Entscheidungsdatum
16.09.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Riedler über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen Spruchpunkt I. des Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Stadt Z vom 05.11.2018, Zl *****, betreffend Übertretungen nach dem Tierschutzgesetz,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches (Spruchpunkt I. des angefochtenen Straferkenntnisses) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Z vom 05.11.2018, Zl *****, wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt I. spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:
„I. Schuldspruch
Faktum: A) Tierquälerei
Sehr geehrter Herr AA,
Sie haben der von Ihnen ursprünglich in Ihrer damaligen Mietwohnung in Z, Adresse 2, gehaltenen Katze (weiblich, EKH, schwarz/grau) zufolge nachangeführter als Tierhalter zu verantwortenden Verhaltensweisen entgegen den Bestimmungen des § 5 TSchG ungerechtfertigterweise Leiden zugefügt:
Sie haben die Ihnen als Tierhalter gemäß § 13 TSchG obliegenden Verpflichtungen u.a. zu einer artgerechten Haltung und Betreuung Ihrer Katze zumindest am 23.08.2017 um 10:50 Uhr in einer Weise außer Acht gelassen, dass für die Katze damit Leiden verbunden waren. Das Fell der Katze war hochgradig flächig verfilzt und mit Blättern und anderem undefinierbaren Material verschmutzt.
Faktum: B) Übertretung nach der 2. Tierhaltungsverordnung
Sehr geehrter Herr AA,
Sie haben in der Zeit von zumindest 23.07.2017 bis 23.08.2017 und zumindest am 23.08.2017 um 10:50 Uhr Ihre Katze (weiblich, EKH, schwarz/grau) in Ihrer damaligen Mietwohnung in Z, Adresse 2, unter Außerachtlassung folgender Vorschriften unter Anlage 1 Punkt 2 der 2. Tierhaltungsverordnung gehalten:
Die damaligen dortigen Aufenthaltsbereiche bzw, - räume, in denen Sie Ihre Katze gehalten haben, waren derart durch Abfall (leere Plastikflaschen und Getränkedosen, leere Katzenstreusäcke, benutzte Hygieneartikel, Kleidungsstücke sowie anderen Unrat) verunreinigt, dass diese Räume einen chaotischen, nicht aufgeräumten und vermüllten Eindruck machten. Sie haben daher die Sauberhaltung dieser Aufenthaltsbereiche Ihrer Katze gemäß Anlage 1 Punkt 2 Abs. 6 der 2. Tierhaltungsverordnung unterlassen.
Sie haben dadurch als Tierhalter folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen:
zu A) § 38 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 und 2 Z 13 TSchG
zu B) § 38 Abs. 3 TSchG iVm Anlage 1 Punkt 2 Abs. 6 der 2. Tierhaltungsverordnung
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von Euro
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
gemäß
zu A) 300,00
zu B) 150,00
insgesamt: 450,00
zu A3) 1 Tag
zu B1) 1 Tag
insgesamt: 2 Tage
zu A3) 38 Abs. 1 Z 1 TSchG
zu B1) 38 Abs. 3 TSchG
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen:
zu A) 30,00
zu B) 15,00
insgesamt: 45,00
Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe / Kosten / Barauslagen) beträgt daher
495,00
Euro
Unter Spruchpunkt II. des zit Straferkenntnisses erfolgte gemäß § 45 Abs 1 VstG 1991 eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen AA wegen anderer näher genannter Verwaltungsübertretungen nach dem Tierschutzgesetz im Zusammenhang mit der nicht artgerechten Haltung der Katze durch den Beschwerdeführer.
In der fristgerecht erhobenen Beschwerde, die sich inhaltlich ausschließlich gegen den Schuldspruch (Spruchpunkt I. des angefochtenen Straferkenntnisses) richtet, brachte AA vor, dass die verschmutzte Wohnung nicht nur ein Grund für eine Anklage des Wohles seiner geliebten Katze BB sei, sondern auch ein deutliches Zeichen seiner langjährigen Erkrankung und möchte er höflichst darum bitten, die Anklage fallen zu lassen und ihn zu verwarnen. Er verstehe, dass diese Momentaufnahme seines Lebens schockierend auf jeden Tierschützer der Welt aussehen müsse, doch könne er gerne jeden einzelnen mit seinem Herzen überzeugen, dass es seiner Katze zu keinem Zeitpunkt schlecht gegangen sei. Er habe mit seinem Haustier mehr Zeit mit Kuscheln und Spielen als mit menschlichen Kontakten verbracht und habe stets dafür gesorgt, dass es ihr an nichts fehle, auch wenn seine Erkrankung und seine Depressionsanfälle sein Tun eingeschränkt hätten. Seine Katze BB habe nicht von ihm gebürstet werden wollen, also habe er begonnen, ihr zwei Mal oder mehrere Male im Jahr den Rücken zu scheren, was sie mit seltsamem um die Wette schnurren mit der Maschine akzeptiert habe. Er könne nur dazu sagen, ja es sei wieder an der Zeit gewesen und ja er hätte es in einer zeitnahen Umgebung auch schon geplant gehabt, ansonsten hätte er in einer völlig zugemüllten Wohnung kaum die Schermaschine parat gehabt, um sie dem Herren vom Tierheim mitzugeben. Er bitte nochmals um Verzeihung, dass er solche Umstände verursacht habe und hoffe darauf, dass er etwas Klarheit in diesen Sachverhalt habe bringen können. Mit seiner Beschwerde hat AA eine Bestätigung der Universitätsklinik für Psychiatrie II vom 06.12.2018 beigebracht, wonach dieser an einer wiederkehrenden, zum Teil schweren depressiven Störung leide und seit dem Jahr 2011 an der psychosomatischen Abteilung in ambulanter Behandlung stehe.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol richtete aufgrund des Beschwerdevorbringens folgendes, mit 13.02.2019 datiertes Ersuchen, an die medizinische Sachverständige CC, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie:
„Sehr geehrte Frau CC!
Mit Beschluss vom 13.02.2019, Zl LVwG-2018/41/2709-1, hat Sie das Landesverwaltungsgericht Tirol in der im Betreff genannten Angelegenheit zur nichtamtlichen medizinischen Sachverständigen, Fachbereich Psychiatrie, bestellt. Das Landesverwaltungsgericht ersucht Sie in dem zu Zl LVwG-2018/41/2709 behängenden Beschwerdeverfahren ein Gutachten zu erstatten und teilt Ihnen dazu Folgendes mit:
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Z vom 05.11.2018, Zl *****, wurden über AA wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Tierschutzgesetz (Tatzeiten: 23.07.2017 bis 23.08.2017) Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen nach dem Tierschutzgesetz (TSchG) verhängt. Bereits im Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde (Bürgermeister der Stadt Z) wurde von AA im Hinblick auf den Zustand seiner Wohnung und der Vernachlässigung seiner Katze „BB“ eingewendet, dass er damals zum Zeitpunkt der Delogierung sowie seit ca 1 bis 2 Monate vorher aufgrund starker Depressionen nicht mehr in der Lage gewesen sei, außer Haus zu gehen und es deshalb in der Wohnung auch ziemlich „ausgeschaut“ habe. Mit seiner Beschwerde hat AA eine Bestätigung der Universitätsklinik für Psychiatrie II vom 06.12.2018 beigebracht, wonach dieser an einer wiederkehrenden, zum Teil schweren depressiven Störung leidet und seit 2011 an der psychosomatischen Abteilung in ambulanter Behandlung steht.
Es ergeht nunmehr das Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol an Sie, im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ein Gutachten zu erstatten und folgende Frage zu beantworten:
War Herr AA in der Zeit vom zumindest 23.07.2017 bis 23.08.2017 bzw zumindest am 23.08.2017, also zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Übertretungen nach dem Tierschutzgesetz, wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig, das Unerlaubte der Taten einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln?
War die Fähigkeit zur Zeit der Taten aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert?
Zum Ersuchen um Erstattung des Gutachtens übermittelt das Landesverwaltungsgericht Tirol die nachfolgenden Unterlagen:
? Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18.07.2018, Zl *****
? Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten vom 08.08.2018
? Straferkenntnis vom 05.11.2018, Zl *****
? Beschwerde vom 07.12.2018 samt Bestätigung der Universitätsklinik Z vom 06.12.2018
…“.
Mit Schriftsatz vom 16.08.2019 langte beim Landesverwaltungsgericht Tirol das fachärztliche Gutachten der Frau CC vom 10.08.2019 ein, in welchem zusammengefasst folgende fachärztliche Beurteilung sowie gutachterliche Stellungnahme erfolgte:
„Im Auftrag des Landesverwaltungsgerichtes Tirol wird ein Gutachten erstattet zur Frage, ob Herr AA in der Zeit von zumindest 23. Juli 2017 bis 23. August 2017 (zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Übertretungen nach dem Tierschutzgesetz) wegen Bewusstseinsstörung, wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Taten einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. Es soll die Einsichtsfähigkeit zur Zeit der Tat beurteilt werden.
Der Betroffene wurde am 29. Mai 2019 in der Ordination der Sachverständigen psychiatrisch-fachärztlich untersucht.
Der Betroffene befindet sich in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung bei Frau DD an der Klinik in Z. Er ist seit 2011 in regelmäßiger Behandlung und leidet laut ärztlicher Bestätigung an einer rezidivierenden, zum Teil schweren depressiven Störung.
Zusätzlich bestehen eine Angststörung mit Panikattacken sowie eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung.
Der Betroffene ist seit 2018 in Invaliditätspension und hat davor die befristete Invaliditätspension bzw. Reha-Geld bezogen.
Er berichtete, dass er - je nach psychopathologischem Zustand - in zwei- bis achtwöchentlichen Abständen bei seiner Psychiaterin vorstellig werde. Zusätzlich sei er seit November 2017 vom PSP betreut.
Jetzt wohne er im EE-Wohnheim in der Adresse 3 in Z, dies sei ein betreutes Wohnprojekt. Mitte August 2017 sei die Delogierung erfolgt und in weiterer Folge habe er bis zur Möglichkeit des Einziehens ins Betreute Wohnen verschiedene Schlafmöglichkeiten in Pensionen oder bei Freunden gehabt.
Er beschrieb nachvollziehbar, dass er zum Tatzeitpunkt einen starken sozialen Rückzug und eine massive Antriebsstörung gehabt habe. Er sei teilweise herumgeirrt, habe nicht mehr klar denken können. Es habe eine massive Schlafstörung bestanden, so habe er viele Nächte überhaupt nicht geschlafen und dementsprechend kognitive Defizite erlitten. Ein geordnetes Denken sei damals kaum möglich gewesen. Er habe sein gesamtes Leben nicht mehr organisieren können, so habe er beispielsweise nicht gewusst, dass er Reha-Geld beantragen könnte. Der Betreuer bei der Gebietskrankenkasse habe mehrfach versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Er habe ein bis zwei Monate kein Geld gehabt.
Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Befunderhebung zeigte er eine situationsadäquate Stimmung. Der Antrieb war noch etwas vermindert, die Einsichts- und Urteilsfähigkeit sowie die Kritikfähigkeit waren ausreichend vorhanden. Es bestand kein Hinweis für wahnhaftes Erleben oder Halluzinationen. Der Schlaf war unauffällig. Es ergaben sich keine Hinweise für suizidale Einengung.
Zusammenfassend kann aus gutachterlicher Sicht bestätigt werden, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt in seiner Einsichtsfähigkeit massiv beeinträchtigt war. Es war ihm nicht möglich, sich selbst und dementsprechend auch seine Katze ausreichend zu versorgen.
Es hat eine schwere depressive Episode mit massiver Antriebsstörung und starkem sozialem Rückzug sowie massiver kognitiver Beeinträchtigung durch das Schlafdefizit bestanden.
Es war ihm zum gegenständlichen Zeitpunkt (23. Juli 2017 bis 23. August 2017) nicht möglich, das Unrecht seiner Taten einzusehen und auch nicht möglich, gemäß dieser Einsicht zu handeln.“
Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 19.08.2019 wurde den Parteien des Verfahrens, unter Wiedergabe der Schlussfolgerung des fachärztlichen Gutachtens, die Möglichkeit gegeben, zum ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, dies mit dem Hinweis, dass im Falle der Nichtbeantragung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol schriftlich ergehen wird. Eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wurde seitens der Parteien nicht beantragt.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt Eigentümer und Tierhalter einer weiblichen Katze unbekannten Alters. Am 23.08.2017 um 10:30 Uhr wurde der diensthabende Wasenmeister der Stadt Z gebeten, aus der Wohnung des Beschuldigten in der Adresse 2 in Z eine Katze aufgrund einer Delogierung abzuholen. Um 10:50 Uhr war der Wasenmeister vor Ort und fertigte von den unhygienischen Zuständen in der Wohnung des Beschwerdeführers Lichtbilder an. Die Katze wurde sodann ins Tierheim FF verbracht.
Der Beschwerdeführer hat vor der Delogierung ungefähr dreieinhalb Jahre mit der Katze in der Wohnung in der Adresse 2 in Z gelebt.
Das Fell der Katze war hochgradig flächig verfilzt sowie mit Blättern und anderem undefinierbaren Material verschmutzt. Die Katze wurde in der chaotischen und vermüllten Wohnung freilaufend gehalten. Die Wohnung war stark durch Abfall (leere Plastikflaschen und Getränkedosen, leere Katzenstreusäcke, benutzte Hygieneartikel, Kleidungsstücke sowie anderem Unrat) verunreinigt. Es wurde somit die artgerechte Haltung und Betreuung der Katze, jedenfalls zum Zeitpunkt der Kontrolle durch den diensthabenden Wasenmeister, in einer Weise außer Acht gelassen, dass für die Katze Leiden verbunden waren. Die Katze wurde aufgrund ihrer Haltung in einer völlig zugemüllten Wohnung vom Beschwerdeführer entgegen den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes und der zweiten Tierhaltungsverordnung nicht artgerecht gehalten.
Der Beschwerdeführer war von zumindest 23. Juli 2017 bis 23. August 2017 unzurechnungsfähig. Es war ihm nicht möglich, sich selbst und dementsprechend auch seine Katze ausreichend zu versorgen. Es hat eine schwere depressive Episode mit massiver Antriebsstörung und starkem sozialem Rückzug sowie massiver kognitiver Beeinträchtigung durch das Schlafdefizit bestanden. Es war ihm nicht möglich, das Unrecht seiner Taten einzusehen und auch nicht möglich, gemäß dieser Einsicht zu handeln.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich eindeutig und nachvollziehbar aus dem verwaltungsbehördlichen Akt sowie aus dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, vor allem aus dem fachärztlichen Gutachten der CC, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, der Stellungnahme des Tierschutzombudsmannes vom 13.08.2018, Zahl *****, der niederschriftlichen Vernehmung des Beschuldigten vom 08.08.2018, den im Rahmen der Delogierung angefertigten und im Verwaltungsstrafakt erliegenden Lichtbildern, der Bestätigung der Oberärztin DD vom 06.12.2018 sowie aus dem übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol konnte in der vorliegenden Rechtssache deshalb abgesehen werden, weil in der gegenständlichen Beschwerdesache ausschließlich eine Rechtsfrage zu beantworten war. Eine mündliche Erörterung ließ daher eine weitere Klärung der vorliegenden Rechtssache nicht erwarten, einem Entfall der Verhandlung standen demgemäß weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl dazu § 24 Abs 4 VwGVG und die beiden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.10.2013, Zl 2012/06/0221, und vom 21.03.2014, Zl 2011/06/0024). Darüber hinaus wurde von den Parteien des Verfahrens eine mündliche Verhandlung auch nicht beantragt.
IV. Rechtslage:
Die im gegenständlichen Verfahren maßgeblichen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes – TSchG, BGBl I Nr 118/2004 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr 61/2017, lauten wie folgt:
„Verbot der Tierquälerei
§ 5 (1) Es ist verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen.
(2) Gegen Abs. 1 verstößt insbesondere, wer
…
13. die Unterbringung, Ernährung und Betreuung eines von ihm gehaltenen Tieres in einer Weise vernachlässigt oder gestaltet, dass für das Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind oder es in schwere Angst versetzt wird;
…
Straf- und Schlussbestimmungen
Strafbestimmungen
§ 38. (1) Wer
1. einem Tier entgegen § 5 Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt oder
…
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15 000 Euro zu bestrafen.
(2) In schweren Fällen der Tierquälerei ist eine Strafe von mindestens 2 000 Euro zu verhängen.
(3) Wer außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 gegen §§ 5, 7, 8a, 9, 11 bis 32, 36 Abs. 2 oder 39 oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 3 750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7 500 Euro zu bestrafen.
„(3) Wer außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 gegen §§ 5, 7, 8a, 9, 11 bis 32, 36 Abs. 2 oder 39 oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 3 750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7 500 Euro zu bestrafen.“
Die für das gegenständliche Verfahren wesentliche Bestimmung der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit über die Haltung von Wirbeltieren, die nicht unter die 1. Tierhaltungsverordnung fallen, über Wildtiere, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und über Wildtierarten, deren Haltung aus Gründen des Tierschutzes verboten ist (2. Tierhaltungsverordnung), BGBl II Nr 486/2004 in der Fassung BGBl II Nr 68/2016 lautet wie folgt:
„Anlage 1
Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren
2. Mindestanforderungen für die Haltung von Katzen
…
(6) Räume, in denen Katzen gehalten werden sind sauber zu halten. Den Katzen muss eine ausreichende Anzahl von Katzentoiletten zur Verfügung gestellt werden, die entsprechend sauber zu halten sind.
…“
Die für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl Nr 52/1991 idgF lauten wie folgt:
„§ 3
Zurechnungsfähigkeit
§ 3. (1) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.
(2) War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewußtseinsstörungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen.“
V. Erwägungen:
Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt bzw Tatzeitraum unbestritten Halter der Katze „BB“ im Sinne des § 4 Z 1 TSchG. Nach § 4 Z 1 TSchG ist unter dem Begriff „Halter“ jene Person zu verstehen, die ständig oder vorübergehend für ein Tier verantwortlich ist oder ein Tier in ihrer Obhut hat (vgl zum weiten Halterbegriff nach dem TSchG zB das Erkenntnis des VwGH vom 29.04.2008, Zl 2007/05/0125).
Gemäß § 5 Abs 1 TSchG ist es verboten, einem Tier ungerechtfertigte Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen. Darüber hinaus inkriminiert § 5 Abs 2 Z 13 TSchG eine Unterlassung, nämlich die Vernachlässigung der Unterbringung, Ernährung und Betreuung eines Tieres.
Weiters sieht Anlage 1 Punkt 2 Abs 6 der 2. Tierhaltungsverordnung vor, dass die Räume, in denen Katzen gehalten werden, sauber gehalten werden müssen.
Nach den getroffenen Feststellungen hat es der Beschwerdeführer zumindest vom 23.07.2017 bis 23.08.2017, jedenfalls am 23.08.2017 um 10:50 Uhr, unterlassen, die Aufenthaltsbereiche der Katze sauber zu halten, zumal die Räume der Wohnung chaotisch, nicht aufgeräumt und vermüllt waren. Er hat außerdem zumindest am 23.08.2017 um 10:50 Uhr die Pflege der Katze derart vernachlässigt, dass ihr Fell zum Zeitpunkt der Delogierung hochgradig verfilzt und verschmutzt war. Dabei litt die Katze über einen längeren Zeitraum, jedenfalls aber bei der Delogierung am 23.08.2017, unter ungerechtfertigten Leiden infolge der vernachlässigten Betreuung und Unterbringung.
Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der im Akt befindlichen Bestätigung der Oberärztin DD war jedoch im gegenständlichen Fall der, auf subjektiver Tatbestandsebene zu prüfende, Strafausschließungsgrund des § 3 VStG heranzuziehen.
Nach der Grundsatznormierung des § 3 Abs 1 VStG ist der zurechnungsunfähige Täter „nicht strafbar“, nämlich schuldunfähig. Die Zurechnungsfähigkeit bildet eine - gegebenenfalls mit Hilfe ärztlichen Sachverstandes zu beurteilende - Rechtsfrage, wobei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in der Regel die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie erforderlich sein wird (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1984, Slg. Nr. 11.595/A. Nicht zurechnungsfähig - und daher straflos - ist der Täter, wenn er aus einem bestimmten - im Gesetz benannten biologischen - Grund (Bewusstseinsstörung, krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche) nicht in der Lage ist, alternativ entweder das Unrecht der Tat einzusehen (Diskretionsfähigkeit) oder auch nur dieser Einsicht gemäß zu handeln (Dispositionsfähigkeit). Schon der Entfall einer dieser Fähigkeiten reicht zur Zurechnungsfähigkeit hin (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 3; vgl VwGH vom 10.10.1990, 90/03/0140).
Die Bestimmungen des § 3 VStG sind von Amts wegen wahrzunehmen. Die Zurechnungsfähigkeit bildet eine unbedingte Voraussetzung der Strafbarkeit. Wenn eine Person unzurechnungsfähig ist, kann sie nicht strafbar sein, zumal sie dann nicht fähig ist, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen und dementsprechend zu handeln. § 3 Abs 1 VStG bildet daher einen Strafausschließungsgrund.
Aus diesem Grund wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Aufgrund dieser fachärztlich gutachterlichen Stellungnahme der CC war beim Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt bzw im Tatzeitraum zweifellos eine Unzurechnungsfähigkeit festzustellen. Die Sachverständige gab darin an, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt massiv in seiner Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt war und es ihm nicht möglich war, sich selbst und dementsprechend auch seine Katze ausreichend zu versorgen. Beim Beschwerdeführer hat eine schwere depressive Episode mit massiver Antriebsstörung und starkem sozialem Rückzug sowie massiver kognitiver Beeinträchtigung durch das Schlafdefizit bestanden. Dies ergibt sich auch bereits aus der Bestätigung der Oberärztin DD vom 06.12.2018, wonach der Beschwerdeführer an einer wiederkehrenden, zum Teil schweren depressiven Störung leidet und seit 2011 an der psychosomatischen Abteilung in ambulanter Behandlung steht.
Zwar hat der Beschwerdeführer die objektiven verwaltungsrechtlichen Tatbestände erfüllt, indem er die artgerechte Betreuung und Haltung seiner Katze außer Acht gelassen und der Katze damit ungerechtfertigte Leiden zugefügt hat, indem er es unterlassen hat, die Aufenthaltsbereiche seiner Katze sauber zu halten und das Fell der Katze zu pflegen, jedoch befand er sich in einer depressiven Episode mit massiver Antriebsstörung und starkem sozialen Rückzug sowie massiver kognitiver Beeinträchtigung durch das Schlafdefizit, weswegen es ihm nicht möglich war, das Unrecht seiner Handlungen einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln. Da im gegenständlichen Fall im Tatzeitraum Diskretions- sowie Dispositionsfähigkeit beim Beschwerdeführer nicht vorlagen, war dieser schuldunfähig und somit nicht strafbar.
Da im gegenständlichen Fall Umstände vorlagen, welche eine Strafverfolgung ausschließen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Die Kosten für das eingeholte fachärztliche Gutachten vom 10.08.2019 waren gemäß § 76 Abs 2 AVG 1996 vom erkennenden Gericht zu tragen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Riedler
(Richter)
Schlagworte
Tierquälerei;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.41.2709.6Zuletzt aktualisiert am
09.10.2019