Entscheidungsdatum
21.08.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W104 2217179-1/33E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerden von 1 XXXX , alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH, Weimarer Straße 55/1, 1180 Wien, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6.3.2019, Zl. RU4-UF-33/001-2018, mit dem festgestellt wurde, dass für das Vorhaben "Errichtung einer 110 kV-Doppelleitung zwischen den Umspannwerken UW Groß Gerungs und UW Gmünd" der XXXX keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 20.9.2018 stellte die XXXX (Projektwerberin) einen Antrag gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G 2000) auf Feststellung, dass für das Vorhaben "Errichtung einer 110 kV-Doppelleitung zwischen den Umspannwerken UW Groß Gerungs und UW Gmünd" keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.
Die Niederösterreichische Landesregierung als UVP-Behörde führte ein Feststellungsverfahren durch und entschied mit angefochtenen Bescheid vom 6.3.2019, dass für das Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass wegen der Lage des Vorhabens in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie A des Anhanges 2 zum UVP-G 2000 und einer Länge des Vorhabens von über 20 km der Tatbestand der Z 16 lit. c des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfüllt werde und daher im Rahmen einer Einzelfallprüfung festzustellen sei, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Dies wurde von der Behörde nach Einholung von gutachterlichen Stellungnahmen aus den Fachbereichen Naturschutz, Forsttechnik und Elektrotechnik verneint und wie angeführt entschieden.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer/innen, sämtlich behauptete Nachbarn/Nachbarinnen, Beschwerde. Die Beschwerde wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
? Der hier angewendete Genehmigungstatbestand in Anhang 1 Z 16 lit. c UVP-G 2000 sei im Lichte der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zu eng; aus der Beschwerde kann geschlossen werden, dass nach Ansicht der Beschwerdeführer der darin vorgesehene Schwellenwert daher unangewendet zu bleiben habe;
? die Auswirkungen des Vorhabens auf die menschliche Gesundheit seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden; dabei missachte der Bescheid das EU-Vorsorgeprinzip;
? die Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf das Natura-2000-Gebiet sei auf unvollständigen und veralteten Grundlagen getroffen worden;
? es würden tatsächlich Waldflächen im Umfang von 27,1 ha gerodet, womit der Tatbestand des Anhanges 1 Z 46 lit. a UVP-G 2000 für Rodungen erfüllt und jedenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.
Mit Schreiben vom 16.4.2019 erstattete die Projektwerberin eine Stellungnahme zu den Beschwerden.
In der Folge bestellte das Gericht Sachverständige für Naturschutz sowie für Forsttechnik und beraumte eine mündliche Verhandlung für 1.7.an, die später aus gerichtsinternen Gründen auf den 8.7.2019 verschoben wurde.
Am 31.5., 11.6. und 3.7. gaben die Beschwerdeführer/innen, am 19.6. die Projektwerberin Stellungnahmen ab.
In der mündlichen Verhandlung am 8.7.2019 präsentierte der gerichtlich bestellte Gutachter für Naturschutz sein Gutachten zur Frage der Auswirkungen des Vorhabens auf den Schutzzweck des vom Vorhaben berührten Natura-2000-Gebiets und beantworteten beide gerichtlich bestellten Gutachter Fragen des Gerichts und der Beschwerdeführer/innen.
Mit Schreiben vom 11.7.2019 übermittelte die Projektwerberin die in der mündlichen Verhandlung angekündigten Profilpläne. Diese wurden in der Folge den Beschwerdeführern und Beschwerdeführerinnen mit der Möglichkeit übermittelt, innerhalb von drei Wochen dazu Stellung zu nehmen. Stellungnahmen langten dazu nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
1.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerden:
Der Wohnort zumindest der Erst-, Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführer befindet sich in einem Abstand zwischen 150 m und 250 m vom Vorhaben, weshalb nicht auszuschließen ist, dass sie von negativen Auswirkungen des Vorhabens betroffen sein können.
Die Beschwerden sind auch rechtzeitig.
Die Feststellungen zur Beschwerdelegitimation ergeben ich aus den Wohnadressen der Beschwerdeführer/innen und den Angaben in der Beschwerde. Die Eigenschaft der Beschwerdeführer/innen als Nachbarn/Nachbarinnen des Vorhabens gem. § 19 Abs. 1 UVP-G 2000 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
1.2. Zum Vorhaben:
Die Antragstellerin beabsichtigt die Errichtung einer 110 kV-Doppelleitung zwischen den Umspannwerken UW Groß Gerungs und UW Gmünd. Die Leitungstrasse wird eine Länge von ca. 23,3 km aufweisen, die Nennspannung 110 kV betragen. Das Vorhaben wird in den Gemeinden Groß Gerungs, Zwettl-Niederösterreich, Schweiggers, Großschönau, Waldenstein, Kirchberg am Walde, Hoheneich und Gmünd errichtet.
Dies ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid, wurde von keiner Partei bestritten und wird daher der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde gelegt.
Laut angefochtenem Bescheid sind für das Vorhaben befristete Rodungen im Ausmaß von 1,0440 ha und unbefristete Rodungen im Ausmaß von 0,1066 ha, zusammen sohin Rodungen im Gesamtausmaß von 1,1506 ha notwendig. Trassenaufhiebe sind für das Vorhaben im Ausmaß von 18,3083 ha notwendig, gemeinsam mit den Rodungen ergeben sich danach 19,4589 ha. Die Beschwerdeführerinnen gehen hingegen von einer Fläche für Rodungen und Trassenaufhiebe gemeinsam von 27,1 (Beschwerde) bzw. 28,4806 ha (Stellungnahme vom 11.6.2019) aus, wobei sie eine Mindestbreite für den Trassenaufhieb von 40 m zu Grunde legen.
In ihrer Stellungnahme vom 19.6.2019 konzedierte die Projektwerberin, dass aufgrund eines Fehlers 490 m² mehr Trassenaufhebe als bisher angenommen notwendig seien, womit sich eine Summe von Trassenaufhieben mit Rodungen von 19,5079 ha ergäbe. In der Stellungnahme wird auch ausgeführt, dass die Antragstellerin das Vorhaben ursprünglich mit einer Trassenbreite von 40 m geplant habe, aufgrund einer Neuberechnung nach dem Urteil des EuGH vom 7.8.2018 in der Rechtssache C-329/17 jedoch die Trassenaufhiebe auf ein Mindestmaß beschränkt worden seien.
Dazu hat der von der Behörde beauftragte Sachverständige für den Fachbereich Elektrotechnik mit Stellungnahme vom 20.2.2019 festgehalten, dass die aus der Ausschwungberechnung resultierende Projektdarstellung plausibel und die Berechnung zu Grunde liegender Parameter aus elektrotechnischer Sicht nachvollziehbar sei und dem Stand der Technik entspreche. Diesem Gutachten wurde nicht entgegengetreten, weshalb die Berechnung der Breite des Trassenaufhiebes aufgrund der zu erwartenden Ausschwungbereiche der Leitungen, wie sie von der Projektwerberin durchgeführt wurde, dem gegenständlichen Erkenntnis zu Grunde gelegt wird.
Zur Frage, ob zusätzliche Flächen, die im angefochtenen Bescheid nur als "überspannt" angesehen und daher nicht den Trassenaufhieben zugerechnet wurden, ebenfalls als Trassenaufhiebsflächen zu beantragen wären, ist auf die nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen des forsttechnischen Gerichtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu verweisen, wonach bei einer Wuchshöhe der Bäume von 25 m davon auszugehen wäre, dass Trassenaufhieb zu beantragen ist, da die meisten Baumarten diese Wuchshöhe erreichen; im Zwettltal könnten zwar einzelne Individuen die 40 m Wuchshöhe erreichen, dies aber vor allem in gut nährstoff- und wasserversorgten Teilbereichen. Es sei jedoch ausgeschlossen, dass in den Teilbereichen des Abfalls nach dem Masten 25 diese Wuchshöhe erreicht werde, da die Bonität (Nährstoffversorgung) in diesem Teilbereich wesentlich schlechter sei. Im Teilbereich der Zwettlquerung würden zwar einzelne Baumindividuen stocken, die mehr als 40 m Wuchshöhe aufwiesen. Einzelne Baumindividuen im Bereich des Talbodens der Zwettlquerung könnten in den nächsten Dezennien noch geringfügig höher werden. Für etwaige einzelne Entnahmen, wie in der normalen Bewirtschaftung der Wälder des Waldviertels nicht unüblich, sei noch keine Fällungsbewilligung erforderlich. Der Umstand, dass einzelne Bäume bei besten Voraussetzungen Wuchshöhen bis etwa 45 m erreichen könnten, erfordere aus forstfachlicher Sicht keinen Trassenaufhieb auf der gesamten Länge der Überspannung. Dem widerspricht auch nicht der Einwand der Beschwerdeführer, dass im Nahebereich der Mastenstandorte Baumhöhen zwischen 32 und 40 m vorkämen, kommt es doch nur auf jene Baumhöhen an, die im Steilabfall (dort, wo wegen der Steilheit des Abfalls keine Trassenaufhiebe beantragt wurden) gemessen werden.
Laut bei der Verhandlung gezeigten und mit Stellungnahme vom 11.7.2019 vorgelegten Profilplänen beginnt der Überspannungsbereich zwischen den Masten 25 und 26 bei einer Überspannungshöhe von 24,2 m und endet bei der Überspannungshöhe von 26,7 m. Da nach Aussagen des forsttechnischen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ab einer Bewuchshöhe von 25 m Trassenaufhieb zu beantragen wäre und sich bei Erweiterung des Trassenaufhiebes um eine Fläche von 528 m² in diesem Bereich die Überspannungshöhe (im Verlauf beginnend ab Mast 25) auf 29,1 m erhöhen würde, geht das Gericht davon aus, dass die erforderliche Fläche des Trassenaufhiebes um diese Fläche zu erweitern wäre.
Ähnliches gilt für die weiteren Überspannungsbereiche: Im Bereich Leiterbachl (Masten 11 bis 12) beginnt die Überspannungsfläche im Verlauf der Leitung von Mast 11 kommend bei einer Überspannungshöhe von 39,8 m, wie ebenfalls aus der Stellungnahme der Projektwerberin vom 11.7.2019 hervorgeht und von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten wurde, und endet in der Folge bei einer Höhe von 20,9 m. Wird ein Trassenaufhieb bis zu einer Überspannung von 25 m notwendig (laut Aussage des forsttechnischen Sachverständigen die Wuchshöhe der meisten Baumarten), würde sich daraus eine zusätzliche Fläche für den Trassenaufhieb im Ausmaß von 627 m² ergeben.
Bei den Überspannungen im Bereich des Masten 31 ist derzeit kein Bewuchs vorhanden. Wäre von der Annahme eines zusätzlichen Bewuchses auszugehen, würde dadurch ein weiterer Trassenaufhieb im Ausmaß von 398 m² erforderlich. Im Bereich des Masten 57 existiert derzeit ein Lagerplatz, im Fall des Bewuchses wäre davon auszugehen, dass ein Trassenaufhieb im Ausmaß von 310 m² erforderlich sein könnte, wenn es zum Bewuchs kommen würde. Auch dies ergibt sich aus der nachvollziehbaren und nicht bestrittenen Stellungnahme der Projektwerberin vom 11.7.2019.
Unter Hinzunahme der von der Projektwerberin konzedierten zusätzlichen Flächen im Bereich Leiterbachl (Mast 11 bis Mast 12), Zwettlquerung (Mast 25 bis Mast 26) sowie im Bereich der Masten 31 und 57 ergibt sich in Summe eine Inanspruchnahme von Waldflächen, auf denen ein Trassenaufhieb stattfindet, von 18,5436 ha; da unverändert Rodungen im Ausmaß von 1,1506 ha stattfinden sollen, ergibt sich ein Gesamtausmaß von Rodungen mit Trassenaufhieben von 19,6942 ha.
1.3. Rodungen- und Trassenaufhiebe für andere Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang:
In den vom Vorhaben betroffenen Katastralgemeinden im Verwaltungsbezirk Zwettl sowie im Verwaltungsbezirk Gmünd erfolgten Rodungen im Ausmaß von 8,6342 ha, die in einem räumlichen Zusammenhang mit dem gegenständlichen Vorhaben stehen und für welche keine Ersatzmaßnahmen vorgeschrieben wurden.
1.4. Zu den Auswirkungen auf schutzwürdige Gebiete der Kategorie A des Anhanges 1 zum UVP-G 2000:
1.4.1. Zur Beeinträchtigung von schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A durch das Vorhaben wird festgestellt:
Das Vorhaben überspannt auf einer Länge von ca. 700 m das Europaschutzgebiet AT1201A00 "Waldviertler Teich-, Heide- und Moorlandschaft" etwa rechtwinkelig, wobei 3 Maste innerhalb der Gebietsgrenze zu liegen kommen werden. Die betroffenen Flächen sind ausschließlich gemäß Fauna-Flora-Habitat - Richtlinie (FFH-RL) nominiert, nicht jedoch gemäß Vogelschutz - Richtlinie (VS-RL).
Von den dort geschützten, für das Gesamtgebiet gem. § 21 Abs. 2 der NÖ Verordnung über die Europaschutzgebiete (LGBl. 5500/6-6 zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 48/2016) ausgewiesenen Lebensraumtypen und Tierarten kommen im durch das Projekt überspannten FFH-Gebietsausschnitt nur die drei Schutzgüter Fluthahnenfußgesellschaften, Koppe und Fischotter für eine Beeinträchtigung in Frage.
Keines der allgemeinen Erhaltungsziele des Natura-2000-Gebietes und kein spezielles Erhaltungsziel für die drei angeführten Schutzgüter werden jedoch durch das Vorhaben tatsächlich beeinträchtigt, weil die Baumaßnahmen weder das Fließgewässer der Zwettl noch deren Uferbereiche in Anspruch nehmen. Innerhalb des ca. 700 m breiten FFH-Gebiets ist das tatsächliche Band des Fließgewässers und seiner Schutzgüter nur ca. 100 m breit. Die Zwettl ist in diesem Abschnitt besonders natürlich, was den Verlauf des Fließgewässers, und das natürliche, heterogene Strömungsmuster, die Substrat- bzw. Sedimentbeschaffenheit an Bachsohle und Ufer, eine hohe Breiten- und Tiefenvarianz auf kleinem Raum (Seichtstellen, Kolke und Inseln) anbelangt. Sie ist in diesem Bereich noch frei von menschlichen Eingriffen, wie Flussbegradigungen, Befestigungen von Sohle und Ufer oder Querbauwerken als Migrationshindernis, Hochwasserschutzbauten, etc. Die Natürlichkeit des Gewässers und seiner Uferbereiche wird durch das Vorhaben nicht verändert.
Sowohl nördlich als auch südlich der Zwettl steigt das Gelände an, weil der Verlauf der Zwettl die tiefste Linie im Tal einnimmt. Diese Flächen werden großflächig von einer uniformen, einheitlichen, gleichaltrigen Fichtenmonokultur eingenommen. In den Waldungen im Norden der Zwettl ist kein stehendes oder liegendes Alt- oder Totholz zu finden, im Süden teilweise schon. Aufgrund der Dominanz der Fichte kommen kaum andere Baum- oder Straucharten vor. Auch die Krautschicht ist im Wesentlichen uniform, mit Ausnahme des stellenweisen Vorkommens der Heidelbeere. Der Waldboden wirkt ziemlich ausgeräumt, für diese Bereiche ist typischerweise nicht mit dem Vorkommen geschützter Tier- und Pflanzenarten zu rechnen. Soweit Tierarten wie Zwergfledermaus, Hirschkäfer, Russischer Bär und andere geschützte Arten hier doch vorkommen, ist deren Beeinträchtigung aufgrund der Kleinräumigkeit der Fläche für die Errichtung der Mastenstandorte auszuschließen.
Insbesondere ist der Lebensraumtyp LRT 9180 - prioritäre Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio-Acerion) - weder nördlich noch südlich des Zwettltals an den Maststandorten vorzufinden. Bei diesem Lebensraumtyp handelt es sich um edellaubholzreiche Mischwälder auf Spezialstandorten, welchen hohe Luftfeuchtigkeit, dauernd gute Wasserversorgung und eine gewisse Instabilität innewohnt. Typische Standorte sind kühlfeuchte Schluchten, frische bis feuchte Hangfüße, steile und felsige Schatthänge auf sickerfrischen, nährstoffreichen Standorten sowie süd-exponierte Fels- und Schutthänge mit lockerem, nachrutschendem Bodenmaterial. Auf diesen Extremstandorten sichern die Wälder den Boden vor Rutschungen und übernehmen damit eine wichtige Funktion als Schutzwald. Typische Baumarten sind Berg-Ahorn, Linden, Esche und Berg-Ulme. Andere weit verbreitete Baumarten, wie Nadelbäume oder Rot-Buche, fehlen in diesem Lebensraumtyp oder sind lediglich beigemischt. Auf den häufigeren, kühlfeuchten Hängen herrschen in der Baumschicht Ahorn-Arten und die Berg-Ulme vor. Da diese Bestände meist gut mit Nährstoffen versorgt sind, ist die Bodenvegetation üppig ausgebildet und reich an Frühjahrsblühern, Farnen und hochwüchsigen Kräutern, so genannten Hochstauden. Trockenere und wärmeliebende Bestände werden von Linden und Haselnuss dominiert. Schlucht- und Hangmischwälder sind ziemlich seltene Waldtypen, die nur an Sonderstandorten vorkommen. Sie sind besonders arten- und strukturreich und weisen für Wälder überdurchschnittlich viele seltene und auffällige Pflanzen- und Tierarten auf.
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten naturschutzfachlichen Sachverständigen, das dieser in der mündlichen Verhandlung am 8.7.2019 erstellt hat, und weiteren Aussagen dieses Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.
Aus forstfachlicher Sicht sind keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt und im Speziellen auf das Schutzgut Wald zu erwarten. Selbst bei Kumulation aller Waldflächenverluste bleibt die Auswirkung des ggs. Leitungsprojektes auf die Waldfunktionen unerheblich. Da lediglich die Maststandorte dauerhaft einer anderen Verwendung (Rodung) zugeführt werden, der gesamte übrige Trassenbereich aber, sofern durch Wald führend aber weiterhin mit forstlichem Bewuchs kultiviert bleibt, werden diese Abschnitte auch jene Waldfunktionen weiterhin erfüllen können, welche der Trasse zugeordnet werden können.
Im ggs. Fall überwiegt die Waldfunktion der Wohlfahrtswirkung, in welcher auch das öffentliche Interesse an der Walderhaltung begründet ist, diese Funktion kann jedoch auch eine Waldbewirtschaftungsform erfüllen, welche ohne Hochwaldbetrieb funktioniert. Für die ellipsenförmigen Trassenaufhiebsflächen werden Ausnahmen von der Hiebsunreife begehrt und auch bewilligt werden. Mit diesen Ausnahmen kann der forstliche Bewuchs unter der Leitung regelmäßig (etwa alle 30 Jahre) niederwaldartig zurückgeschnitten (auf den Stock gesetzt) werden. In der Regel handelt es sich auf Grund ihres geringen Alters dabei um stammzahlreiche, dichtstehende und vitale Waldformen, welche z.B. für die Wohlfahrtswirkung einer Staubauskämmung aus der Luft bestens geeignet bleiben.
Dies ergibt sich aus dem von der Behörde eingeholten und nachvollziehbaren forstfachlichen Gutachten vom 29.11.2018, dem von den Beschwerdeführern/Beschwerdeführerinnen nicht entgegengetreten wurde.
1.4.2. Zu den Auswirkungen in Kumulation mit anderen Vorhaben wird festgestellt:
Im Gebiet wurde das UVP-Umfahrungsstraßenprojekt Zwettl durchgeführt. Dafür hat es projektbegleitende Minderungsmaßnahmen und umfangreiche Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen gegeben, bis hin zur Außernutzung-Stellung von alten Waldbeständen des Stifts Zwettl ("Urwald von morgen").
Ansonsten sind keine Projekte vorhanden, mit welchen die gegenständliche Freileitung sich in ihrer Auswirkung auf geschützte Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten summieren könnte.
Auch diese Feststellungen ergeben sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten naturschutzfachlichen Sachverständigen vom 8.7.2019 und wurden von keiner Partei bestritten.
Auch aus forstfachliche Sich bleibt die Auswirkung des ggs. Leitungsprojektes auf die Waldfunktionen selbst bei Kumulation aller Waldflächenverluste in einem räumlichen Zusammenhang unerheblich.
Dies ergibt sich aus dem von der Behörde eingeholten und nachvollziehbaren forstfachlichen Gutachten vom 29.11.2018, dem von den Beschwerdeführern/Beschwerdeführerinnen nicht entgegengetreten wurde.
1.4.3. Zu den Auswirkungen auf Vögel und dem Bestehen eines faktischen Vogelschutzgebietes wird festgestellt:
Im gegenständlichen Bereich des Waldviertels zwischen Groß Gerungs und Gmünd ist nicht mit dem Vorkommen extrem gefährdeter Flaggschiffarten unter der Vogelwelt, wie Kaiseradler, Seeadler, Großtrappe, Triel, Wachtelkönig, Wiesenweihe, Raubwürger etc. zu rechnen.
Nicht auszuschließen ist das Vorkommen von Wespenbussard, Eulen, diversen Wasservögeln, Schwarzspecht, Schwarzstorch, Weißstorch, Heidelerche, Neuntöter in geeigneten Lebensräumen entlang der Trasse.
Für diverses Wassergeflügel besitzen die seenartigen Großteiche im nordwestlichen Waldviertel, aber auch die Kamptal-Stauseen, höhere Relevanz als die Lebensräume, die von der 110 kV Doppelleitung durchquert werden.
Als ausgeprägter Wanderkorridor für Zugvögel ist das Gebiet weit weniger von vogelkundlicher Relevanz als beispielsweise die international bedeutsame Zugvogelroute entlang der nord-süd-gerichteten March und deren Vorländer diesseits und jenseits der Staatsgrenze.
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten naturschutzfachlichen Sachverständigen vom 8.7.2019.
Hingegen kann nicht festgestellt werden, dass es sich beim Projektgebiet um eines der für die Erhaltung von Vogelarten (wie etwa Schwarzstorch oder Seeadler) zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete handelt.
Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des naturschutzfachlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ("Es ist keines. Es ist auch auf keiner ‚Schattenliste' gewesen") sowie indirekt aus dessen in der Verhandlung abgegebenem Gutachten. Die Existenz eines derartigen faktischen Vogelschutzgebietes ergibt sich auch nicht aus der von den Beschwerdeführer/innen vorgelegten Unterlage "Band des Lebens - Die Zwettl" vom Mai 2015, wo nur das Vorkommen bestimmter Vogelarten behauptet wird, jedoch nicht auf die Erfüllung der Kriterien für ein faktisches Vogelschutzgebiet eingegangen wird.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zulässigkeit der Beschwerden:
Gemäß § 3 Abs. 9 UVP-G 2000 sind dann, wenn die Behörde feststellt, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation oder ein Nachbar/eine Nachbarin gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Da zumindest die Erst-, Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführer so nahe am Vorhaben wohnen, dass sie durch Errichtung oder Betrieb des Vorhabens gefährdet oder belästigt werden oder ihre dinglichen Rechte gefährdet werden könnten, sind sie als Nachbarn/Nachbarinnen des Vorhabens beschwerdeberechtigt.
2.2. Anzuwendende Rechtslage:
2.2.1. Allgemeines
Gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 hat die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine UVP nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird.
Gemäß § 3 Abs. 1 UVP-G 2000 sind Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Wie die Behörde zutreffend festgestellt hat, handelt es sich um ein Neuvorhaben, für das die Tatbestände der Z 16 und 46 des Anhangs 1 UVP-G 2000 einschlägig sind.
Durch das UVP-G 2000 wird die Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der Fassung der Richtlinie 2014/52/EU (UVP-Richtlinie) umgesetzt.
Diese räumt bei Projekttypen, die in Anhang II der Richtlinie angeführt sind, gem. ihrem Art. 4 Abs. 2 den Mitgliedstaaten einen Spielraum dahingehend ein, entweder anhand einer Einzelfalluntersuchung oder anhand der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien zu bestimmen, ob das Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss.
Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil in der Rechtssache C-244/12 Salzburger Flughafen unter Hinweis auf seine Vorjudikatur in Bezug auf die Richtlinie 85/337/EWG ausgeführt hat, räumt diese den Mitgliedstaaten (für Projekte im Sinn des Anhanges II der Richtlinie) einen Wertungsspielraum ein, der durch die in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie festgelegte Pflicht begrenzt ist, die Projekte, bei denen u.a. auf Grund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen. Anhand der in Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie erwähnten Kriterien und/oder Schwellenwerte soll die Beurteilung der konkreten Merkmale eines Projektes erleichtert werden, damit bestimmt werden kann, ob es der Prüfungspflicht unterliegt; diese Kriterien bzw. Schwellenwerte dienen allerdings nicht dazu, bestimmte Klassen der in Anhang II der Richtlinie aufgeführten, im Gebiet eines Mitgliedstaats in Betracht kommenden Projekte von vornherein insgesamt von dieser Pflicht auszunehmen. In diesem Fall würden nämlich die Grenzen des Spielraumes nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie überschritten, sofern nicht auf Grund einer pauschalen Beurteilung aller ausgenommenen Projekte davon auszugehen ist, dass bei ihnen nicht mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Bei der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien sind im Übrigen die relevanten Auswahlkriterien des Anhanges III der Richtlinie zu berücksichtigen (vgl. insbesondere die RNr. 29 bis 32 des genannten Urteils, sowie VwGH 9.10.2014, 2013/05/0078).
Diese unionsrechtlichen Vorgaben sind bei der Anwendung der Tatbestände des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 zu berücksichtigen.
2.2.2. Anhang 1 Z 16 UVP-G 2000 (Starkstromfreileitungen)
Anhang 1 Z 16 UVP-G 2000 lautet:
Z 16
a) Starkstromfreileitungen mit einer Nennspannung von mindestens 220 kV und einer Länge von mindestens 15 km;
b) [...]
c) Starkstromfreileitungen in schutzwürdigen Gebieten der Kategorien A oder B mit einer Nennspannung von mindestens 110 kV und einer Länge von mindestens 20 km. Berechnungsgrundlage für Änderungen (§ 3a Abs. 2 und 3) von lit. a und c ist die Leitungslänge.
Das vorliegende Vorhaben erfüllt den Tatbestand der Z 16 lit. a nicht, weil die geplante Leitung keine Nennspannung von mindestens 220 kV aufweist. Es erfüllt vielmehr nur den Tatbestand der Z 16 lit. c, weil es eine Nennspannung von 110 kV und eine Länge von mehr als 20 km aufweist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in seinem Erkenntnis vom 1.10.2018, Ro 2017/04/0002, dargelegt hat, hat der Gesetzgeber des UVP-G 2000 bei der Festlegung dieses Tatbestandes den den Mitgliedstaaten eingeräumten Wertungsspielraum nicht überschritten. Dass von Starkstromfreileitungen für eine Stromstärke von 110 kV im Allgemeinen eine geringere Umweltbelastung ausgeht als von solchen mit einer Stromstärke von 220 kV (oder mehr) und somit die Stromstärke einer Starkstromfreileitung ein relevantes Abgrenzungskriterium bei der Festlegung von Schwellenwerten im Zusammenhang mit dem Bau von Stromleitungen darstellt, habe der Richtliniengeber durch die Normierung des Tatbestandes in Anhang I Z 20 der UVP-RL klar zum Ausdruck gebracht. Durch die Festlegung ökologisch besonders sensibler Gebiete im Anhang 2 des UVP-G 2000 habe der österreichische Gesetzgeber auch dem Erfordernis entsprochen, auf die Belastbarkeit der Natur Rücksicht zu nehmen. Der bloße Umstand, dass zur Herstellung der Hochspannungsfreileitung in einem bewaldeten Gebiet Rodungen oder Geländeveränderungen erforderlich sind, bewirke für sich allein noch nicht, dass dies die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP bzw. einer Einzelfalluntersuchung zur Folge hätte, wäre doch den Mitgliedstaaten ansonsten insoweit der in Art. 4 Abs. 2 der UVP-RL eingeräumte Wertungsspielraum genommen (Hinweis auf VwGH 9.10.2014, 2013/05/0078, mit Verweis auf EuGH 21.3.2013, Salzburger Flughafen, C-244/12).
Bei Anwendung des Tatbestandes der Z 16 lit. c ist gemäß § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 nur zu prüfen, ob im Einzelfall zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhanges 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet (Kategorien A, C, D und E des Anhanges 2) festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Bei dieser Prüfung sind schutzwürdige Gebiete der Kategorien A, C, D oder E des Anhanges 2 nur zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Einleitung des Verfahrens ausgewiesen oder in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung (Kategorie A des Anhanges 2) aufgenommen sind. Ist mit einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
Dies bedeutet zum einen, dass das Vorhaben nicht jedenfalls UVP-pflichtig ist, sondern einer Einzelfallprüfung zu unterziehen ist. Zum zweiten sind Auswirkungen des Vorhabens auf die menschliche Gesundheit bei dieser Einzelfallprüfung nicht zu berücksichtigen, sondern nur Auswirkungen auf schutzwürdige Gebiete der Kategorie A oder B des Anhanges 2 UVP-G 2000. Sämtliches Vorbringen der Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf die Auswirkungen der Leitung auf die menschliche Gesundheit geht somit ins Leere.
Das gegenständliche Vorhaben liegt unstrittig in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie A des Anhanges 2 UVP-G 2000, ein schutzwürdiges Gebiet der Kategorie B (Alpinregion) liegt nicht vor.
Diese Schutzgebietskategorie wird in Anhang 2 folgendermaßen definiert:
"Kategorie A - besonderes Schutzgebiet: nach der Richtlinie 2009/147/EG über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie), ABl. Nr. L 20 vom 26.01.2009, S. 7 zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/17/EU, ABl. Nr. L 158 S.193, sowie nach der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie), ABl. Nr. L 206 vom 22.7.1992, S.7, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/17/EU, ABl. Nr. L 158 S.193, in der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Artikel 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannte Schutzgebiete; Bannwälder gemäß § 27 Forstgesetz 1975; bestimmte nach landesrechtlichen Vorschriften als Nationalpark 1) oder durch Verwaltungsakt ausgewiesene, genau abgegrenzte Gebiete im Bereich des Naturschutzes oder durch Verordnung ausgewiesene, gleichartige kleinräumige Schutzgebiete oder ausgewiesene einzigartige Naturgebilde; in der Liste gemäß Artikel 11 Abs. 2 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. Nr. 60/1993) eingetragene UNESCO-Welterbestätten"
Wie in den Feststellungen angeführt, quert die geplante Leitung das in der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 der FFH-Richtlinie angeführte Europaschutzgebiet "Waldviertler Teich-, Heide und Moorlandschaft". Ein Vogelschutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie wird nicht berührt.
Die Beschwerdeführerinnen haben dazu in der mündlichen Verhandlung das Vorliegen eines "faktischen Vogelschutzgebietes" moniert. Dazu ist folgendes festzuhalten:
Für die Erhaltung der Vogelarten des Anhanges 1 zur VS-RL und der regelmäßig wiederkehrenden Zugvogelarten, die nicht in Anhang 1 leg. cit. genannt sind, sind gemäß Art 4 Abs. 1 und 2 VS-RL die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten zu erklären. Bei der Auswahl und Abgrenzung der Schutzgebiete sind ausschließlich die ornithologischen Kriterien des Art 4 Abs. 1 und 2 VS-RL heranzuziehen (Forster/Reithmayer, RdU 2014/58, 95). Dem Europäischen Gerichtshof folgend, sind die Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der VS-RL verpflichtet, sensible Räume auch dann zu schützen, wenn das betreffende Gebiet nicht zu einem besonderen Vogelschutzgebiet erklärt worden ist, obwohl dies hätte geschehen müssen (vgl. etwa EuGH 18.12.2007, C-186/06). Da die VS-RL sohin unmittelbar anwendbar ist, ist richtlinienkonform davon auszugehen, dass auch faktische Vogelschutzgebiete, also Gebiete unabhängig von einer formellen Ausweisung, als besonderes Schutzgebiete der Kategorie A gemäß Anhang 2 UVP-G 2000 anzusehen sind (Baumgartner/Petek, UVP-G 2000, 478). Für die Festlegung bestgeeigneter Gebiete ist eine überregionale abgestimmte Konzeption maßgebend. Es sind in der Regel nur jene Gebiete auszuweisen, die zahlen- und flächenmäßig für die Erhaltung der schützten Arten am geeignetsten sind und diese im Verhältnis zu anderen Landschaftsteilen am besten die Gewähr für die Verwirklichung der Richtlinienziele bieten (VwGH 16.4.2004, 2001/10/0156). Dies ist durch empirische Untersuchungen und eine wertende Gesamtbetrachtung aller in Frage kommenden Gebiete einer Region zu beurteilen (vgl. etwa Maas, Die Identifizierung faktischer Vogelschutzgebiete, Natur und Recht 2000; Jarass, EG-rechtliche Vorgaben zur Ausweisung und Änderung von Vogelschutzgebieten, Natur und Recht 1999, 481). Das alleinige Vorkommen einzelner relevanter Vogelarten ist dafür nicht ausschlaggebend (zu allem vgl. zuletzt zusammenfassend BVwG 26.2.2019, W155 2120762-1/478E - 380kV-Salzburgleitung). Es ergeben sich jedoch auf Grundlage der obigen Feststellungen keine Hinweise auf eine entsprechende Bedeutung des Projektgebietes.
Alleiniger Prüfmaßstab der Einzelfallprüfung bleiben daher mögliche erhebliche Auswirkungen des Vorhabens auf das angeführte ausgewiesene Europaschutzgebiet.
2.2.3. Anhang 1 Z 46 (Rodungen und Trassenaufhiebe)
Anhang 1 Z 46 lautet auszugsweise:
Z 46
a) Rodungen14a) auf einer Fläche von mindestens 20 ha; b) [...] c) Trassenaufhiebe14b auf einer Fläche von mindestens 50 ha; [...] d) [...]
e) [...] f) [...] g) Rodungen14a) in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A auf einer Fläche von mindestens 10 ha; h) [...] i) Trassenaufhiebe14b) in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A auf einer Fläche von mindestens 25 ha; [...] Bei Z 46 sind § 3 Abs. 2 und § 3a Abs. 6 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Summe der Kapazitäten, die innerhalb der letzten 10 Jahre genehmigt wurden, einschließlich der beantragten Kapazitätsausweitung heranzuziehen ist. Flächen für Rodungen und Flächen für Trassenaufhiebe sind gesondert zu ermitteln und nicht zusammenzurechnen.
14a) Rodung ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975.
14b) Trassenaufhiebe sind gemäß § 81 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 Fällungen hiebsunreifen Hochwaldes, die zum Zweck der Errichtung und für die Dauer des rechtmäßigen Bestandes einer energiewirtschaftlichen Leitungsanlage erforderlich sind.
Es besteht kein Zweifel darüber, dass kein Tatbestand der Z 46 des Anhanges 1 UVP-G 2000 vom Vorhaben erfüllt wird. Weder übersteigt die Rodungsfläche nach dem forstrechtlichen Rodungsbegriff die angeführten Schwellenwerte von 10 bzw. 20 ha, noch übersteigt die Fläche der Trassenaufhiebe in schutzwürdigen Gebieten 25 ha bzw. insgesamt 50 ha. Es kommt auch zu keiner Erweiterung bestehender Rodungen oder Trassenaufhiebe und zu keiner Kumulation mit anderen gleichartigen Vorhaben, weil es zwar im räumlichen Zusammenhang Rodungen (der letzten 10 Jahre) gibt, die Kumulationsbestimmung des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 jedoch keine Anwendung findet, weil die Rodungsfläche für das Vorhaben weniger als 25% der Schwellenwerte von 10 und 20 ha beträgt. Trassenaufhiebsflächen der letzten 10 Jahre befinden sich keine im räumlichen Zusammenhang.
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, der Gesetzgeber habe seinen ihm eingeräumten Ermessensspielraum durch die Splittung der Z 46 in Rodungs- und Trassenaufhiebsflächen und durch die Festlegung eines zu hohen Schwellenwertes überschritten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung würden die von den Trassenaufhieben betroffenen Böden einer neuen Nutzung zugeführt und würden daher Rodungen darstellen und handle es sich bei den betroffenen Böden nicht mehr um Wald im Rechtssinn. Bei den geplanten Trassenaufhieben handle es sich um "Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart" gemäß Anhang II Z 1 lit. d UVP-RL und somit um "Rodungen" gemäß Z 46 lit. a Anhang 1 zum UVP-G 2000 und gemäß § 17 Abs. 1 ForstG 1975.
Entgegen diesen Ausführungen ist, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 26.6.2019, W113 2132042-1, ausführlich begründet hat, eine solche Unionsrechtswidrigkeit der neuen Z 46 des Anhangs 1 UVP-G 2000 nicht zu erkennen:
Die UVP-RL zählt in ihrem Anhang II Z 1 lit. d für in Art. 4 Abs. 2 genannte Projekte "Erstaufforstungen und Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart" als relevante Vorhabensart auf. Art. 4 Abs. 2 leg. cit. erlaubt den Mitgliedstaaten bei Projekten des Anhangs II vorbehaltlich des Art. 2 Abs. 4 leg. cit. zu bestimmen, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Art. 5 bis 10 leg. cit. unterzogen werden muss. Die Mitgliedstaaten treffen diese Entscheidung anhand einer Einzelfalluntersuchung oder der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien oder wenden beide Verfahren an, womit ihnen ein gewisser Ermessensspielraum zugestanden wird. Es sind dabei die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III UVP-RL zu berücksichtigen.
Aus den Entscheidungen des EuGH vom 7.8.2018, Rs C-329/17 Gerhard Prenninger u.a. sowie des VwGH vom 1.10.2018, Ro 2017/04/0002, kann zusammenfassend festgehalten werden, dass Trassenaufhiebe iSd § 81 Abs. 1 lit. b ForstG 1975 eine "Abholzung zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart" iSd UVP-RL darstellen.
Der nationale Gesetzgeber hat in seiner legistischen Reaktion auf die genannten Entscheidungen nunmehr einen eigenen Trassenaufhiebstatbestand in der Z 46 des Anhangs 1 UVP-G 2000 vorgesehen. Aus den Erläuterungen zur entsprechenden Novelle des UVP-G 2000, BGBl. I Nr. 80/2018, erfließt folgendes (vgl. Materialien zur RV 275 BlgNR 26. GP):
"In der neuen Fußnote 14b wird auf die Definition des Trassenaufhiebs gemäß § 81 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 verwiesen.
Nach § 13 Abs. 10 Forstgesetz 1975 besteht die Verpflichtung, die Trasse nach jeder Fällung wieder zu bewalden. Fällungen dürfen nur insoweit durchgeführt werden, als dies erforderlich ist (d.h. forstlicher Bewuchs in die Leitungen "einwachsen" würde). Die Trassenaufhiebsflächen gelten weiterhin als "Wald" und die Überspannung mit energiewirtschaftlichen Leitungen stellt keine Rodung im Sinne des Forstgesetzes 1975 dar. Trassenaufhiebsflächen tragen daher, wie sonstige Waldflächen, im Allgemeinen einen forstlichen Bewuchs, der für die Waldwirkungen nach § 6 Abs. 2 Forstgesetz 1975 von besonderer Bedeutung ist. Für den Trassenaufhieb werden daher höhere Schwellenwerte als für Rodungen festgelegt.
Daran anknüpfend wird im dritten Schlusssatz in Anhang 1 Z 46 betreffend die Flächenberechnung im Fall von Rodungen und Trassenaufhieben innerhalb eines Vorhabens oder bei Anwendung der Kumulationsbestimmung klargestellt, dass diese Flächen aufgrund der oben beschriebenen unterschiedlichen Umweltauswirkungen getrennt zu berechnen und jeweils nur für den einschlägigen Tatbestand zu berücksichtigen sind."
Die Festlegung eines höheren Schwellenwertes beim Trassenaufhiebstatbestand als beim Rodungstatbestand (50 ha im Vergleich zu 20 ha in Spalte 2 und 25 ha im Vergleich zu 10 ha in Spalte 3) gründet somit auf der fachlichen Erwägung, Trassenaufhiebsflächen würden weiterhin als "Wald" iSd ForstG 1975 gelten und implizieren damit geringere Auswirkungen auf den Wald als Rodungen. Diese sachliche Rechtfertigung zieht sich bereits durch die geführten Rechtsverfahren. Die Festlegung eines höheren Schwellenwertes für Trassenaufhiebe als für Rodungen begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken, die eine Unionsrechtswidrigkeit der novellierten Bestimmungen entfalten könnte; im Gegenteil scheint diese Umsetzung sachlich gerechtfertigt zu sein und wird damit nicht der dem nationalen Gesetzgeber eingeräumte Ermessensspielraum überschritten.
Die Festlegung der Höhe des Schwellenwertes für den Trassenaufhiebstatbestand begegnet ebenso vor dem Hintergrund des gegenständlichen Verfahrens keinen Bedenken, da die Trassenaufhiebsfläche hier ein Ausmaß von unter 19 ha umfasst und damit den Schwellenwert des Rodungstatbestandes in Spalte 2, dessen Überschreitung jedenfalls eine UVP nach sich ziehen würde - auch gemeinsam mit den Rodungsflächen gem. § 17 ForstG 1975 - von 20 ha nicht erreichen würde.
Schließlich vermeinen die Beschwerdeführerinnen, es seien auch jene Flächen als Rodungs- oder Trassenaufhiebsflächen zu berücksichtigen, die in einer solchen Höhe überspannt werden, dass ein Trassenaufhieb oder eine Rodung darunter nicht erforderlich ist. Damit verkennen sie die Rechtlage: Eine Berücksichtigung solcher Flächen nach dem nationalen Recht scheidet aus, weil eben kein Trassenaufhieb iSd § 81 Abs. 1 lit. b ForstG 1975 vorliegt, und auch keine Rodung stattfindet und somit kein Waldboden zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur verwendet wird (es ist lediglich der darüber liegende Luftraum betroffen, vgl. auch Michael Denk, Rodungen und [Stromleitungs-]Trassenaufhiebe im UVP-Recht, ZTR 1/2019, S. 20). Auch unionsrechtlich ist die Miteinbeziehung solcher Flächen durch die UVP-Richtlinie nicht gefordert, verlangt Anhang II Z 1 lit. d der UVP-Richtlinie doch eine Abholzung, die in einem solchen Fall nicht vorliegt.
Die geltenden Tatbestände des Anhanges 1 Z 46 UVP-G 2000 sind somit auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts nicht anzuwenden.
Zu untersuchen ist noch, ob diese Tatbestände u.U. noch nach alter Rechtslage zu prüfen wären. Mit der Novelle des UVP-G 2000, BGBl. I Nr. 80/2018, wurden die Tatbestände der Z 46 Anhang 1 zum UVP-G 2000 neu geregelt. Diese Novelle enthält auch die Übergangsbestimmung des § 46 Abs. 28 Z 4 UVP-G 2000, wonach "auf Vorhaben des Anhanges 1 Z 46 lit. c, lit. d, lit. i oder lit. j die erstmals unter den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallen und für die vor dem 07.08.2018 ein nach den Verwaltungsvorschriften erforderliches Genehmigungsverfahren eingeleitet wurde, dieses Bundesgesetz nicht anzuwenden ist, sofern nicht der Projektwerber/die Projektwerberin bei der Landesregierung die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung und des konzentrierten Genehmigungsverfahrens bzw. eine Einzelfallprüfung beantragt."
Es handelt sich jedenfalls um kein Vorhaben, das erstmals unter den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fällt. Es handelt sich vielmehr um ein Vorhaben, das bei unionskonformer Auslegung der Z 46 des Anhangs 1 des UVP-G 2000, die vom EuGH dargelegt wurde, bereits bisher seiner Art nach von dieser Bestimmung umfasst war (vgl. EuGH 07.08.2018, Rs C-329/17 Gerhard Prenninger u.a.). Zudem würde die gesamte Rodungsfläche unter Einbeziehung der Trassenaufhiebe 20 ha nicht übersteigen, sodass es jedenfalls bei der Verpflichtung zur Durchführung einer Einzelfallprüfung auf Auswirkungen des Vorhabens auf besondere Schutzgebiete gem. Anhang 1 Z 46 lit e UVP-G 2000 i. d.F. BGBl. I Nr. 111/2017 bliebe. Eine derartige Einzelfallprüfung wurde aber vorliegend durchgeführt.
2.3. Einzelfallprüfung:
In der durchgeführten Einzelfallprüfung war gemäß § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 zu prüfen, ob im Einzelfall zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der Schutzzweck, für den das betroffene schutzwürdige Gebiet der Kategorie A festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird.
Gemäß § 3 Abs. 5 UVP-G 2000 waren bei der Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Merkmale des Vorhabens, des Standortes des Vorhabens und der Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt die Veränderungen im Hinblick auf das schutzwürdige Gebiet maßgeblich.
Wie in den Feststellungen dargelegt, sind keine erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf das Europaschutzgebiet AT1201A00 "Waldviertler Teich-, Heide- und Moorlandschaft" zu erwarten.
Die angefochtene Entscheidung, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist, erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend und es war spruchgemäß zu entscheiden.
2.4. Revision
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Zunächst ist auf die vorliegende Judikatur in der Sache zu verweisen (VwGH 01.10.2018, Ro 2017/04/0002-13; EuGH 07.08.2018, Rs C-329/17, Gerhard Prenninger u.a.). Zwar liegt naturgemäß keine Rechtsprechung zur Auslegung der anlassbezogen novellierten Bestimmung der Z 46 des Anhangs 1 des UVP-G 2000 idF BGBl. I Nr. 80/2018 vor. Die Auslegungsfragen, die sich dabei ergeben und die in den rechtlichen Ausführungen angeführt werden, sind aber im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant. Eine ergänzende Prüfung nach der alten Rechtslage in unionskonformer Auslegung führt ebenso zum Ergebnis, dass nur eine Einzelfallprüfung durchzuführen ist.
Schlagworte
Einzelfallprüfung, Ermessensspielraum, Feststellungsverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2217179.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.10.2019