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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des Q N, in W, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2018, Zl. W270 2170787- 1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, welcher der Volksgruppe der Hazara angehört, stellte am 16. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er im Rahmen der Erstbefragung vor, die Sicherheitslage in Afghanistan sei sehr schlecht, Hazara und Schiiten würden von den Taliban und dem "Daesh" enthauptet. Im Fall einer Rückkehr fürchte er sich vor den Taliban, welche ihn einmal fast "mitgenommen" hätten. Im Rahmen seiner Einvernahme gab er an, neben der Grundschule eine Koranschule besucht zu haben. Dort sei er vom Mullah täglich misshandelt worden, weil er kein Interesse am Unterricht gehabt habe. Er habe nicht in einem Land leben wollen, in dem es nur um Religion gehe, weshalb er zunächst in den Iran und schließlich nach Europa geflohen sei. 2 Mit Bescheid vom 18. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde, in welcher unter anderem vorgebracht wurde, der Revisionswerber sei nicht ausreichend zu seinem Abfall vom Islam befragt worden, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach er sich zu keiner Religion bekenne, als unglaubwürdig erachtet. Es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Revisionswerber kein Atheist sei und ihm daher keine Verfolgung drohen würde. Aus diesem Grund sei das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs betreffend "schwerwiegende Verletzungen der Religionsfreiheit in Verbindung mit Apostasie" abgewichen. Vor diesen Ausführungen werden in der Zulässigkeitsbegründung Passagen höchstgerichtlicher Judikatur zitiert, welche sich damit beschäftigen, wann Verletzungen der Religionsfreiheit eine Verfolgung darstellen können bzw. wie eine solche zu prüfen ist. Zudem werden Berichte betreffend Gotteslästerung und Apostasie vorgelegt.
8 Entgegen der Ansicht im Zulässigkeitsvorbringen hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs genannten und in der Revision zitierten Aspekten betreffend die Prüfung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen kann, auseinandergesetzt (vgl. dazu VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, mwN). Zudem verkennt die Revision, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht per se die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, sondern vielmehr davon ausgeht, dass das zu erwartende Verhalten des Revisionswerbers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgungshandlungen nach sich ziehen werde. 9 Das Bundesverwaltungsgericht legt in seinen Erwägungen zunächst offen, warum es dem Vorbringen zum fluchtauslösenden Ereignis keinen Glauben schenkt bzw. dieses als nicht asylrelevant betrachtet. Dabei stützt es sich unter anderem auf zeitliche wie inhaltliche Widersprüche, die Steigerung des Vorbringens, aufgetretene Ungereimtheiten und den im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber. Zur behaupteten Apostasie des Revisionswerbers hält es fest, dass dieser grundsätzlich schiitischer Moslem sei, sich jedoch als Atheist bezeichne. Er nehme an keinen religiösen islamischen Praktiken teil, insbesondere bete oder faste er nicht. Ein innerer Entschluss, nach einer Rückkehr nach Afghanistan nach außen konkret kundzutun, nicht mehr gläubig zu sein bzw. sich als Atheist zu bezeichnen, sei nicht festzustellen. Ebensowenig bestehe ein innerer Entschluss, nach außen hin Handlungen oder Maßnahmen gegen den Islam zu setzen oder sich zu äußern. Der Revisionswerber habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, vor Religionen Respekt zu haben und mit anderen Afghanen nicht über diese zu sprechen. Zudem wies das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass für Apostasie nach der (afghanischen) Rechtslage zwar massive Strafen bis hin zum Tod vorgesehen seien, diese nach Berichten zur faktischen Situation vor Ort jedoch nicht vollzogen würden. Aus den Berichten ergebe sich unter anderem, dass ein Leben in der afghanischen Gesellschaft für Personen, die über die Ablegung ihres islamischen Glaubens Stillschweigen bewahren, möglich sei, wobei die Ansichten insbesondere bei Schiiten liberaler seien. Im städtischen Bereich sei es möglich, auf Moscheebesuche oder das Fasten zu verzichten. 10 Soweit die Revision vermeint, das Bundesverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Revisionswerber kein Atheist sei, übersieht sie, dass das Bundesverwaltungsgericht ohnedies davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerber Atheist ist, der jedoch aus den oben dargestellten Erwägungen keine Verfolgung zu gewärtigen hat.
11 Der Revision gelingt es mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht darzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbare Beweiswürdigung vorzuwerfen wäre (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab etwa VwGH 25.2.2019, Ra 2019/19/0017, mwN). 12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190334.L00Im RIS seit
11.10.2019Zuletzt aktualisiert am
11.10.2019