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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M A, vertreten durch Raphael Seidler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 3-5/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2019, Zl. W175 2176567- 1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ein Staatsangehöriger Somalias, stammt aus einem näher bezeichneten Dorf nahe der Stadt Buulo Barde im Bundesstaat HirShabelle und gehört dem Clan der Hawadle an. Er stellte am 13. Juni 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass die Al Shabaab ihn habe rekrutieren wollen. Angehörige der Al Shabaab hätten ihn eingesperrt und geschlagen, bis ihm schließlich die Flucht gelungen sei.
2 Mit Bescheid vom 13. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 In seiner Begründung bezüglich der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten führte das BVwG zusammengefasst aus, dass zwar gelegentliche Zwangsrekrutierungen durch die Al Shabaab im Bundesstaat HisShabelle verzeichnet worden seien, es jedoch dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine konkrete Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft darzulegen. Hinsichtlich der Nichtgewährung subsidiären Schutzes legte das BVwG dar, der Revisionswerber verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte, sowie Berufserfahrung und es könne nicht festgestellt werden, dass in Somalia eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage beziehungsweise eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat als unrechtmäßig erscheinen ließe.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen einen Begründungsmangel in der Beweiswürdigung moniert und dazu vorbringt, das BVwG hätte Feststellungen treffen müssen, ob der Revisionswerber im Falle einer Rückkehr durch die Al Shabaab individuell gefährdet wäre. Darüber hinaus verweist die Revision auf die Dürrekatastrophen der Jahre 2016 und 2017 und rügt, dass das BVwG nicht erörtert habe, wie der Revisionswerber zu seiner nomadisch-lebenden Familie zurückkehren könne, da diese nirgends ansässig sei und von Wasserstelle zu Wasserstelle wandere. Hierzu würde eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gänzlich fehlen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Unter Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der hg. Rechtsprechung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss dem Revisionswerber bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0572, mwN).
11 Sofern die Revision in diesem Zusammenhang die Beweiswürdigung des BVwG beanstandet, ist ihr zu entgegnen, dass eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwirft (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0048, mwN). 12 Das BVwG setzte sich im Revisionsfall mit dem bereits erfolgten Rekrutierungsversuch sowie einer möglichen Zwangsrekrutierung im Falle einer Rückkehr auseinander und gelangte dahingehend nicht unvertretbar zu dem Ergebnis, dass eine konkrete Verfolgung aufgrund der vagen und teilweise widersprüchlichen bzw. unplausiblen Angaben des Revisionswerbers nicht glaubhaft vorgebracht worden sei und eine gezielte Verfolgung durch die Al Shabaab daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe.
13 Eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlerhaftigkeit dieser Beweiswürdigung vermochte die Revision nicht darzulegen.
14 Sofern sich die Revision gegen die Nichtgewährung subsidiären Schutzes wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dazu nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK seitens des Betroffenen notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0200, mwN). 15 Im Revisionsfall hat das BVwG im angefochtenen Erkenntnis konkrete Feststellungen betreffend die aktuelle Sicherheits- und Versorgungslage (unter Berücksichtigung der Dürre) in der Herkunftsregion des Revisionswerbers getroffen und sich auch mit dessen persönlicher Situation auseinandergesetzt (vgl. zur Dürre auch bereits VwGH 18.3.2019, Ra 2018/18/0538, mwN). 16 Soweit die Revision erstmals in den Raum stellt, der Revisionswerber könne zu seiner nomadisch lebenden Familie mangels fester Ansässigkeit und Auffindbarkeit nicht zurückkehren, ist darauf hinzuweisen, dass ein in einer Revision erstmals erstattetes Vorbringen eine unzulässige Neuerung darstellt, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich (§ 41 VwGG) ist. Zudem machte der Revisionswerber vor dem BVwG sehr wohl nähere Angaben zu den Wohnorten seiner Familie, und stellte das BVwG fest, dass Kontakt zur Familie bestehe. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Revisionswerber um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann handelt, welcher über Schulbildung und Berufserfahrung verfügt und insofern grundsätzlich selbsterhaltungsfähig ist, sodass auch eine Relevanz dieser Feststellungsrüge nicht erkennbar ist.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. September 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180273.L00Im RIS seit
25.10.2019Zuletzt aktualisiert am
25.10.2019