TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/19 W250 2218216-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W250 2218216-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 28.09.2010 in Deutschland und am 11.06.2015 in Ungarn Anträge auf internationalen Schutz. Am 20.09.2015 stellte er nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 16.02.2016 gemäß § 5 Asylgesetz 2005 - AsylG zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem BF durch Hinterlegung im Akt zugestellt, da sein Aufenthaltsort unbekannt war und ist in Rechtskraft erwachsen.

2. Am 16.05.2017 stellte der BF einen Asylfolgeantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.07.2017 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2018 abgewiesen, zu der anberaumten mündlichen Verhandlung ist der BF unentschuldigt nicht erschienen.

3. Am XXXX stimmte die algerische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu. Am 22.02.2018 wurde versucht, den BF an seiner Meldeadresse festzunehmen, was jedoch nicht möglich war, da der BF ca. ein Monat davor seinen Wohnsitz gewechselt hatte. Die für den 24.02.2018 vorbereitete Abschiebung des BF war nicht möglich.

4. Am 17.06.2018 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und auf Grund eines vom Bundesamt erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen.

5. Am 18.06.2018 wurde der BF vom Bundesamt zu den Voraussetzungen der Anordnung der Schubhaft einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er nicht wisse, dass er aus Österreich ausreisen müsse. Er habe in Österreich nicht gearbeitet, aber er habe einen Deutschkurs besucht. Von der Caritas erhalte er alle zwei Monate EUR 800,-- und verfüge im Moment über EUR 70,--. Er sei verlobt und habe beabsichtigt, mit seiner Verlobten nach Frankreich auszureisen, sei jedoch an der österreichisch-italienischen Grenze wieder zurückgeschickt worden. Mit seiner Verlobten wohne er an seiner Meldeadresse. Der mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes sei er ferngeblieben, da er sich in Innsbruck nicht auskenne.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.06.2018 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

7. Am 25.07.2018 sowie am 05.09.2018 wurde versucht, den BF auf dem Luftweg nach Algerien abzuschieben. Beide Male verweigerte der BF die Abschiebung, wobei er am 05.09.2018 mit den Füßen mit der Absicht gegen die ihn begleitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes trat, um diese zu verletzen.

8. Der BF wurde am 05.09.2018 nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung festgenommen, befand sich von 07.09.2018 bis 19.09.2018 in Untersuchungshaft und wurde anschließend bis 04.01.2019 in Strafhaft angehalten. Unmittelbar an die Strafhaft anschließend wurde bis 09.01.2019 eine Verwaltungsstrafhaft vollzogen.

9. Am 09.01.2019 wurde der BF auf Grund eines vom Bundesamt am 04.01.2019 erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.01.2019 wurde über den BF neuerlich gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am 09.01.2019 persönlich zugestellt, Beschwerde dagegen erhob der BF nicht.

10. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.04.2019 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

11. Am 01.05.2019 wurde abermals versucht, den BF auf dem Luftweg nach Algerien abzuschieben. Der Flugkapitän verweigerte jedoch auf Grund des Verhaltens des BF das Betreten des Flugzeuges.

12. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.05.2019, 03.06.2019 und 24.06.2019 wurde festgestellt, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig ist.

13. Am 17.07.2019 musste ein neuerlicher Abschiebeversuch auf Grund des Verhaltens des BF im Luftfahrzeug abgebrochen werden.

14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.07.2019 wurde festgestellt, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig ist.

15. Das Bundesamt legte am 12.08.2019 den Verwaltungsakt zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vor und teilte mit, dass ein weiterer Versuch, den BF auf dem Luftweg nach Algerien abzuschieben, Ende September 2019 erfolgen werde. Die Möglichkeit einer anderen Art der Außerlandesbringung bestehe derzeit nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. - I.15.)

Der unter Punkt I.1. bis I.15. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht fest, er ist ein volljähriger Staatsangehöriger Algeriens, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit 09.01.2019 in Schubhaft angehalten. Der BF befand sich auf Grund desselben Sachverhaltes bereits von 18.06.2018 bis 05.09.2018 in Schubhaft.

2.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF hat sich seinem mit Antrag vom 19.09.2015 eingeleiteten Asylverfahren entzogen.

3.2. Gegen den BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.07.2017 eine Rückkehrentscheidung erlassen, die nach Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2018 in Rechtskraft erwachsen ist. Gegen den BF liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.3. Der BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen. Er hat in Österreich eine Freundin, an deren Wohnsitz er gemeldet war. Seine Festnahme am 22.02.2018 an dieser Meldeadresse war nicht möglich.

3.4. Der BF geht bzw. ging in Österreich keiner beruflichen Tätigkeit nach und besitzt kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

3.5. Der BF vereitelte die Versuche ihn am 25.07.2018, 05.09.2018, 01.05.2019 und 17.07.2019 auf dem Luftweg nach Algerien abzuschieben, da seine Beförderung jeweils auf Grund seines Verhaltens verweigert wurde.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Der BF weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 14.06.2017 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15 und 127 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der BF versuchte am 30.04.2016 eine fremde Geldbörse samt Bargeld wegzunehmen, wobei er diese jedoch nicht fassen konnte.

4.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 19.09.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Strafgesetzbuch sowie wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15 und 84 Abs. 2 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, wovon ein Teil von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Dieser Verurteilung liegen Taten zu Grunde, die der BF am 05.09.2018 begangen hat, um seine Abschiebung zu verhindern.

4.2. Die algerische Vertretungsbehörde stimmte am XXXX der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu und hat bereits mehrfach Heimreisezertifikate zur Vorbereitung seiner Abschiebung ausgestellt.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 09.01.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie die bisherigen Überprüfungen der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie die bisherigen Überprüfungen der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft betreffend.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem von der algerischen Vertretungsbehörde für den BF am XXXX ausgestellten Heimreisezertifikat. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Anträge des BF auf internationalen Schutz wurden rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen, weshalb der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist.

1.3. Dass der BF seit 09.01.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich auch, dass bereits mit unmittelbar nach seiner Erlassung in Vollzug gesetztem Bescheid des Bundesamtes vom 18.06.2018 Schubhaft über den BF angeordnet wurde. Dass diese Schubhaft am 05.09.2018 beendet wurde ergibt sich aus dem Festnahmebericht einer Landespolizeidirektion vom 05.09.2018, wonach der BF an diesem Tag nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung festgenommen wurde.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit oder eine die Verhältnismäßigkeit ausschließende Erkrankung wurden vom BF nicht behauptet. Auch aus der Anhaltedatei ergeben sich keine Arztbesuche des BF.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

2.1. Dass sich der BF seinem mit Antrag vom 19.09.2015 eingeleiteten Asylverfahren entzogen hat ergibt sich daraus, dass er bereits am 25.09.2015 von der Grundversorgung abgemeldet wurde, da er abgängig war. Auch im Zentralen Melderegister war der BF bis 09.05.2016 nicht gemeldet.

2.2. Die Feststellungen zur erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend.

2.3. Die Feststellungen zu den familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des BF beruhen auf seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt vom 18.06.2018. Dass seine Festnahme am 22.02.2018 an seiner Meldeadresse nicht möglich war, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, in dem ein Bericht jener Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vermerkt ist, die versucht haben, den BF festzunehmen.

2.4. Die Feststellungen zu den vom BF vereitelten Abschiebeversuchen ergeben sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Berichten einer Landespolizeidirektion.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus dem Strafregister sowie den im Verwaltungsakt bzw. im das Asylverfahren betreffenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes einliegenden Urteilsausfertigungen.

3.2. Dass die algerische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt hat, ergibt sich aus den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister, dass bereits mehrfach ein Heimreisezertifikat für den BF erlangt werden konnte ergibt sich aus den im Verwaltungsakt dokumentierten Abschiebeversuchen.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 09.01.2019 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Für den BF wurden bereits mehrfach Heimreisezertifikate ausgestellt, weshalb die Erlangung eines neuerlichen Heimreisezertifikates und damit die Abschiebung des BF weiterhin möglich sind.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat bereits fünf Versuche, ihn außer Landes zu bringen, vereitelt. Dadurch hat er den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er seine Abschiebung bereits mehrfach vereitelt und sich dem mit Antrag vom 19.09.2015 eingeleiteten Asylverfahren entzogen hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügt über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet, geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Vermögen und ein eigener gesicherter Wohnsitz existiert nicht. Der BF hat zwar eine Freundin in Österreich, bei der er auch gemeldet war. Trotz dieser Meldung konnte ein Festnahmeauftrag am 22.02.2018 an der Meldeadresse nicht vollzogen werden. Es liegen daher keine Umstände vor, die im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG gegen eine Fluchtgefahr sprechen, weshalb auch dieser Tatbestand erfüllt ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vor.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist.

Der BF ist bereits wenige Tag nach Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz am 19.09.2015 untergetaucht und hat sich damit seinem Asylverfahren entzogen. In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach. Seiner Abschiebung hat er sich bereits vier Mal widersetzt, wobei er in einem Fall auch nicht davor zurückschreckte durch gerichtlich strafbare Handlungen seine Abschiebung zu vereiteln.

Es ist daher auch weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keinerlei familiäre Bindungen in Österreich. Er verfügt zwar über eine Freundin, bei der er gemeldet war, doch konnte ihn auch diese Beziehung nicht davon abhalten, im Verfahren unterzutauchen und sich seinen Abschiebeversuchen zu widersetzen. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht der BF in Österreich nicht nach und er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist eine Vorstrafe wegen Diebstahls auf, wobei bemerkenswert ist, dass er die dieser Verurteilung zu Grunde liegende Tat zu diesem Zeitpunkt begangen hat, an dem er über keine Meldeadresse in Österreich verfügte und von der Grundversorgung abgemeldet war. Er versuchte daher seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich durch ein Vermögensdelikt zu finanzieren. An der Verhinderung von Vermögensdelikten besteht ein hohes öffentliches Interesse.

Überdies weist der BF eine Vorstrafe wegen Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt auf. Dieser Verurteilung liegen Taten zu Grunde, die der BF am 05.09.2018 im Zuge der Vereitelung eines Abschiebeversuches gegen die ihn begleitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes begangen hat. Durch diese Taten hat der BF gezeigt, dass er nicht einmal vor der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen, die sich zusätzlich gegen die körperliche Unversehrtheit von Personen richtet, zurückschreckt, um seine Außerlandesbringung zu verhindern, die ausschließlich dazu dient, die Ausreise, zu der der BF aus eigenem verpflichtet ist, sicherzustellen. Damit lässt der BF jedoch nicht nur jegliches rechtskonformes Verhalten vermissen, sondern er zeigt damit überdies dass er seinen fremdenrechtlichen Verpflichtungen unter keinen Umständen entsprechen will.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellt der Aufenthalt des BF eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, weshalb ein besonders hohes öffentliches Interesse an seiner baldigen Außerlandesbringung besteht.

Hinsichtlich der Dauer der Schubhaft ist zu berücksichtigen, dass das Bundesamt die Abschiebung des BF so vorbereitet hat, dass die Anordnung der Schubhaft nicht erforderlich gewesen wäre. Hätte der Festnahmeauftrag am 22.02.2018 an der Meldeadresse des BF vollzogen werden können, wäre auch seine Abschiebung am 24.02.2018 möglich gewesen, ohne Schubhaft anzuordnen. Mittlerweile hat der BF vier Mal seine Abschiebung vereitelt, was unter anderem auch dazu geführt hat, dass er vier Monate in Strafhaft angehalten wurde.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher insgesamt ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Abschiebung ändert.

Anhaltspunkte dafür, dass die Schubhaft auf Grund des Gesundheitszustandes des BF unverhältnismäßig wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 3 und Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 09.01.2019 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft - auch unter Berücksichtigung seiner Anhaltung in Schubhaft von 18.06.2018 bis 05.09.2018 - verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere da er bereits in seinem Asylverfahren untergetaucht ist und sich vier Mal seiner Abschiebung widersetzt hat - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Es ist auf Grund der mangelnden Bereitschaft des BF mit den Behörden zu kooperieren nicht davon auszugehen, dass der BF seinen Verpflichtungen aus einem gelinderen Mittel nachkommen würde, sondern vielmehr dass er nach seiner Freilassung wiederum untertauchen würde, um sich erneut seiner Abschiebung zu entziehen.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche
Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung, Vereitelung,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2218216.5.00

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten