Index
19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des B E, vertreten durch Mag. Andreas Reichenbach, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Theobaldgasse 15/21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2019, Zl. W214 2190609- 1/28E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist syrischer Staatsangehöriger, stammt aus Al Mayadin und gehört der Volksgruppe der Araber an. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 19. August 1992 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. Juli 2017, 24 Hv 33/17x, wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs Unmündiger nach § 206 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
3 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Februar 2018 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Weiters wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien unzulässig sei, eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ein Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 5 Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BVwG mit der strafrechtlichen Verurteilung, nahm im Hinblick darauf eine näher begründete Gefährdungsprognose vor und kam zu dem Ergebnis, dass eine positive Zukunftsprognose nicht vorgenommen werden könne.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG hätte die für die Aberkennung des Asylstatus notwendige Gemeingefährlichkeit anhand der Zukunftsprognose unrichtig beurteilt und eine Güterabwägung nicht durchgeführt. 7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt.
12 Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: Der Revisionswerber muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden, drittens gemeingefährlich sein, und viertens die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung müssen seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen (vgl. VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN). 13 Unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind nach der hg. Rechtsprechung etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Auf die Strafdrohung allein kommt es bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, nicht an (vgl. VwGH 26.2.2019, Ra 2018/18/0493, mwN). 14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Das hat sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose bzw. für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots Geltung. Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit einer Beurteilung nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorzunehmende Gefährdungsprognose. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass im Rahmen einer Gefährdungsprognose nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/19/0186, mwN).
15 Das BVwG ging im vorliegenden Fall davon aus, dass sämtliche Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 erfüllt seien. Der Revisionswerber wurde wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs seiner minderjährigen Tochter unter Ausnutzung eines Autoritätsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Bei Kindesmissbrauch handelt es sich, wie aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich ist, um ein typischerweise besonders schweres Verbrechen. 16 Das BVwG hat zudem nähere Feststellungen zur Straftat des Revisionswerbers und den Milderungsgründen, wie das Wohlverhalten während des Haftaufenthaltes und seine berufliche Integration, getroffen und sich mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers und mit der von ihm ausgehenden zukünftigen Gefährdung auseinandergesetzt. Diesbezüglich berücksichtigte das BVwG auch eine gegen den Revisionswerber erlassene einstweilige Verfügung, die Tatsache, dass er für seine Tat keine Verantwortung übernommen und keine Reue gezeigt habe, den kaum vorhandenen familiären Kontakt sowie die Einsch??tzung des Jugendamtes, dass er für seine Tochter sowie seine Ehefrau und seine übrigen Kinder, welche derzeit in einem Frauenhaus leben würden, eine Gefahr darstelle.
17 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Gefährdungsprognose nicht auf verfahrensrechtlich einwandfreier Grundlage bzw. unvertretbar erfolgt wäre (vgl. auch VwGH 10.7.2019, Ra 2019/19/0186, sowie 25.2.2016, Ra 2016/21/0022).
18 Sofern die Revision schließlich die im Rahmen der Rückkehrentscheidung durchgeführte Interessenabwägung rügt, ist auszuführen, dass das BVwG in seiner Interessenabwägung die lange Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers, seine persönlichen Umstände, seinen Gesundheitszustand, seine Integrationsschritte sowie sein Privatleben berücksichtigte. Dass diese Abwägung unter einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehlerhaftigkeit leide, ist nicht erkennbar.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. September 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180358.L00Im RIS seit
25.10.2019Zuletzt aktualisiert am
25.10.2019