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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/19/0227Ra 2019/19/0228Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache 1.) der M G,
2.) der F I, und 3.) des A G, alle vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2019,
1.) W220 2215903-1/8E, 2.) W220 2215904-1/8E und 3.) W220 2215898- 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige Kasachstans. Die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber sind die minderjährigen Kinder der Erstrevisionswerberin. Sie stellten am 11. Jänner 2015 Anträge auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheiden vom 12. Februar 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diese Anträge sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen alle revisionswerbenden Parteien Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Kasachstan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA jeweils mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils für nicht zulässig erklärt.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe entgegen der Judikatur Art. 8 EMRK nicht berücksichtigt. Ferner habe das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Trotz Vorliegens divergierender Aussagen zwischen Erstbefragung und Einvernahme durch das BFA hätte das Vorbringen der Erstrevisionswerberin zur behaupteten Bedrohung durch ihren Ehegatten in einer mündlichen Verhandlung überprüft werden müssen. Darüber hinaus hätte sich das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen selbst ein Bild über die bei der Erstrevisionswerberin vorliegenden Erkrankungen machen müssen.
8 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Soweit die revisionswerbenden Parteien ein Versäumnis des Bundesverwaltungsgerichtes dahingehend behaupten, es habe Art. 8 EMRK nicht berücksichtigt, ist ihnen entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht eine ausführliche Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK vorgenommen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2018/18/0037, mwN). Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. 9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0302, mwN). 10 Die Revision zeigt nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall von diesen Leitlinien abgewichen wäre. Die bloße Behauptung einer Verletzung der Verhandlungspflicht unter Hinweis auf die vom BVwG übernommene Berücksichtigung von Widersprüchen zwischen den von der Erstrevisionswerberin im Rahmen der Erstbefragung und der Einvernahme gemachten Angaben zu ihren Fluchtgründen seitens des BFA genügt dafür nicht, zumal diese Erwägungen des BFA in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten bzw. die Widersprüche dort nicht aufgeklärt wurden.
11 Ebenso wenig vermag ein pauschaler Verweis auf den Amtswegigkeitsgrundsatz im Zusammenhang mit Erkrankungen der Erstrevisionswerberin eine Verletzung der Verhandlungspflicht darzutun, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0557, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung seiner Ermittlungspflichten im gegenständlichen Fall grob fehlerhaft agiert hätte, wird von der Revision nicht behauptet.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190226.L00Im RIS seit
11.10.2019Zuletzt aktualisiert am
11.10.2019