Entscheidungsdatum
19.07.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2190184-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 27.12.2017 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.06.2019 zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 25.10.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der gemäß Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Psychiatrie, vom 14.12.2017 eingeholt.
In diesem Gutachten wurde nach am 05.12.2017 durchgeführter Begutachtung des BF folgende gutachterliche Stellungnahme abgegeben:
"Es zeigt sich aktuell eine ängstlich depressive Grunderkrankung (Angst und Depression gemischt, (...). Es besteht eine regelmäßige nervenfachärztliche Einbindung, eine psychotherapeutische Behandlung wird noch nicht absolviert. Es zeigen sich keine eindeutigen Hinweise auf das Vorliegen einer isolierten sozialen Phobie, ebenso zeigt sich auch kein eindeutiges klaustrophobisches Verhalten. Es besteht kein kompletter sozialer Rückzug. Vor diesem Hintergrund ist die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.12.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 14.12.2017 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung derzeit nicht vor.
4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Der BF ersuchte nach Darlegung seiner gesundheitlichen Beschwerden um Stattgebung seiner Beschwerde.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.03.2018 wurde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die vom BF erhobene Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die erforderlichen Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen. Begründend wurde auf das zugrundeliegende eingeholte Sachverständigengutachten vom 01.03.2018 hingewiesen.
6. Dagegen wurde fristgerecht ein Vorlageantrag erhoben. Mit diesem wurde auf die bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auftretenden gesundheitlichen Beschwerden wie Panikattacken, Herzrasen, Übelkeit und weitere vegetative Begleitsymptome wie Zittern, Schweißausbrüche, Kreislaufprobleme, Ohrensausen, Sehschwierigkeiten und Herzklopfen mit Herzrhythmusstörungen, auf die nicht hinreichende Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde verwiesen und beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der gegenständlichen Beschwerde Folge zu geben.
7. Am 23.03.2018 langte diese Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
8. Mit Schreiben des BVwG vom 23.04.2018, Zl. G304 2190183-1/2Z, 2190184-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung" dem BVwG zu übermitteln.
Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 23.04.2018, Zl. G304 2190183-1/2Z, 2190184-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 28.05.2018, um 12:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
9. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 10.01.2019 wurde nach am 25.06.2018 durchgeführten Begutachtung des BF bezüglich der beantragten Zusatzeintragung festgehalten, es liege keine die Mobilität des BF einschränkende Mobilität vor, kurze Wegstrecken könnten zurückgelegt, Niveauunterschiede könnten überwunden werden, und der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln sei gewährleistet.
Es wurde auch keine zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit führenden Funktionsbeeinträchtigung des BF festgestellt.
Zu den Fragen, ob eine psychische Funktionsbeeinträchtigung vorliege, welche den Aufenthalt unter Menschen in geschlossenen Räumen (bzw. öffentlichen Verkehrsmitteln) bei gleichzeitig fehlender Kontrolle über die Situation verunmöglicht, welche Einschränkungen sich daraus ergeben, und ob zumutbare therapeutische Optionen ausgeschöpft seien, wurde ausgeführt:
"Beim Untersuchten liegt eine generalisierte Angststörung mit Panikgefühlen, depressiver Verstimmung und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten vor. Sozialphobische und klaustrophobe Ängste werden berichtet. Eine soziale Phobie oder eine spezifische Phobie liegen aber nicht vor. Bisher wurde keine längerfristige Psychotherapie mit Konfrontationstherapie in Anspruch genommen."
Die Frage, ob aufgrund der bestehenden Funktionseinschränkungen gravierende Verhaltensauffälligkeiten, welche von fremden Personen im öffentlichen Raum üblicherweise als große Belastung oder Belästigung empfunden werden, wurde verneint.
Auf die Frage, welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen zu einer dauerhaften erheblichen Einschränkung des Immunsystems führen, konnten keine Funktionseinschränkungen angeführt werden.
10. Mit Verfügung des BVwG vom 01.02.2019, Zl. G304 2190183-1/6Z, 2190184-1/6Z, dem BF zugestellt am 02.03.2019, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.
10. Es wurde für 25.06.2019 eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG anberaumt.
11. Am 18.06.2019 langte beim BVwG ein Schreiben des BF ein, in welchem auf einer Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehende psychische bzw. psychosoziale Beschwerden hingewiesen wurde.
12. Am 25.06.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, unter Teilnahme des BF, seiner Rechtsvertreterin und der zur Verhandlung geladenen Sachverständigen Dr. XXXX eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht zur Verhandlung erschienen.
Diese Verhandlung gestaltete sich auszugsweise wie folgt ("VR" für verhandelnde Richterin, "RV" für Rechtsvertreter bzw. für den zur VH erschienenen Vertreter der Rechtsvertreterin es BF, "SV" für Amtssachverständige Dr. XXXX):
"(...)
Befragung:
Besprochen wird das zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 10.01.2019, in welchem eine generalisierte Angststörung mit Panikgefühlen, depressiver Verstimmung und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten.
"(...) Die VR ersucht die SV um Erläuterung des GA im Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung.
SV: Beim BF liegen aufgrund der angegebenen Beschwerden, aufgrund des zeitlichen Verlaufs der Erkrankung der vorliegenden Informationen zur Therapie, insbesondere der Abschlussbericht des Rehazentrum Justuspark beim BF eine mittelgradig depressive Episode, eine generalisierte Angststörung mit Panikgefühlen und ausgeprägten Vermeidungsverhalten, wobei zusätzlich eine akzentuierte Persönlichkeit beschrieben ist.
Somit ist davon auszugehen, dass keine spezifische Phobie, keine Klaustrophobie, keine weitere phobische Angsterkrankung in der Hauptdiagnose vorliegt.
VR an BF: Wenn Sie in Wien in die U-Bahn steigen: Was ist Ihr konkretes Problem?
BF: Die zuvielen Leute, um die Enge, um das Eingesperrt sein und die ganzen Menschen drinnen.
VR: Ein öffentliches Verkehsmittel ist ja nicht immer voll.
BF: Es geht um das Eingesperrt-Sein.
VR: Sind Sie in Ihrem Büro alleine?
BF: Nein, ich habe Kollegen.
VR: Was ist der Unterschied?
BF: Ich kann rausgehen, ich bin nicht eingesperrt da.
VR: Sie haben gesagt: "...aus allen gesellschaftlichen Schichten". Können Sie mir das ausdeutschen?
BF: Ich habe generell Angst vor Menschen, nicht nur von Ausländern.
SV: Was fürchten Sie, dass die Menschen tun?
BF: Die Aggressionen, man versteht sein eigenes Wort nicht. Ich fühle mich bedroht, die Enge. Es ist ein Paket von all dem.
VR an SV: Ist es eine konkrete Angst?
SV: Es geht hier nicht um klassische sozialphobische Ängste, sondern um Beeinträchtigungsängste.
VR an BF: Wofür befürchten Sie, kritisiert zu werden?
BF: Das weiß ich nicht.
VR: Ist Ihnen das schon passiert?
BF: Ja. Ich wurde kritisiert, nicht schnell genug zu sein.
BF: Es ist allgemein formuliert. Es ist nicht auf eine Personengruppe spezialisiert.
VR: Können Sie einkaufen gehen?
BF: Ja.
VR: Da sind auch jede Menge Leute. Da ist eine Schlange an der Kasse. Was machen Sie dann?
BF: Ich gehe zum Spar, wo nicht viel los ist.
RV: Der BF hat sogar den Wohnsitz verlegt, um das alles zu schaffen. Der BF versucht so, sein Leben zu bewältigen. Der BF hat sogar eine Therapie angefangen.
VR an SV: Ist die Medikamentierung, die der BF nimmt, geeignet, um das zu behandeln?
SV: Bedingt. Meines Erachtens wäre die Ergänzung der Medikamentierung um ein Neuroleptikum sehr sinnvoll.
VR an BF: Sie haben in den Begutachtungen Ihre Beschwerden anders dargestellt.
BF: Meines Erachtens habe ich meine Beschwerden immer so dargestellt, wie in der letzten Stellungnahme und heute auch. Das sind eben meine Beschwerden.
BF: Ich muss ja in eine Tiefgarage fahren. Ich kann mein Auto ja nicht irgendwo stehen lassen.
VR: Sie zielen darauf ab, dass Sie enge Räume meiden, aber Sie zielen nie darauf ab, dass Sie vor Menschen Ängste haben.
BF: Es wurde aber nie gefragt, in welches Café ich gehe. Ich gehe ja nicht ins Zentrum.
(...)
RV an SV: Zu Ihrem GA auf Seite 2: "da wären ihm zu viele Menschen, er würde hyperventilieren". Sind aus Ihrer Sicht diese Beschwerden und Zustände für Sie als Medizinerin nachvollziehbar?
SV: Ja, es ist nachvollziehbar, wenn das so angegeben wird.
RV: Diese Ängste: Ist das eine Diagnose eine eigene, wie zB F41?
SV: Angst ist ein Symptom, aber keine Diagnose und kommt bei zahlreichen Erkrankungen wie zB Angsterkrankungen, Phobien, Psychosen und Depressionen vor. Stress macht ab einem gewissen Level Angst.
VR an SV: Sofern Beschwerden heute anders geschildert wurden, könnte es sein, dass sich das Leiden entwickelt hat?
SV: Nein, das schließe ich aus.
VR: Könnte es hinzugetreten sein?
SV: Das ist sehr unwahrscheinlich. Das Leiden, dass heute geschildert wurde mit diesem Misstrauen, ist aus fachmedizinischer Sicht am ehersten aus der akzentuierten Persönlichkeit des BF zu sehen.
RV an SV: Zu welcher Erkrankung wurde das Symptom der Angst beim BF passen?
SV: Zu einer generalisierten Angststörung.
RV an SV: Wenn der BF in die Straßenbahn einsteigt und zB Panikattacken bekommt. Wie ist das möglich zu vermeiden, etwa durch Einnahme von Medikamenten und Therapien oder dergleichen bzw. wie kann ich dem begegnen?
SV: Eine Möglichkeit ist eine regelmäßige Psychotherapie und die Anpassung der Medikamente. Das ist geografisch nicht überall gut durchführbar, aber es gibt auch die Möglichkeit einer Konfrontationstherapie mit dem Therapeuten.
RV: Heißt das im Umkehrschluss, es ginge zum Beispiel nur mit Medikamenten alleine nicht?
SV: Die Therapie der Wahl ist eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten, weil es wichtig ist, die Angst zu verstehen und Strategien für den Umgang zu entwickeln. Der BF hat erwähnt, dass es ihm nach einer Reha immer besser gegangen ist.
VR: Sind in diesem Fall Ihrer Meinung nach die Therapieoptionen bereits völlig ausgeschöpft?
SV: Nein.
RV an SV: Wäre das eine Dauermedikation?
SV: Es ist davon auszugehen, dass die Medikation Jahre eingenommen werden muss, aber nicht lebenslang. Es ist durchaus zu erwarten, dass, wenn die Therapie greift, die Medikamente wieder abgesetzt werden können.
RV an SV: Haben Sie bei Ihrer Begutachtung auch das GA Dr. XXXX berücksichtigt?
SV: Dieses Gutachten ist mir auch bei der Begutachtung vorgelegen.
Schluss des Beweisverfahrens.
Schlussanträge:
Die beschwerdeführende Partei verweist auf das bisherige Vorbringen und wiederholt den Antrag auf Stattgebung der Beschwerde."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF hat seinen Hauptwohnsitz in Österreich und ist im Besitz eines Behindertenpasses.
1.2. Er leidet an einer generalisierten Angststörung mit Panikgefühlen und Ängsten bei Menschenansammlungen, auch in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo er sich zusammen mit anderen Menschen eingeengt und eingesperrt fühlt.
Wegen seiner psychischen Probleme war der BF bereits mehrmals stationär auf Reha, und zwar zunächst in den Jahren 2012, 2013/2014 und 2015. Auf diese stationären Rehabilitationsmaßnahmen folgte jeweils eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes des BF.
Auf Neuerungen im Arbeits- und privaten Bereich und einer damit einhergehenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes des BF mit Angstzuständen, Schlafstörungen und Depression folgte von 08.05.2018 bis 19.06.2018 ein neuerlicher stationärer Rehabilitationsaufenthalt des BF in einem Therapiezentrum.
Aus diesem konnte der BF mit leichter gesundheitlicher Besserung wieder entlassen werden.
Im am 11.07.2018 erstellten ärztlichen Entlassungsbericht des Therapiezentrums wurde unter anderem Folgendes festgehalten (Name des BF durch "BF" ersetzt):
"Psychodiagnostisch zeigte sich das Bild einer generalisierten Angststörung und einer mittelgradig ausgeprägten depressiven Episode.
Er nahm am diagnostischen und therapeutischen Programm teil und konnte die psychologischen Einzelgespräche gut zur Bearbeitung seiner Themen nutzen. (...) Die prästationäre psychopharmakologische Medikation konnte bei guter Verträglichkeit und positiver Bewertung beibehalten werden. Durch seine engagierte Mitarbeit und positive Einstellung konnte der BF sein Therapieziel erreichen und vom Rehabilitationsaufenthalt gut profitieren. Die Entlassung in häusliche Umgebung erfolgte in stabilem psychischen sowie auch körperlichen Zustand.
Zur weiteren Stabilisierung empfehlen wird vorübergehend noch eine psychophysische Schonung.
Therapieempfehlungen:
Lisihexal Tbl 20 mg 1-0-0
Bisocor Tbl 5 mg 1/2-0-0
Wellbutrin Xr Ret Tbl 300 mg 1-0-0
Lyrica Hartkps 150 mg 11-1
Urosin Tbl 300 mg 1/2-0-0 - je Sa
Ihr behandelnder Arzt kann Ihnen Medikamente mit andere Namen aber gleicher Grundsubstanz (Generika) verordnen.
Fachärztliche Weiterbetreuung:
Wir empfehlen regelmäßige psychiatrisch-fachärztliche Kontrollen beginnend innerhalb eines Monats nach Beendigung des Aufenthalts.
Psychotherapeutische Weiterbetreuung:
Um die psychosoziale Belastbarkeit weiter zu erhöhen, wird geraten, die hier erlernten Maßnahmen fortzuführen und eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. (...).
Bezugstherapeutischer Bericht:
Zum Aufnahmezeitpunkt war die Befindlichkeit des BF von psychischer Belastung und Unruhe aufgrund generalisierter Ängste geprägt.
Während des Aufenthalts nahm der Patient am psychotherapeutischen/ psychologischen Basisprogramm im Einzel- und Gruppensetting und an den offenen Gruppentherapien Resilienz, Entspannungstechniken und einmalig an Depressionsbewältigung teil. Diese konnte der BF nutzen, um die Zeit im Sinne von Ressourcenaktivierung zu gestalten und seinen Umgang mit belastenden Situationen zu verbessern.
In den Einzelgesprächen war es dem Patienten möglich, ein Verständnis für sich und die Erkrankung zu entwickeln, sich mit eigenen Einstellungs- und Verhaltensmustern auseinanderzusetzen und insbesondere am Thema Umgang und Strategien bezüglich des Gefühls der Angst zu arbeiten.
Außerdem nutzte der BF die örtliche Distanz im Hier und Jetzt dazu, sich in Achtsamkeit und (Selbst-) Akzeptanz zu üben.
Aus der Sicht der psychologisch geführten Gespräche im Einzelsetting ist festzuhalten, dass der BF das Therapiezentrum (...) gestärkt und in einer leicht gebesserten Grundbefindlichkeit verlässt."
1.2.1. Von der in diesem ärztlichen Entlassungsbericht empfohlenen Medikation wurden die Medikamente "Wellbutrin" und "Lyrica" zur Behandlung der psychosozialen, psychischen und neurologischen Beschwerden empfohlen, kommen - laut einem Internetrechercheergebnis - doch "Wellbutrin"-Tabletten bei Depressionen und "Lyrica"-Kapseln unter anderem zur Vermeidung von Nervenschmerzen und Angststörungen zum Einsatz.
1.3. In einem etwas älteren Befundbericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 13.02.2018 wurde festgehalten (Name des BF durch "BF" ersetzt):
Folgende Befunde wurden erhoben:
Diagnose:
Generalisierte Angststörung, Panikstörung, Mittelschwere depressive Episode arterielle Hypertonie, St post BS-OP. Hämochromatose (erg.: d. i. Eisenspeicherkrankheit)
Medikation:
ZOLPIDEM HEX FTBL 10 mg 10 ST Na:1
PREGAMID HARTKPS 150 mg 60 ST Mo:1/Mi:1
WELLBUTRIN XR RET TBL 300 mg 30 ST Mo:1.
Der BF steht bei uns seit 12/2011 wegen der angegebenen Diagnosen in Behandlung. Ein wesentlicher Symptomkomplex stellt die Unfähigkeit dar, keine öffentlichen Verkehrsmittel und keine Aufzüge benützen zu können, da dadurch heftige Angstzustände und Panikattacken auftreten. Ähnliche Symptome treten auch in Zusammenhang mit größeren Menschenmengen auf, damit kann der BF aber meist umgehen, indem er entsprechend ausweicht. Die Störungen bestehen seit vielen Jahren mit undulierendem (erg.: auf- und absteigendem Verlauf). Seit über einem Jahr ist die Symptomatik wieder verschärft ausgeprägt und auch durch die laufende Psychopharmakamedikation nicht zu kupieren.
Stellungnahme:
Aus psychiatrisch medizinischer Sicht ist der BF auf die Benützung des eigenen KFZ angewiesen, da er wie oben beschrieben, öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen kann. Es wird ersucht, für den Patienten mit Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" zu genehmigen."
1.3.1 Von der in diesem Arztbericht vom 13.02.2018 angeführten Medikation des BF kommen "Zolpidem" - Tabletten bei Schlafstörungen und "Wellbutrin" - Tabletten, wie bereits in Punkt 1.2.1 angeführt, bei Depressionen zur Anwendung.
1.4. Fest steht, dass derzeit die psychosozialen, psychischen und neurologischen Beschwerden des BF mit Medikamenten behandelt werden, der BF bereits seit Dezember 2011, unter anderem wegen generalisierter Angststörung, Panikstörung und mittelschwerer depressiver Episode, von einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in Behandlung steht, und ihm sowohl seitens des Therapiezentrums, in welchem der BF zuletzt im Jahr 2018 stationär aufhältig war, als auch von der im Beschwerdeverfahren beigezogenen Sachverständigen eine psychotherapeutische Betreuung angeraten wurde.
1.5. Der Wortwechsel zwischen Sachverständigen, verhandelnden Richterin und Rechtsvertreter des BF gestaltete sich auszugsweise wie folgt:
"RV an SV: Wenn der BF in die Straßenbahn einsteigt und zB Panikattacken bekommt. Wie ist das möglich zu vermeiden, etwa durch Einnahme von Medikamenten und Therapien oder dergleichen bzw. wie kann ich dem begegnen?
SV: Eine Möglichkeit ist eine regelmäßige Psychotherapie und die Anpassung der Medikamente. Das ist geografisch nicht überall gut durchführbar, aber es gibt auch die Möglichkeit einer Konfrontationstherapie mit dem Therapeuten.
RV: Heißt das im Umkehrschluss, es ginge zum Beispiel nur mit Medikamenten alleine nicht?
SV: Die Therapie der Wahl ist eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten, weil es wichtig ist, die Angst zu verstehen und Strategien für den Umgang zu entwickeln. Der BF hat erwähnt, dass es ihm nach einer Reha immer besser gegangen ist.
VR: Sind in diesem Fall Ihrer Meinung nach die Therapieoptionen bereits völlig ausgeschöpft?
SV: Nein.
RV an SV: Wäre das eine Dauermedikation?
SV: Es ist davon auszugehen, dass die Medikation Jahre eingenommen werden muss, aber nicht lebenslang. Es ist durchaus zu erwarten, dass, wenn die Therapie greift, die Medikamente wieder abgesetzt werden können."
1.6. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. angeführten Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG samt Niederschrift über die am 25.06.2019 stattgefundene mündliche Verhandlung vor dem BVwG, Außenstelle Graz.
2.2. Soweit der BF in seiner Beschwerde auf einen von ihm benötigten Parkausweis Bezug nahm, wird darauf hingewiesen, dass das gegenständliche Verfahren nur die Frage der Zulässigkeit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" betrifft, stellt die Vornahme dieser Zusatzeintragung im Behindertenpass doch die Voraussetzung für den Erhalt eines Parkausweises dar.
2.3. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
2.3.1. Im gegenständlichen wurde nach vorgelegter Beschwerde vom BVwG zunächst die Einholung eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens für notwendig gehalten.
Im eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, vom 10.01.2019 wurde
* keine die Mobilität oder die körperliche Belastbarkeit des BF erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt.
* Zu den Fragen, ob beim BF eine psychische Funktionsbeeinträchtigung vorliege, welche den Aufenthalt unter Menschen in geschlossenen Räumen (bzw. öffentlichen Verkehrsmitteln) bei gleichzeitig fehlender Kontrolle über die Situation verunmöglicht, welche Einschränkungen sich daraus ergeben, und ob zumutbare therapeutische Optionen ausgeschöpft seien, wurde ausgeführt:
"Beim Untersuchten liegt eine generalisierte Angststörung mit Panikgefühlen, depressiver Verstimmung und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten vor. Sozialphobische und klaustrophobe Ängste werden berichtet. Eine soziale Phobie oder eine spezifische Phobie liegen aber nicht vor. Bisher wurde keine längerfristige Psychotherapie mit Konfrontationstherapie in Anspruch genommen."
Auch im Zuge der mündlichen Verhandlung am 25.06.2019 gab die Sachverständige an, die Therapiemöglichkeiten seien im gegenständlichen Fall noch nicht ausgeschöpft.
Nach einem am 11.07.2018 erstellten ärztlichen Entlassungsbericht eines Therapiezentrums, in welchem der BF am dort angebotenen psychotherapeutischen/psychologischen Basisprogramm im Einzel- und Gruppensetting und an den offenen Gruppentherapien Resilienz, Entspannungstechniken und einmalig an Depressionsbewältigung teilgenommen hat, konnte der BF nach einem stationären Reha-Aufenthalt von 08.05.2018 bis 19.06.2018
* mit einer leichten gesundheitlichen Besserung und
* mit den ärztlichen Empfehlungen
o einer vorübergehenden psychophysischen Schonung zur weiteren Stabilisierung,
o einer fachärztlichen Weiterbetreuung mit regelmäßigen psychiatrisch-fachärztlichen Kontrollen beginnend innerhalb eines Monats nach Beendigung des Reha-Aufenthaltes, und, um die psychosoziale Belastbarkeit weiter zu erhöhen,
o einer Psychotherapie aus dem Therapiezentrum entlassen werden.
Dem BF wurde demnach auch bei Beendigung seines stationären Reha-Aufenthalts eine psychotherapeutische Weiterbetreuung zur weiteren psychosozialen Stabilisierung empfohlen.
Der BF, der an einer diagnostizierten generalisierten Angststörung leidet, wurde in der mündlichen Verhandlung am 25.06.2019 vor dem BVwG, Außenstelle Graz, einvernommen und zu seinen Ängsten näher befragt.
Er gab in der Beschwerdeverhandlung zunächst, befragt, was sein konkretes Problem sei, wenn er in eine U-Bahn steige, an:
"Die zuvielen Leute, um die Enge, um das Eingesperrtsein und die ganzen Menschen drinnen."
Etwas später führte der BF an, generell Angst vor Menschen, nicht nur von Ausländern zu haben, und gab daraufhin, befragt, was er konkret vor den Menschen fürchte, an:
"Die Aggressionen, man versteht sein eigenes Wort nicht. Ich fühle mich bedroht, die Enge. Es ist ein Paket von all dem."
Die Sachverständige führte dazu aus:
"Es geht hier nicht um klassische sozialphobische Ängste, sondern um Beeinträchtigungen."
Auf die Frage, wofür der BF befürchte, kritisiert zu werden, antwortete er:
"Das weiß ich nicht."
Die Sachverständige später in der mündlichen Verhandlung befragt, ob, sofern die Beschwerden in der Verhandlung anders geschildert wurden, es sein könnte, dass sich das Leiden entwickelt hat, gab die Sachverständige an:
"Nein, das schließe ich aus."
Befragt von der verhandelnden Richterin, ob es hinzugetreten sein könnte, führte die Sachverständige aus:
"Das ist sehr unwahrscheinlich. Das Leiden, dass heute geschildert wurde mit diesem Misstrauen, ist aus fachmedizinischer Sicht am ehesten aus der akzentuierten Persönlichkeit des BF zu sehen."
Die Sachverständige ordnete das beim BF auftretende Symptom der Angst einer generalisierten Angststörung zu.
Befragt, wie etwa das Auftreten von Panikattacken in einer Straßenbahn vermieden werden könne, führte die Sachverständige aus:
"Eine Möglichkeit ist eine regelmäßige Psychotherapie und die Anpassung der Medikamente. Das ist geografisch nicht überall gut durchführbar, aber es gibt auch die Möglichkeit einer Konfrontationstherapie mit dem Therapeuten."
Vom Rechtsvertreter befragt, ob beispielsweise Medikamente allein nicht zur Behandlung ausreichend seien, führte die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung an, dass die "Therapie der Wahl" eine "Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten" sei, weil es wichtig sei, die Angst zu verstehen und Strategien für den Umgang zu entwickeln. Der BF habe erwähnt, dass es ihm nach einer Reha immer besser ergangen sei.
Die Sachverständige hält im gegenständlichen Fall die Therapieoptionen jedenfalls für noch nicht ausgeschöpft.
Vom Rechtsvertreter befragt, "wäre das eine Dauermedikation", gab die Sachverständige an:
"Es ist davon auszugehen, dass die Medikation Jahre eingenommen werden muss, aber nicht lebenslang. Es ist durchaus zu erwarten, dass, wenn die Therapie greift, die Medikamente wieder abgesetzt werden können."
Aufgrund der Stellungnahme der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, es gebe im gegenständlichen Fall noch offene Therapiemöglichkeiten und werde eine Kombination aus Medikation und Psychotherapie für sinnvoll erachtet, sei es doch wichtig, die Angst zu verstehen und Strategien für den Umgang zu entwickeln, zumal der BF auch selbst nach seinen Reha - Aufenthalten stets von einer gesundheitlichen Besserung berichtet habe, ist vor Absolvierung einer dem BF ärztlich angeratenen Psychotherapie auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung vorliegen, nicht weiter einzugehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
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erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
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eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
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eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Gemäß den Erläuterungen zur (gleichnamigen) Vorgänger-Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (BGBl. II Nr. 2013/495) ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel insbesondere dann nicht zumutbar, wenn erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vorliegen. Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen jedenfalls Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr.
3.2.2. Der BF leidet, wie von der Sachverständigen auch in der mündlichen Verhandlung betont, an einer generalisierten Angststörung. Er hat allgemein Angst vor Menschen. Diese Angst bei Menschenansammlungen ist begleitet von Panikattacken - auch in öffentlichen Verkehrsmitteln, in denen sich der BF zusammen mit anderen Menschen eingeengt und eingesperrt fühlt.
3.2.2.1. Weder im fachärztlichen Befund vom 13.02.2018 noch im ärztlichen Entlassungsbericht eines Therapiezentrums vom 11.07.2018 scheint eine Hauptdiagnose ICD 10 auf.
Auch im von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 10.01.2019 wurde keine Diagnose ICD 10 gestellt und keine Sozialphobie bzw. spezifische Phobie und auch keine Klaustrophobie, sondern unter Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde eine generalisierte Angststörung mit sozialphobischen Zügen und deutlichem Vermeidungsverhalten F41.1 diagnostiziert.
3.2.2.2. Fest steht, dass der BF wegen seiner psychischen und psychosozialen Beschwerden bereits mehrmals im Bundesgebiet stationär auf Reha war, und zwar 2012, 2013/2014, 2015 und zuletzt nachweislich von 08.05.2018 bis 19.06.2018, und auf die Beendigung seines Reha-Aufenthaltes jeweils eine gesundheitliche Besserung gefolgt ist.
Der BF nahm dem ärztlichen Entlassungsbericht eines Therapiezentrums vom 11.07.2018 folgend während seines stationären Reha-Aufenthalts am psychotherapeutischen/psychologischen Basisprogramm im Einzel- und Gruppensetting und an den offenen Gruppentherapien Resilienz, Entspannungstechniken und einmalig an Depressionsbewältigung teil.
Bei Entlassung des BF aus dem Therapiezentrum nach seinem letzten stationären Reha-Aufenthalt wurde ihm zunächst zur weiteren Stabilisierung vorübergehende psychophysische Schonung, dann fachärztliche Weiterbetreuung mit regelmäßigen psychiatrisch-fachärztlichen Kontrollen beginnend innerhalb eines Monats und, um die psychosoziale Belastbarkeit weiter zu erhöhen, die Inanspruchnahme von Psychotherapie empfohlen.
3.2.2.3. Die vom BVwG beigezogene Sachverständige Dr. XXXX, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, hält die Therapieoptionen im gegenständlichen Fall für nicht ausgeschöpft und eine Kombination von Medikation und Psychotherapie für sinnvoll, um die Angst des BF verstehen und Strategien für den Umgang entwickeln zu können.
Der an einer generalisierten Angststörung leidende BF hat demnach zunächst noch eine Psychotherapie zu absolvieren, bevor nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes als nächster Schritt überprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für die vom BF beantragte Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen und dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet werden kann.
Die gegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 27.12.2017 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2018 wird daher spruchgemäß als unbegründet abgewiesen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2190184.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.10.2019