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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des J W, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. April 2019, Zl. W261 2170125- 1/20E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stammt aus der Stadt Kabul und stellte am 3. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit der Sicherheitslage in Afghanistan begründete, weil er vier Brüder durch Bombenanschläge verloren habe.
2 Mit Bescheid vom 19. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen gerichtete Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Begründung der Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, das BVwG habe seine Begründungspflicht verletzt, weil es eine Gruppenverfolgung von Hazara in ganz Afghanistan, insbesondere in Kabul, auf Grund einer nicht näher nachvollziehbaren Gesamtschau der Länderberichte verneint habe. Der Revisionswerber erachte sich zudem in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt, weil ihm das BVwG zwar formal eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt habe, diese aber nicht berücksichtigt worden sei. Zudem erfülle der Revisionswerber als verwestlicht wahrgenommene Person ein besonderes Risikoprofil, und es drohe ihm auch asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Abkehr vom Islam. Ferner habe das BVwG dem Beweisantrag auf Einholung eines ärztlichen Gutachtens nicht entsprochen. In Bezug auf die Sicherheitslage in Afghanistan, speziell in Kabul und Mazar-e Sharif, habe das BVwG keine aktuellen Länderberichte herangezogen. Dem Erkenntnis des BVwG fehle es zudem an einer Begründung, weswegen die Angaben des Revisionswerbers zum Fehlen eines familiären Netzwerks und der fehlenden Möglichkeit finanzieller Unterstützung nicht berücksichtigt worden seien. Bei der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK sei das BVwG von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. 5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision Verfahrensmängel geltend gemacht werden, reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel - in konkreter Weise - darzulegen (vgl. etwa VwGH 29.1.2019, Ra 2018/18/0399, mwN). 10 Sofern die Revision einen Begründungsmangel des BVwG rügt, zeigt sie in ihrem Zulässigkeitsvorbringen damit keinen relevanten Verfahrensfehler auf. Im vorliegenden Fall hat das BVwG eine asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Revisionswerber im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, verneint. Wenn die Revision diverse Berichte über die Situation von Hazara in Afghanistan zitiert, zeigt sie damit nicht auf, dass dem Revisionswerber bei einer Rückkehr nach Afghanistan - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - eine Gruppenverfolgung drohen könnte (vgl. zur Gruppenverfolgung der Hazara VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0428, mwN). Die in der Revisionsbegründung in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verletzung des Rechts auf Parteiengehör vermag auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Aus dem vorliegenden Akteninhalt ergibt sich, dass die vom Revisionswerber eingebrachte Stellungnahme vom BVwG berücksichtigt worden ist, weshalb ein Verstoß gegen das Recht auf Parteiengehör nicht ersichtlich ist.
11 Soweit die Revision die Beweiswürdigung des BVwG beanstandet, ist darauf hinzuweisen, dass eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwirft (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0048, mwN). Das BVwG hat eine westliche Orientierung und Apostasie des Revisionswerbers für nicht glaubhaft befunden. Die Revision zeigt nicht auf, dass die dazu vorgenommene Beweiswürdigung des BVwG in einer unvertretbaren Weise erfolgt wäre.
12 Insofern die Revision einen Ermittlungsmangel infolge der Verwendung veralteter Länderinformationen, speziell zur Sicherheitslage in Kabul und Mazar-e Sharif, rügt, zeigt sie nicht auf, welche relevanten Feststellungen das BVwG unterlassen hätte. Das BVwG hat aktuelle Berichte zur Lage in Afghanistan sowie die persönlichen Umstände des Revisionswerbers berücksichtigt. Es hat sich weiters mit den UNHCR-Richtlinien in gebotener Weise auseinander gesetzt (vgl. dazu etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). Ausgehend davon ist die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif zur Verfügung, am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden (vgl. hierzu VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0717, mwN).
13 Auch mit der Ablehnung der Beweisanträge zeigt die Revision keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der Unterlassung einer Beweisaufnahme dann kein Verfahrensmangel gelegen, wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist (vgl. VwGH 14.10.2016, Ra 2016/18/0260, mwN). Beweisanträge dürfen weiters dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0033, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht zu sehen. 14 Soweit die Revision schließlich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK angreift, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2019/18/0063, mwN). Eine solche Mangelhaftigkeit der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung hat die Revision fallbezogen jedoch nicht aufgezeigt.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. September 2019
Schlagworte
BeweismittelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180169.L00Im RIS seit
25.10.2019Zuletzt aktualisiert am
25.10.2019