wäre es ihr zumutbar gewesen, gegen diese eine Unterlassungsklage zu erheben.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in eine klagsstattgebende ab. Trotz Ermahnungen durch die Beklagten als Vermieter und trotz von der Klägerin angestrengter rechtlicher Schritte gegen einen der Mieter habe nicht erreicht werden können, dass sich die Mieter an das Verbot des Abstellens von Fahrzeugen auf dem Servitutsweg hielten; die Mieter unterließen es auch offensichtlich, ihre Besucher entsprechend zu instruieren. Diese Situation sei als ausreichendes Indiz dafür anzusehen, dass keine andere rechtliche Möglichkeit bestanden habe, als allenfalls das Mietverhältnis zu beenden. Demnach sei den Beklagten vorzuwerfen, dass sie nicht alles ihnen Zumutbare getan hätten, um die unzulässige Überschreitung des Servitutsrechts durch ihre Mieter hintanzuhalten.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ infolge des von den Beklagten gestellten Antrags auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass den Gerichten bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit von Veranlassungen gegenüber Vermietern als mittelbare Störer ein Wertungsspielraum zur Verfügung stehe, möglicherweise im vorliegenden Fall aber eine Fehlbeurteilung unterlaufen sein könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem Zulässigkeitsausspruch – an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist – wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Weder kann der Zulassungsausspruch als sachliche Begründung im Sinne des § 508 Abs 3 iVm Abs 1 ZPO angesehen werden (RS0111729 [T1]) noch wird in der Revision eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt:

1.1 Ein Unterlassungsanspruch kann sich auch gegen denjenigen richten, der die Störung nur mittelbar veranlasst hat (RS0103058). Im Fall der Erweiterung einer Servitut umfasst der Unterlassungsanspruch gegen den mittelbaren Störer auch dessen Verpflichtung, auf die unmittelbar störenden Dritten Einfluss zu nehmen, damit die Ausdehnung der Servitut unterbleibt (RS0103058 [T6]).

1.2 Die Mittel, das störende Verhalten abzustellen, bleiben dem mittelbaren Störer überlassen (RS0010526). Das gilt auch für einen wegen Störungshandlungen seines Bestandnehmers in Anspruch genommenen Vermieter (RS0118001). Diesem bleibt somit die Wahl, auf welche Weise er die vom „störenden“ Bestandnehmer zu beachtenden Unterlassungen erwirkt. Wenn offenkundig kein anderes Mittel geeignet ist, die Störung abzustellen, kann auch ein Begehren auf Beendigung des mit dem unmittelbaren Störer bestehenden Mietvertrags zulässig sein (RS0118001 [T2]).

2. Von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht ab. Inwiefern das Berufungsgericht seinen Wertungsspielraum überschritten haben sollte, wird in der Revision nicht aufgezeigt. Dem Standpunkt, aus der tatsächlichen Inanspruchnahme der direkten Klageführung gegen die unmittelbaren Störer resultiere die Unzumutbarkeit von Maßnahmen gegen die mittelbaren Störer, ist entgegenzuhalten, dass sich der Mieter auch nach Erhebung der Besitzstörungsklage gegen ihn nicht von weiteren Störungshandlungen abhalten ließ.

3. Die in der Revision geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens und die daraus (angeblich) resultierenden Nichtigkeiten des zweitinstanzlichen Urteils liegen nicht vor:

3.1 Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war die Frage, ob die Beklagten alles Notwendige (Zumutbare) unternommen haben, um die Mieter am weiteren Parken und Halten am Servitutsweg zu hindern. Das Berufungsvorbringen, die Beklagten hätten nicht alle ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen, verstößt somit nicht gegen das Neuerungsverbot. Dass das Berufungsgericht nicht mit einer Zurückverweisung an das Erstgericht vorgegangen ist, um den Beklagten (nach entsprechender Erörterung gemäß § 182a ZPO) das weitere Vorbringen zu ermöglichen, sie hätten das Bestandverhältnis mittlerweile beendet, begründet demnach keinen Mangel des Berufungsverfahrens. Da das Erstgericht nicht dazu verhalten war, die Beklagten zu weiteren, ihnen günstigen Tatsachenbehauptungen anzuleiten, liegt auch keine „Überraschungsentscheidung“ des Berufungsgerichts vor. Inwiefern die Entscheidung des Berufungsgerichts von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichen sollte, ist nicht ersichtlich.

4. Bei einem Klagebegehren auf Unterlassung künftiger (gleichartiger) Störungen bzw Eingriffe ist eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten erforderlich, um eine Umgehung nicht allzu leicht zu machen (RS0037607). Dem entspricht die Formulierung des Klagebegehrens, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, jede Erweiterung der Dienstbarkeit, insbesondere durch das Abstellen von Fahrzeugen, zu unterlassen.

Die Revision ist demnach zurückzuweisen.

Textnummer

E126247

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00054.19T.0913.000

Im RIS seit

09.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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