TE Vwgh Beschluss 2019/8/28 Ra 2018/14/0327

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Veröffentlicht am 28.08.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art2
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen das am 25. September 2018 mündlich verkündete und am 19. Oktober 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W114 2194030-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der minderjährige Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 19. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, sein Heimatdorf sei von den Taliban beherrscht worden. Diese hätten sein Elternhaus zerstört und ihn rekrutieren wollen.

2 Mit Bescheid vom 21. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.

4 Begründend führte das BVwG aus, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei nicht glaubwürdig. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimatregion für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Der Revisionswerber stamme aus einem Dorf im Distrikt Bagram in der Provinz Parwan, das über den Flughafen Kabul und die "Ring Road" bei Tag weitgehend sicher erreichbar sei. Der Distrikt Bagram sei als vergleichsweise sicher und stabil einzustufen, zumal sich in unmittelbarer Nähe die "Bagram Air Base" befinde und somit Schutz für die Bevölkerung in diesem Distrikt vorhanden sei. Zwar könne die Sicherheitslage in einzelnen Distrikten der Provinz Parwan als volatil einzuschätzen sein. Der Distrikt Bagram zähle jedoch nicht zu den volatilen Distrikten und es werde vom Revisionswerber nicht verlangt, volatile Gegenden aufzusuchen oder über solche Gegenden in sein Heimatdorf zu reisen. Der Revisionswerber könne in sein Heimatdorf zu seinen Eltern und Geschwistern zurückkehren. Er verfüge über Schulbildung, sei arbeitsfähig, körperlich leistungsfähig sowie umfassend in Afghanistan sozialisiert, spreche eine der Landessprachen und sei mit den kulturellen Gegebenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Es könne auch unter Berücksichtigung der Vulnerabilität des minderjährigen Revisionswerbers nicht festgestellt werden, dass dieser in Afghanistan einer existenzbedrohenden Notlage ausgesetzt wäre, zumal er auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne. 5 Mit Beschluss vom 12. Dezember 2018, E 4712/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, die Feststellung, wonach die Eltern und Geschwister des Revisionswerbers im Heimatort des Revisionswerbers lebten, beruhe auf einer nicht nachvollziehbaren und nicht überprüfbaren Beweiswürdigung. Das BVwG hätte im Zweifel das Fehlen sozialer Netzwerke annehmen müssen.

10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN). 11 Das BVwG hat sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, er habe keinen Kontakt zu seiner Familie, auseinandergesetzt und ist mit näherer Begründung zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft sei. Die Revision legt nicht dar, dass die Beweiswürdigung insoweit unvertretbar wäre.

12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, das BVwG habe außer Acht gelassen, dass der Revisionswerber als Minderjähriger einer besonders vulnerablen Gruppe angehöre, und sich nicht damit auseinandergesetzt, welche Situation er bei einer Rückkehr vorfinden würde.

13 Damit macht die Revision einen Verfahrensmangel geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0406, mwN). Diesen Anforderungen genügt die Revision, die sich insoweit auf die bloße Behauptung einer Verletzung von Verfahrensvorschriften beschränkt, nicht. 14 Schließlich bringt die Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, wie klein ein "sicheres Gebiet" sein dürfe, auf welches ein Asylwerber verwiesen werde. Das BVwG habe ein wenige hundert Quadratkilometer umfassendes Gebiet als Herkunftsregion angenommen, dass selbst bei schlechten Straßenverhältnissen innerhalb kurzer Zeit durchquert oder auch "von außerhalb überall Ziel von Angriffen" werden könne. 15 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0196, mwN). 16 Die Revision legt nicht dar, dass hinsichtlich des Herkunftsortes des Revisionswerbers im Distrikt Bagram in der Provinz Parwan fallbezogen eine solche Situation bzw. solche Umstände bestünden. Dies gelingt ihr auch nicht mit dem - nicht näher begründeten - Vorbringen, dass angesichts der volatilen Lage in der Provinz Parwan der Heimatdistrikt des Revisionswerbers als ebenso gefährlich anzusehen und ein wiederholtes Verlassen dieses Gebietes kaum vermeidbar sei. Damit tritt die Revision, die sich lediglich auf die geringe Größe des Heimatdistrikts beruft, den Feststellungen des BVwG, wonach dieser Distrikt vergleichsweise sicher und stabil sowie weitgehend sicher erreichbar sei, nicht konkret entgegen.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140327.L01

Im RIS seit

18.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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