TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/29 97/20/0760

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Veröffentlicht am 29.10.1998
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Index

25/01 Strafprozess;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §34 Abs3;
StPO 1975 §183 Abs1;
StPO 1975 §183 Abs3;
StPO 1975 §188 Abs3;
StVG §107 Abs1 Z9;
StVG §107 Abs1;
StVG §107 Abs4 idF 1993/799;
StVG §107;
StVG §109 Z5;
StVG §121 Abs1;
VStG §64;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des A B in Linz, vertreten durch Dr. Hermann Aflenzer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Blumauerstraße 3-5, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom 16. Jänner 1997, Zl. Jv 3717-16a/96, betreffend Angelegenheiten nach dem Strafvollzugsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit dem Beschwerdeführer Kosten des (Administrativ-)Beschwerdeverfahrens in Höhe von S 20,-- auferlegt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesministerin für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde als Untersuchungshäftling in der Justizanstalt Linz mit Straferkenntnis des Leiters dieser Justizanstalt vom 3. Dezember 1996 für schuldig erkannt, nachangeführte Ordnungswidrigkeiten begangen zu haben, und zwar habe er

"1. am 18.9.1996 in der Justizanstalt Linz der Anordnung einer im Strafvollzug tätigen Person, nämlich das Hinaussprechen aus dem Haftraumfenster einzustellen, trotz erfolgter Abmahnung vorsätzlich nicht Folge geleistet;

2. am 24.9.1996 im Freizeitraum in der Justizanstalt Linz der Anordnung einer im Strafvollzug tätigen Person, nämlich sich nicht auf die Werkbank, sondern auf einen Sessel zu setzen, vorsätzlich nicht Folge geleistet;

3. am 24.9.1996 im Freizeitraum der Justizanstalt Linz dadurch vorsätzlich die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet, indem er einen Streit mit dem Strafgefangenen H. provozierte und beim Verlassen des Freizeitraumes einen Schlag gegen dessen Kappe ausführte;

4. am 26.9.1996 in der Justizanstalt Linz sich gegenüber einer im Strafvollzug tätigen Person vorsätzlich ungebührlich benommen, indem er den Beamten Inspektor W.L. mit den Worten: 'Das sind Antworten von einem Wichser', beschimpfte;

5. am 27.11.1996 im Haftraum 101 der Justizanstalt Linz dadurch vorsätzlich die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet, indem er den Untersuchungshäftling H. mit Joghurt überschüttete."

Der Beschwerdeführer habe dadurch (zu 4.) eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 Z. 9, (zu 1. und 2.) eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 iVm § 26 Abs. 1 StVG und (zu 3. und 5.) eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 iVm § 26 Abs. 2 StVG begangen. Der Beschwerdeführer wurde deshalb gemäß § 109 Z. 5 und § 114 StVG wegen der Ordnungswidrigkeiten zu 1., 2., 3. und 5. mit der Ordnungsstrafe des strengen Hausarrestes jeweils in der Dauer von fünf Tagen und wegen der Ordnungwidrigkeit zu 4. mit einer solchen Ordnungsstrafe in der Dauer von acht Tagen, jeweils verbunden mit der Beschränkung der Zeit, in der der Haftraum künstlich beleuchtet wird (nämlich bis 19.00 Uhr), bestraft. Überdies wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von S 20,-- verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid des Anstaltsleiters erhob der Beschwerdeführer eine Administrativbeschwerde gemäß § 121 StVG an den Präsidenten des Landesgerichtes Linz als Vollzugsoberbehörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Administrativbeschwerde nicht Folge. Zugleich sprach sie aus, daß dem Beschwerdeführer die mit S 20,-- bestimmten Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last fielen.

Begründend führte die belangte Behörde - im wesentlichen - aus:

Zu 1.:

Der Anstaltsleiter stütze sich auf die Meldung des Justizwachebeamten Inspektor S. Der Beschwerdeführer habe erklärt, er wäre vom Beamten aufgefordert worden, vom Fenster wegzugehen, wo er Tauben gefüttert hätte; dieser Anordnung hätte er nicht Folge geleistet; er hätte (lediglich) zu einem anderen Gefangenen hinüber gerufen, zu einem Gespräch wäre es gar nicht gekommen. Abgesehen davon, daß die Feststellungen des Anstaltsleiters durch die unbedenkliche Meldung des Inspektor F. hinlänglich begründet erschienen, gestehe demgemäß auch der Beschwerdeführer in Wahrheit ohnehin eine Ordnungswidrigkeit zu. Wenn er vom Beamten aufgefordert worden sei, vom Fenster wegzugehen, weil er dort Tauben gefüttert habe, dann wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, dieser Anordnung nachzukommen. Die Nichtbefolgung dieser Anordnung stelle eine Ordnungswidrigkeit dar. Immerhin gebe auch der Beschwerdeführer zu, zu einem anderen Gefangenen hinübergerufen zu haben. Wie sich aus "diversen Verfahren" ergebe, wisse der Beschwerdeführer sehr wohl, daß eine solche Verhaltensweise nicht zulässig sei.

Im übrigen stelle der Beschwerdeführer rechtliche Überlegungen an, wonach er meine, sein Verhalten verwirkliche keine Ordnungswidrigkeit. Dieser Auffassung könne aber nicht gefolgt werden, weil § 26 Abs. 1 StVG verlange, daß die Strafgefangenen den im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten hätten. Sie dürften die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstieße oder die Befolgung dagegen verstoßen bzw. offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde. Davon könne keine Rede sein. Die Strafe sei im Hinblick auf die Hausvorstrafen des Beschwerdeführers durchaus angemessen, die Gehorsamspflicht, die § 26 StVG statuiere, könne nur dann durchgesetzt werden, wenn Verstöße dagegen entsprechend geahndet würden.

Zu 2.:

Hier könne sich der Anstaltsleiter auf die Aussage des Strafgefangenen H. sowie auf die Angaben des BezInsp. L. stützen, aber auch auf das Geständnis des Beschwerdeführers selbst. Soweit der Beschwerdeführer meine, es handle sich um ein nicht strafwürdiges Bagatelldelikt, sei im zuzugestehen, daß es nicht von besonderer Wichtigkeit sei, ob jemand auf einem Sessel oder auf einer Werkbank sitze. Das Wesentliche sei aber die Gehorsamsverweigerung und nur deshalb sei auch die Bestrafung erfolgt. Diese sei im Falle des Beschwerdeführers angemessen, weil sich bei ihm schon zahlreiche vergleichbare Vorfälle ereignet hätten, deretwegen eine Bestrafung erfolgt sei, die offensichtlich nicht zum entsprechenden Erfolg geführt habe.

Zu 3.:

Hier stütze sich der Anstaltsleiter auf die Aussage des BezInsp. L. sowie auf die Angaben des Strafgefangenen H., schließlich auch auf ein Geständnis des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer verweise wiederum darauf, daß seine Bestrafung wegen Geringfügigkeit der Tat nicht erforderlich wäre.

Es sei zwar "von der reinen Tathandlung her gesehen" die vom Beschwerdeführer begangene Ordnungswidrigkeit als Bagatelldelikt einzustufen. Der Beschwerdeführer sei damals aber bei seiner Tathandlung "erregt, also offenbar keinesfalls in scherzhafter Laune" gewesen und es spreche nichts dafür, daß sein Verhalten von den Beteiligten "als scherzhaftes" verstanden worden sei. In Wahrheit sei durch das Verhalten des Beschwerdeführers "in störender Weise in die Sphäre eines Mitgefangenen" eingegriffen worden, und zwar derart, daß "das Verhalten recht nahe an einer körperlichen Insultierung zu sehen" sei. Damit aber erscheine das Verhalten des Beschwerdeführers durchaus als strafwürdig, wobei die Strafe "nur wegen der zahlreichen Hausvorstrafen ABs in dieser Höhe angeordnet" und "aus diesem Grunde auch durchaus angemessen" sei.

Zu 4.:

Der Beschwerdeführer gestehe sein Verhalten ein. Er hätte aber den Beamten "nicht direkt beleidigen" wollen, auch hätte er sich mit dem Beamten bereits ausgesprochen. Die Beschwerde richte sich insoweit lediglich gegen die Strafhöhe.

Tatsächlich handle es sich bei der Aussage des Beschwerdeführers gegenüber dem Beamten um eine massive Beleidigung, die rechtlich auch als solche im Sinn des StGB zu qualifizieren sei. Im Hinblick "auf die zahlreichen Straferkenntnisse, die bereits über AB verhängt werden mußten", sei die vom Anstaltsleiter gefundene Strafe keineswegs überhöht.

Zu 5.:

Auch hier seien die Feststellungen hinlänglich fundiert, und zwar durch die Meldung des Inspektor A. und durch die Aussage des Mitgefangenen H. Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, er wäre zu dieser Sache nicht einvernommen worden, sei ihm entgegenzuhalten, daß er die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme nicht wahrgenommen habe. Im übrigen gebe der Beschwerdeführer ohnehin zu, daß er Joghurt über den Oberkörper seines Zellengenossen geschüttet hätte, weil dieser jegliches Gespräch mit ihm "in Naivität und Borniertheit verweigere".

Eine derartige Gesprächsverweigerung durch einen Mithäftling begründe aber keine Rechtfertigung für eine derart aggressive Vorgangsweise. Abgesehen davon, daß es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit handle, die keineswegs als "Lappalie" abgetan werden könne, seien allgemein die "relativ hohen Strafen", die über den Beschwerdeführer verhängt worden seien, "zum größten Teil auf die Faktenhäufung bzw. die Hausvorstrafen zurückzuführen".

Die belangte Behörde abschließend:

"Sowohl die Feststellungen des Anstaltsleiters als auch die rechtliche Beurteilung sowie die Strafen sind durchwegs einwandfrei."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser mit Beschluß vom 29. September 1997 ablehnte und sie zugleich dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In dem dem Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgetragenen ergänzenden Schriftsatz bringt er insbesondere vor, daß seiner Auffassung nach die festgestellten Sachverhalte keine Ordnungswidrigkeiten "im Sinne des StVG" darstellten. Der Beschwerdeführer macht - zusammengefaßt - geltend, hinsichtlich der Fakten 1. bis 3. sei der Sachverhalt "teilweise unrichtig festgestellt" worden. Hinsichtlich des Faktums 1. werde darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer "lediglich ein einziges Mal aus dem Zellenfenster gerufen" habe und dies keine Ordnungswidrigkeit im Sinne des StVG darstelle. Hinsichtlich des Faktums 2. sei die Anordnung des Justizwachebeamten, daß er seinen Sitz auf der Werkbank aufgeben solle, ein "willkürliches Verhalten der Behörde" gewesen, weshalb auch die Strafe willkürlich sei. Hinsichtlich des Faktums 3. sei unrichtig, daß er den Strafgefangenen H. provoziert habe. Ein Schlag gegen eine Kappe stelle noch keine Ordnungswidrigkeit dar. Die wegen der Fakten 4. und 5. verhängten Strafen beruhten auf einer den Beschwerdeführer benachteiligenden Willkür durch die Justizwachebeamten. Die verhängten Strafen entbehrten einer sachlichen Rechtfertigung. Die belangte Behörde vertrete hier den Standpunkt, das Wesentliche sei "aber die Gehorsamsverweigerung und nur derentwegen die Bestrafung" erfolgt. In dieser Anschauung irre die belangte Behörde. Das Wesentliche sei nicht eine Gehorsamsverweigerung an sich, sondern die Frage, ob der Gehorsamsverweigerung eine berechtigte Anordnung auf Grundlage des Gesetzes vorangegangen sei.

Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Über die Behandlung der Untersuchungshäftlinge ordnet § 183 Abs. 1 StPO an, daß auf die Anhaltung in Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden sind, es sei denn, daß in der Strafprozeßordnung etwas anderes bestimmt ist. Die Strafprozeßordnung enthält keine - im Sinn der vorerwähnten Bestimmung - besonderen (der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt dienenden) disziplinarrechtlichen Bestimmungen für Untersuchungshäftlinge und schließt daher die sinngemäße Anwendung jener des Strafvollzugsgesetzes nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1995, Zlen. 94/19/0718, 0719). Demgemäß ist der zehnte Unterabschnitt (Ordnungswidrigkeiten) des StVG auf Untersuchungshäftlinge (nur ergänzt um die in § 188 Abs. 3 StPO angeordnete Mitteilungspflicht an den Untersuchungsrichter) anzuwenden.

Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG begeht der Strafgefangene, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 zuwiderhandelt, eine Ordnungswidrigkeit. Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 9 leg. cit. begeht der Strafgefangene, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich sich einer im Strafvollzug oder sonst für die Anstalt tätigen Person gegenüber ungebührlich benimmt, eine Ordnungswidrigkeit. Ordnungswidrigkeiten sind nach Maßgabe der §§ 108 ff StVG mit einer Ordnungsstrafe zu ahnden. § 108 Abs. 1 StVG ordnet an, daß ein Strafgefangener abzumahnen ist, wenn er eine Ordnungswidrigkeit begeht. Lediglich wenn die Schuld des Strafgefangenen gering ist, die Ordnungswidrigkeit keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und die Bestrafung auch nicht geboten ist, um den Strafgefangenen von künftigen Verfehlungen abzuhalten, hat es bei der Abmahnung sein Bewenden. Andernfalls ist gegen den Strafgefangenen eine Strafe zu verhängen. Den Strafkatalog enthält § 109 StVG. Danach kommen als Strafen für Ordnungswidrigkeiten in Betracht:

der Verweis;

die Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen;

Die Beschränkung oder Entziehung der Rechte auf Verfügung über das Hausgeld (§ 54), Fernsehempfang (§ 58), Briefverkehr (§ 87), Besuchsempfang (§ 93) oder Telefongespräche (§ 96a);

die Geldbuße;

der Hausarrest.

Gemäß § 114 Abs. 1 leg. cit. darf die Strafe des einfachen oder strengen Hausarrestes nur bei Überwiegen erschwerender Umstände verhängt werden. Der Hausarrest darf vier Wochen nicht übersteigen. Wird strenger Hausarrest verhängt, so ist gemäß § 114 Abs. 3 StVG im Straferkenntnis für die Dauer des Hausarrestes zumindest eine der nachstehend angeführten Maßnahmen anzuordnen:

Beschränkung der Zeit, in der der Haftraum künstlich beleuchtet

wird;

Entzug der Arbeit.

§ 26 StVG umschreibt die allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen. Nach Abs. 1 leg. cit. haben die Strafgefangenen den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde. Nach Abs. 2 leg. cit. haben die Strafgefangenen alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte. Sie haben sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebietet.

Da der Beschwerdeführer weder einen relevanten Verfahrensmangel aufzeigt noch ein Vorbringen erstattet, welches die Schlüssigkeit der von der belangten Behörde angestellten Beweiswürdigung vor dem Hintergrund der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrolle derselben (vgl. u.a. hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) bedenklich erschienen ließe, ist der von der belangten Behörde diesbezüglich festgestellte Sachverhalt der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen (§ 41 VwGG).

Davon ausgehend ist die Beschwerdebehauptung, die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen stellten keine Ordnungswidrigkeit im Sinne des StVG dar, nicht zutreffend. Daß die den Bestrafungen zu 1. und 2. zugrunde liegenden Anordnungen der Strafvollzugsbediensteten "gegen strafgesetzliche Vorschriften" verstoßen hätten oder "die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde" (§ 26 Abs. 1 StVG), in welchem Fall die Strafgefangenen bzw. Untersuchungshäftlinge die Befolgung von Anordnungen ablehnen dürften, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar und wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Es liegt auch auf der Hand, daß ein Verhalten, wie das des Beschwerdeführers gegenüber dem Strafgefangenen H. (Fakten 3. und 5.), die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (schon infolge eines durch derartige Provokationen möglichen Streites mit der dann allfälligen Teilnahme auch von weiteren Personen) zu gefährden geeignet ist (§ 26 Abs. 2 leg. cit.), weshalb eine derartige Verhaltensweise zutreffend als Ordnungswidrigkeit iSd § 107 Abs. 1 Z. 10 iVm § 26 Abs. 2 StVG gewertet wurde. § 107 Abs. 1 Z. 9 StVG soll erreichen, daß die Kritik an einer Behörde oder an einem ihrer Organe sich auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht - wie im hier vorliegenden Fall gemäß Faktum 4. - in einer derart beleidigenden Äußerung (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0158). Warum die wegen der Ordnungswidrigkeiten gemäß 4. und 5. (Beleidigung des Strafvollzugsbediensteten und Überschüttung eines Mithäftlings mit Joghurt, weil dieser mit dem Beschwerdeführer nicht habe sprechen wollen) erfolgten Bestrafungen "auf einer den Beschwerdeführer benachteiligenden Willkür durch die Justizwachebeamten" beruhten, die Strafen daher "einer sachlichen Rechtfertigung" entbehrten, ist nicht nachvollziehbar.

§ 114 Abs. 1 StVG normiert, daß die Strafe des einfachen oder strengen Hausarrestes nur bei Überwiegen erschwerender Umstände verhängt werden darf. Der Hausarrest darf vier Wochen nicht übersteigen. Die belangte Behörde hat einerseits auf die vom Anstaltsleiter bereits angeführten Strafzumessungsgründe verwiesen (danach bestünden beim Beschwerdeführer keine mildernden Umstände, jedoch seien als erschwerend die schon vorangegangenen 13 Ordnungsstrafverfahren zu werten), insbesondere das hartnäckige Fehlverhalten des Beschwerdeführers trotz seiner zahlreichen u. a. wegen ähnlicher Verhaltensweisen vorhandenen "Vorstrafen", hervorgehoben und hinsichtlich des Faktums 4. die schon erwähnte inkriminierte Äußerung als besonders grobe Beleidigung eines Strafvollzugsbediensteten qualifiziert. Die Beschwerde bringt dagegen nichts vor, insbesondere wird auch nicht bestritten, daß der Beschwerdeführer bereits zahlreiche "gleichartige" Fehlverhalten gesetzt habe und die deshalb schon verhängten Strafen keine Änderung seines Verhaltens hätten bewirken können. Hatte die belangte Behörde aber davon auszugehen, daß selbst bereits mehrfach verhängte Ordnungsstrafen in Form des strengen Hausarrestes nicht bewirken konnten, den Beschwerdeführer von künftigen - wiederum zahlreichen - Verfehlungen im Sinne des § 107 StVG abzuhalten (Milderungsgründe werden auch in der vorliegenden Beschwerde nicht vorgetragen), so hat die belangte Behörde nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie die Ordnungsstrafe des strengen Hausarrestes verhängte. Angesichts des wesentlich höheren möglichen Strafrahmens kann auch nicht gefunden werden, daß die Behörde bei den verhängten Strafen (jeweils 5 Tage, in einem Fall 8 Tage) die Strafbemessung gesetzwidrig vorgenommen hätte (vgl. dazu das denselben Beschwerdeführer - ebenfalls wegen mehrerer Ordnungsstrafen des strengen Hausarrestes - betreffende hg. Erkenntnis vom 10. September 1998, Zl. 97/20/0809, 0810).

Die Beschwerde ist allerdings hinsichtlich des Kostenausspruches im Straferkenntnis berechtigt. Die Kostenentscheidung wurde von der belangten Behörde - gleichlautend mit der Entscheidung des Leiters der Justizanstalt - auf § 64 Abs. 2 VStG gestützt. Durch die Novelle zum StVG BGBl. Nr. 799/1993 wurde aber in § 107 Abs. 4 StVG ausdrücklich klargestellt, daß für Ordnungswidrigkeiten (nur) die allgemeinen Bestimmungen des VStG zu gelten haben. § 64 VStG liegt seiner systematischen Einordnung nach in Teil IV (Straftilgung, besondere Verfahrensvorschriften, Verfahrenskosten) des VStG und findet daher im Verfahren über Ordnungswidrigkeiten keine Anwendung (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0062).

Der Beschwerde war daher im Kostenpunkt Folge zu geben, im übrigen aber war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Da die Beschwerde infolge einer Verkennung der Rechtslage (im Kostenpunkt) durch die belangte Behörde zumindest teilweise erfolgreich war, war dem Beschwerdeführer der Aufwandersatz im gesetzlichen Ausmaß gemäß §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 zuzuerkennen.

Wien, am 29. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997200760.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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