TE Lvwg Erkenntnis 2019/8/27 VGW-151/090/5209/2019

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Veröffentlicht am 27.08.2019
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Entscheidungsdatum

27.08.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §47 Abs1
NAG §47 Abs3 Z1
NAG-DV §9a Z3 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Chmielewski über die Beschwerde der Frau A. B. (geb. 1943, StA. Iran - Islamische Republik) gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 13. März 2019, Zl. …, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Angehöriger“ gemäß § 47 Abs. 3 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen worden ist, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2019, fortgesetzt am 10. Juli 2019 und 22. August 2019

zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin beantragte als Mutter einer österreichischen Staatsangehörigen am 6. November 2018 die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck Angehöriger gemäß § 47 Abs. 3 Z 1 NAG.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. März 2019, Zl. … wurde ihr Antrag abgewiesen.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass mit der vorgelegten Reiseschutzversicherung kein ausreichender Krankenversicherungsschutz besteht. Gerade im Bereich der Langzeitpflege und Betreuungsbedarf sei es im Alter der Beschwerdeführerin (Geburtsjahr 1943) schwierig, weil dieser Bereich „statistisch gesehen schnell aktuell werden könnte“ und durch die vorgelegten Versicherungen nicht abgedeckt sei.

Eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG sei zu Ungunsten der Beschwerdeführerin ausgefallen. Sie sei zwar strafrechtlich unbescholten, doch sei der Grad ihrer Integration (im Bundesgebiet) im Hinblick auf ihren Aufenthalt im Herkunftsstaat sehr gering.

3. Dagegen wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser wurde von der Tochter der Beschwerdeführerin, die mit deren Vertretung bevollmächtigt wurde, im Wesentlichen vorgebracht, dass sie sowohl in Österreich als auch im Ausland zahlreiche Versicherungsunternehmen kontaktiert habe, diese jedoch aufgrund von Altersgrenzen für Versicherte von 65 oder 70 Jahren keinen Krankenversicherungsschutz anbieten hätten können. Andere Versicherungsunternehmen, die diese Altersgrenze nicht gehabt hätten, würden einen im Sinne des NAG alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutz nicht anbieten. Sie müsse ihre Eltern aus dem Iran herausholen, was jedoch am Versicherungsschutz gescheitert sei. Alle anderen Kriterien seien von der MA 35 als erfüllt angesehen worden. Sie ersuche eine Lösung für ihre Eltern zu finden, damit sie und ihre Eltern endlich zusammenkommen könnten.

Der Beschwerde wurde eine Vielzahl an vergeblichen E-Mail Korrespondenzen zwischen der Vertreterin der Beschwerdeführerin und Versicherungsunternehmen zum Zweck der Erlangung eines alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes beigegeben.

4. Am 7. Juni 2019, fortgesetzt am 10. Juli 2019 und 22. August 2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Vorgelegt wurden dabei unter anderem Kontoauszüge der Parsian Bank vom 26. Mai 2016 der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes, der ebenfalls einen Antrag auf Erteilung des gleichen Aufenthaltstitels stellte. Aus diesen geht hervor, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann zusammen über Einlagen in der Höhe von umgerechnet ca. 245.000 Euro (Wechselkurs am 27. August 2019) verfügen. Zudem wurde eine Bestätigung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin jährlich umgerechnet etwa 14.000 Euro (Wechselkurs am 27. August 2019) an Pension im Iran erhält.

Die Vertreterin der Beschwerdeführerin brachte in der Verhandlung am 22. August 2019 vor, dass nach Auskunft einer Juristin der MA 35 bei Aufenthaltstiteln gemäß § 47 NAG zwischen Eltern und sonstigen Angehörigen zu unterscheiden sei. Demnach komme es bei den Eltern nicht darauf an, ob eine Abhängigkeit schon im Herkunftsstaat bestanden habe sondern darauf, ob die Abhängigkeit in Österreich bestehen würde.

Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ihrer Eltern von ihr - nach deren Einreise nach Österreich - wäre gegeben, insbesondere weil diese bei ihr wohnen würden. Damit wäre die gesetzlich geforderte tatsächliche Unterhaltsleistung abgedeckt. Die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel sei lediglich an der fehlenden Krankenversicherung gescheitert. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Abhängigkeit ihrer Eltern von ihr handle es sich um eine Interpretationsfrage, wobei die MA 35 diese hier angenommen hätte.

Die Pension ihres Vaters sei nach den Richtsätzen im ASVG in Verbindung mit § 11 Abs. 5 NAG nicht ausreichend. Die Pension ihrer Mutter betrage monatlich zwischen 200 und 300 Euro. Es sei jedoch schwierig, eine Bestätigung darüber einzuholen.

Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann sind die Eltern einer österreichischen Staatsangehörigen, der Zusammenführenden. Sie verfügen im Iran zusammen über Bankguthaben in der Höhe von umgerechnet ungefähr 245.000 Euro (Wechselkurs am 27. August 2019), wobei nur an einem kleinen Teil dieser Guthaben die Zusammenführende oder ihre Geschwister beteiligt sind. Zudem bezieht der Ehemann der Beschwerdeführerin im Iran eine jährliche Pension in der Höhe von etwa 14.000 Euro (Wechselkurs am 27. August 2019). Die Beschwerdeführerin bezieht im Iran eine monatliche Pension, die umgerechnet 200 bis 300 Euro beträgt. Sie und ihr Ehemann beabsichtigen in Österreich bei ihrer Tochter zu wohnen.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden und aus dem Vorbringen der Vertreterin der Beschwerdeführerin.

Rechtliche Beurteilung:

§ 47 NAG lautet:

Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

(3) Angehörigen von Zusammenführenden kann auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

        1. Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

        2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

        3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

        a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

        b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt

haben oder

        c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen. Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben. […].“

Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführerin als Angehöriger im Sinne des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG von ihrer Tochter, der Zusammenführenden im Sinne des § 47 Abs. 1 NAG, tatsächlich Unterhalt geleistet wird. Die Frage, ob eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes von der Tochter besteht, wurde von der bevollmächtigten Tochter dahingehend beantwortet, dass eine Abhängigkeit ihrer Eltern zu ihr (zukünftig) bestehen werde, weil diese bei ihr nach der Einreise wohnen würden. Damit wäre die Leistung des Unterhaltes im Sinne des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG erfüllt.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Wortfolge „sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird“ darauf schließen lässt, dass es dem Gesetzgeber auf eine Unterhaltsleistung jedenfalls spätestens im Entscheidungszeitpunkt - somit noch zu einem Zeitpunkt, in dem sich ein Antragsteller bzw. Beschwerdeführer regelmäßig noch im Herkunftsstaat aufhält - ankommt.

Denn die gegenteilige Ansicht, wonach eine Unterhaltsleistung beispielsweise nach der Einreise in das Bundesgebiet maßgeblich wäre, ließe bei § 47 Abs. 3 Z 1 NAG etwa eine Wortfolge „sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet werden wird“ erwarten.

Diese Ansicht wird auch durch § 9a Z 3 lit. b NAG-DV gestützt.

Denn gemäß § 9a Z 3 lit. b NAG-DV sind im Fall des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG bereits dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusätzlich zu den in § 7 NAG-DV genannten Urkunden und Nachweisen der Nachweis über die Art und den Umfang der Unterhaltsleistung anzuschließen.

Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die maßgebliche Rechts- und Sachlage im Entscheidungszeitpunkt zugrunde zu legen, was ebenfalls dazu führt, dass die Wortfolge „sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird“ nach Ansicht des erkennenden Richters dahingehend zu verstehen ist, dass eine tatsächliche Unterhaltsgewährung spätestens im Entscheidungszeitpunkt vorliegen muss.

Doch selbst wenn man die Ansicht der Vertreterin der Beschwerdeführerin bejaht, wonach die Wortfolge im § 47 Abs. 3 Z 1 NAG „sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird“ dahingehend auszulegen ist, dass eine tatsächliche Unterhaltsgewährung erst nach Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels - und somit regelmäßig erst nach Einreise ins Bundesgebiet - maßgeblich ist, (dafür spricht, dass der Gesetzgeber in § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG die abweichende und explizite Formulierung gewählt hat: „die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben“ und die Wortfolge „die während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen sind“ in VwGH 17. 11. 2015, Ro 2015/22/0005) was auch mit der Zurverfügungstellung von Wohnraum durch die Zusammenführende verwirklicht wäre, sieht der erkennende Richter im konkreten Fall angesichts der Rechtsprechung des VwGH dennoch keinen Raum, um der Beschwerde Folge zu geben und den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen.

Denn nach der Rechtsprechung des VwGH hatte der Gesetzgeber bei der Familienzusammenführung nach § 47 Abs. 3 NAG in erster Linie jene Angehörigen im Blick, die während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen sind (Hinweis E 19. Dezember 2012, 2009/22/0357). Mit der Bestimmung des § 47 Abs. 3 NAG soll demnach nur jenen Angehörigen die Möglichkeit des Familiennachzuges eingeräumt werden, bei denen ein - in den Fällen des § 47 Abs. 3 NAG näher definiertes, aber nicht zwingend finanzielles - Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zusammenführendem und Nachziehendem gegeben ist (so VwGH 17. 11. 2015, Ro 2015/22/0005).

Da die Beschwerdeführerin (und ihr Ehemann) im Iran zusammen über Bankguthaben in der Höhe von umgerechnet ca. 245.000 Euro verfügen, wobei nur an einem kleinen Teil dieses Guthabens die Zusammenführende oder ihre Geschwister beteiligt sind, kann nicht erkannt werden, dass sie während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsleistungen der Zusammenführenden, wie vorgebracht in Form der Zurverfügungstellung einer Unterkunft, angewiesen wäre.

Angesichts der Rechtsprechung des VwGH kann somit kein Zweifel daran bestehen, dass eine Unterhaltsleistung (sollte ihre Erbringung auch einzig im Bundesgebiet als maßgeblich angesehen werden) durch die Zusammenführende in der Form der Zurverfügungstellung einer Unterkunft nicht als eine für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erforderliche tatsächliche Unterhaltsleistung im Sinne der zu § 47 Abs. 3 NAG ergangenen Rechtsprechung des VwGH, angesehen werden kann. Denn die Beschwerdeführerin wäre angesichts der ihr zur Verfügung stehenden Geldmittel während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet auf diese Unterhaltsleistung ihrer Tochter nicht angewiesen und stünde damit in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Tochter.

 

Eine finanzielle Abhängigkeit der nachziehenden Beschwerdeführerin von der Zusammenführenden ist somit nicht gegeben. Ein andersgeartetes Abhängigkeitsverhältnis wurde nicht vorgebracht.

Damit ist die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG nicht gegeben und die Beschwerde abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Familiennachzug; tatsächliche Unterhaltsgewährung; wirtschaftliche Abhängigkeit; maßgeblicher Zeitpunkt; Entscheidungszeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.090.5209.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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