TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/16 W186 2222264-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.08.2019
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Entscheidungsdatum

16.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
Dublin III-VO Art. 28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W186 2222264-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2019, Zahl:

1229079804-190776574, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO i.V.m.

§ 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. mit § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) stellte am 08.05.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA/EASt Ost vom 29.07.2019 zurückgewiesen; in Einem wurde die Außerlandesbringung des BF angeordnet (Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen wurde. Mit dem gleichem Bescheid wurde ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 der Dublin - III - Verordnung für die Prüfung des Antrags zuständig sei, sowie, dass gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung des BF angeordnet und festgestellt werde, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Italien zulässig sei).

Der BF wurde am 31.07.2019 aus der JA Wiener Neustadt entlassen. Gegen den BF wurde ein Festnahmeauftrag erlassen und mit dem 31.07.2019 vollzogen: der BF wurde in das PAZ Wiener Neustadt eingeliefert.

Am 25.06.2019 wurde ein Konsultationsverfahren "Dublin OUT" mit Italien eingeleitet.

2. Am 01.08.2019 wurde der BF seitens der Behörde niederschriftlich einvernommen; die Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"(...)

F: Werden Sie rechtsfreundlich vertreten?

A: Nein.

F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher? Haben Sie dazu Einwände?

A: Die Verständigung ist sehr gut.

Sie werden auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme aus eigenem mit einem Rechtsberater hingewiesen und auf die Möglichkeit, diesen in Angelegenheiten Ihres Verfahrens vor dem BFA in Anspruch zu nehmen.

V: Ihnen wird zur Kenntnis gebracht, dass über Sie zur Sicherung des Verfahrens die Schubhaft erlassen wird. Sie haben in Italien bereits einen Asylantrag gestellt. Sie haben am 08.05.2019 auch in Österreich einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA/EASt Ost vom 29.07.2019 als Nichtzuständigkeit Österreichs zurückgewiesen sowie die Außerlandesbringung angeordnet. Es wird mit dem zuvor angeführten Land, Übernahme im Dublin-Verfahren bereits geführt.

LA: Haben Sie in Österreich Familienangehörigen?

A: Nein.

LA: Welche Familienangehörige leben in Ihrem Heimatland?

A: Niemand.

LA: Haben Sie irgendwelche Anknüpfungspunkte zu Österreich- Arbeit, Ausbildung, etc?

A: Ich habe in Wien bei einer Reinigungsfirma angefragt. Ich habe aber nicht gearbeitet.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland einen Beruf erlernt bzw. eine Ausbildung absolviert? Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt verdient?

A: Nein.

LA: Wie hoch sind Ihre derzeitigen Barmittel?

A: 130,--Euro

LA: Verfügen Sie über Bankomat- oder Kreditkarten?

A: Ich habe eine italienische Bankomartkarte.

LA: Wie könnten Sie Ihren Aufenthalt in Österreich finanzieren?

A: Ich würde mir eine Arbeit suchen.

LA: Warum wurden Sie in Österreich straffällig?

A: Ich wollte es nur für den Eigenkonsum und nicht verkaufen.

LA: Sind Sie das erste Mal in Österreich?

A: Ja das erste Mal.

LA: Hatten Sie jemals ein Visum oder einen Aufenthaltstitel in einem Land der EU oder im Schengenraum?

A: Ich hatte eine Aufenthaltskarte für Italien.

LA: Sind Sie krank, benötigen Sie einen Arzt oder Medikamente?

A: Ich bin XXXX und bekomme hier die Medikamente vom Arzt.

Aufgrund der Tatsache, dass Sie bereits mehrere Länder im Schengenraum bereits haben, immer wieder einen Asylantrag stellten und den Ausgang dieser nicht abwarteten wird über Sie zur Sicherung des Verfahrens die Schubhaft erlassen werden.

LA: Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?

A: Ich war 4 Jahre und 7 Monate in Italien und habe einen negativen Bescheid bekommen und wurde zur Ausreise aufgefordert. Ich kann nicht nach Libyen zurück und auch nicht nach Nigeria. Deswegen bin ich mit dem Zug nach Österreich gekommen.

LA: Die Einvernahme wird nun beendet. Möchten Sie noch etwas beifügen was Ihnen wichtig erscheint?

A: Ich möchte noch anmerken, dass ich am 12.08.2019 einen Arzttermin in Österreich habe.

Ende der Amtshandlung: 10:00 Uhr

(...)"

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Mandatsbescheid wurde über den BF gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm. § 76 Absatz 2 Ziffer 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Das Bundesamt traf in diesem Bescheid folgende Feststellungen:

"Zur Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.

Sie haben einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt und sind anerkannter Asylwerber in Italien.

Sie erhielten eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Italien.

Zu ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Die Anordnung zur Außerlandesbringung gegen Ihre Person ist mit 31.07.2019 durchsetzbar.

Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

-

Sie hielten sich illegal in Österreich auf.

-

Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

-

Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

-

Sie wurden am 20.06.2019 verhaftet, in die JA Wr. Neustadt überstellt und am 22.06.2019 in U-Haft, wegen Verdachts des Suchtgifthandels, genommen.

-

Am 31.07.2019 wurden Sie vom Landesgericht Wiener Neustadt, GZ 36 Hv 47/19i betreffend des Strafrechtsbestandes nach § 27 Abs.1 und 2a SMG für schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 1 (eins) Monat unbedingt sowie 7 (sieben) Monaten bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren verurteilt.

-

Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

-

Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

-

Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und waren bis vor der Haft nur im Asylquartier in 2514 Traiskirchen gemeldet.

-

Sie sind in keinster Weise integriert, da Sie kein Einkommen haben, in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen, nicht in der Lage sind deutsch zu sprechen, keine Angehörigen in Österreich haben, straffällig wurden, keine Wohnung und keine Anmeldung besitzen.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie haben keine Angehörigen in Österreich, Sie haben keinen Arbeitsplatz und keine Unterkunft. Sie haben keinerlei soziale Anknüpfungspunkte zu Österreich."

In rechtlicher Hinsicht fand die Behörde:

"Sie haben kein Einkommen, nahezu keine Barmittel. Sie haben keine Angehörigen in Österreich. Sie sind in keinster Weise sozial integriert da sie keinerlei familiäre oder gesellschaftliche Anknüpfungspunkte haben und solche auch nicht behaupteten. Somit sind Ziffer 6 und 9 in ihrem Fall erfüllt.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, da sie zudem verschiedenste Mitgliedsatten der EU bereist haben und sich in diesen - siehe ihre Angaben in Bezug auf Italien - auch lange Zeit illegal aufgehalten haben.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Sie haben bislang keine Bestrebungen unternommen, um sich in ein Reisedokument zu organisieren. Sie haben auch nichts unternommen, um zumindest Ihren Wohnsitz meldeamtlich erfassen zu lassen. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Dies, weil sie eben keinen Wohnsitz haben, keine Anmeldung haben, keine Arbeit haben, straffällig wurden und kein Geld haben.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältiger Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gern. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Zur Anwendung eines gelinderen Mittels führt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 02.08.2013 (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008) aus: "Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Z. 2006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29. April 2008, ZI. 2008/21/0085, siehe auch die Erkenntnisse vom 28. Februar 2008, ZI. 2007/21/0512, und ZI. 2007/21/0391) jjnd wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein." Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Sachverhalt keinerlei Umstände, die eine Anordnung gelinderer Mittel nahelegen, da alle oben genannten Ansatzpunkte im konkreten Falle nicht gegeben sind und nicht behauptet wurden.

Aufgrund des aufgezeigten Sachverhalts, insbesondere des illegalen Aufenthaltes, nicht vorhandener finanzieller Mittel, der fehlenden Möglichkeit einer legalen Erwerbsausübung, die nicht vorhandene Möglichkeit der sozialen und wirtschaftlichen Integration, der fehlenden gesicherten Unterkunft und aufgrund des bisher gezeigten Verhaltes kam die Anwendung von gelinderen Mitteln im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

4. Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 09.08.2019 durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter, Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.08.2019 sowie die Anhaltung in Schubhaft.

"(...) Die Behörde hat den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom

8.5.2019 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. 1 Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Artikel 18/1 /d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Italien zuständig sei. Gemäß § 61 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet. Die Rechtsmittelfrist gegen diesen Bescheid hat am 31.7.2019 zu laufen begonnen.

Gegen den Beschwerdeführer wurde ein Festnahmeauftrag erlassen, der mit dem 31.07.2019 vollzogen wurde und der Klient wurde in das PAZ Wiener Neustadt eingeliefert. Zuvor befand sich der Beschwerdeführer seit 20.06.2019 in der JA Wr. Neustadt - über ihn wurde am 22.06.2019 die Untersuchungshaft wegen Verdachts des Suchtmittelhandels verhängt.

Am 01.08.2019 wurde der Beschwerdeführer zur Schubhaftverhängung niederschriftlich einvernommen.

Dem Beschwerdeführer wurde zur Kenntnis gebracht, dass gemäß der Dublin- Verordnung Konsultationen in Form einer Anfrage mit Italien geführt werden.

Der Beschwerdeführer wurde in das Polizeianhaltezentrum Wien Hernalser Gürtel überstellt und es wurde am 01.08.2019 mit dem gegenständlichen Bescheid die Schubhaft über ihn verhängt.

Der Beschwerdeführer ist selbstverständlich kooperativ und bereit, an einem von der Behörde festgelegten Tag aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien auszureisen. Er beantragte durch den Verein Menschenrechte Österreich auch die freiwillige Rückkehr nach Italien, welche jedoch mangels Reisedokumente nicht bewilligt werden konnte.

Die Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers ist rechtswidrig. Im Falle des Beschwerdeführers besteht keine Fluchtgefahr. Jedenfalls wäre die Verhängung eines gelinderen Mittels zur Verfahrenssicherung ausreichend gewesen (dazu führt der Beschwerdeführer unten weiter aus), der Beschwerdeführer würde einem solchen jedenfalls Folge leisten.

Die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung in Schubhaft seit dem 01.08.2019 sind daher rechtswidrig. Der Beschwerdeführer erhebt gegen die Anordnung der Schubhaft mittels Bescheids und die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft das gegenständliche Rechtsmittel.

Beweis: EV des Beschwerdeführers.

(...) Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung des Beschwerdeführers

1. Verletzung von Verfahrensvorschriften

Das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren war grob mangelhaft, da diese ihrer nach §§ 37, 39 Abs 2 AVG bestehenden und in § 18 Abs 1 AsylG konkretisierten Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen ist. Gerade die Verhängung der Schubhaft als Einschränkung der persönlichen Freiheit verlangt eine Einzelfallabwägung der konkreten Situation eines Beschwerdeführers. Dazu gehört auch, dass die Behörde die aktuellen Lebensumstände eines Beschwerdeführers selbständig ermittelt, insbesondere weil diese für die Entscheidung, ob die Behörde Schubhaft über eine Person verhängt, von immenser Bedeutung sind.

So sprach das BVwG1 erst kürzlich aus, „(...) das ho. Gericht verkennt zwar nicht den Umstand, dass die Schubhaft per Mandatsbescheid zu verhängen ist und deshalb an das seitens der bB durchzuführende Ermittlungsverfahren ein herabgesetzter Maßstab anzuwenden ist, dies entbindet die Behörde jedoch nicht davon, zumindest grundlegendste Ermittlungsschritte zu setzen, was sie im gegenständlichen Fall nach Ansicht des ho. Gerichts jedoch unterließ. (...)"

Die Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht nicht hinreichend nachgekommen und hat keine Einzelfallabwägung der konkreten Situation des Beschwerdeführers vorgenommen.

Hätte die Behörde dahingehend ermittelt, ob der Beschwerdeführer sich kooperativ zeigt und ob er bereit ist, freiwillig nach Italien auszureisen, so hätte sie erkannt, dass im Falle des Beschwerdeführers keine Fluchtgefahr besteht.

Mangels eines ordentlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist der gegenständliche Bescheid jedenfalls rechtswidrig.

2. Erhebliche Fluchtgefahr iSd Dublin-VO liegt nicht vor

Da im vorliegenden Fall die Schubhaft nach der Dublin lll-VO zur Sicherung des Verfahrens zur Überstellung nach Italien verhängt wurde, sind zur Beurteilung des Sachverhaltes die in Art 28 der Dublin lll-VO festgelegten Kriterien heranzuziehen. Gemäß Art 28 Abs 2 darf eine Person nur nach Durchführung einer Einzelfallprüfung in Haft genommen werden und nur im Falle, dass die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

Im vorliegenden Fall erweist sich die Argumentation der belangten Behörde, warum Fluchtgefahr vorliegen soll, als höchst unschlüssig.

Die Behörde meint, im Falle des Beschwerdeführers liege Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs 3 Z 6 und 9 vor, da der Beschwerdeführer kein Einkommen, nahezu keine Barmittel sowie keine Angehörigen in Österreich habe. Er sei in keinster Weise sozial integriert, da er keinerlei familiäre oder gesellschaftliche Anknüpfungspunkte habe.

Die Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig sei sowie nicht gewillt sei Rechtsvorschriften einzuhalten und begründet dies lediglich mit früheren Handlungen des Beschwerdeführers - eine tatsächliche Beurteilung der Mitwirkungsbereitschaft des Beschwerdeführers hat die Behörde jedoch nicht vorgenommen.

Auch begründet alleine der Umstand, dass der BF nicht über das erforderliche Reisedokument für einen Grenzübertritt verfügte, jedenfalls keine (erhebliche) Fluchtgefahr. Es handelt es sich dabei um einen Umstand, der in einem Dublin-Fall geradezu typischerweise vorliegt und um keinen Gesichtspunkt, welcher den gegenständlichen Fall von anderen Dublin-Fällen hervorhebt (vgl VwGH 28.08.2012, 2010/21/0291).

Auch die von der belangten Behörde ins Treffen geführte vermeintliche fehlende soziale Verankerung ist in einer klassischen Dublin-Konstellation ebenso wenig geeignet, eine erhebliche Fluchtgefahr zu begründen (vgl VwGH 30.08.2011, 2008/21/0498).

Somit gelingt es der Behörde nicht, im angefochtenen Bescheid das Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr aufzuzeigen.

3. Zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit eines gelinderen Mittels

Selbst bei Vorliegen einer Fluchtgefahr - welche der Beschwerdeführer ausdrücklich in Abrede stellt - ist die Schubhaft nur bei Vorliegen von Verhältnismäßigkeit zulässig und nur, wenn gelindere Mittel nicht zur Zweckerreichung geeignet wären (§ 77 Abs 1 FPG).

Es gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH 03.10.2012, G140/11 ua - G86/12 ua). Es wäre am BFA gelegen, darzulegen, warum ein gelinderes Mittel anstatt der Schubhaft nicht in Frage kommt, stattdessen finden sich im Schubhaftbescheid dazu nur wenige allgemein gehaltene Sätze. Entsprechende Ausführungen oder Begründungen sind im Bescheid nicht zu finden, dies betrifft insbesondere die gelinderen Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung gern § 77 Abs 3 Z 2 FPG sowie das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gern §77 Abs 3 Z1 FPG.

Im Falle des Beschwerdeführers kommen jedenfalls gelindere Mittel in Betracht:

So wäre im Falle des Beschwerdeführers etwa das gelindere Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung naheliegend.

Alternativ wäre neben einer periodischen Meldeverpflichtung auch das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten in Betracht gekommen, zumal die Landespolizeidirektionen gern § 77 Abs 9 FPG Vorsorge betreffend derartiger Räumlichkeiten getroffen haben. So stehen für diesen Zweck entsprechende Räumlichkeiten etwa an der Adresse XXXX , 1110 Wien, oder an der Adresse XXXX , 2540 Bad Vöslau, zur Verfügung.

Der Beschwerdeführer ist bereit mit den Behörden zu kooperieren und würde insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtunq sowie einer anfälligen angeordneten Unterkunftnahme Folge leisten. Somit wäre jedenfalls ein gelinderes Mittel ausreichend zur Verfahrenssicherung gewesen.

Der Vollständigkeit halber weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Befehls - und Zwangsgewalt nicht entgegensteht und Betroffenen aufgetragen werden kann, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten {§ 77 Abs 5 FPG).

Die genannten gelinderen Mittel wären zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. Durch die mangelnde Prüfung der gelinderen Mittel erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig."

5. Die belangte Behörde egte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Stellungnahme und beantragte unter Hinweis auf die Begründung im angefochtenen Mandatsbescheid die Abweisung der Beschwerde. Kostenersatz im gesetzlichen Ausmaß wurde begehrt.

In ihrer Stellungnahme führte die Behörde im Wesentlichen folgendes aus:

"Zum Verfahrensgang:

-

Die bP stellte am 08.05.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

-

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA/EASt Ost vom 29.07.2019 als Nichtzuständigkeit Österreichs zurückgewiesen sowie die Außerlandesbringung angeordnet. Die Nichtzuständigkeit Österreich befindet sich mit 31.07.2019 in der Rechtsmittelfrist.

-

Die bP wurde am 31.07.2019 aus der JA Wiener Neustadt entlassen.

-

Gegen die bP wurde ein Festnahmeauftrag erlassen und mit dem 31.07.2019 vollzogen und Sie in das PAZ Wiener Neustadt eingeliefert.

-

Aufgrund der Tatsache, dass die bP bereits mehrere Länder im Schengenraum bereiste, immer wieder einen Asylantrag stellte und den Ausgang dieser nicht abwartete wurde über bP zur Sicherung des Verfahrens die Schubhaft am 01.08.2019, nach Beendigung der niederschriftlichen Einvernahme, erlassen.

-

Am 25.06.2019 wurde ein Konsultationsverfahren Dublin OUT mit Italien eingeleitet.

-

Aufgrund der Haft in der JA Wiener Neustadt wurde bereits mehrere Male um Aussetzung angesucht und eine Überstellungsfrist bis 10.07.2020 mit Italien vereinbart

Zur Beschwerde:

Die Beschwerde gegen die Schubhaft wurde fristgerecht eingebracht.

Die Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers war von Notwendigkeit, da die bP mittelos und unterstandslos ist und nach der Haft in der JA Wiener Neustadt, die Gefahr des Untertauchens gegeben ist. Zur Sicherung der Abschiebung nach Italien, sind gelindere Mittel in diesem Fall nicht zielführend.

Die bp Partei wurde in einer niederschriftlichen Einvernahme ausreichend zu ihren Lebensumständen befragt und die Einzelfallabwägung der konkreten Situation wurde dadurch, nicht verabsäumt.

Die Behörde ist Ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen und hat eine Einzelfallabwägung der konkreten Situation durchgeführt.

Weiters wurde die bp vom Landesgericht Wiener Neustadt am 31.07.2019, nach den § 27 Abs 1, 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, wobei 7 Monate unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurden.

Somit kann die Behörde nicht davon ausgehen, dass sich die bP an die geltenden Rechtsvorschriften halten wird, und einem gelinderen Mittel, wie zB. der periodischen Meldeverpflichtung nachkommen würde.

Aufgrund der Haft in der JA Wiener Neustadt wurde mehrmals eine Aussetzung der Überstellungsfrist mit Italien vereinbart und mit jetzigen Stand eine Frist bis 10.07.2020 festgelegt.

Die Behörde hat den Antrag auf internationalen Schutz wegen Nichtzuständigkeit mittels Bescheid abgewiesen, welcher vom Beschwerdeführer am 31.07.2019 übernommen wurde und sich in Rechtsmittelfrist befindet.

Somit konnte die bP noch nicht nach Italien abgeschoben werden, da der Bescheid vom 31.07.2019 noch nicht in seiner Rechtskraft erwachsen ist.

Der nächste Termin für eine unbegleitete Abschiebung nach Italien, wäre der 02.09.2019."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist nicht österreichischer Staatsbürger. Er hat einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt.

Gegen den BF besteht eine eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Italien.

Der BF hält sich illegal in Österreich auf; er ist nach Österreich illegal eingereist.

Der BF geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Am 31.07.2019 wurde der BF Landesgericht Wiener Neustadt, GZ 36 Hv 47/19i betreffend des Strafrechtsbestandes nach § 27 Abs.1 und 2a SMG für schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 1 (eins) Monat unbedingt sowie 7 (sieben) Monaten bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren verurteilt.

Der BF besitzt kein gültiges Reisedokument. Er verfügt nicht über ausreichend Barmittel um seinen Unterhalt zu finanzieren. Der BF geht keiner legalen Beschäftigung nach.

Der BF hat keine Unterkunft in Österreich.

Er ist in Österreich weder beruflich noch sozial verankert; insbesondere hat er keine Angehörigen in Österreich.

Der BF ist haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die dazu getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Angaben des BF zu seinem persönlichen Hintergrund waren glaubwürdig und wurden im Verfahren durch den Rechtsvertreter nicht in Frage gestellt.

Die geplante Abschiebung ist daher rechtlich als auch faktisch durchführbar.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im - gegenüber der Dublin II-VO neuen - Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223 [in Druck]).

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die zum Vollzug von EU-Verordnungen erforderlichen innerstaatlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften bereitstellen. Um der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts willen ist jedoch der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften nur in dem zum Vollzug der Verordnung notwendigen Umfang zulässig. Den Mitgliedstaaten ist es in Bezug auf Verordnungen des Unionsrechts verwehrt, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Änderung ihrer Tragweite oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Inhalt haben. Es besteht ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU-Verordnungen durch verbindliches innerstaatliches Recht. Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht nur dort, wo von der Verordnung eine nähere Konkretisierung selbst verlangt wird (Öhlinger/Potatcs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht³, 2006,138 f.).

Eine derartige Ausnahme liegt vor, wenn Art. 2 lit. n Dublin III-VO dem Gesetzgeber aufträgt, Kriterien für Vorliegen von Fluchtgefahr zu regeln (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 94 [in Druck]). § 76 Abs. 2a FPG sieht solche Kriterien vor. Vor dem Hintergrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 28 Dublin III-VO hätte die belangte Behörde die Schubhaft jedoch jedenfalls auch nach dieser Bestimmung verhängen müssen. Die über das Vorliegen der Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit (vgl. Erwägungsgrund 20 Dublin III-VO) hinausgehenden Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nach Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO hat die belangte Behörde aber nicht geprüft.

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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