TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/18 G304 2215304-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.07.2019
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Entscheidungsdatum

18.07.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2215304-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, vertreten durch RA Mag. Schwarz, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 11.01.2019, Sozialversicherungsnummer:

XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 05.09.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der gemäß Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass galt.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, vom 28.12.2018 eingeholt.

In diesem Gutachten wurde zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt (Name der BF durch "BF" ersetzt):

"Die Antragstellerin beschreibt, dass sie vor allem aufgrund der rechtsseitigen Kniegelenksschmerzen nicht mehr gehen könne. Nach 50m würden die Schmerzen einsetzen. Sie würde dann auch Walking-Stöcke verwenden. Damit könnte sie dann schon noch einigermaßen gut weiter gehen. Zur Untersuchung erscheint die Antragstellerin ohne Hilfsmittel und ist relativ problemlos mobilisiert. Es zeigt sich lediglich ein leichtes rechtsseitiges Hinken bei normaler Schrittlänge. Insgesamt ist der Antragstellerin aus orthopädischer Sicht eine Gehstrecke von 300-400m zum Erreichen öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Auch das selbstständige Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel kann mit ausreichender Sicherheit gewährleistet werden. Im vorliegenden Reha-Bericht (...) ist festgehalten, dass der Antragstellerin eine Gehdauer von 30 Minuten ohne Hilfsmittel möglich ist und dass sie für längere Strecken 2 Walking-Stöcke verwenden würde. Insgesamt ist die Benutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel weiterhin gegeben."

Folgende "gutachterliche Stellungnahme" wurde abgegeben:

"Im Vordergrund steht die Beschwerdesymptomatik im Bereich der Kniegelenke, wobei die Antragstellerin mit der liegenden Knieprothese links relativ zufrieden ist. Eine ausgeprägte Beschwerdesymptomatik wird rechts angegeben. Hier kam es vor 4 Jahren zu einem Schienbeinkopfbruch, welcher operativ versorgt wurde. Es lässt sich ein beidseitiges Beuge- und Streckdefizit feststellen und die Antragstellerin weist ein leichtes rechtsseitiges Hinken auf, wobei sie insgesamt ohne Hilfsmittel zügig mobilisiert ist. Von Seiten der Lendenwirbelsäule lassen sich nur geringe Einschränkungen ohne Ausfallserscheinungen feststellen. Bei Zustand nach Brustkrebsoperation 2013 ist die Antragstellerin rezidivfrei."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.01.2019 wurde der Antrag der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 28.12.2018 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung derzeit nicht vor, weshalb der Antrag des BF abzuweisen sei.

Folgende Anmerkung wurde hinzugefügt:

"Über den Antrag auf Ausstellung eines §29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) wird nicht abgesprochen, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen."

4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Beschwerde erhoben. Dabei wurde auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der BF verwiesen und beantragt, der Beschwerde stattzugeben, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in eventu ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie einzuholen.

5. Am 28.02.2019 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 19.03.2019, Zl. G304 2215304-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten aufgrund der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 19.03.2019, Zl. G304 2215304-1/2Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 24.04.2019 um 15:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

7. Am 25.04.2018 langte beim BVwG ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 24.04.2019 ein, in welchem nach Begutachtung der BF am 24.04.2019 zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Stellungnahme abgegeben wurde:

"Aufgrund der aktuellen Untersuchung ist eine deutliche Bewegungs- und Belastungseinschränkung im Bereich beider Kniegelenke zu objektivieren. Als zusätzliche Belastung eine Abnützung im Bereich der Wirbelsäule, vorwiegend der Lendenwirbelsäule ebenso objektivierbar. Eine relevante Wegstrecke ist möglicherweise unter Schmerzen und Abrasten umsetzbar, jedoch erscheint aufgrund der heutigen Untersuchung, dass zügiges Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht möglich ist. Auch erscheint der sichere Transport aufgrund der Gang- und Standfunktionseinschränkung nicht als sicher gewährleistet anzunehmen. Bezüglich der in den Vorgutachten und in dem Kurbefund angegebenen Wegstrecke wird nach intensiver Befragung festgehalten, dass diese nie durchgeführt wurde. Es wurden nur exemplarisch einige Meter gegangen, worauf in weiterer Folge dies als 300 Meter - Wegstrecke, von Seiten der Kurärztin interpretiert wurde."

8. Mit Verfügung des BVwG vom 08.05.2019, Zl. G304 2215304-1/4Z, der Rechtsvertreterin der BF zugestellt am 10.05.2019, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.

9. Im beim BVwG am 24.05.2019 eingelangtem Schreiben vom 23.05.2019 verwies die BF auf die Mangelhaftigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens und gab sie im Wesentlichen an, sie könne "nicht mit der notwendigen Sicherheit aufstehen oder in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen" und nicht eine relevante Wegstrecke von 300 - 400m zurücklegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 24.04.2019 ist schlüssig und weist keine Widersprüche auf.

In diesem wurden die von der BF angegebenen Beschwerden, wie folgt, festgehalten:

"Die Hauptproblematik besteht von Seiten der Kniegelenke, wobei das rechte Kniegelenk wie schon im Vorgutachten die führenden Beschwerden macht, das Linke jedoch auch Beschwerden bereitet, jedoch nicht so deutlich. Zusätzlich werden Abnützungsprobleme von Seiten der Lendenwirbelsäule als auch der Halswirbelsäule wie in den Vorgutachten beschrieben geäußert. Es werden andauernd Schmerzen angegeben. Das Bücken ist so gut wie nicht möglich. Das Stufensteigen, wie eingangs schon gesagt, nur mit Stock, beziehungsweise mit Handlaufunterstützung und dieses sehr langsam. Das rasche Aufstehen aus dem Sitzen ist nicht möglich, wobei gesagt werden muss, dass bei tieferen Sitzpositionen das Aufstehen überhaupt nicht möglich ist. Seit kurzem besteht zusätzlich eine Fallneigung, noch ungeklärte Genese, dies geschah schon nach ein paar Schritten, danach war das Aufstehen nicht möglich. Diesbezüglich wird es mit dem Physiotherapeuten ein Notfalltherapiekonzept erarbeitet."

Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde vom Sachverständigen folgende Stellungnahme abgegeben:

"Aufgrund der aktuellen Untersuchung ist eine deutliche Bewegungs- und Belastungseinschränkung im Bereich beider Kniegelenke zu objektivieren. Als zusätzliche Belastung eine Abnützung im Bereich der Wirbelsäule, vorwiegend der Lendenwirbelsäule ebenso objektivierbar. Eine relevante Wegstrecke ist möglicherweise unter Schmerzen und Abrasten umsetzbar, jedoch erscheint aufgrund der heutigen Untersuchung, dass zügiges Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht möglich ist. Auch erscheint der sichere Transport aufgrund der Gang- und Standfunktionseinschränkung nicht als sicher gewährleistet anzunehmen. Bezüglich der in den Vorgutachten und in dem Kurbefund angegebenen Wegstrecke wird nach intensiver Befragung festgehalten, dass diese nie durchgeführt wurde. Es wurden nur exemplarisch einige Meter gegangen, worauf in weiterer Folge dies als 300 Meter - Wegstrecke, von Seiten der Kurärztin interpretiert wurde."

Demnach nahm der Sachverständige im gegenständlichen Fall einen sicheren Transport aufgrund der Gang- und Standfunktionseinschränkung jedenfalls nicht als sicher gewährleistet an.

Abgesehen von der Bekanntgabe in der schriftlichen Stellungnahme der Rechtsvertreterin der BF von Mai 2019, die BF könne keine relevante Wegstrecke von 300-400m zurücklegen, wurde darin auch betont:

"Im Ergebnis kann die BF nicht mit der notwendigen Sicherheit aufstehen oder in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen."

Dem eingeholten Sachverständigengutachten vom 24.04.2019 folgend ist im gegenständlichen Fall jedenfalls von keiner sicheren Transportmöglichkeit in öffentlichen Verkehrsmitteln auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. XXXX vom 24.04.2019 erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Dieses Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Darin wird unter anderem festgehalten: "Auch erscheint der sichere Transport aufgrund der Gang- und Standfunktionseinschränkung nicht als sicher gewährleistet anzunehmen."

Im von der Rechtsvertreterin der BF dazu abgegebenen schriftlichen Stellungnahme wurde angeführt, die BF könne "nicht mit der notwendigen Sicherheit aufstehen oder in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen".

Dem Sachverständigengutachten vom 24.04.2019 folgend ist im gegenständlichen Fall nicht von der Möglichkeit, sicher in öffentlichen Verkehrsmitteln transportiert zu werden, und demzufolge von der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist aufgrund des eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 24.04.2019 geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2215304.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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