TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/13 VGW-151/082/7496/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.09.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §8 Abs1 Z5
NAG §44 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Trefil über die Beschwerde der A. B., vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 15.5.2019 gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 9.4.2019, Zl. …, mit dem der Erstantrag vom 2.1.2019 auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" nach § 44 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 11.9.2019,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass als Rechtsgrundlage § 44 Abs. 1 NAG anzuführen ist.

II. Die Kostenentscheidung betreffend Ersatz von Barauslagen für Dolmetschgebühren wird vorbehalten und ergeht separat.

III. Gemäß § 25a VwGG ist dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Das Verwaltungsgericht Wien sieht folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Die Beschwerdeführerin ist eine am … 1966 geborene Staatsangehörige von Kasachstan. Der ihr zuletzt ausgestellte Reisepass hat eine zehnjährige Gültigkeitsdauer vom 23.11.2017 bis 22.11.2027. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

Sie hatte bereits einmal am 19.7.2017 einen (nicht verfahrensgegenständlichen) Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu Studienzwecken (Bachelorstudium … an der Universität Wien) gestellt, die Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung der belangten Behörde am 14.11.2018 zurückgezogen. Die Beschwerdeführerin hatte keine genuine Studienabsicht sondern bezweckte vielmehr den Zuzug in die Europäische Union, nach Möglichkeit in ein deutschsprachiges Land wie Österreich, weil sie in Deutschland über familiäre Bindungen und in Österreich über langjährige freundschaftliche Beziehungen verfügt.

Am 2.1.2019 stellte die Beschwerdeführerin persönlich bei der Österreichischen Botschaft Bratislava (sie verfügte über einen slowakischen Aufenthaltstitel) den vorliegenden Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" gemäß § 44 Abs. 1 NAG unter Vorlage einer zusammenfassenden Antragsbegründung ihrer anwaltlichen Vertreterin mit entsprechenden Unterlagen und Urkunden zum Nachweis der besonderen und allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen.

Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügt die Beschwerdeführerin über einen schenkungsweise überlassenen Betrag von 35.000 Euro auf einem auf sie lautenden Konto eines österreichischen Kreditinstituts. Das Geld hat ihr C. D., ein 1978 geborener kasachischer Staatsangehöriger, geschenkt und überwiesen. Die Beschwerdeführerin kennt ihn seit vielen Jahren über eine langjährige Freundschaft zu seinen Eltern.

In Wien wurde der Beschwerdeführerin zuletzt ein Wohnrecht in einer 120 m2 großen Wohnung (mit Terrasse sowie zugehörigem Parkplatz) im … Wiener Gemeindebezirk eingeräumt. Die Wohnung steht im Wohnungseigentum von E. D., der Ehefrau von C. D., ebenfalls eine kasachische Staatsangehörige, die die Intensität ihrer Freundschaft mit der Beziehung zur eigenen Großmutter vergleichen würde. Zwar entstand der Kontakt über ihren Ehemann, jedoch ist C. D. viel beschäftigt und beruflich unterwegs, sodass die Beschwerdeführerin privat zumeist mit E. D. zu tun hat. In der der Beschwerdeführerin nunmehr unentgeltlich zuletzt für zwei Jahre unwiderruflich überlassenen Wohnung haben C. und E. D. in der Vergangenheit mit ihren drei Kindern viele Jahre selbst gewohnt.

Die private Krankenversicherung der Beschwerdeführerin ist mit einer gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar, enthält also keine davon abweichenden Haftungsausschlüsse und wurde im Dezember 2018 abgeschlossen. Sie besteht aus einer Gesundheitsvorsorge und einer Unfallversicherung. Die vierteljährliche Bruttoprämie beträgt 1.341,28 Euro (oder knapp unter 450 Euro pro Monat). Die Krankenversicherungsprämie wurde bisher von C. und E. D. laufend fristgerecht bezahlt. Der Versicherungsvertrag ist unverändert gültig.

Mit Notariatsakt vom 28.9.2018 wurde die Stiftungsurkunde der F. Privatstiftung zur notariellen Bekräftigung übergeben und dem Notariatsakt angeschlossen. Die Stiftungsurkunde wurde am 9.10.2018 und am 8.11.2018 geändert. Am 22.11.2018 wurde eine Stiftungszusatzurkunde aufgesetzt und diese am 3.4.2019 geändert. Die Stifter der F. Privatstiftung sind C. D. und E. D., die seither im freiwilligen Beirat dieser Privatstiftung eine Funktion innehaben. Dem Beirat kommen nach der Stiftungsurkunde zahlreiche Konsultations-, Beratungs-, Zustimmungs-, Nominierungs- und Aufsichtsrechte zu.

Die F. Privatstiftung (im Folgenden auch nur "Privatstiftung") wurde am 24.10.2018 zur Eintragung ins Firmenbuch angemeldet und am 13.11.2018 im Firmenbuch vom zuständigen Handelsgericht Wien unter der Firmenbuchnummer … mit Sitz in Wien und der Geschäftsanschrift … eingetragen. Die Beschwerdeführerin wird in der (Erstfassung der) Stiftungsurkunde als Mitglied des ersten Vorstands für die Dauer von fünf Jahren bestellt (Punkt 7.2 der Stiftungsurkunde). Im Übrigen wird die Dauer der Bestellung als Vorstandsmitglied im Bestellungsbeschluss geregelt, hat aber zumindest drei Jahre zu betragen (Punkt 7.7 der Stiftungsurkunde). Jedes Mitglied des Vorstands kann sein Amt unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch sofort (unter näher geregelten Modalitäten) zurückzulegen (Punkt 7.8 der Stiftungsurkunde). Die Vergütung für die Mitglieder des Stiftungsvorstands wird in der Stiftungszusatzurkunde festgelegt (Punkt 8.5 der Stiftungsurkunde). Nähere Regelungen zur Einrichtung eines Beirats und dessen Kompetenzen werden ebenfalls getroffen (Punkt 9 der Stiftungsurkunde).

Die Beschwerdeführerin wurde vom Stifter C. D. und der Stifterin E. D. wegen der langen Bekanntschaft und des zu ihr bestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses bestellt. Für C. D. hat dann auch die nunmehrige geschäftliche Beziehung mit der Übernahme der Vorstandstätigkeit einen hohen Stellenwert. Aufgrund seiner eigenen beruflichen Tätigkeit im familiären Unternehmensverbund waren die persönlichen und privaten Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin (anders als für seine Ehefrau) nicht im direkten Blickfeld. Für ihn sind aber die Stiftung sowie das Vertrauen in die ihr Vermögen verwaltenden Personen von hoher Wichtigkeit. Es ist eine Familienstiftung im Interesse seiner Familie. Nach seinen Informationen ist eine Vergütung für die Tätigkeit der Vorstandsmitglieder gesetzlich vorzusehen und daher auch eine Erhöhung geplant, wobei das eine Entscheidung des Vorstands ist und es derzeit lediglich eine Diskussion über das Thema gibt, ohne dass darüber bereits in die eine oder andere Richtung entschieden worden wäre.

Die Bestellung der Beschwerdeführerin zum Mitglied des … Stiftungsvorstands einer österreichischen Privatstiftung mit Sitz in Wien wurde bei der Antragstellung, im verwaltungsbehördlichen Verfahren sowie in der Beschwerde nicht offengelegt.

II.      Das Verwaltungsgericht Wien hat sich bei der Beweiswürdigung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich beweiswürdigend auf den in der Verhandlung erörterten Akteninhalt unter Würdigung der Ausführungen der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin sowie der beiden befragten Zeugen. In den hier festgestellten Punkten der Unterstützung der Beschwerdeführerin für den gewünschten Zuzug in ein deutschsprachiges Land, des ihr entgegengebrachten Vertrauensverhältnisses der sie unterstützenden Personen und ihrer Bestellung zum Mitglied des ersten Vorstands der F. Privatstiftung sowie die Konditionen ihrer Tätigkeit sind sie gänzlich unstrittig.

III.    Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

III.1.  Rechtlicher Rahmen

Das NAG wurde zuletzt durch die am 25.3.2019 kundgemachte Novelle des Brexit-Begleitgesetzes 2019 – BreBeG 2019, BGBl. I Nr. 25/2019, geändert.

Gemäß dem mit "Arten und Form der Aufenthaltstitel" überschriebenen § 8 Abs. 1 Z 5 NAG berechtigt die "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit“ zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

§ 44 NAG regelt in seinem Abs. 1 die "Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit" und lautet in seiner heute geltenden Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, wie folgt:

"§ 44.  (1) Drittstaatsangehörigen kann eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilt werden, wenn

1.     sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

2.     ein Quotenplatz vorhanden ist und

3.     deren feste und regelmäßige monatliche Einkünfte der Höhe nach dem Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG entsprechen."

III.2.  Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht regelt § 44 NAG die Voraussetzungen für die Erteilung des hier beantragten Aufenthaltstitels der "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit". Nach der Definition des § 8 Abs. 1 Z 5 in Verbindung mit § 44 Abs. 1 NAG berechtigt eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" (lediglich) zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Die Erteilung dieses Aufenthaltstitels für eine (auch weiterhin) beabsichtigte Ausübung einer Erwerbstätigkeit kommt somit nicht in Betracht (VwGH 20.8.2019, Ra 2019/22/0087, Rz. 6).

Die Beschwerdeführerin ist derzeit als Mitglied des Vorstands der F. Privatstiftung bestellt. Ihre Bestellung war bereits im Oktober 2018 als Mitglied des ersten Vorstands der Privatstiftung in der Stiftungsurkunde durch die Stifter vorgesehen. Grundsätzlich ist diese Tätigkeit für eine Dauer von fünf Jahren angelegt (bei einer sonst zu beachtenden Mindestdauer von drei Jahren). Eine Zurücklegung des Vorstandsmandats ist unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen möglich, im Fall eines wichtigen Grundes auch sofort. Die Vorstandstätigkeit erfolgt grundsätzlich entgeltlich. Die Stiftungsurkunde sieht die Zahlung einer Vergütung vor, die in der Stiftungszusatzurkunde näher festgelegt wird. Die Beschwerdeführerin hat in dieser Funktion Ende 2018 und in der ersten Jahreshälfte 2019 erste Aufgaben verrichtet und Dispositionen für die Stiftung getroffen, die auch im Firmenbuch dokumentiert sind. Sie hat das Vorstandsmandat nicht gekündigt und auch nicht zurückgelegt.

Für ihre Tätigkeit hat die Beschwerdeführerin zwar bisher keine Vergütung beansprucht oder in Rechnung gestellt oder aus dem Stiftungsvermögen erhalten. Eine unentgeltliche oder ehrenamtliche Tätigkeit der Vorstände der Privatstiftung oder der Beschwerdeführerin ist jedoch weder vereinbart, noch wäre dies ohne eine entsprechende Vereinbarung nach der Stiftungsurkunde vorgesehen. Den beiden Stiftern sind die Privatstiftung und die Verwaltung des der Stiftung zugewendeten Vermögens sehr wichtig. In der Privatstiftung üben sie die Funktion in einem als Beirat eingerichteten Stiftungsorgan aus, dem nach der Stiftungsurkunde umfassende Befugnisse eingeräumt sind (wenn auch teilweise unter der Einschränkung, dass der Berat dann nicht überwiegend aus den Begünstigten der Privatstiftung zusammengesetzt sein darf). Eine unentgeltliche Tätigkeit der Stiftungsvorstände wird von den Stiftern auch gar nicht erwartet oder verlangt.

Gleichzeitig erfolgt eine umfassende finanzielle Unterstützung der Beschwerdeführerin durch die Stifter der Privatstiftung, die sich erkennbar nach wie vor einen Einfluss auf die Vermögensverwaltung der Stiftung sichern wollen - sei es faktisch, sei es in der vorgesehenen Form als Mitglieder in einem Beirat. Unter Berücksichtigung dieser Leistungen ist wiederum die Geltendmachung einer Vergütung oder eines Aufwandersatzes durch die Beschwerdeführerin auch nicht naheliegend.

Bei der gebotenen Beurteilung der wahren Sachlage ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis derzeit als Mitglied des Vorstands einer Stiftung entgeltlich in Österreich erwerbstätig, wobei die Unterstützungsleistungen durch die Stifter der Privatstiftung insbesondere in der Form einer Schenkung von 35.000 Euro sowie in der Form ersparter Aufwendungen für eine Wohnung und für eine Krankenversicherung (zumindest auch) einen (Versorgungs- sowie) Vergütungs- oder Entgeltcharakter haben. Es liegt somit eine entgeltliche erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Inland vor. Der von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Aufenthaltszweck korrespondiert daher nicht mit dem von ihr beantragten Aufenthaltstitel (abermals VwGH 20.8.2019, Ra 2019/22/0087, Rz. 6).

Ein wichtiger Grund für den sofortigen Rücktritt der Beschwerdeführerin von der Funktion als Vorstandsmitglied wurde nicht dargelegt und ist in dieser verantwortungsvollen Position in Verfolgung des eigenen, schon seit längerem bekannten Motivs des Zuzugs nach Österreich zulasten der Privatstiftung auch nicht naheliegend oder vorgesehen gewesen. Somit kann derzeit von keiner sofortigen Einstellung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Österreich ausgegangen werden.

Im Ergebnis liegen daher die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel nicht vor.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Ersatz von Barauslagen ist von jenem über die Hauptfrage trennbar (§ 59 Abs. 1 letzter Satz AVG). Eine Entscheidung über den Ersatz von Dolmetscherkosten als im Beschwerdeverfahren erwachsene Barauslagen kann daher vorbehalten werden und gesondert erfolgen (VwGH 30.6.2015, Ro 2015/21/0011).

Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil das Vorliegen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung zu beurteilen war, fallbezogen eine Erwerbstätigkeit als Vorstandsmitglied im wirtschaftlichen Interesse unterstützender Personen, und in diesem Zusammenhang keine von der verwiesenen Rechtsprechung noch nicht beantwortete Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen wurde, der über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Niederlassungsbewilligung ausgenommen Erwerbstätigkeit; Privatstiftung; Vorstandsmitglied; Unterstützungsleistungen; Vergütung; entgeltliche Erwerbstätigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.082.7496.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten