TE Dok 2019/3/26 42091-19

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2019
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §43a

Schlagworte

Verstoß gg Dienstordnung Verh. v. Poliezibedienstete

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. ist schuldig,

 

1.   er hat einer Kollegin wiederholt an ihrem Arbeitsplatz in unerwünschter Weise Komplimente gemacht und ihr dabei - auch unerwünscht – über deren Schulter gestreichelt, und sie durch dieses Verhalten sexuell belästigt,

 

2.   er hat auf dem Gang des Verkehrsamtes versucht, diese Kollegin, gegen deren Willen zu küssen und diese dadurch sexuell belästigt,

 

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG, § 43 a BDG, § 8 Abs. 2 Z. 1 B-GlBG, § 16 B-GlBG und der Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ Pkt. II.2 i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 3 BDG eine Geldstrafe in der Höhe von € 5.000,- (in Worte: fünftausend) verhängt.

Seitens des Beschuldigten wurde gemäß § 127 BDG eine Ratenzahlung beantragt und seitens des Senates im Ausmaß von 10 Monatsraten à € 500,- bewilligt.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, schwere Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, ergibt sich aus der Disziplinaranzeige.

Zunächst langte in der Personalabteilung über N.N. eine Sachverhaltsdarstellung von der Geschädigten ein, in welcher sie einen Vorfall meldete, wonach sie am selbigen Tag von N.N. belästigt worden wäre, indem er sich ihr genähert und versucht habe zu küssen.

Die Geschädigte ist als Verwaltungspraktikantin tätig.

Die Zeugin wurde in der Personalabteilung niederschriftlich zum Vorfall befragt, wobei sie angab, N.N. habe immer wieder Körperkontakt zu ihr gesucht und ihr Komplimente gemacht. N.N. hätte der Zeugin jedes Mal, wenn er das Büro betrat, Komplimente wie „Schöne, hübsche Frau!“ gemacht. Dabei soll er immer wieder betont haben, dass er nur wegen einem Kennzeichen vorbei käme, um sie zu sehen. Die Zeugin gab an, dass ihr N.N. immer wieder über die Schulter gestreichelt habe, was ihr unangenehm gewesen sei. Auch habe er sie gefragt, wann sie denn 18 Jahre alt werde, denn dann würde er mit ihr auf einen Kaffee gehen.

Am ersten Arbeitstag der Zeugin, nach deren Krankenstand, habe N.N. sie gefragt, ob es ihr schon besser gehe. Als ihm die Zeugin gesagt habe, dass es ihr besser gehe, habe sich N.N. gefreut und ihr eine Schachtel Schokolade geschenkt. Die Zeugin habe diese entgegengenommen und sich höflich bedankt. Danach sei N.N. in ein anderes Zimmer gegangen, um etwasw abzugeben. Als die Zeugin kurz später am Gang wieder auf N.N. traf, habe er sie erneut gefragt, ob sie schon 18 Jahre alt sei. Dies habe sie mit „Nein“ beantwortet. Auch habe N.N. die Zeugin gefragt, ob diese einen Freund hat. Auch dies wurde von ihr mit „Nein“ beantwortet. N.N. habe dann zur Zeugin gesagt, dass er nun ihr neuer Freund sei und er sie zum Essen einladen will. Er habe sie gefragt, ob sie am Samstag Zeit hätte um einen Kaffee trinken zu gehen. Die Zeugin hat zu ihm gesagt, dass sie noch krank sei und kein Interesse daran hätte, mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen, da er wesentlich älter ist als sie. N.N. habe jedoch weiter gefragt, in welchem Bezirk die Zeugin wohnen würde, damit er sie mit dem Auto abholen kann. Die Zeugin habe erneut zu ihm gesagt, dass dies nicht nötig sei und sie das Treffen ablehne. Auch habe N.N. gesagt, dass er wegen einem Treffen mit ihr eingesperrt werden könnte, da sie ja noch nicht 18 Jahre alt sei. Zwischendurch habe N.N. der Zeugin die ganze Zeit über die Schulter gestreichelt. Die Zeugin habe versucht, Abstand zu halten. Dann habe N.N. einen Arm um sie gelegt und versucht, sie auf den Mund zu küssen. Die Zeugin habe versucht, der Situation zu entkommen, indem sie nach hinten ausweichen wollte. N.N. hätte sie dabei weiterhin festgehalten und nicht auslassen wollen. Dann habe die Zeugin N.N. von sich weggestoßen, um zurück in das Büro zu gehen. N.N. habe dann nichts mehr gesagt und sei gegangen.

Weiters wird von der Zeugin angeführt, dass sie die Berührungen von N.N. sehr gestört und eingeschüchtert hätten. Sie habe aber nichts sagen wollen, da sie eine neue Mitarbeiterin war, nicht frech sein wollte und sich nicht dachte, dass dies von N.N. schlecht gemeint sein könnte.

Den Vorfall habe sie unmittelbar danach ihren Kollegen erzählt, welche ihr dazu geraten haben, den Vorfall zu melden.

Stellungnahmen der Zeugen

Von Zeuge A wird angegeben, N.N. habe im November 2018 gesagt, er werde jetzt jeden Tag kommen, um die Geschädigte zu sehen, da sie so hübsch sei. Sie habe zuerst gedacht, N.N. versucht nur Spaß zu machen. Doch dann habe er immer wieder versucht, die Geschädigte beim Begrüßen mit seinem Gesicht immer näher zu kommen.

Von 2 weiteren Zeugen, wird angegeben, sie hätten beobachten können, dass N.N. immer wieder Körperkontakt zur Geschädigten gesucht habe. Wenn sie jedoch nicht da war, habe er sich nach ihr erkundigt.

Der Vorfall, wo N.N. versucht habe, die Geschädigte zu küssen, sei von keinem der Zeugen wahrgenommen worden, da sich dies am Gang des Amtes zugetragen haben soll und sich die restlichen Mitarbeiter zu dieser Zeit in ihren Büros befunden haben.

Verantwortung:

Der Beamte hat jedoch eine schriftliche Stellungnahme übermittelt, aus welcher hervorgeht, dass er den Vorwurf der sexuellen Belästigung entschieden zurückweist und bestreitet.

Anlastungen durch die Dienstbehörde:

N.N.steht im Verdacht, die Geschädigte an ihrem Arbeitsplatz wiederholt und in unerwünschter Weise Komplimente gemacht und ihr dabei über die Schulter gestreichelt zu haben. Weiters, dass er sie gegen ihren Willen versucht habe sie zu küssen und durch dieses der Sexualsphäre zuzuordnende Verhalten die Dienstpflichtverletzungen gem. §§ 43 Abs. 2, 43a BDG 1979 begangen und gegen § 8 Abs. 2 Z. 1 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetztes (DA P 305/a/04 vom 24.08.2004) verstoßen zu haben. Weiters steht N.N. im Verdacht, gegen die Dienstanweisung P4/113730/1/2014 vom 19.05.2014 „Allgemeine Polizeidienstrichtlinien“, Pkt. II.2, „Auftreten“ verstoßen und in diesem Zusammenhang eine Dienstpflichtverletzung nach. § 44 Abs. 1 BDG 1979 begangen zu haben.

Bisherige disziplinäre Maßnahmen:

Vorerst wurde über N.N. gem. § 92 Abs. 1 Zi. 2 BDG die rechtskräftige Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von € 250,- verhängt. N.N. wurde schuldig gesprochen, er habe eine Reinigungskraft zunächst mit Komplimenten wie „schöner, kleiner Zwerg“ verbal belästigt und in weiterer Folge habe er sie in die Arme genommen und hochgehoben, wobei er ihr über den Rücken gestreichelt habe. Weiters habe N.N. mit der gesamten Handfläche auf das Gesäß der Reinigungskraft gegriffen und diese dadurch sexuell belästigt. Weiters habe N.N. eine Reinigungskraft gefragt, ob sie müde vom Sex mit den vielen Männern sei.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 43 a BDG: Beamtinnen und Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind

§ 8 B-GBG: Jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes nach den §§ 3 bis 7 durch eine Bedienstete oder einen Bediensteten verletzt die Verpflichtungen, die sich aus dem Dienstverhältnis ergeben, und ist nach den dienst- und disziplinarrechtlichen Vorschriften zu verfolgen

§ 16 B-GBG: (1) Eine Diskriminierung nach § 13 liegt auch vor, wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer im Zusammenhang mit seinem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

von der Vertreterin oder vom Vertreter des Dienstgebers selbst belästigt wird,

2.

durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers dadurch diskriminiert wird, indem sie oder er es schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte eine angemessene Abhilfe zu schaffen oder

3.

durch Dritte belästigt wird.

(2) Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Verhaltensweise, die mit einem der Gründe nach § 13 in Zusammenhang steht, gesetzt wird,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die die Würde der betroffenen Person beeinträchtigt oder dies bezweckt,

2.

die für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

3.

die eine einschüchternde, feindselige, entwürdigende, beleidigende oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

(3) Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung zur Belästigung einer Person vor.

 

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Zum Schuldspruch:

Der Beschuldigte steht im Verdacht, aufgrund unten näher ausgeführten Verhaltensweisen gegenüber einer 17jährigen Verwaltungspraktikantin den gebotenen achtungsvollen Umgang außer Acht gelassen und damit gegen die in § 43 a BDG 1979 sowie in § 16 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) normierten Dienstpflichten verstoßen zu haben.

Der Vorwurf lautete dahingehend, dass der Beamte die 17jährige mehrmals entgegen deren Willen an Oberarm und Schulter streichelte, sich ihr mit seiner Körperhaltung distanzlos näherte und sie einmal versuchte zu küssen, indem er sie an der Schulter festhielt und gegen die Wand drückte. Der Zeugin gelang es jedoch, den Beschuldigten von sich zu stoßen und ins Büro zurückzukehren.

Der beschuldigte Beamte rechtfertigte sich dahingehend, dass er dem Mädchen nur Verständnis entgegenbringen wollte, weil sie ihm von ihren Problemen erzählt hätte. Er bestritt jedoch, die Zeugin überhaupt berührt zu haben. Eine allenfalls zufällige oder unabsichtliche Berührung konnte der Beamte nicht hundertprozentig ausschließen.

Eine gewollte Berührung an Oberarmen und Schulter oder gar Festhalten beim Versuch sie zu küssen habe es dagegen nie gegeben, auch nicht den Versuch sie zu küssen.

Wie sich aus § 43a BDG 1979 eindeutig ergibt, haben Beamtinnen und Beamte als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind. Im gegenständlichen Fall besteht aufgrund der zeugenschaftlichen Aussage des Opfers und auch der glaubhaften Aussagen der weiteren Zeugen unter Wahrheitserinnerung der begründete Verdacht, der Beschuldigte hat die 17jährige Verwaltungspraktikantin mehrmals körperlich bedrängt und letztlich sogar versucht zu küssen.

Auch wenn der Beschuldigte nunmehr zweideutige Hintergedanken energisch bestreitet, erscheinen die ihm vorgeworfenen Handlungen durchaus geeignet, von einer dritten Person als Belästigungen, also als unerwünschte Verhaltensweisen wahrgenommen zu werden, welche für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sind (vgl. § 16 Abs. 2 Z 2 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz).

Insofern der Beschuldigte von normalen Gesprächen ohne zweideutigen Hintergedanken spricht, muss wohl bereits der Vorschlag an eine Verwaltungspraktikantin, diese von der Privatadresse mit dem Auto abzuholen, sie zum Essen einzuladen oder sich auf einen Kaffee zu treffen, sie um ihre Telefonnummer zu bitten und diese immer wieder zu fragen, wann sie bald 18 Jahre alt werde, als unüblich bezeichnet werden und erscheint auch geeignet gewisse Zweifel bezüglich der diesbezüglichen wahren Beweggründe aufzuwerfen.

Für beide Verhaltensweisen, also verbale und körperliche Distanzlosigkeit gilt, dass die jeweilige Grenze des Anstandes überschritten worden ist. Dies hat nicht nur die Geschädigte so empfunden, sondern auch die übrigen Zeugen.

Die Judikatur geht bei dienstlichem Verhalten von einem strengeren Maßstab aus als bei sexueller Annäherung außer Dienst. Vorliegendenfalls haben beide Vorfälle während des Dienstes stattgefunden.

Die Zeugin hat darüber hinaus in eindrucksvoller Weise geschildert und auch vorgezeigt, wie der Beschuldigte ihrer Kollegin nahe gekommen ist.

Die Berufungskommission führt in ihrem Judikat zu BK 12.5.99, 5/11-BK/99 an, dass "der Beamte nicht nur seine Dienstgeschäfte ordnungsgemäß zu erledigen hat, sondern sich insbesondere im Dienst auch an die Regeln der Sitte und des Anstandes zu halten hat.“

Das vorliegende distanzlose Verhalten ist sohin nicht nur als standeswidriges Verhalten zu definieren, bei welchem die Schwelle des Anstandes überschritten wurde, sondern auch als Verhalten ohne Wertschätzung, ohne Achtung und Respekt zu werten, weil dies für die 17jährige Kollegin unerwünscht, unangebracht und einschüchternd gewirkt hat (vgl. § 16 Abs. 2 Z 2 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz)

Dass eine 17jährige junge Frau, die erst kurze Zeit ihren neuen Arbeitsplatz hat, einen über 60jährigen uniformierten Beamten nicht sofort in die Schranken weist und statt dessen das distanzloses Verhalten erduldet und erträgt, ist wohl aus der allgemeinen Lebenserfahrung ableitbar und bedarf keiner näheren Erörterung.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind außerdem die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistungen.

Nach der jüngsten Judikatur des VwGH hat sich der Senat zudem ein umfassendes Bild des Beschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig erscheint.

Eine Bestrafung muss grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlungen stehen und muss spezial-und generalpräventiv erforderlich sein.

Der Beamte hat insofern Dienstpflichtverletzungen begangen, indem er mehrmals die 17jährige Kollegin sexuell belästigte.

 

Als mildernd konnten lediglich 23 Belobigungen herangezogen werden.

Erschwerend war hingegen der Umstand zu werten, dass der Beamte bereits einschlägig disziplinarrechtlich verurteilt wurde und bis zuletzt uneinsichtig war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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