TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/16 G314 2183972-1

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Veröffentlicht am 16.03.2018
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Entscheidungsdatum

16.03.2018

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
GEG §6a Abs1
GGG Art. 1 §14
GGG Art. 1 §18 Abs2 Z3
GGG Art. 1 §19a
GGG Art. 1 §2 Z1 litc
GGG Art. 1 §31 Abs1
GGG Art. 1 §31 Abs2
GGG Art. 1 §32 TP 3 lita
GGG Art. 1 §4 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

G314 2183972-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX GmbH, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX vom 01.12.2017, XXXX, wegen Gerichtsgebühren zu Recht:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Im Verfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX begehrt die XXXXGmbH als klagende Partei von der Beschwerdeführerin (BF) und von XXXX als beklagten Parteien die Zahlung von rückständigem Mietzins bzw. Benützungsentgelt sowie die Räumung eines Geschäftslokals in XXXX. Mit dem in diesem Verfahren ergangenen Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX vom 29.06.2016 wurde ua der Antrag der beklagten Parteien auf Anberaumung einer Berufungsverhandlung zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX2016,XXXX, in Ansehung ihrer Verurteilung zur Zahlung von EUR 3.865,12 samt Anhang nicht Folge gegeben (Spruchpunkt II.); in Ansehung der Verpflichtung der beklagten Parteien zur Räumung des Bestandobjekts wurde das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurückverwiesen (Spruchpunkt III.).

Mit der im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Eingabe vom 14.10.2016 erhoben die durch den Rechtsanwalt XXXXvertretenen Beklagten ua eine Revision gegen die Spruchpunkte I. und II. dieses Urteils. Die Eingabe trägt den Vermerk "Kein Gebühreneinzug! Vorschreibung bitte direkt an die Revisionswerberin".

Nach erfolgloser Lastschriftanzeige wurden der BF und XXXXmit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 07.12.2016 die Pauschalgebühr gemäß TP 3 lit a GGG von EUR 749,10 (ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 3.866) und die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 757,10, zur Zahlung vorgeschrieben.

Mit Eingabe vom 27.12.2016, die nur aus einer Seite besteht und keine Begründung enthält, erhoben die BF und XXXXdagegen eine Vorstellung an den Präsidenten des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX.

Nachdem die den Vorstellungswerberinnen gesetzte Frist zur Bekanntgabe der Vorstellungsgründe fruchtlos verstrichen war, wurden ihnen mit dem angefochtenen Bescheid folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:

Pauschalgebühr TP 3 lit a GGG iVm § 19a GGG EUR 749,10

(Bemessungsgrundlage: EUR 3.866)

Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8

Mehrbetrag § 31 GGG EUR 21

Summe EUR 778,10.

Es wurde ausgesprochen, dass die BF und XXXX zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig sind und dass für die Einhebungsgebühr und den Mehrbetrag nach § 31 GGG auch ihr Rechtsvertreter XXXX als Bürge und Zahler zahlungspflichtig ist.

In dem Bescheid werden Grund und Höhe der für die Revision zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert begründet und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.

Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Gleichzeitig beantragt die BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weil die Begleichung des geforderten Betrags einen unwiederbringlichen Nachteil für sie mit sich brächte und keine öffentlichen Interessen der Aufschiebung entgegenstünden.

Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK sowie Art 7 und Art 18 B-VG. Bei der Entscheidung, eine Klage oder ein Rechtsmittel zu erheben, seien nicht nur sachliche Gründe abzuwägen, sondern in erster Linie die damit verbunden Kosten zu kalkulieren. Personen aus der Mittelschicht, die es sich nicht leisten könnten, Rechtsstreitigkeiten zu führen, die aber auch nicht die Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe erfüllten, würde der Zugang zum Recht verwehrt. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine Art "verbotene Steuer" seien. Die Vorauszahlungspflicht unabhängig vom Prozessaufwand und von der Verfahrensdauer widerspräche dem Recht auf ein faires Verfahren. Der Eingriff in das Eigentum durch die fehlende Möglichkeit, den Tarif des GGG herabzusetzen, wenn tatsächlich eine geringere Leistung erbracht würde, die in keinem Verhältnis zum Aufwand stünde, sei verfassungs- und europarechtswidrig.

Der Präsident des LGZ XXXXlegte - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und die Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo diese am 23.01.2018 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den Verwaltungsakten und aus dem Gerichtsakt des BVwG. Die Beschwerde tritt den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entgegen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Zwar kann diese unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden (vgl §§ 13 Abs 2, 22 VwGVG). Da die aufschiebende Wirkung hier aber weder von der belangten Behörde noch von BVwG ausgeschlossen wurde, kann der Beschwerde die aufschiebende Wirkung auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Im vorliegenden Fall sind die Bestimmungen des GGG in der am 14.10.2016, vor Inkrafttreten des BGBl II Nr. 152/2017, geltenden Fassung anzuwenden.

Gemäß § 2 Z 1 lit c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Rechtsmittelwerber.

Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.

Bemessungsgrundlage ist gemäß § 14 GGG grundsätzlich der Wert des Streitgegenstands nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN. Betrifft das Rechtsmittelverfahren nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstands, so ist in diesem Verfahren für die Berechnung gemäß § 18 Abs 2 Z 3 GGG nur der Wert dieses Teils maßgebend.

Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen.

Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.

Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 21 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.

Mangels Zustimmung zur Abbuchung und Einziehung blieb die Einziehung der Gerichtsgebühren hier erfolglos.

Der Pauschalgebühr nach TP 3 lit a GGG unterliegen Revisionsverfahren (Anm 1 zu TP 3 GGG). Bei einem Revisionsinteresse über EUR 3.500 bis EUR 7.000 (wie hier) beträgt die Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren dritter Instanz EUR 681. Diese Gebühr erhöht sich gemäß § 19 a GGG ua dann, wenn mehrere Personen gemeinsam ein Rechtsmittel erheben, und zwar um 10 %, wenn zwei Rechtsmittelwerber vorhanden sind. Da hier die Revision von zwei Rechtsmittelwerberinnen eingebracht wurde, denen eine Partei gegenübersteht, beträgt der Streitgenossenzuschlag 10 %, das sind (gerundet) EUR 68,10.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der belangten Behörde verwiesen werden.

Den in der Beschwerde geäußerten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren an sich und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass das System der Gerichtsgebühren nicht verfassungswidrig ist (vgl VfGH 17.06.1996, B 1609/96 und 10.06.2002, B 1976/99) und auch gegen das Pauschalgebührensystem keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (VfGH 27.11.2000, B 119/98; siehe dazu auch die weiteren bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 zu § 1 GGG angeführten Entscheidungen).

Die Auffassung, der dem Gericht verursachte Arbeitsaufwand sei bei der Gerichtsgebührenpflicht zu berücksichtigen, ist unrichtig. Die Gerichtsgebühren stellen Abgaben dar, bei denen im Einzelfall eine Äquivalenz der Amtshandlung nicht erforderlich ist (VwGH 18.09.2003, 2003/16/0040). Daher geht auch der Vorwurf, es handle es um eine "verbotene Steuer", ins Leere. Aus diesem Grund ist die Vorschreibung von Gerichtsgebühren auch keine Entscheidung über "civil rights" iSd Art 6 EMRK (VfGH 01.03.2007, B 301/06; VwGH 18.09.2003, 2003/16/0040).

Gegen die Höhe der Gerichtsgebühren und deren Bemessung nach dem Streitwert bestehen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ebenfalls keine Bedenken (VfGH 01.03.2007, B 301/06 und 11.12.2013, B 1459/2013). Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich).

Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (zB Verfahrenshilfe) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich). Von einer exzessiven Höhe der Gebühr kann hier angesichts einer Pauschalgebühr für das drittinstanzliche Verfahren von EUR 749,10 keine Rede sein.

Das GGG knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um, eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten (vgl zuletzt VwGH 22.10.2015, Ro 2014/16/0021). Dies ist weder unsachlich noch gleichheitswidrig (VwGH 03.09.1987, 86/16/0050 und 16.11.2004, 2004/16/0125, 0126; VfGH 29.11.2007, B 1883/07).

Die BF zeigt nicht auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).

Da das BVwG die grundsätzlichen Bedenken der BF gegen die Vorschreibung von Gerichtsgebühren und deren Höhe nicht teilt, unterbleiben sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen. Im Ergebnis ist die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung einer - ohnehin nicht beantragten - Beschwerdeverhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, weil die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt, zumal der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen ist.

Zu Spruchteil C):

Die Revision war nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Bemessungsgrundlage, Einhebungsgebühr,
Gerichtsgebührenpflicht, Mehrbetrag, Pauschalgebührenauferlegung,
Rechtslage, Rechtsmittelgebühr, Revisionsgebühr, Revisionsinteresse,
Streitgenossenzuschlag, Streitwert, Zahlungsauftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2183972.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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