TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/12 LVwG-2019/13/0345-3

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Veröffentlicht am 12.09.2019
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Entscheidungsdatum

12.09.2019

Index

L92107 Behindertenhilfe Rehabilitation Tirol
25/02 Strafvollzug

Norm

TeilhabeG Tir 2018 §2 Abs2
TeilhabeG Tir 2018 §11
TeilhabeG Tir 2018 §12
StVG §179a Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Dr.in Strele über die Beschwerde der AA, geboren am XX.XX.XXXX, vertreten durch die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Z zu ***** bestellte Erwachsenenvertreterin BB, Rechtsanwältin in Z, Adresse 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 10.01.2019, GZ *****, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Maßnahme Tagestruktur und Wohnen bei der CC GmbH nach dem Tiroler Teilhabegesetz (THG), nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Angefochtener Bescheid, Beschwerdevorbringen, Beweisaufnahme:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z (im Folgenden: belangte Behörde) vom 10.01.2019, GZ *****, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin AA (im Folgenden: Beschwerdeführerin), geboren am XX.XX.XXXX, vertreten durch ihre Erwachsenenvertreterin BB vom 10.10.2018 auf Gewährung der Maßnahme Tagesstruktur und Wohnen bei der CC GmbH nach § 11 und § 12 THG gemäß § 2 Abs 2 THG abgewiesen.

Aus der Begründung dieses Bescheides lässt sich nicht eindeutig entnehmen, weswegen der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde. Es wurde lediglich auf die Bestimmung des § 11 „Arbeit-Tagesstruktur“ und § 12 „Wohnen“ des THG sowie auf § 179a Abs 2 Strafvollzugsgesetz (StVG) und § 2 Abs 2 THG Bezug genommen und ausgeführt, dass im durchgeführten Ermittlungsverfahren festgestellt worden sei, dass das Landesgericht Y als Maßnahmenvollzugsgericht der Beschwerdeführerin die Weisung erteilt habe, bei der CC GmbH, eine Tagesgestaltung und Wohnungsnahme in Anspruch zu nehmen und eben im Hinblick auf die angeführten Vorschriften spruchgemäß zu entscheiden war.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin durch ihre bestellte Erwachsenenvertreterin und Rechtsanwältin BB fristgerecht nachfolgende Beschwerde ein:

„Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 10.01.2019, *****, wurde der Beschwerdeführerin am 14.01.2019 zugestellt. Innerhalb offener Frist erhebt die Beschwerdeführerin nachstehende

B e s c h w e r d e

an das Landesverwaltungsgericht Innsbruck.

Der Bescheid vom 10.01.2019 wird vollinhaltlich angefochten.

Mit Bescheid vom 10.01.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Leistung Tagesstruktur und Wohnen nach §§ 11 und 12 THG gemäß § 2 Abs. 2 THG mit der Begründung abgewiesen, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf gleichartige oder ähnliche Leistungen und Zuschüssen nach anderen in- oder ausländischen Rechtsvorschriften, insbesondere § 179 a Abs. 2 Strafvollzugsgesetz habe.

Diese Rechtsansicht der Erstbehörde ist unrichtig.

Gemäß § 179 a Abs. 2 StVG hat der Bund die Kosten der Behandlung und des Aufenthaltes ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn der Verurteilte nicht Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer Krankenversicherung hat und die Verpflichtung zur Zahlung der Behandlungskosten sein Fortkommen erschweren würde, zu übernehmen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Y vom 02.10,2018 zu ***** wurde der Beschwerdeführerin unter anderem folgende Weisung erteilt:

1. Wohnungsnahme bei der CC GmbH in X;

2. Teilnahme am dort vorgeschlagenen Tagesgestaltungs- und Betreuungsprogramm.

Gleichzeitig wurde jedoch auch festgehalten, dass in Hinblick auf das vorhandene Vermögen der Beschwerdeführerin die Übernahme der Kosten für die CC GmbH X, sowie die ärztliche Behandlung im Sinn des § 179 a StVG, der nur sekundär zur Anwendung gelangt, nicht auszusprechen war (Beilage 1),

Die beiden in § 179 Abs. 1 StVG angeführten Voraussetzungen - der Betreffende hat nicht Anspruch auf entsprechende Leistungen aus der Krankenversicherung und würde durch die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten sein Fortkommen erschwert - müssen kumulativ vorliegen, um eine entsprechende Verpflichtung des Bundes zu begründen (Fieber in WK2 StVG § 179 a RZ 3; OLG Innsbruck zu 7 Bs 261/13 k).

Aus dieser Bestimmung des § 179 a Abs. 2 StVG ergibt sich sohin, dass der Bund zur Kostenübernahme hinsichtlich der Beschwerdeführerin nicht verpflichtet ist, da ihr Fortkommen in Hinblick auf das vorhandene Vermögen nicht erschwert werden würde und sohin eine der kumulativ vorzuliegenden Voraussetzung des § 179 a StVG nicht vorliegt.

Nachdem die Beschwerdeführerin sohin keinen Anspruch auf gleichartige oder ähnliche Leistungen und Zuschüsse nach anderen in- oder ausländischen Rechtsvorschriften hat, die dem gleichen Zweck wie Leistungen bzw. Zuschüsse aus dem Teilhabegesetz dienen, hat sie daher Anspruch auf eine Leistung nach dem Teilhabegesetz.

Diesem Anspruch steht auch die Verfassungsbestimmung des § 330 a ASVG (Verbot des Pflegeregresses) nicht entgegen.

§ 330 a ASVG stellt auf einen Vermögenszugriff in Bezug auf die Pflegekosten für in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommene Personen im Rahmen der Sozialhilfe ab.

So führte das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz - Verfassungsdienst - in der Stellungnahme im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof betreffend die Gesetzmäßigkeit von § 1 lit. e, § 2 Abs. 8, sowie § 8 Abs. 1, 2 und 3 der Richtlinie des Landes Tirol für Kostenbeiträge für ambulante und stationäre Leistungen der Behindertenhilfe, Beschluss der Tiroler Landesregierung vom 19.05.2015 (E 4347/2017-13) unter anderem aus, wie folgt:

§ 330 a ASVG stellt auf einen Vermögenszugriff in Bezug auf die Pflegekosten für in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommene Personen im Rahmen der Sozialhilfe ab. ... Der Begriff „stationäre Pflegeeinrichtung" ist in den relevanten Rechtsvorschriften nicht näher festgelegt, eine Legaldefinition existiert nicht. „Stationär" wird im Allgemeinen als Gegensatzbegriff zu „ambulant" (vgl. etwa § 42 a Abs, 1 des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes, BGBl. Nr, 1/1957) oder „mobil” (vgl. § 14 Abs, 2 des Blutsicherheitsgesetzes 1999, BGBl. I Nr. 44/1999) verwendet; mit dem Begriff „stationär" wird dem Wortlaut nach und in Zusammenschau mit den genannten Gegensatzbegriffen jedenfalls eine gewisse Standortfestigkeit zum Ausdruck gebracht.

Recht nahe dürfte dem Begriffsverständnis des § 330 a ASVG die Umschreibung des § 3 Abs, 5 des Pflegefondsgesetzes, BGBl. I Nr. 57/2011, kommen: „(5) Unter stationärer Pflege und Betreuung im Sinne dieses Bundesgesetzes wird die Erbringung von Hotelleistungen (Wohnung und Verpflegung) und Pflege- sowie Betreuungsleistungen (einschließlich tagesstrukturierende Leistungen) für betreuungs- bzw. pflegebedürftige Personen in eigens dafür errichteten Einrichtungen (einschließlich Hausgemeinschaften) mit durchgehender Präsenz von Betreuungs- und Pflegepersonal verstanden."

Im Sinne dieser Bestimmung sind unter „stationären Pflegeeinrichtungen" eigens für die stationäre Pflege, das ist die Erbringung näher bezeichneter Leistungen für pflegebedürftige Personen, errichtete Einrichtungen (einschließlich Hausgemeinschaften) mit durchgehender Präsenz von Pflegepersonal zu verstehen (vgl. auch die Gegenüberstellung von „stationären Einrichtungen gemäß § 3 Abs, 1 Z 2" und „mobilen Betreuungs- und Pflegediensten gemäß § 3 Abs, 1 Z 1" in § 3 a leg dt.).

Der Begriff „Pflege" ist im Pflegegeldrecht definiert und auch ausjudiziert; er umfasst Betreuungs- und Hilfeleistungen.

Die Abdeckung dieser notwendigen Betreuungs- und Hilfeleistungen kann jedenfalls auch in einer Einrichtung erfolgen, die als „Behinderteneinrichtung" bezeichnet wird. Dies Auffassung wird auch in der Lehre vertreten. ... „Stationäre Einrichtungen" sind insbesondere auch alternative Wohnformen (z, B, Wohngemeinschaften), bei denen zumindest nachts eine Rufbereitschaft besteht.

... Hinsichtlich des Begriffes der „Sozialhilfe" führt Pfeil (Umsetzungsfragen für das Verbot des Pflegeregresses, ÖZPR 2017, 184 f) aus, dass „auch dieser Begriff (...) freilich nicht formal verstanden werden (kann), gibt es doch mittlerweile nicht mehr in allen Bundesländern eigene Sozialhilfegesetze und schon gar keine bundesweit einheitliche Terminologie. Stell man daher wieder angesichts des funktionalen Gleichlaufs und des systematischen Kontexts vor allem auf § 324 Abs. 3 ASVG ab, sollten eigentlich alle Einrichtungen erfasst sein, die - notabene unter der vom Bundesgesetzgeber nicht nur in dieser Bestimmung, sondern im ganzen einschlägigen (und nun auch §§ 330 a und 330 b ASVG einschließenden) Abschnitt - unter dem Begriff „Sozialhilfe” zusammengefasst sind.” Daraus folge, dass „Einrichtungen zur stationären Pflege von Menschen mit Behinderungen ebenfalls erfasst sein müssen, auch wenn sich die entsprechenden Regelungen im betreffenden Land nicht im dortigen Sozialhilfegesetz finden."

Stationäre Einrichtungen, die primär der Betreuung von Menschen mit Behinderung dienen, sind daher ebenfalls von den Bestimmungen über das Verbot des Pflegeregresses umfasst."

Während hingegen § 179 a StVG verlangt, dass die Beschwerdeführerin zunächst ihr Vermögen einsetzt, ist diese Voraussetzung für Leistungen nach dem Tiroler Teilhabegesetz, für das gemäß den vorigen Ausführungen das Verbot des Pflegeregresses zutrifft - nicht gegeben,

Das Verbot des Pflegeregresses betrifft ausschließlich Träger der Sozialhilfe, nicht jedoch den Bund. Dieser ist nicht Träger der Sozialhilfe und lässt sich auch aus der Bestimmung des § 179 a StVG eine derartige Trägerschaft des Bundes ableiten. Daraus folgt, dass im Verhältnis zu § 179 a StVG die Subsidiaritätsbestimmung des § 2 Abs. 2 THG nicht zum Tragen kommt und bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Erstbehörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Leistung Tagesstruktur und Wohnen nach § 11 und § 12 THG bei der CC GmbH hätte stattgeben müssen.

Die Beschwerdeführerin stellt sohin den

A n t r a g

der vorliegenden Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 10.01.2019 dahingehend abzuändern, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Maßnahme Tagesstruktur und Wohnen bei der CC GmbH gemäß § 11 und § 12 THG stattgegeben wird.

Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wird ausdrücklich beantragt.

Gegenständliche Beschwerde wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Z vom 05.02.2019 zu ***** pflegschaftsgerichtlich genehmigt (Beilage 2).

Z, am 06,02.2019                                              AA“

Aufgrund dieser Beschwerde wurde am 09.09.2019 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.

II.      Nachstehender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Mit Beschluss vom 02.10.2018, GZ *****, hat das Landesgericht Y als Maßnahmenvollzugsgericht in der Maßnahmenvollzugssache der Beschwerdeführerin wegen ihrer bedingten Entlassung aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB beschlossen, dass die Beschwerdeführerin aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in die sie mit Urteil des Landesgerichtes Y vom 14.12.2017, *****, rechtskräftig seit 15.03.2018, eingewiesen worden ist gemäß § 47 StGB am 15.10.2018 unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen wird.

Weiters wurden der Beschwerdeführerin gemäß §§ 50, 51 StGB unter anderem die Weisungen erteilt bei der CC GmbH in X Wohnung zu nehmen und am dort vorgeschlagenen Tagesgestaltungs- und Betreuungsprogramm teilzunehmen.

Begründend wurde in diesem Beschluss unter anderem ausgeführt, dass eine Übernahme der Kosten für die CC GmbH X sowie die ärztliche Behandlung iSd § 179a StVG, der nur sekundär zur Anwendung gelangt, nicht auszusprechen war. Der Mitteilung der Sachwalterin RA DD vom 05.09.2018 zufolge verfüge die Beschwerdeführerin derzeit über ein Sparbuch mit einem Einlagestand von Euro 20.000,00, auf ihrem Girokonto würden sich Euro 2.808,00 befinden, weiters habe sie einen Bausparvertrag mit einem Guthaben per 31.12.2017 in Höhe von Euro 5.010,00. Damit sei eine Kostenübernahme zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen.

Festgehalten wird, dass die Beschwerdeführerin über Intervention ihrer Erwachsenenvertreterin eine Invaliditätspension zuerkannt wurde sowie ein – teilweise während der Zeiten der Anstaltsunterbringung ruhendes – Pflegegeld.

Der Beschwerdeführerin vertreten durch ihre Erwachsenenvertreterin BB wurde das Einbringen einer Beschwerde gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid mit Beschluss des Bezirksgerichtes Z als Pflegschaftsgericht am 05.02.2019, GZ *****, genehmigt.

Es sei nicht geklärt, wer die Kosten für den Aufenthalt bei der CC GmbH in X zu übernehmen hat, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass aufgrund des derzeitigen Vermögensstands eine Leistung durch den Bund iSd § 179a StVO nicht erfolgt und der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Leistung der Tagesstruktur und Wohnen nach § 11 und § 12 THG (Gesetz vom 13.12.2017 über die Unterstützung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben – Tiroler Teilhabegesetz LGBl Nr 32/2018) mit dem gegenständlichen (nunmehr angefochtenen) Bescheid abgelehnt wurde.

III.     Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen sind unstrittig und ergeben sich zweifelsfrei aus den genannten Beweismitteln. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin eine Invaliditätspension zuerkannt wurde sowie ein – teilweise während der Zeiten der Anstaltsunterbringung ruhendes – Pflegegeld ergibt sich aus der Begründung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Z vom 05.02.2019, GZ *****.

IV.      Rechtliche Beurteilung:

Die Bestimmung des § 179a Abs 2 Strafvollzugsgesetz (StVG) BGBl Nr 144/1969 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 32/18 lautet wie folgt:

„Ärztliche Nachbetreuung

(…)

(2) Ist einem bedingt Entlassenen sonst die Weisung erteilt worden, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen, hat der Verurteilte nicht Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer Krankenversicherung und würde durch die Verpflichtung zur Zahlung der Behandlungskosten sein Fortkommen erschwert, so hat die Kosten der Behandlung oder des Aufenthaltes ganz oder teilweise der Bund zu übernehmen. Der Höhe nach übernimmt der Bund die Kosten jedoch grundsätzlich nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkommen könnte, wenn der Entlassene in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre; einen Behandlungsbeitrag (§ 63 Abs. 4 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967) hat der Rechtsbrecher nicht zu erbringen. Die Entscheidung über die Übernahme der Kosten steht dem für die Erteilung der Weisung zuständigen Gericht zu und soll nach Möglichkeit zumindest dem Grunde nach bereits bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung in geeigneter Form berücksichtigt werden.

(…)“

Die Bestimmung des § 2 Abs 2 Tiroler Teilhabegesetz (THG) LGBl Nr 32/2018 lautet wie folgt:

„Grundsätze

(…)

(2) Hat der Mensch mit Behinderungen

a)       Anspruch auf gleichartige oder ähnliche Leistungen und Zuschüsse nach anderen in- oder ausländischen Rechtsvorschriften oder nach statutarischen oder vertraglichen Regelungen oder

b)       privatrechtliche Ansprüche gegenüber Dritten, die dem gleichen Zweck wie Leistungen bzw. Zuschüsse nach diesem Gesetz dienen, so darf eine Leistung bzw. ein Zuschuss nach diesem Gesetz nicht gewährt werden (Subsidiarität).

(…)“

Während hingegen § 179a Abs 2 StVG (noch, diese Bestimmung wird am 31.12.2019 außer Kraft treten) verlangt, dass die Beschwerdeführerin zunächst ihr Vermögen einsetzt – so die Begründung des Beschlusses des Landesgerichtes Y vom 02.10.2018, GZ ***** – ist diese Voraussetzung für Leistungen nach dem Tiroler Teilhabegesetz aufgrund des in § 330a ASVG normierten Verbot des Pflegeregresses nicht gegeben.

Die Bestimmung des § 330a ASVG idF des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes (SV-ZG), BGBl I 125/2017, verbietet im Verfassungsrang den „Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten“. Dieses „Verbot des Pflegeregresses“ trat gemäß § 707a Abs 2 ASVG mit 01.01.2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. „Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen“, traten die „betreffenden Bestimmungen“ gemäß der Verfassungsbestimmung des § 707a Abs 2 dritter Satz ASVG „zu diesem Zeitpunkt außer Kraft“.

Dieses „Verbot des Pflegeregresses“ nach § 330a ASVG bezieht sich unter seinen übrigen Voraussetzungen auch auf stationäre Pflegeleistungen, die Menschen mit Behinderung erbracht werden.

Im rechtskräftigen Beschluss des Landesgerichtes Y vom 02.10.2018, GZ *****, wurde (lediglich) in der Begründung festgehalten, dass die Übernahme der Kosten für die CC GmbH X sowie die ärztliche Behandlung der Beschwerdeführerin iSd § 179a StVG nicht ausgesprochen wurde, weil die Beschwerdeführerin über Vermögen verfügt, womit eine Kostenübernahme zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen ist. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen, es wurde kein Rechtsmittel dagegen erhoben.

Anlässlich der durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung führte die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin aus, dass sie beim Landesgericht Y einen Antrag auf Kostenübernahme für die CC GmbH X sowie die ärztliche Behandlung im Sinn des § 179a StVG gestellt habe. Eine Entscheidung darüber sei bis dato nicht erfolgt.

Nach § 2 Abs 2 THG darf eine Leistung bzw ein Zuschuss nach diesem Gesetz nur gewährt werden, wenn der Mensch mit Behinderungen Anspruch auf gleichartige oder ähnliche Leistungen und Zuschüsse nach anderen in- oder ausländischen Rechtsvorschriften hat. Diese Bestimmung gelangt somit nur subsidiär zur Anwendung.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Y als Maßnahmenvollzugsgericht vom 02.10.2018, GZ *****, wurde – wie bereits ausgeführt – über die Frage der Kostenübernahme für die CC GmbH X sowie die ärztliche Behandlung der Beschwerdeführerin nicht abgesprochen. Diesbezüglich hat daher die Beschwerdeführerin beim Landesgericht Y einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Vor dem Hintergrund des Verbotes des Pflegeregresses (Zugriff auf ihr Vermögen) als Verfassungsbestimmung (vgl Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2019, GZ G2762018-27) ist bezüglich der gegenständlichen Frage der Kostenübernahme der Rechtszug endgültig auszuschöpfen, ehe die Bestimmung des § 2 Abs 2 Tiroler Teilhabegesetz (THG) zur Anwendung gelangt. Die belangte Behörde hat somit zurecht den Antrag auf Gewährung der Maßnahme Tagesstruktur und Wohnen bei der CC GmbH vom 10.10.2018 als unbegründet abgewiesen.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Dr.in Strele

(Richterin)

Schlagworte

Subsidiarität

Anmerkung

Aufgrund der außerordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22.10.2020, Z Ra 2019/10/0175-7, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 12.09.2019, Z LVwG-2019/13/0345-3 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.13.0345.3

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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