Entscheidungsdatum
04.09.2019Index
82/05 LebensmittelrechtNorm
LMSVG 2006 §90 Abs3 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Riedler über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch BB Rechtsanwälte GmbH, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Y vom 18.02.2019, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG),
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Beschwerdevorbringen:
Mit Schreiben vom 11.09.2018 erstattete das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit, Ernährungssicherheit und Veterinärwesen, Anzeige wegen des Verdachtes von Verstößen gegen die Novel-Food Verordnung (EU) Nr 2015/2283. In der „CC GmbH“ Filiale in X, Adresse 2, sei am 28.03.2018 um 14:50 Uhr von DD eine Lebensmittelkontrolle durchgeführt und eine Probe des Produktes „EE - FF -“ gezogen worden, welche nachfolgend zur Untersuchung an das Institut für Lebensmittelsicherheit Z, „AGES“, gesendet worden sei. Dem amtlichen Untersuchungszeugnis sei zu entnehmen, dass die Kennzeichnung des Produktes nicht dem zugelassenen neuartigen Lebensmittel „FF GG“ gemäß der Verordnung (EU) Nr 2017/2470 entspreche und die Angabe der Höchstverzehrmenge von „3g Kraut/2 Tassen Tee“ auf der Verpackung gemäß den Zulassungsbedingungen fehle. Überdies sei die vorgesehene Sachbezeichnung „FF GG (Kraut)“ nicht angebracht. Daher liege der Verdacht vom Verstoß gegen Art 6 Abs 2 der Verordnung (EU) Nr 2015/2283 idgF iVm Tabelle 1 des Anhanges der VO (EU) Nr 2017/2470 idgF (Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels entgegen der Zulassungsbedingungen) vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Y vom 18.02.2019, Zahl ***, wurde Herrn AA folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Sie sind handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der JJ, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der KK GmbH & Co. KG ist.
In dieser Eigenschaft haben Sie es zu verantworten, dass die KK GmbH & Co. KG mit Sitz der Unternehmensleitung in Y, Adresse 3, als Lebensmittelunternehmerin ein durch die LL GmbH & Co. KG, D-*** W, Adresse 4, vermarktetes Lebensmittel, und zwar drei Packungen Tee unter der Bezeichnung „EE - FF -“ (Kartonfaltschachtel bedruckt, darüber Klarsichtfolie; 15 Beutel im Einzelkuvert; MHD: 01/2021; Los/Charge/Abpackdatum: ***), am 28.03.2018 durch Auslieferung an die CC GmbH, Adresse 2, X, wie folgt entgegen der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission in Verkehr gebracht hat:
Das gegenständliche Lebensmittel mit der Bezeichnung „EE - FF -“ unterliegt der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2017 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel.
1. Auf der Verpackung des gegenständlichen Lebensmittels wird folgende Sachbezeichnung angegeben: „EE - FF -“. Gemäß Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 lautet die Bezeichnung des neuartigen Lebensmittels, die in der Kennzeichnung des jeweiligen Lebensmittels anzugeben ist, „FF GG (Kraut)“.
2. Auf der Verpackung des gegenständlichen Lebensmittels fehlt gemäß Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 die Bedingung, unter der das neuartige Lebensmittel verwendet werden darf: „Vorgesehene tägliche Aufnahme: 3 g Kräuter/Tag (2 Tassen/Tag)“.
Das gegenständliche Lebensmittel entspricht daher nicht der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470.
Sie haben dadurch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der JJ (welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der KK GmbH & Co. KG ist) folgende Verwaltungsvorschriften verletzt:
1) Art. 6 Abs 1 der Verordnung (EUG) 2015/2283 iVm Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470
2) Art. 6 Abs 1 der Verordnung (EUG) 2015/2283 iVm Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470
Wegen diesen Verwaltungsübertretungen wird über Sie zu 1) und 2) folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe in Euro
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
gemäß
insgesamt 170,00
12 Stunden
§ 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG, BGBl I Nr. 13 /2006, i.d.F. BGBl I Nr. 51/2017
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
17,00
Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe
Des Weiteren wird Ihnen gemäß § 71 Abs. 3 LMSVG der Ersatz der Gutachterkosten zur Bezahlung an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH in Z, Adresse 5, zur dortigen Auftragsnummer *** in Höhe von € 168,00 vorgeschrieben.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe / Kosten / Barauslagen) beträgt daher
355,00
Euro
“
Gegen dieses Straferkenntnis wurde vom rechtsfreundlichen vertretenen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.03.2019 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten und wurden die Anträge gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol möge das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben und das Strafverfahren einstellen in eventu eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen, falls nicht schon aufgrund der formalen Mängel der Beschwerde stattgegeben werde. In der Beschwerde wurde insbesondere die mangelnde Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers, die mangelnde gesetzmäßige Konkretisierung des Tatvorwurfs, das Fehlen der Beschreibung „ohne weitere Verarbeitung“, die Stufenverantwortung, die Anwendbarkeit der Novel-Food-Verordnung, die unklare Verbotsnorm des Art 6 Abs 1 Novel-Food-Verordnung, die Ausnahme nach Art 3 Abs 2 lit a iv) Novel-Food-Verordnung, die Eintragung der Sorte „FF GG (Kraut)“ als Novel Food, die Verwendung des Lebensmittels „FF“ vor dem 15.05.1997 und damit das Fehlen der Neuartigkeit des Lebensmittels, das Gegengutachten auf gleicher fachlicher Ebene sowie mangelndes bzw nicht nachgewiesenes Verschulden geltend gemacht.
II. Sachverhalt:
Am 28.03.2018 bezog die CC GmbH in X in Österreich das Lebensmittel „EE - FF -“ in der Menge von 480 Packungen vom Lieferanten KK GmbH & Co KG.
Der Beschwerdeführer AA ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der JJ, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der KK GmbH & Co KG ist.
Hersteller und Vertreiber der gegenständlichen Probe ist die Firma LL GmbH & Co KG Deutschland, Adresse 4 in W.
Die Firma LL GmbH & Co. KG wird gesetzlich durch die persönlich haftende Gesellschafterin, Fa. MM-GmbH, diese durch die Geschäftsführer NN, OO und PP vertreten.
III. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den übermittelten verwaltungsbehördlichen Akt der belangten Behörde, vor allem in das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Y vom 18.02.2019, die gegen dieses Erkenntnis eingebrachte Beschwerde des Beschwerdeführers vom 20.03.2019, in das amtliche Untersuchungszeugnis, das Gutachten sowie in das Probenbegleitschreiben und die Kostennote des Institutes für Lebensmittelsicherheit Z, AGES, vom 11.05.2018, Probenzeichen ***.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere aus dem Prüfbericht des Instituts für Lebensmittelsicherheit Y, „AGES“, sowie dem ausführlichen Beschwerdevorbringen. Die Informationen über die Firma LL GmbH & Co KG waren dem Impressum auf der Website des Unternehmens zu entnehmen.
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dem entgegenstanden.
IV. Rechtslage:
Art. 1, 2 und 6 der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission (kurz: Novel-Food-Verordnung) lauten:
„Artikel 1
Gegenstand und Zweck
(1) In dieser Verordnung ist das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel in der Union geregelt.
(2) Der Zweck dieser Verordnung besteht darin, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen und gleichzeitig ein hohes Niveau beim Schutz der menschlichen Gesundheit und der Verbraucherinteressen herbeizuführen.“
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
(1) Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die Begriffsbestimmungen der Artikel 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.
(2) Außerdem bezeichnet der Ausdruck:
a) „neuartige Lebensmittel“ alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedstaaten zur Union nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in mindestens eine der folgenden Kategorien fallen:
…“
Artikel 6 der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr 1852/2001 der Kommission lautet:
„Artikel 6
Unionsliste zugelassener neuartiger Lebensmittel
(1) Die Kommission erstellt eine Liste der gemäß den Artikeln 7, 8 und 9 für das Inverkehrbringen in der Union zugelassenen neuartigen Lebensmittel (im Folgenden „Unionsliste“) und hält sie auf dem neuesten Stand.
(2) Nur zugelassene und in der Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel dürfen nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmitteln verwendet werden.“
Art. 2 Abs. 1 dieser europäischen Verordnung legt ihren Anwendungsbereich insoweit fest, als diese Verordnung für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel in der Union gilt. Der Ausdruck „neuartige Lebensmittel“ wird in Art 3 Abs. 2 lit. a dieser Verordnung näher definiert. Danach bezeichnet der Ausdruck „‚neuartige Lebensmittel‘ alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedstaaten zur Union nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in mindestens eine der folgenden Kategorien fallen:
„…
i) Lebensmittel mit neuer oder gezielt veränderter Molekularstruktur, soweit diese Struktur in der Union vor dem 15. Mai 1997 nicht in Lebensmitteln oder als Lebensmittel verwendet wurde,
…“
In Anlage I der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 der Kommission vom 20. Dezember 2017 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel findet sich unter anderem „FF GG (Kraut)“:
Zugelassenes neuartiges Lebensmittel
Bedingungen, unter denen das neuartige Lebensmittel verwendet werden darf
zusätzliche spezifische Kennzeichnungsvorschriften
FF GG (Kraut)
Spezifizierte Lebensmittelkategorie
Höchstgehalte
Die Bezeichnung des neuartigen Lebensmittels, die in der Kennzeichnung des jeweiligen Lebensmittels anzugeben ist, lautet „FF GG (Kraut)“.
Kräutertees
Vorgesehene tägliche Aufnahme: 3 g Kräuter/Tag (2 Tassen/Tag)
Die für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl Nr 52/1991 idgF lauten wie folgt:
„§ 9
„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Die für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl I 13/2006 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 51/2017 lauten wie folgt:
„§ 4
Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union
(1) Die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union sind samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.
[…]
§ 90
Verwaltungsstrafbestimmungen
[…]
(3) Wer
1. den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt,
2. den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 6, 7 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 7 oder 8, der §§ 11, 12, 13, 14, 19, 20, 34, 47 Abs. 2, 53 Abs. 7 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt,
3. den Bestimmungen der in den §§ 96 und 97 angeführten Rechtsvorschriften zuwiderhandelt,
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
[…]“
…“
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 (LMIV) lauten:
Artikel 8
Verantwortlichkeiten
(1) Verantwortlich für die Information über ein Lebensmittel ist der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt.
(2) Der für die Information über das Lebensmittel verantwortliche Lebensmittelunternehmer gewährleistet gemäß dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften das Vorhandensein und die Richtigkeit der Informationen über das Lebensmittel.
(3) Lebensmittelunternehmer, deren Tätigkeiten die Informationen über Lebensmittel nicht beeinflussen, dürfen keine Lebensmittel abgeben, von denen sie aufgrund der ihnen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vorliegenden Informationen wissen oder annehmen müssen, dass sie dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entsprechen.“
V. Erwägungen:
Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass auf der Verpackung des Lebensmittels „EE - FF-“ angegeben worden sei, obwohl gemäß der Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 2017/2470 die richtige Bezeichnung „EE GG (Kraut)“ sei, sowie dass die Verwendungsbedingung „vorgesehene tägliche Aufnahme: 3g Kräuter/Tag (2 Tassen/Tag)“ fehle. Daher entspreche das Lebensmittel nicht der Durchführungsverordnung (EU) Nr 2017/2470. Somit sei der objektive Tatbestand des Art 6 Abs 1 der Verordnung (EU) 2015/2283 iVm der Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 verwirklicht.
Hierbei verkennt die belangte Behörde, dass es sich bei dem angeführten Artikel 6 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 2015/2283 um keinen tauglichen Verwaltungsstraftatbestand handelt, welcher dem Beschwerdeführer vorgeworfen werden kann, zumal Abs 1 lediglich festhält, dass die Kommission eine Liste der gemäß den Artikeln 7, 8 und 9 für das Inverkehrbringen in der Union zugelassenen neuartigen Lebensmittel erstellt und sie auf dem neuesten Stand hält.
Wenn nunmehr vom Beschwerdeführer vorgebracht wird, dass ihm ein Verstoß gegen Kennzeichnungsvorschriften gemäß der Verordnung (EU) 1169/2011 vorgeworfen werde, zumal es sich bei dem angeführten Art 6 Abs 1 der Novel-Food-Verordnung (EU) Nr 2015/2283 um eine unklare Verbotsnorm handle, ist dem Vorbringen vom erkennenden Gericht beizupflichten. Zwar wird dem Beschwerdeführer im Spruch eingangs ein Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels entgegen der Verordnung (EU) Nr 2015/2283 vorgeworfen, jedoch wird dieser Punkt im nächsten Absatz des Spruches durch Bezeichnungs- und Kennzeichnungsverstöße konkretisiert. Dabei wird in beiden Ziffern ausschließlich auf den Artikel 6 Abs 1 der Novel-Food-Verordnung (EU) Nr 2015/2283 iVm der Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 2017/2470 Bezug genommen und eine Strafe gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG verhängt. Mit dem Vorwurf der nicht ordnungsgemäßen Kennzeichnung des in der Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 2017/2470 enthaltenen und zugelassenen neuartigen Lebensmittels wird von der belangten Behörde daher angenommen, dass es sich um ein zugelassenes neuartiges Lebensmittel gemäß der Tabelle 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr 2017/2470 handelt, welches jedoch nicht ordnungsgemäß, nämlich den Kennzeichnungsvorgaben der Tabelle 1 der Durchführungsverordnung entsprechend, gekennzeichnet worden sei.
Die hier von der Behörde für den angelasteten Sachverhalt zu verwendende korrekte Verwaltungsvorschrift wäre demnach die Verordnung (EU) Nr 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr 1924/2006 und (EG) Nr 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr 608/2004 der Kommission (im nachfolgenden LMIV genannt).
Teil 1 Z 39 der Anlage zum LMSVG (Verordnungen der Europäischen Union gemäß § 4 Abs 1) führt die Verordnung (EU) Nr 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr 1924/2006 und (EG) Nr 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr 608/2004 der Kommission als unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Union auf.
Gemäß Art 1 Abs 2 LMIV legt die Verordnung allgemeine Grundsätze, Anforderungen und Zuständigkeiten für die Information über Lebensmittel und insbesondere für die Kennzeichnung von Lebensmitteln fest. Gemäß Art 1 Abs 3 LMIV gilt die Verordnung für Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Lebensmittelkette, sofern deren Tätigkeiten die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel an die Verbraucher betreffen und gilt weiters für alle Lebensmittel, die für den Endverbraucher bestimmt sind, einschließlich Lebensmitteln, die von Anbietern von Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden, sowie für Lebensmittel, die für die Lieferung an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind.
Gemäß Art 6 LMIV sind jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, Informationen nach Maßgabe dieser Verordnung beizufügen.
Gemäß Art 2 Abs 2 lit a LMIV bezeichnet der Ausdruck „Information über Lebensmittel“ jede Information, die ein Lebensmittel betrifft und dem Endverbraucher durch ein Etikett, sonstiges Begleitmaterial oder in anderer Form, einschließlich über moderne technologische Mittel oder mündlich, zur Verfügung gestellt wird.
In den Begriffsbestimmungen des Artikels 2 der LMIV wird das Wort „Kennzeichnung“ definiert als: alle Wörter, Angaben, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf Verpackungen, Schriftstücken, Tafeln, Etiketten, Ringen oder Verschlüssen jeglicher Art angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen. Das Wort „rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung“ die Bezeichnung eines Lebensmittels, die durch die für dieses Lebensmittel geltenden Rechtsvorschriften der Union vorgeschrieben ist, oder, wenn es keine derartigen Unionsvorschriften gibt, die Bezeichnung, welche in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen ist in dem das Lebensmittel an die Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung verkauft wird.
Artikel 9 Abs 1 LMIV schreibt vor, dass nach Maßgabe der Artikel 10 bis 35 und vorbehaltlich der in diesem Kapitel vorgesehenen Ausnahmen folgende, im gegenständlichen Fall relevanten, Angaben verpflichtend sind: a) die Bezeichnung des Lebensmittels und g) gegebenenfalls besondere Anweisungen für Aufbewahrung und/oder Anweisungen für die Verwendung.
Aus den angeführten Bestimmungen ergibt sich eindeutig die Anwendung dieser Verordnung auf den gegenständlichen Fall. Unzweifelhaft handelt es sich bei der vorgeworfenen Angabe einer falschen Bezeichnung des Produktes (hier: die Bezeichnung „EE - FF-“ statt der in der rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung „FF GG [Kraut]“) um eine „Kennzeichnung“ gemäß Art 2 LMIV. Somit unterliegt der in Ziffer 1 der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen angelastete Sachverhalt eindeutig der LMIV. Ebenfalls ist anhand der angeführten Bestimmungen ersichtlich, dass eine fehlende Angabe über die ordnungsgemäße Verwendung eines Produktes (hier: „vorgesehene tägliche Aufnahme: 3 g Kräuter/Tag [2 Tassen/Tag]“) unter Artikel 9 Abs 1 lit g der angeführten Verordnung fällt. Folglich unterliegen die angelasteten Verwaltungsübertretungen zur Gänze der Lebensmittelinformationsverordnung.
Aufgrund der nunmehr festgestellten Anwendung der LMIV ist auch dessen Artikel 8 im gegenständlichen Fall heranzuziehen:
Als Grundregel normiert Art 8 Abs 1 LMIV für die korrekte Information über ein Lebensmittel die Verantwortlichkeit des Unternehmers, “unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird“, bzw. des Importeurs in die EU. Damit wird die informationsrechtliche Verantwortung von der Rechtsbeziehung zwischen Verbraucher und Letztverkäufer getrennt, indem sie nicht mehr den Verkäufer als solchen trifft. Dies wird insb. im Bericht zur Vorbereitung der Beschlussfassung im Europäischen Parlament deutlich. Dort wird hervorgehoben, dass die Händlerverantwortung reduziert werden müsse und in der Entstehungsgeschichte des Art. 8 Abs. 1 LMIV (siehe dazu im Detail Voit/Grube, LMIV2, 2016, Ch. Beck, Art 8 Rz 13 ff.) kommt klar zum Ausdruck, dass die Verantwortung der Handelsunternehmen eingeschränkt und auf den von ihnen kontrollierten Einflussbereich beschränkt werden soll. Eine sogenannte „Kettenverantwortung“, wonach jeder in der gesamten Kette des Lebensmittelverkehrs von der Erzeugung der Urprodukte über die Herstellung eines Lebensmittels und seiner Weitergabe über den Groß- und Einzelhandel, auch über Gaststätten oder Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, bis zur Abgabe an den Endverbraucher dafür verantwortlich ist, dass das Produkt zum jeweiligen Zeitpunkt des Inverkehrbringens alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften erfüllt, entspricht deshalb nicht dem Modell der LMIV.
Im gegenständlichen Fall wird der Kräutertee „EE - FF-“, wie sich aus der Aktenlage, vor allem dem AGES-Prüfbericht und dem Foto der Etikettierung, ergibt, nicht namens der KK GmbH & Co KG vermarktet; weiters wird das gegenständliche Lebensmittel in Deutschland hergestellt, also nicht in die Union eingeführt.
Eine Verantwortlichkeit der KK GmbH & Co KG und somit des Beschwerdeführers für die ordnungsgemäße Sachbezeichnung des Lebensmittels sowie die Erfüllung der Bedingung, unter der das neuartige Lebensmittel verwendet werden darf, liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Der Beschwerdeführer, als Geschäftsführer der unbeschränkt haftenden Gesellschaft der KK GmbH & Co KG als Lieferantin, konnte die Informationen über das gegenständliche Lebensmittel nicht beeinflussen und hätte er außerdem nicht wissen oder annehmen müssen, dass die Informationen dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entsprechen. Die KK GmbH & Co KG (sowie dessen unbeschränkt haftende Gesellschaft JJ und somit des Geschäftsführers AA) hat bei der Übergabe des Lebensmittels an die CC GmbH lediglich als Lieferantin fungiert und kommt daher nicht als für die Information über das Lebensmittel verantwortlicher Lebensmittelunternehmer gemäß Art 8 Abs 1 LMIV in Frage.
Ergänzend ist noch anzuführen, dass gemäß § 44a Z 2 VStG die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift so präzise zu sein hat, dass iVm der Tatumschreibung nach Z 1 eine eindeutige Zuordnung der vorgeworfenen Tat zu einem bestimmten Straftatbestand möglich ist (VwGH 18.12.2012, Zl 2012/09/0020). Einem Beschuldigten kommt das subjektive Recht darauf zu, dass ihm die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl VwGH 15.10.2009, Zl 2008/09/0009). Das Verwaltungsgericht ist zu einer Richtigstellung oder Präzisierung der im erstinstanzlichen Straferkenntnis als verletzt bezeichneten Rechtsvorschriften berechtigt (VwGH 18.10.2005, 2001/03/0145), solange dem Beschuldigten kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt wird (VwGH 22.10.2012, Zl 2010/03/0065). Dies liegt im gegenständlichen Fall zwar vor, jedoch war angesichts der Bescheidaufhebung und der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens eine Spruchberichtigung nicht vorzunehmen.
Da bereits aus diesen Gründen eine Aufhebung des Straferkenntnisses zu erfolgen hatte, war auf weitere Umstände nicht mehr einzugehen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die im gegenständlichen Beschwerdeverfahren relevanten Rechtsfragen lassen sich unmittelbar aufgrund des LMSVG und der Verordnung (EU) Nr 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV) lösen. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG liegen folglich nicht vor (vgl VwGH 18.02.2015, Zl Ra 2015/04/0009, mit Hinweis auf VwGH 28.05.2014, Zl Ro 2014/07/0053).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, Z, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis: rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54 b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Riedler
(Richter)
Schlagworte
Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel; unvollständige Bezeichnung; Verantwortlichkeit Unternehmer; Vermarktung Lebensmittel; unter Namen oder Firma Unternehmer;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.41.0747.2Zuletzt aktualisiert am
09.10.2019