Entscheidungsdatum
29.08.2019Norm
BBG §40Spruch
W132 2208289-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX , betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 01.12.2017 hat der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 02.03.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.
1.2. Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden keine Einwendungen erhoben.
1.3. Mit Bescheid vom XXXX , hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 30 vH beträgt.
Dagegen hat der Beschwerdeführer keine Beschwerde erhoben, dieser Bescheid ist daher in Rechtskraft erwachsen.
2. Der Beschwerdeführer hat am 31.08.2018 bei der belangten Behörde neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt. Diesen Antrag hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit begründet, dass er an einer neuromuskulären Erkrankung an Händen und Beinen und einem Tinnitus leide, sowie bereits ständig eine Orthese an beiden Beinen tragen müsse.
Die nachstehend angeführten Beweismittel wurden vorgelegt:
Audiometriebefund, Dr. XXXX vom 17.09.2018
Kurzbrief neurologische Ambulanz Donauspital vom 21.09.2018
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein mit 01.10.2018 datiertes Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes mittels der eingereichten Befundberichte nicht belegt werde.
2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag vom 31.08.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 41 und § 45 BBG zurückgewiesen. Unter Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen wurde begründend ausgeführt, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei und der Beschwerdeführer eine offenkundige Änderung seiner Funktionsbeeinträchtigungen nicht glaubhaft geltend gemacht habe.
3. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass bei neuerlichen Untersuchungen in der HNO-Praxis XXXX und im SMZ-Ost von OA Dr. XXXX eine Verschlechterung des Gehörs sowie der Hand- und Fußmuskulatur festgestellt worden sei. Die Befunde habe er vorgelegt. Er trage seit Monaten Orthesen an beiden Beinen, welche das Gehen etwas erleichtern würden.
3.1. Mit dem - im Bundesverwaltungsgericht am 24.10.2018 eingelangten - Schreiben vom 24.10.2018 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.
3.2. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2018 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass gemäß § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
3.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein mit 30.01.2019 datiertes Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die vorgelegten Beweismittel nicht geeignet seien, eine offensichtliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zu dokumentieren.
3.4. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde zuletzt mit dem Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , rechtskräftig festgestellt. Dieser wurde am XXXX dem Zustellorgan übergeben.
Der neuerliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 31.08.2018 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.2. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft geltend gemacht, dass innerhalb eines Jahres, seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung, eine offenkundige Änderung seiner Funktionsbeeinträchtigungen eingetreten ist.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zum Verlauf der Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten Beweismittel:
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Die getroffenen Einschätzungen entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Diese Beweismittel sind nicht geeignet, eine offenkundige Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers zu belegen.
Der Sachverständigen fasst den Inhalt der vorgelegten Beweismittel wie folgt zusammen:
Der Audiometrie-Befund vom 17. September 2018 dokumentiert insgesamt einen prozentuell geringgradigen Hörverlust rechts bei noch Normalhörigkeit links. Hörgeräte seien noch nicht indiziert.
Der Kurzbrief der neurologischen Ambulanz des SMZ Ost vom 21. September 2018 beschreibt ein Charcot-Marie-Tooth-Syndrom 1A (hereditäre sensomotorische Polyneuropathie). Schmerzen würden laut diesem Befund keine bestehen, hingegen eine verstärkte Müdigkeit bei leichter Verschlechterung. Dokumentiert sind gering- bis mäßige neurologische Defizite an den Fingern sowie im Bereich der unteren Extremitäten. Das Gehen erfolge mit Orthesen. Die Gehleistung bis zum Stehenbleiben liege bei 1 bis 2 km.
Dass zwischenzeitlich keine maßgebende Änderung im Gesundheitszustand des Beschwerdeführers eingetreten ist, erörtert der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend. Er begründet seine Schlussfolgerungen umfassend damit, dass sich im Rahmen der klinischen Untersuchung durch Herrn Dr. XXXX am 02.03.2018 ein ohne Hilfsmittelverwendung sicheres Gangbild objektivieren ließ, der Beschwerdeführer ziehe das linke Bein ''eine Spur" nach. An den oberen Extremitäten wurden keine maßgeblichen funktionellen Einschränkungen beschrieben, an den unteren Extremitäten seien bei frei beweglichen Hüft-, Knie- und Sprunggelenken insgesamt mäßiggradige funktionelle Einschränkungen im Bereich der Füße dokumentiert, an den Waden konnte eine Muskelatrophie erhoben werden. Grob neurologisch wurden die Vorfüße im Sitzen aktiv nur zögerlich und gering gehoben, die Sensibilität an beiden Unterschenkeln wurde als gestört angegeben. Feinmotorische Defizite, eine Steifigkeit bzw. ein Tremor bestanden nicht.
Der Kurzbrief der neurologischen Ambulanz des SMZ Ost vom 21.09.2018 beschreibt gering- bis mäßiggradige funktionelle Einschränkungen der Fingerbeweglichkeit bei unauffälliger Sensibilität an den oberen Extremitäten. An den unteren Extremitäten sind bei unauffälliger Sensibilität neurologische Defizite insbesondere im Bereich des Vorfußes beidseits beschrieben. Eine Sturzneigung ist nicht belegt. Bei Gebrauch von Orthesen ist eine Gehleistung von 1 bis 2 km bis zum Stehenbleiben dokumentiert. Das neurologische Grundleiden führt somit insgesamt zu mäßiggradigen funktionellen Einschränkungen. Der neurologische Befund beschreibt eine geringe Verschlechterung der neurologischen Grunderkrankung unter Position 1.
Der Audiometrie-Befund vom 27.12.2017 dokumentiert eine Normalhörigkeit rechts bei geringgradiger Schwerhörigkeit links. Zum Vergleich vorliegend ist ein Audiometrie-Befund vom 17.09.2018, welcher eine geringgradige Schwerhörigkeit links bei noch Normalhörigkeit rechts beschreibt. Im Vergleich zum Audiometrie-Befund vom 27.12.2017 dokumentiert der Audiometrie-Befund vom 17.09.2018 eine geringe Verschlechterung des Hörvermögens. Die geringgradige Verschlechterung des Hörvermögens führt insgesamt zu keiner Anhebung des Behinderungsgrades hinsichtlich Leiden Nummer 2.
Hinsichtlich des Tinnitus ohne Hinweis auf Dekompensation ergeben sich keine Änderungen der Einschätzung hinsichtlich Leiden Nummer 3.
Dr. XXXX nimmt auch zum Vergleichsgutachten Dris. XXXX vom 04.04.2018 nachvollziehbar Stellung. Er beschreibt anschaulich, dass bei hinsichtlich der neurologischen Grunderkrankung (Position 1) insgesamt mäßiggradigen funktionellen Defiziten die herangezogene Rahmensatzposition 04.07.01, auch unter Berücksichtigung des vorliegenden Befundes vom 21.09.2018 nachvollziehbar gewählt erscheint. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 04.04.2018 beschreibt der neurologische Befind vom 21.09.2018 keine derart maßgebliche Verschlechterung, welche zu einer Änderung der Einschätzung bzw. einer Anhebung des Behinderungsgrades führen würde. Die neurologisch beschriebenen Defizite sind unter der gewählten Rahmensatzposition nachvollziehbar berücksichtigt.
Hinsichtlich des Hörvermögens ist im Audiometrie-Befund vom 17.09.2018 eine geringgradige Schwerhörigkeit links bei noch Normalhörigkeit rechts beschrieben. Im Sachverständigengutachten vom 04.04.2018 wird die Rahmensatzhöhe des Hörleidens unter Position 2 mit 20 vH beurteilt. Diese Einschätzung entspricht einer mittelgradigen Schwerhörigkeit des einen Ohres bei geringgradiger Schwerhörigkeit des zweiten Ohres. Der Audiometrie-Befund vom 17.09.2018 beschreibt nach prozentuellem Hörverlust insgesamt eine geringgradige Schwerhörigkeit links bei noch Normalhörigkeit rechts. Bei eventueller Neueinschätzung dieser Hörminderung würde sich insofern eine Änderung ergeben, als ein geringerer Behinderungsgrad von 10 vH heranzuziehen wäre. Auf den Gesamtgrad der Behinderung hätte diese Änderung keinen Einfluss.
Zum Beschwerdevorbringen führt der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass hinsichtlich des Hörleidens eine geringe Verschlechterung objektivierbar ist, welche jedoch eine Anhebung des Behinderungsgrades nicht rechtfertigt. Ebenso resultiert aus dem neurologischen Befundbericht keine Änderung der Einschätzung, weil insgesamt lediglich mäßiggradige funktionelle Defizite beschreiben sind.
Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein überzeugender Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten Dris. XXXX , wurde auch nicht entgegengetreten. Vielmehr haben die Verfahrensparteien den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Die Angaben des Beschwerdeführers konnten demnach nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird. (§ 41 Abs. 2 BBG)
"Offenkundig" sind solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Leidenszustände ist nicht erforderlich. Denn "Offenkundigkeit" bringt es mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist. (VwGH vom 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083)
Daher ist auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterblieben.
Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, waren weder das Vorbringen noch die vorliegenden Unterlagen geeignet, eine offenkundige, andauernde Änderung der Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers glaubhaft geltend zu machen.
Hinsichtlich der neurologischer Grunderkrankung und des Hörvermögens hat sich zwischenzeitlich jeweils lediglich eine geringgradige Verschlechterung ergeben, welche insgesamt keine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung rechtfertigt.
Da objektiviert wurde, dass der neuerliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses innerhalb der Jahresfrist gestellt wurde und eine offenkundige andauernde Änderung des Leidenszustandes nicht glaubhaft geltend gemacht werden konnte, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung war, ob eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers glaubhaft geltend gemacht wurde.
Wie unter Punkt II.3. bereits erörtert, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben, weil "Offenkundigkeit" mit sich bringt, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend ist, ob eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers glaubhaft geltend gemacht wurde.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Antragstellung, Behindertenpass, Frist, Grad der Behinderung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W132.2208289.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.10.2019