TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/6 98/21/0182

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Veröffentlicht am 06.11.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des LD in Moosbrunn, geboren am 2. Dezember 1972, vertreten durch Dr. Walther Leeb, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Februar 1998, Zl. Fr 5140/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. Februar 1998 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Normen im wesentlichen aus, der Antrag des Beschwerdeführers vom 7. Juni 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei abgewiesen worden; eine dagegen gerichtete Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei anhängig. Die dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung sei am 13. November 1994 abgelaufen. Er sei somit nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels. Trotz Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung halte sich der Beschwerdeführer nach wie vor im Bundesgebiet auf und sei bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom 25. Oktober 1996 ausgewiesen worden. Seine (vorübergehende) Ausreise am 11. Juli 1997 und allfällige weitere Grenzübertritte änderten nichts an der Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels. Wenngleich durch die wiederholte Ausreise zwar prinzipiell die Frist für den sichtvermerksfreien Aufenthalt neu zu laufen beginne, so könne dies jedoch nicht auf jene Fremden angewendet werden, die in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder auf sonstige Weise sich im Bundesgebiet niederlassen wollen. Diese bedürften einer Niederlassungsbewilligung. Die Rechtsordnung messe der Einhaltung fremdengesetzlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege.

In Österreich würden der Onkel und die Wahlmutter des Beschwerdeführers leben. Der Beschwerdeführer weise daher familiäre Bindungen zu in Österreich aufhältigen Personen auf. Er habe sich von August 1991 bis November 1994 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Seit diesem Zeitraum halte sich der Beschwerdeführer aber unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodaß von einer gröblichen Mißachtung der fremdengesetzlichen Vorschriften auszugehen sei. Die Berufungsbehörde komme sohin zu dem Ergebnis, daß die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht nur zulässig, sondern dringend geboten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "gem. § 42 Abs. 2 VwGHGes" aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in letzter Instanz abgewiesen wurde, weshalb die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nicht mehr über eine Aufenthaltsbewilligung verfüge, nicht als rechtswidrig angesehen werden kann.

Gemäß § 33 Abs. 1 FrG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Diese Bestimmung räumt somit insofern Ermessen ein, als sie die Behörde ermächtigt, von der Erlassung einer Ausweisung trotz Vorliegens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes abzusehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 5. Juni 1998, Zl. 98/21/0252, und vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0175).

Bezüglich ihrer Ermessensentscheidung hat die Behörde den hiefür maßgeblichen Sachverhalt unter Wahrung des Parteiengehörs (§ 45 AVG) festzustellen und in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz erforderlich ist (vgl. den hg. Beschluß vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Dem angefochtenen Bescheid läßt sich keine Begründung in bezug auf eine Ermessensübung entnehmen; die belangte Behörde wies zwar auf die durch das Verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtigten öffentlichen Interessen hin, unterließ jedoch jegliche Begründung, warum vorliegend im Blick auf Art. 130 Abs. 2 B-VG von der Erlassung einer Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG nicht habe abgesehen werden können.

Die belangte Behörde stellte fest, daß sich der Beschwerdeführer von August 1991 bis November 1994 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, hier ein Unternehmen ("Würstelhütte" in Form einer Ges.m.b.H.) betreibe und familiäre Bindungen zu in Österreich aufhältigen Personen besitze. Es liegt somit kein Fall vor, in dem die Behörde bei pflichtgemäßer Ermessensübung wegen des Fehlens von für den Fremden sprechenden Umständen von der Erlassung einer Ausweisung nicht hätte Abstand nehmen dürfen, die Ermessensübung somit nicht zugunsten des Fremden hätte ausgehen können.

Da es die belangte Behörde unterlassen hat, eine dem Beschwerdeführer die Verfolgung seiner subjektiven Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides andererseits ermöglichende Begründung für ihre Ermessensentscheidung zu geben, leidet der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 98/18/0175).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. November 1998

Schlagworte

Ermessen Ermessen VwRallg8 Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998210182.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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