Entscheidungsdatum
29.08.2019Norm
AlVG §10Spruch
W164 2222376-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende Richterin sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Armin KLAUSER (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Mag. Kurt Retzer (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 19.07.2019, Zl. RAG/A-2019-0566-3-00933, nach Durchführung einer nichtöffentlichen Beratung vom 28.08.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VWGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid 12.06.2019 hatte das Arbeitsmarktservice, (im Folgenden AMS) über die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden BF) gemäß §§ 38 iVm 10 AlVG 1977 BGBl Nr 609/1977 idgF für die Zeit von 07.05.2019 bis 17.6.2019 eine Ausschlussfrist verhängt, da sie eine Beschäftigung bei der XXXX GmbH nicht angenommen habe. Das Beschwerdeverfahren diesbezüglich befindet sich noch beim AMS im Beschwerdevorverfahren. Die diesbezüglichen Dokumente wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid schloss das AMS die aufschiebende Wirkung der von der BF gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG idgF aus.
Zur Begründung führte das AMS aus, die BF stehe bereits seit 24.06.2014 im Leistungsbezug der Arbeitslosenversicherung. Es sei Langzeitarbeitslosigkeit gegeben. Aktuell werde gegen die BF Exekution geführt, was die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als deutlich gefährdet erscheinen lasse. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiven Gründen im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen. Das Vorgehen diene insgesamt dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Aus diesem Grund überwiege im vorliegenden Fall das öffentlichen Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig und zulässig Beschwerde, mit der sie ausführte, der genannte Ausspruch hätte bereits in den in der Hauptsache ergangenen Bescheid aufgenommen werden müssen.
Weiters bilde die Notstandshilfe die einzige Existenzgrundlage der BF. Die BF verfüge über kein verwertbares Vermögen. Durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung werde ihr Menschenrecht auf soziale Sicherheit bzw. Existenzsicherung verletzt. Die BF könne nicht nachvollziehen, inwiefern der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde der Verhinderung eines etwaigen Missbrauchs dienen solle. Im Fall eines rechtskräftig festgestellten Missbrauchs würde die gemäß § 10 AlVG verhängte Sperre ohnehin rückwirkend in Kraft treten. Die zu Unrecht empfangene Leistung müsste dann zurückerstattet werden. Die Behörde habe es verabsäumt, die Interessen der BF gegen die öffentlichen Interessen abzuwägen. Die BF verwies auf die Entscheidung des VfGH G74/2014 sowie auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts L510 2106892-1. Die Behörde habe auch nicht dargelegt, inwiefern Gefahr im Verzug gegeben sei. Mit der Verweigerung der aufschiebenden Wirkung werde das im Verfassungsrang stehende Menschenrecht auf die Unschuldsvermutung nach Art 6 E-MRK verletzt. Der Bescheid greife der noch zu fällenden Entscheidung in der Hauptsache vor.
Das AMS legte die verfahrensgegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor (Einlangen 14.08.2019).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. § 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Wie der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis Ra 2017/08/0065 vom 07.09.2017, klargestellt hat, trägt § 56 Abs 2 AlVG dem Legalitätsprinzip iSd Art 18 Abs. 1 iVm Art 83 Abs 2 B-VG Rechnung, wonach der Gesetzgeber insbesondere in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet ist und eine Zuständigkeitsfestlegung klar und unmissverständlich sein muss (vgl. das hg Erkenntnis vom 24. Oktober 2016, Ra 2016/02/0159). § 9 Abs 1 BVwGG betrifft hingegen nur die der Entscheidung in der Hauptsache vorangehenden Beschlüsse.
Gegenständlich ist (Haupt)Sache die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 19.07.2019, Zl. RAG/A-2019-0566-3-00933. Im vorliegenden Fall ist daher Senatszuständigkeit gegeben.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A):
Gegenstand dieses Verfahrens ist der im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergangenen Bescheid aufzunehmen.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.
Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich, also ohne unnötigen Aufschub und ohne schuldhaftes Zögern zu entscheiden (VwGH 10.10.2014, Ro 2014/02/0020).
Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu entscheiden (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028).
Die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 VwGVG entsprechen jenen des § 64 Abs 2 AVG.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Ausspruch über die aufschiebende Wirkung nicht in den Bescheid über die Hauptsache aufgenommen. Die Entscheidung in der Hauptsache ist noch nicht ergangen.
Treten die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erst nach Erlassen des Bescheides ein, kann (muss) die Behörde der Berufung die aufschiebende Wirkung nachträglich durch gesonderten verfahrensrechtlichen Bescheid aberkennen (VwGH 24. 1. 1995, 93/04/0203VwGH 93/04/0203 - Erkenntnis (Volltext) VwGH 93/04/0203 - Erkenntnis (RS 5) VwGH 93/04/0203 - Erkenntnis (RS 4) VwGH 93/04/0203 - Erkenntnis (RS 3) VwGH 93/04/0203 - Erkenntnis (RS 2) VwGH 93/04/0203 - Erkenntnis (RS 1) ; 17. 2. 2000, 97/18/0564). Aber auch, wenn die Voraussetzungen bei Erlassen des Bescheides bereits vorlagen, die Behörde jedoch die aufschiebende Wirkung der Berufung nicht ausgeschlossen hat, kann sie nachträglich ihrer Verpflichtung nachkommen und einen dahingehend lautenden verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen. Die Säumnis der Behörde kann eventuell Amtshaftungsansprüche nach sich ziehen, nicht aber Grund für die Aufhebung des Ausschließungsbescheides sein. Die spätere Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nur bis zur Entscheidung der Berufungsbehörde zulässig (Hellbling 392; Hengstschläger, ÖJZ 1973, 539; vgl auch Rz 34).
(Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 (Stand 1.7.2007, rdb.at).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Der Umstand, dass die vorliegende Entscheidung über die aufschiebende Wirkung nicht schon in den Bescheid betreffend den Ausschluss der Notstandshilfe vom 12.06.2019 aufgenommen wurde, berechtigt nicht zur Aufhebung dieses Bescheides.
Zur herrschenden Judikatur betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung:
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018 in einem dem hier zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbaren Fall die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt:
"[...]
20. In dem die Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG idF des Verwaltungsgerichtsbarkeits-AnpassungsG - Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, BGBl I Nr. 71/2013, betreffenden Erkenntnis VfGH 2.12.2014, G 74/2014, hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass die angefochtene Bestimmung von den in § 13 und § 15 VwGVG getroffenen Regelungen abweiche, die grundsätzlich die aufschiebende Wirkung von Beschwerden vorsehen würden. Vom VwGVG abweichende Regelungen dürften gemäß Art. 136 Abs. 2 B-VG nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes "unerlässlich" seien. Der Verfassungsgerichtshof verkenne nicht, dass im Arbeitslosenversicherungsrecht zweifellos eine besonders große Zahl von Verfahren und Beschwerden von den zuständigen Behörden und dem Bundesverwaltungsgericht zu bewältigen sei. Ebenso sei anzuerkennen, dass mit dem in § 56 Abs. 3 AlVG grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen begegnet werden solle. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der Bestimmung das Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu gewährleisten, besonders stark gewichtet. Trotz dieser für sich genommen erheblichen Gesichtspunkte entspreche die verfahrensrechtliche Sonderregelung des § 56 Abs. 3 AlVG nicht dem Kriterium der Erforderlichkeit iSd Art. 136 Abs. 2 B-VG, weil sie dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes insoweit widerspreche, als sie dem Interesse des einzelnen Versicherten, nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet zu werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist, nicht hinreichend Rechnung trage. Insbesondere lasse § 56 Abs. 3 AlVG es nicht zu, die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen von Verfahrensparteien abzuwägen.
21. Nach dem im vorliegenden Fall anzuwendenden § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG (vgl. § 64 Abs. 2 AVG) kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid, der die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen hat, keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
22. Die Entscheidung über Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028). Die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis aufgezeigten Rechtsschutzdefizite bestehen bei der hier anzuwendenden Regelung nicht. § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.
23. Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid,
Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).
24. Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.2.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.
25. Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035).
26. Im vorliegenden Fall hat der Mitbeteiligte kein Vorbringen darüber erstattet, dass ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde. Auch ist prima facie nicht ersichtlich, dass seine Beschwerde gegen die Verhängung der Sperrfrist wahrscheinlich Erfolg haben wird. Eine Abwägung seiner Interessen an der Weiterzahlung der Notstandshilfe mit den beschriebenen öffentlichen Interessen an der Wirksamkeit von Maßnahmen iSd § 10 Abs. 1 AlVG und an der Einbringlichkeit von Rückforderungsansprüchen ergibt ein Überwiegen der öffentlichen Interessen. Angesichts der vom AMS festgestellten Umstände des Einzelfalls ist auch von einem so gravierenden Nachteil für die berührten öffentlichen Interessen auszugehen, dass Gefahr im Verzug vorliegt.
[...]"
Im vorliegenden Fall hat die BF vorgebracht, dass sie über kein verwertbares Vermögen verfüge und der Notstandshilfebezug ihre einzige Existenzgrundlage bilde. Sie hat dies aber weder konkret dargetan noch bescheinigt. Zwar bleibt zu bedenken, dass die BF unvertreten ist und dass das vorliegende Verfahren zufolge § 13 Abs 5, zweiter Satz VwGVG kaum Gelegenheit zur Manuduktion etwa dahingehend bietet, wie der Nachweis, kein Vermögen zu haben, erbracht werden könne; jedoch ist insgesamt zu berücksichtigen, dass die höchstgerichtliche Judikatur hier eine strenge Linie verfolgt, die somit auch für die Verwaltungsgerichte zu gelten hat. Die BF hat ihre finanzielle Situation auch nicht einmal im Detail beschrieben.
Die BF hat ferner keine Einwendungen dagegen vorgebracht, dass - wie vom AMS in der angefochtenen Entscheidung aufgrund einer Online-Abfrage festgestellt wurde - im Fall einer Weitergewährung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet wäre, da gegen die BF Exekution geführt werde.
Auch lassen die prima facie Erfolgsaussichten der Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 12.06.2019 betreffend die verhängte Ausschlussfrist vom Bezug der Notstandshilfe (- die diesbezüglichen Dokumente wurden dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt - ) nicht den Schluss zu, dass eine Rückforderung der weiter gewährten Notstandshilfe unwahrscheinlich wäre.
Insoweit die BF auf das Fehlen von Gefahr im Verzug verweist, ist auf das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (RZ 26) zu verweisen. Für den vorliegenden Fall ist daraus abzuleiten, dass bei auch einer Interessenlage wie der hier festgestellten Gefahr im Verzug gegeben ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, für die noch keine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Gefahr im Verzug, Interessenabwägung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2222376.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.10.2019