TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/18 LVwG-2019/33/0757-1

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Veröffentlicht am 18.09.2019
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Entscheidungsdatum

18.09.2019

Index

93 Eisenbahn
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

SeilbG 2003 §52
AWG 2002 §37

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerde der AA GmbH, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 25.02.2019, Zl. ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Seilbahngesetz 2003 (SeilbG),

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang/Beschwerdevorbringen:

Am 25.02.2019 erging zu Zl. *** der Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol, in dem verfügt wurde, dass die AA GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin) die Talstation der ehemaligen Pendelbahn (Materialseilbahn mit Werkverkehr) BB auf Gst **1 KG Y vollständig zu beseitigen hat. Dazu wurde im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass mit Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 21.06.2017, *** der Beschwerdeführerin die seilbahnrechtliche Bewilligung zur Abtragung der Streckenbauwerke der stillgelegten Pendelbahn BB erteilt worden sei und habe sich in Spruchpunkt II ausdrücklich die Entscheidung über einen allfälligen Abbruch der Stationsbauwerke vorbehalten. So habe die Behörde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt die noch ausständigen rechtlichen Voraussetzungen für die ihrerseits geplante Änderung des Verwendungszwecks der Stationsgebäude zu schaffen. Die Talstation BB diene, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht der Gesamtanlage CC, sei daher nicht von der wasserrechtlichen Bewilligung umfasst und sohin nicht der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus als Obersten Wasserbehörde unterworfen. Auch entfalte der abfallwirtschaftsrechtliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 10.11.2017, Zl. ***, welcher das in Rede stehende Gebäude für den auf drei Jahre befristet genehmigten Betrieb des Zwischenlagers BB (vorübergehende Lagerung von Bodenaushub- und Stollenausbruchmaterial) als Unterstand für erforderliche Gerätschaften vorsehe, keine derartige Bindungswirkung für die Seilbahnbehörde. Das Gebäude sei schließlich nicht zu diesem Zweck gebaut worden, sondern werde einfach dafür herangezogen. Die Talstation BB bleibe bis zum Abschluss des seilbahnrechtlichen Verfahrens eine Seilbahnanlage und sei durch den genannten abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid keine Abfallbeseitigungsanlage geworden. Zudem seien auch nach Beseitigung des Gebäudes die Vorschreibungen des abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheids den Arbeiterschutz auf der Deponie betreffend jedenfalls erfüllbar. Sohin sei die Oberste Seilbahnbehörde für das Gebäude der Talstation BB zum jetzigen Zeitpunkt noch zuständig und die geplante Verwendungsänderung der noch dem Seilbahnrecht unterliegenden Talstation in der Folge aus baurechtlicher Sicht zu beurteilen. Dies geschehe im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden und es sei der Seilbahnbehörde nicht bekannt, in welchem Stadium sich allenfalls dieses Verfahren befinde bzw ob notwendige bau- und raumordnungsrechtliche Anträge schon eingereicht worden seien. Dies werde auch seitens der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Es seien somit die bau- und raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für den Fortbestand des Talstationsgebäudes binnen der letzten beiden Jahre nicht geschaffen worden und folglich die Beseitigung der Talstation BB unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen seitens der Seilbahnbehörde zu verfügen gewesen.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 28.02.2019 zugestellt. Am 28.03.2019 langte via Mail bei der belangten Behörde fristgerecht die Beschwerde ein, in der zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht wird, dass Beseitigungsaufträge nach § 52 Abs 3 Seilbahngesetz 2003 nur unter Bedachtnahme auf die öffentlichen Interessen zu verfügen seien. Der belangten Behörde sei es aber im gesamten Verfahren nicht möglich gewesen darzulegen, welche ihrer Zuständigkeit vorbehaltenen öffentlichen Interessen einen derartig massiven Eingriff in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin rechtfertige. Es handle sich gegenständlich um ein rechtmäßig errichtetes Gebäude, wodurch ein Eigentumswert geschaffen worden sei. Dieser sei durch Art 1 1. Zusatzprotokoll EMRK geschützt. Die Beschwerdeführerin habe der Seilbahnbehörde auch rechtzeitig in ihrem Nachnutzungskonzept angezeigt, dass sie beabsichtige die gegenständlichen Seilbahnstationen für den Betrieb ihres abfallwirtschaftsrechtlich ordnungsgemäß genehmigten Zwischenlagers weiterverwenden zu wollen. Die konkrete Nutzung des Gebäudes der Talstation in diesem Zusammenhang sei abfallwirtschaftsrechtlich genehmigt worden. Die im angefochtenen Bescheid vertretene Behauptung, dass es sich gegenständlich nicht um eine Abfallbehandlungsanlage, sondern lediglich um ein Bauwerk handeln würde, welches – mehr oder weniger zufällig – am Gelände stehen würde, sei vor dem Hintergrund des Anlagenbegriffs des AWG 2002 verfehlt. Vielmehr sei es eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Entscheidung ein „zufällig“ auf dem Gelände stehendes Gebäude für die Bedürfnisse des Personals weiterzuverwenden. Es sei auch anzumerken, dass extern anzumietende Container zur Zweckerfüllung gewiss nicht lawinensicherer wären, als das gegenständliche Gebäude. Sohin greife die Seilbahnbehörde nicht bloß willkürlich in das Eigentumsrecht, sondern auch in die durch die abfallwirtschaftliche Genehmigung sanktionierte privatwirtschaftliche Autonomie der Beschwerdeführerin als Unternehmen des privaten Rechts und damit verbunden in das Vertrauen in den Bestand rechtskräftiger Bewilligungen ceteris paribus ein.

Es sei auch anzuführen, dass gegenständliches Gebäude ein Teil einer Zubehöranlage der DD sei und sohin dem rechtlichen Schicksal der wasserrechtlich ordnungsgemäß bewilligten und kollaudierten Gesamtanlage unterliege. Folglich greife der angefochtene Bescheid in das Regime der Wasserrechtsbehörde ein. Für den Fall, dass die belangte Behörde diese in der Verhandlung am 13.09.2018 seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachte Rechtsauffassung nicht teile, hätte sie diese in entsprechenden rechtskundigen Ausführungen in der Begründung des Bescheids widerlegen müssen, oder im rechtsgutachterlichen Weg weitere Erhebungsschritte bei der zuständigen Wasserrechtsbehörde setzen müssen. Diesbezüglich liegt nur eine fernmündliche und in einem Aktenvermerk festgehaltene Auskunft über den vorläufigen Stand der Erwägungen der Obersten Wasserrechtsbehörde vor, bei der seitens des Sachbearbeiters festgehalten werde, dass das Aktenstudium gegenständlich noch nicht abgeschlossen sei. In Anbetracht dessen erweist sich die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid als mangelhaft und es hätte zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung ergehen dürfen. Die belangte Behörde habe aber auch in baurechtlicher Sicht den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, da sie auch den Äußerungen des Sachverständigen bezüglich eines von diesem thematisierten „Baugenehmigungsverfahren im Jahre 1966“ nicht nachgegangen sei. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass Angelegenheiten der Baupolizei dem selbständigen Wirkungsbereich der Gemeinden und nicht der Zuständigkeit der Seilbahnbehörde zuzuordnen seien.

Das stelle in Summe eine Verletzung der Verfahrensvorschriften in einem wesentlichen Ausmaß dar. Es sei auch davon auszugehen, dass in diesem Zusammenhang das Seilbahnrecht im Begriff des Eisenbahnrechts enthalten sei. Folglich ersetze die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung hinsichtlich der Talstation die seilbahnrechtliche Genehmigung bzw stelle sie eine seilbahnrechtliche Änderungsgenehmigung dar. Für die Dauer der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung werde die kumulative Zuständigkeit alleine von der zuständigen Abfallwirtschaftsrechtsbehörde (in der Folge: AWG-Behörde) wahrgenommen. Sohin ist der angefochtene Bescheid von einer unzuständigen Behörde ergangen und verletze daher das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter.

Seitens der Beschwerdeführerin wird daher beantragt den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben. Es werde auch angeregt, das Landesverwaltungsgericht möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Prüfung und gänzliche Aufhebung des präjudiziellen § 52 Abs 3 Seilbahngesetz wegen Verfassungswidrigkeit stellen, da diese Bestimmung in ihrer Unbestimmtheit eine Behörde in mittelbarer Bundesverwaltung einlade in die Kompetenzen von Ländern und Gemeinden einzugreifen und dadurch das Legalitätsprinzip verletze. In eventu werde beantragt eine verfassungskonforme Auslegung dieser Bestimmung zu finden und insbesondere die beachtlichen öffentlichen Interessen zu konkretisieren.

Mit dem Schreiben vom 10.04.2019, Zl ***, übermittelt die belangte Behörde die erhobene Beschwerde samt Gegenstandsakt an das Landesverwaltungsgericht Tirol und führt in ihren Bemerkungen im Wesentlichen aus, dass es der Entscheidung des Landeshauptmanns obliege, ob und welche Teile einer Seilbahnanlage zu beseitigen und ob weitere Maßnahmen notwendig seien. In diesem Zusammenhang seien die öffentlichen Interessen, insbesondere Belange der öffentlichen Sicherheit, beachtlich. Die verursachten Kosten seien dabei vom Seilbahnunternehmer, dem Rechtsnachfolger oder gegebenenfalls von der Konkursmasse zu tragen. Mit Schreiben vom 01.02.2017 habe die nunmehrige Beschwerdeführerin der Seilbahnbehörde die gänzliche und dauernde Einstellung der gegenständlichen Pendelbahn bekanntgegeben. In dem Verfahren nach § 52 Abs 3 Seilbahngesetz sei, sofern der Eigentümer ein Stationsgebäude einer anderen Zweckbestimmung zuführen wolle, nachzuweisen, dass die Verwendungsänderung nach der Maßgabe der rechtlichen Vorgaben erfolgt sei. In der Regel sei dazu eine Genehmigung nach der Tiroler Bauordnung erforderlich. Gegenständlich sei aber von der Beschwerdeführerin weder die Verwendungsänderung des in Rede stehenden Gebäudes bewirkt, noch die betroffene Fläche entsprechend gewidmet worden. Damit fehlen wesentliche Voraussetzungen für eine positive Erledigung im Sinne der Beschwerdeführerin.

Der gegenständliche Fall stelle aber dahingehend eine Besonderheit dar, als seitens der Beschwerdeführerin behauptet werde, das Stationsgebäude BB würde als wasserrechtlich bzw abfallwirtschaftsrechtlich bewilligte Anlage weiterverwendet werden dürfen. Die wasserrechtliche Bewilligung betreffend habe die belangte Behörde die Oberste Wasserbehörde, das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, kontaktiert. Dieses habe einen Zusammenhang der Talstation BB mit der Ausnützung der Wasserkräfte im W ausgeschlossen. Auch seien keinerlei wasserrechtliche Verfügungen aktenkundig und es habe die Beschwerdeführerin auch derartige Verfügungen nicht beibringen können.

Bezogen auf die abfallwirtschaftsrechtlichen Aspekte sei gegenständlich ein Bescheid vom 10.11.2017 der Bezirkshauptmannschaft X, Zl. ***, ergangen, der die Errichtung des Zwischenlagers BB abfallwirtschaftsrechtlich bewilligt habe. In den dieser Bewilligung zugrunde liegenden Projektunterlagen sei vorgesehen, das Gebäude der Talstation BB als Unterstand für erforderliche Gerätschaften und die bestehenden Sozialräume während der Betriebspausen weiterhin zu nutzen. Die Beschwerdeführerin gehe infolge dessen davon aus, dass somit das in Rede stehende Gebäude Bestandteil der abfallwirtschaftsrechtlich bewilligten Behandlungsanlage geworden sei. Dieser Rechtsmeinung könne die belangte Behörde nicht folgen, da eine Nichtuntersagung der beabsichtigten Nutzung in der abfallwirtschaftsrechtlichen Bewilligung nicht automatisch mit einer Genehmigung dieses Vorhabens gleichgesetzt werden könne. Gegenständlich komme in Bezug auf die beabsichtigte weitere Nutzung des Gebäudes im abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid nicht das hoheitliche Wollen zum Ausdruck, die Angelegenheit an Stelle der organisationsrechtlich zuständigen Behörde zu entscheiden. Dies zeige sich auch in der Tatsache, dass dieser abfallwirtschaftsrechtliche Bescheid sich im Spruch weder auf das Seilbahnrecht noch auf die Tiroler Bauordnung beziehe. Zudem seien seitens der Bezirkshauptmannschaft keine Feststellungen getroffen worden, dass das Gebäude der Talstation samt den Räumlichkeiten Bestandteil der Abfallbeseitigungsanlage seien. Derartiges sei zudem weder aktenkundig noch sei die bauliche Eignung der Räumlichkeiten für die Zwecke geprüft worden. Weiters habe die Bezirkshauptmannschaft X im gegenständlichen abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigungsverfahren die Seilbahnbehörde nicht zur Klärung bestimmter Sach- und Rechtsfragen beigezogen, wozu diese grundsätzlich gesetzlich verpflichtet gewesen wäre. So befinden sich in der Talstation noch immer dem Seilbahnbetrieb dienende mechanische Einrichtungen, über deren Schicksal im Bescheid vom 21.08.2017 noch nicht abgesprochen worden sei und daher noch Vorschreibungen in Bezug auf die weitere Nutzung notwendig seien. Dies sei aber im abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid nicht geschehen. Der Bezirkshauptmannschaft sei folglich nicht erlaubt gewesen die seilbahn- und baurechtlichen Belange zu beurteilen. Die Tatsache, dass dies nicht geschehen sei, sei nur darauf zurück zu führen, dass das anhängige Abtragungsverfahren der Bezirkshauptmannschaft X im Zuge des Abfallwirtschaftsverfahrens verschwiegen worden sei. Auch sei darauf hinzuweisen, dass die Seilbahnbehörde erst durch das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Nachnutzungskonzept vom 20.12.2017 davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass ein Personalraum in der Talstation für den geplanten Deponiebereich vor dem Stationsgebäude verwendet werden solle; dass zu diesem Zeitpunkt der abfallwirtschaftsrechtliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 10.11.2017 schon vorgelegen sei, sei aber in dem Schreiben vom 21.12.2017, obwohl die Beschwerdeführerin daraus ein Recht in Bezug auf die Nutzung des gegenständlichen Gebäudes ableite, von dieser mit keinem Wort erwähnt worden.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin teile die belangte Behörde nicht und sehe diese als unbegründet. Zudem sei es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs einem unbestimmten Gesetzesbegriff konkreten Inhalt beizumessen oder gar Listen zu erstellen, welche der Behörde ein verfassungs- bzw kompetenzkonformes Vorgehen erleichtern solle. Sohin wird seitens der belangten Behörde beantragt die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Teilakt *** der belangten Behörde zu Zl. *** und in die Bezug habenden Akten des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu LVwG-2017/37/2818 und LVwG-2019/33/0757.

II.      Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 22.06.1964 wurde der EE AG die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausnützung der Wasserkräfte W und V und der zur Durchführung der im Detailprojekt „DD“ vorgesehenen Baumaßnahmen erteilt.

Die Materialseilbahn mit Werkverkehr wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmanns vom 13.07.1966, GZ. ***, die Baubewilligung erteilt. Der Betrieb dieser Seilbahn wurde mit Bescheid des Landeshauptmanns vom 18.04.1968, GZ. ***, genehmigt.

Die Talstation dieser Materialseilbahn befindet sich auf Gst **1 KG Y und ist Eigentum der AA GmbH (Rechtsnachfolgerin der EE AG). Die Talstation nimmt eine Fläche von 201 m² ein, der umbaute Raum 2.150 m³.

Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 21.06.2017 zu *** wurde der AA GmbH aufgrund ihrer Anzeige der gänzlichen und dauernden Betriebseinstellung vom 01.02.2017 die Bewilligung zur Teilabtragung der Pendelseilbahn BB erteilt. Grundlage der bewilligten Teilabtragung ist die Darstellung in der Anzeige vom 01.02.2017 zu denen im Bescheid Auflagen vorgeschrieben wurden. Im Spruchpunkt II. wird ausgeführt, dass die Entscheidung über den Umfang der Abbruchmaßnahmen auf die Stationsgebäude der Berg- und Talstation der Pendelseilbahn BB vorbehalten bleibt. Diese sind Gegenstand eines fortgesetzten Ermittlungsverfahrens.

Mit 14.08.2017 wurden alle bescheidmäßigen Demontagearbeiten der Pendelseilbahn BB beendet. Seit diesem Zeitpunkt bestehen nur mehr die Gebäude der Berg- und Talstation Pendelseilbahn BB.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 10.11.2017, Zl. ***, wurde der AA GmbH die abfallwirtschaftliche Bewilligung zur Errichtung des Zwischenlagers BB „nach Maßgabe der eingereichten und signierten Projektunterlagen vom 14.08.2017“, unter Vorschreibung emissionstechnischer, forstfachlicher und kulturbautechnischer/wasserbautechnischer Nebenbestimmungen erteilt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 25.02.2019, Zl ***, wurde der Beschwerdeführerin die vollständige Beseitigung der Talstation der ehemaligen Pendelbahn BB auf Gst **1 KG Y aufgetragen.

III.     Beweiswürdigung:

Der festgestellte entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt ergibt sich eindeutig und widerspruchsfrei aus dem unzweifelhaften Inhalt des verwaltungsbehördlichen Aktes, der in den für diese Feststellungen wesentlichen Umfang auch seitens der Beschwerdeführerin nicht beanstandet wurde und auch nicht im Widerspruch zu dem Inhalt der oben angeführten Akten des Landesverwaltungsgerichts Tirol steht.

IV.      Rechtslage:

1.       Seilbahngesetz (SeilbG)

Die für das gegenständliche Verfahren entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Seilbahngesetzes (SeilbG), BGBl. I Nr. 103/2003 in der Fassung BGBl. I Nr. 79/2018, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Abschnitt 1

Allgemeine Vorschriften

Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz findet auf Seilbahnen gemäß § 2 Anwendung.

§ 2. (1) Seilbahnen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Eisenbahnen, deren Fahrzeuge durch Seile spurgebunden bewegt werden, sowie Schlepplifte.

(2) Diese werden unterteilt in

1.

Seilbahnen, deren Fahrzeuge durch ein oder mehrere Seile auf einer Fahrbahn gezogen werden, die auf dem Boden aufliegt oder durch feste Bauwerke gestützt ist (Standseilbahnen);

2.

Seilbahnen, deren Fahrzeuge von einem oder mehreren Seilen getragen und bewegt werden (Seilschwebebahnen).

 

Diese gliedern sich in

a)

Seilschwebebahnen, deren Fahrzeuge ohne Wechsel der Fahrbahnseite zwischen den Stationen bewegt werden (Pendelbahnen);

[…]

Abtragung

§ 52. (2) Im Abtragungsverfahren haben neben dem Seilbahnunternehmen insbesondere auch die Eigentümer der Liegenschaften, die durch die Seilbahn in Anspruch genommen werden, Parteistellung.“

2.       Abfallwirtschaftsgesetz (AWG)

Die für das gegenständliche Verfahren entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl. I Nr. 102/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2019, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Ziele und Grundsätze

[…]

Begriffsbestimmungen

§ 2 […]

(7) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1.

„Behandlungsanlagen“ ortsfeste oder mobile Einrichtungen, in denen Abfälle behandelt werden, einschließlich der damit unmittelbar verbundenen, in einem technischen Zusammenhang stehenden Anlagenteile;

[…]

6. Abschnitt

Behandlungsanlagen

Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.

[…]

Konzentration und Zuständigkeit

§ 38. […]

(1a) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Strahlenschutz-, Luftfahrt-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Gaswirtschafts- und Denkmalschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen.

[…]

(4) (Verfassungsbestimmung) Im Interesse der zweckmäßigen, raschen, einfachen und Kosten sparenden Verfahrensdurchführung kann die Behörde im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren zu bestimmten Sach- und Rechtsfragen mitwirkende Behörden beiziehen. Als mitwirkende Behörden gelten jene Behörden, die nach den Verwaltungsvorschriften für das Genehmigungsverfahren für das Projekt zuständig wären, wenn für die Behandlungsanlage nicht eine Genehmigung gemäß den §§ 37 oder 44 durchzuführen wäre. Diese Behörden haben an der fachlichen und rechtlichen Beurteilung des Projekts im erforderlichen Ausmaß mitzuwirken.“

V.       Erwägungen:

1.       Wasserrechtliche Aspekte der Beschwerde

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass das gegenständliche Gebäude der Talstation der Materialseilbahn BB „ein Teil der Zubehörsanlage der DD“ sei und „sohin dem rechtlichen Schicksal der wasserrechtlich ordnungsgemäß bewilligten und kollaudierten Gesamtanlage“ unterliege. Dieser Rechtsmeinung kann seitens des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden. Der in Rede stehende wasserrechtliche Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 22.06.1964 zu Zl. *** führt unter B) Bedingungen. I. Allgemeine Bedingungen. Punkt 4.) wörtlich aus wie folgt:

„Vor dem jeweiligen Baubeginn sind die erforderlichen Pläne für jene Baustelleneinrichtungen, wie Hochbauten, Arbeitslager, Bauwerkstätten, Baustromversorgungen, Schrägaufzüge, Seilbahnen u. dgl., die eine besondere Bewilligung anderer Behörden bedürfen, bei diesen rechtzeitig zur Genehmigung einzureichen. Für Bauhilfekonstruktionen ungewöhnlicher Bauart oder Größe sind die Detailpläne auch der wasserrechtlichen Behörde vorzulegen.“

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist aufgrund des eindeutigen Wortlautes dieser Bedingung des wasserrechtlichen Bescheids unzweifelhaft, dass für „Seilbahnen“, eine „besondere Bewilligung“ einer „anderen Behörde“ zu genehmigen sind. Dies stimmt auch mit der durch die Verwaltungsbehörde angefertigten und unterfertigten Aktenvermerk vom 22.01.2019 überein. Darin wird bezüglich der Talstation ein Telefonat mit Herrn FF des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus dokumentiert, der angibt, dass seiner Meinung nach kein Sachverhalt vorliegt, aus dem sich eine Zuständigkeit des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus für die Talstation BB ergibt. Bezüglich der Anmerkungen der Beschwerdeführerin, dass es sich dabei lediglich um „eine fernmündliche Auskunft über den vorläufigen Stand der Erwägungen eines Sachbearbeiters bei der Obersten Wasserbehörde“ handle und dass auch festgehalten worden sei, dass das Aktenstudium noch nicht abgeschlossen gewesen sei, ist auszuführen, dass nach hg Judikatur ein Aktenvermerk, obgleich er nicht in § 15 AVG ausdrücklich als solcher bezeichnet wird, als öffentliche Urkunden Beweismittel sind, die über ihren Inhalt vollen Beweis machen (vgl ua VwGH 16.12.1997, 97/05/0260). Außerdem beziehen sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts die Aussagen des Aktenvermerks über das nicht abgeschlossene Aktenstudium aufgrund seines klaren Wortlautes nur auf das Bergstationsgebäude BB, und nicht auf das gegenständliche Talstationsgebäude. Sohin kann das Landesverwaltungsgericht, auch vor dem Hintergrund der herrschenden Lehre samt dort zitierter Judikatur keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennen, dass es sich bei der gegenständlichen Talstation um eine dem Wasserrecht unterliegende Vorrichtung handelt, die zur Benützung des Wassers in Frage kommt bzw zum Bewilligungszeitpunkt gekommen ist (vgl. Berger in Oberleitner/Berger, WRG-ON 4.00 § 98 Rz 1ff (Stand 15.7.2018, rdb.at). Beim gegenständlichen Gebäude handelt es sich auch nicht um eine Anlage zur Zu- oder Ableitung von Wasser, also um eine sogenannte „Zubehöranlagen“ und untersteht sohin nicht dem Wasserrecht, sondern dem seilbahnrechtlichen Regime im Sinne des (in der Folge: iSd) § 8 in Verbindung mit (in der Folge: iVm) §§ 1 und 2 SeilbG. (Bachler in Oberleitner/Berger, WRG-ON 4.00 § 9, Rz 12 ff (Stand 15.7.2018, rdb.at) samt dort zitierter Judikatur).

2.       Abfallrechtliche Aspekte der Beschwerde

Gegenständliche abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft X beruht auf den zitierten §§ 37 ff AWG und bezieht sich folglich auf eine „ortsfeste Behandlungsanlage“ im Sinne des § 2 Abs 7 Z 1 AWG. Unter einer „Behandlungsanlage“ werden demnach Einrichtungen verstanden, in denen Abfälle behandelt werden, einschließlich der damit unmittelbar verbundenen, in einem technischen Zusammenhang stehenden Anlagenteile. Die gesetzlichen Materialien führen dazu näher aus, dass darunter die Behandlungsanlage in ihrer Gesamtheit (zB eine Deponie mit den entsprechenden Einrichtungen, wie Zwischenlager, Labor, Gebäude des Personals) und andererseits ein bestimmter Anlagenteil einer Produktionsanlage (zB eine betriebseigene Deponie oder eine Verbrennungsanlage im Zusammenhang mit einer Produktionsanlage) zu subsumieren sind. Anlagenteile, die im technischen Zusammenhang mit der Behandlungsanlage stehen (zB Beschickungsanlage, Filteranlage), werden ebenfalls vom Begriff umfasst (ErläutRV 984 BlgNR 21. GP 87).

Somit geht das abfallwirtschaftsrechtliche Anlagenrecht von einem flexiblen Anlagenbegriff aus, welcher bei spezialisierten Abfallbehandlungsanlagen (z.B. Müllverbrennungsanlagen) die Anlage in ihrer Gesamtheit erfasst, bei industriellen Produktionsanlagen (z.B. Papiererzeugungsanlagen) hingegen exakt definiert, welche Anlage (Anlagenteil) nun der Behandlung von Abfällen dient (Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002, § 2 K 49).

In den Projektunterlagen vom 14.08.2017, welche dem abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X zugrunde liegen, wird bezüglich der gegenständlichen Talstation aus Seite 8 wörtlich ausgeführt wie folgt:

Im südlichen Bereich der Gp. **1 sind Garagen und die Talstation der aufgelassenen Seilbahn des KW BB bestehend.

Beide Anlagen befinden sich im Eigentum und im Zuständigkeitsbereich der AA GmbH. Beabsichtigt ist, das aufgelassene Seilbahnstationsgebäude zur Unterbringung der für den Betrieb des Zwischenlagers erforderlichen Gerätschaften (Unterstand) sowie die bestehenden Sozialräume ebenfalls während der Betriebsphase weiterhin zu verwenden. Die Vorhandenen Garagen werden während des Zeitraums für den Betrieb des Zwischenlagers nicht genutzt.

Durch den in Rede stehenden abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid wird die Errichtung eines temporär eingerichteten Zwischenlagers bewilligt. Somit handelt es sich hierbei nach Auffassung des erkennenden Gerichts um eine spezielle Abfallbehandlungsanlage im oben zitierten Sinne und demnach ist unter dem Begriff der Behandlungsanlage iSd § 2 Abs 7 Z 1 AWG die Gesamtheit der Anlage, also auch die gegenständliche Talstation mit der beabsichtigten Nutzung, zu subsumieren und gem § 37 Abs 1 AWG genehmigungspflichtig.

Sohin ist das rechtliche Schicksal des gegenständlichen Gebäudes von der Konzentration der Zuständigkeit nach § 38 Abs 1a AWG erfasst. In dieser Norm wird im 1. und 2. Satz ausgeführt, dass im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 AWG genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden sind, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Strahlenschutz-, Luftfahrt-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Gaswirtschafts- und Denkmalschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung nach leg cit ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. Dadurch ist gesetzlich eine Verfahrens- und Entscheidungskonzentration vorgesehen (Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002, § 38 K 1).

Die nach § 38 Abs 4 AWG normierte Beiziehung der für die mitanzuwendenden Materiengesetze an sich zuständigen mitwirkenden Behörden liegen aber im (gebundenen) Ermessen (Interesse der zweckmäßigen, raschen, einfachen und kostensparenden Verfahrensführung) der AWG-Behörde (Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002, § 38 M 4).

Im gegenständlichen abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid wird, im Unterschied zu anderen Rechtsgebieten, das Rechtsgebiet des Eisenbahnrechts, dem auch das Seilbahnrecht zuzuordnen ist, nicht herangezogen. Das Eisenbahnrecht ist aber aufgrund der taxativen Aufzählung von der dort normierten Konzentration erfasst und ist sohin auch von der zu Durchführung des konzentrierten Verfahrens nach § 38 AWG berufenen Behörde mitanzuwenden (vgl. Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002, § 38 M 4). Gegenständlich hat es aber im Ermittlungsverfahren weder eine Beiziehung der Seilbahnbehörde durch die AWG-Behörde gegeben, noch wurde im Bescheid explizit über das Seilbahnrecht abgesprochen. Nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts ändert das aber nichts an der Tatsache, dass mit der Genehmigung nach dem konzentrierten Verfahren nach §37 Abs 1 iVm § 38 Abs 1a AWG durch den rechtskräftigen abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X auch über die gegenständlichen seilbahnrechtlichen Aspekte rechtsgültig abgesprochen wurde. Es ist ja gerade Sinn und Zweck einer Verfahrens- und Entscheidungskonzentration, einem Bewilligungswerber zu ermöglichen, alle für ein Vorhaben erforderlichen Bewilligungen auf Grund eines Gesamtantrags nach Durchführung eines gemeinsamen Verfahrens in einem Gesamtbescheid zu erlangen und in diesem Fall der Bescheid der AWG-Behörde auch als seilbahnrechtliche Bewilligung gilt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 39, Rz 32 ff (Stand 1.7.2005, rdb.at); Bachler in Oberleitner/Berger, WRG-ON 4.00, Rz 6 § 22 (Stand 15.7.2018, rdb.at)).

Bezüglich des Vorbringens der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe der AWG-Behörde das anhängige seilbahnrechtliche Abtragungsverfahren verschwiegen, ist auszuführen, dass nach höchstgerichtlicher Judikatur der Grundsatz der Amtswegigkeit bedeutet, dass die Behörde von sich aus den vollständigen und wahren entscheidungsrelevanten Sachverhalt durch Aufnahme aller nötigen Beweise festzustellen hat. Damit korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, ohne dass die Behörde in tatsächlicher Hinsicht an das Parteienvorbringen gebunden ist. Diese Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen. (vgl ua VwGH am 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Gegenständlich wird gem § 38 Abs 1a AWG eine Verfahrens- und Entscheidungskonzentration in Bezug auf taxativ aufgezählte Rechtsgebiete normiert, wodurch die zuständige Behörde verpflichtet ist, alle für den Sachverhalt wesentlichen Rechtsgebiete der Entscheidung zugrunde zu legen. Nachdem in den relevanten Projektunterlagen vom 14.08.2017 ausdrücklich in Bezug auf das in Rede stehende Gebäude von einem „aufgelassenen Seilbahnstationsgebäude“ gesprochen wird, kann das erkennende Gericht kein „Verschweigen“ der Beschwerdeführerin erkennen, da einerseits aufgrund dieser Formulierung offensichtlich ein seilbahnrechtlicher Bezug besteht und andererseits es in der Sphäre der ermittelnden Behörde liegt, im konkreten Fall das Seilbahnrecht zu beachten und gegebenenfalls die eigentlich zuständige Behörde zu kontaktieren, was in diesem Fall zu einer Information über das anhängige Verfahren geführt hätte.

Zusammengefasst ist sohin das gegenständliche Talstationsgebäude der ehemaligen Pendelbahn BB auf dem Gst **1 KG Y der Zuständigkeit der Seilbahnbehörde durch den rechtskräftigen abfallwirtschaftsrechtlichen Bescheid vom 10.11.2017, Zl. ***, der Bezirkshauptmannschafts X als zuständige Behörde – aufgrund der Delegation des Landeshauptmanns von Tirol vom 12.09.2017, Zl. *** – für den Zeitraum des damit bewilligten Zwischenlagers auf dem Gst Nr **1 und einer Teilfläche des Gst Nr **2, beide KG Y entzogen worden. Somit wurde der angefochtene Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Da der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben wird und § 53 Abs 3 SeilbG nicht zur Anwendung kommt, muss auf die bau- und verfassungsrechtlichen Aspekte der Beschwerde nicht näher eingegangen werden.

3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung abgesehen werden, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegen stehen.

Eine mündliche Verhandlung kann demgemäß entfallen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen betrifft. Ebenso wenig ist eine Verhandlung geboten, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind (VwGH 18.11.2013, Zl. 2013/05/0022, und VwGH 22.02.2015, Zl. 2012/06/0207-9, zu der mit § 24 Abs 4 VwGVG vergleichbaren Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG).

Der für die Klärung der Rechtsfragen wesentliche Sachverhalt steht auf Grund des unwidersprochenen und unbedenklichen Inhalts des verwaltungsbehördlichen Akts und der angeführten Akten des Landesverwaltungsgerichts fest. Auch lässt eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache, aufgrund des im Wesentlichen formalen Charakters der Rechtsfrage, nicht erwarten.

Es kann daher im gegenständlichen Verfahren gemäß § 24 Abs 4 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Z, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Visinteiner

(Richter)

Schlagworte

Beseitigungsauftrag;
Talstation;
unzuständige Behörde;
Genehmigung nach § 37 AWG;
Unterstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.33.0757.1

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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