TE Vwgh Beschluss 2019/9/2 Ra 2019/03/0094

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
WaffG 1996 §25 Abs3
WaffG 1996 §8 Abs1
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2
WaffV 02te 1998 §3 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des M M in W, vertreten durch Mag. Thomas Mayer in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7/63, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 21. Mai 2019, Zl. VGW-103/064/590/2019-21, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht - durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - dem Revisionswerber gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG die Waffenbesitzkarte entzogen; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:

3 Anlässlich einer waffenrechtlichen Überprüfung habe der Revisionswerber, aufgefordert den Verwahrungsort seiner Schusswaffe Smith & Wesson zu zeigen, die einschreitenden Exekutivbediensteten in das Kabinett der Wohnung - in der neben dem Revisionswerber noch seine Mutter und sein Bruder anwesend gewesen seien - geführt, wo die Waffe unter dem Kopfpolster gelegen sei. Die Wohnung bestehe aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einem Vorzimmer, einem Badezimmer, einem WC und einer Küche mit angeschlossenem Kabinett. Der Revisionswerber bewohne das von der Küche über einen (mit einem Vorhang, nicht aber mit einer Tür verschlossenen) Durchgang erreichbare Kabinett, in dem sich ein versperrbarer Safe befinde. Schlüssel zur Wohnung hätten nur die Bewohner, also der Revisionswerber, seine Mutter und sein Bruder, sowie der Vater des Revisionswerbers (ebenfalls Inhaber eines waffenrechtlichen Dokuments), der sich in der Wohnung bloß sporadisch aufhalte.

4 Der Revisionswerber verwahre die Schusswaffe in dem als Schlafraum fungierenden Kabinett, "zum Teil im versperrten Safe und zum Teil in seinem Bett unter dem Kopfpolster". Hingegen habe der Behauptung des Revisionswerbers, wonach er die Waffe zum Schlafengehen unter den Kopfpolster lege und sie nach dem Aufstehen wieder im Safe einsperre, sie sich also stets in seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich befinde, nicht gefolgt werden können (er habe für dieses Vorbringen, das zudem mangels erkennbarer Gefahrenlage jeder Logik entbehre, keinen Grund genannt; vielmehr habe er offensichtlich nach einer Erklärung dafür gesucht, dass seine Schusswaffe anlässlich der waffenrechtlichen Überprüfung in seinem Bett aufgefunden worden war). Es sei also davon auszugehen, dass er die Waffe nicht nur nachts, sondern auch mitunter tagsüber in seinem Bett aufbewahre. 5 Nach einer Wiedergabe der maßgebenden Rechtsvorschriften und von sich aus der Judikatur ergebenden Grundsätzen für die Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führte das Verwaltungsgericht - fallbezogen - aus, der Revisionswerber habe seine Schusswaffe regelmäßig in seinem Bett im Kabinett der Familienwohnung aufbewahrt. Dass die im gemeinsamen Haushalt wohnhaften Mitbewohner ungehindert Zugang zum Kabinett hätten, ergebe sich daraus, dass dieser Raum von der Küche lediglich durch einen Vorhang getrennt sei. Es liege daher keine sorgfältige Verwahrung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG vor, weshalb der Revisionswerber als unzuverlässig zu qualifizieren sei. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten hätte.

11 Der Revisionswerber erachtet die Revision - entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts - deshalb als zulässig, weil die Rechtsfrage, wie ein Waffenbesitzer seine Schusswaffe vor dem Zugriff von Mitbewohnern schützen müsse, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe und deshalb eine diesbezügliche Leitentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vonnöten sei. Die in Revision gezogene Entscheidung weiche von der bisherigen (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insofern ab, als es an einer konkreten Feststellung fehle, dass nicht über waffenrechtliche Dokumente verfügende Mitbewohner ungehinderten Zugang zur Waffe hätten. Zudem sei die vorliegende Rechtsprechung angesichts von VwGH 91/01/0081 vom 19.9.1991, wonach aus der zeitweiligen Verwahrung einer Faustfeuerwaffe in einem Versteck in einem Büroraum, zu dem nur die Ehefrau des Beschwerdeführers Zutritt gehabt habe, nicht auf eine mangelnde Verlässlichkeit iSd WaffG geschlossen werden könne, uneinheitlich. Schließlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, wie weit ein Waffenbesitzer bei möglicher Anwesenheit von Personen ohne waffenrechtliche Dokumente Maßnahmen treffen müsse, um einen möglichen Zugriff dieser Personen auf die Waffe zu verhindern. 12 Damit werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

13 Gemäß § 25 Abs. 3 WaffG sind waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich aus Anlass einer Überprüfung der Verlässlichkeit gemäß § 25 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG ergibt, dass die berechtigte Person nicht mehr verlässlich ist. Von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung ist allerdings abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.

14 Verlässlich ist ein Mensch gemäß § 8 Abs. 1 WaffG u.a. nur dann, wenn keine Tatsache die Annahme rechtfertigt, dass er Waffen nicht sorgfältig verwahren wird (§ 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall WaffG). Gemäß § 3 Abs. 1 der 2. WaffV ist eine Schusswaffe sicher verwahrt, wenn der Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt. Für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen und Munition sind insbesondere die in § 3 Abs. 2 der 2. WaffV genannten Umstände betreffend den Schutz von Waffen und Munition maßgeblich (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/03/0034).

15 Die Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde gemäß § 25 Abs. 3 WaffG stellt keine Ermessensentscheidung dar, vielmehr ist die Behörde bei mangelnder Verlässlichkeit verpflichtet, die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen. Mit Entziehung ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs. 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/03/0034, 20.12.2016, Ra 2016/03/0113, 21.6.2017, Ra 2017/03/0057, 9.5.2018, Ra 2018/03/0046, jeweils mwN). 16 Die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung von Waffen trifft zwar auch den Alleinbewohner eines Hauses bzw. einer Wohnung; auch ein solcher hat Minimalanforderungen an die Verwahrung seiner Waffe (auch innerhalb einer stets versperrt gehaltenen Wohneinheit) zu erfüllen. Strengere Maßstäbe sind aber dann anzulegen, wenn die Wohneinheit mit Mitbewohnern geteilt oder aus anderen Gründen nicht nur ganz vereinzelt von Dritten betreten wird (vgl. VwGH 23.10.2013, 2013/03/0075, mwN). Der Inhaber eines waffenrechtlichen Dokuments erfüllt seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben. Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinne des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einer im selben Haushalt lebenden Person, die Waffe versperrt zu verwahren (vgl. nur etwa - erneut - VwGH Ra 2017/03/0057, Ra 2018/03/0046).

17 Die Beurteilung der sorgfältigen Verwahrung iSd § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab; eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. nur etwa VwGH 25.10.2017, Ra 2017/03/0093). 18 Das Verwaltungsgericht ist - auf Basis einer mündlichen Verhandlung, in der u.a. der Revisionswerber selbst vernommen wurde - zum Ergebnis gelangt, dass die Verwahrung der Schusswaffe durch den Revisionswerber, nämlich (auch tagsüber) zum Teil unter dem Kopfpolster im Bett des von ihm bewohnten, nur durch einen Vorhang von der anschließenden Küche abgetrennten Kabinetts der Wohnung, in der neben dem Revisionswerber auch seine Mutter und sein Bruder leben, nicht den Sorgfaltsanforderungen des § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG entspricht.

19 Diese Beurteilung hält sich (entgegen dem Revisionsvorbringen) innerhalb der durch die Judikatur gezogenen Leitlinien, wonach die sorgfältige Verwahrung grundsätzlich auch gegenüber im selben Haushalt lebenden Personen verlangt, die Waffe versperrt zu verwahren (vgl. - erneut - VwGH Ra 2017/03/0057, Ra 2018/03/0046). Die im Revisionsfall zu beurteilende Konstellation ist auch nicht etwa vergleichbar mit jener, die VwGH 19.9.1991, 91/01/0081, zu Grunde lag (im Büro hinter Aktenordnern in einem unversperrten Schrank versteckte Faustfeuerwaffe; Zutritt der Ehefrau zum Büro). Der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu einem Sachverhalt wie dem vorliegenden fehlt, begründet noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn das Verwaltungsgericht wie hier die Leitlinien der Rechtsprechung beachtete (vgl. VwGH 20.1.2017, Ra 2015/03/0062, mwN).

20 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. September 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030094.L00

Im RIS seit

11.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten