TE Bvwg Beschluss 2018/11/28 L521 1307540-4

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L521 1307540-4/3E

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2018, Zl. 820269707-180707508, in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 den

BESCHLUSS

gefasst:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet im Luftweg erstmals am 07.10.2005 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, Staatsangehöriger der Türkei kurdischer Abstammung zu sein und den Namen XXXX zu führen. Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass sich zwei Kämpfer der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) in seinem Haus aufgehalten hätten. Einer von ihnen sei von türkischen Sicherheitskräften verhaftet worden. Dem Beschwerdeführer, welcher sich zu dieser Zeit im zweiten Haus der Familie in XXXX aufgehalten habe, sei dies von einem Freund mitgeteilt worden, und habe ihm dieser überdies gesagt, dass er nunmehr von den Behörden gesucht werde und flüchten solle.

2. Bereits im Jahr 1997 hatte der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland internationalen Schutz begeht, dies mit der Begründung, dass er während seiner Militärdienstzeit verfolgte Kurden von der Türkei nach Syrien gebracht habe. Das Asylverfahren in Deutschland wurde im Jahr 2000 negativ entschieden und wurde der Beschwerdeführer daraufhin in die Türkei abgeschoben.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.11.2006, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 07.10.2005 auf Gewährung auf internationalen Schutzes gemäß § 7 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.03.2011, Zl. XXXX, als unbegründet ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof blieb erfolglos.

4. Da der Beschwerdeführer der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nicht Folge leistete und sich einer für den 28.11.2011 terminierten Abschiebung durch Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland entzog, wurde am nach Wiedereinreise am 13.02.2012 in Schubhaft genommen. Am 06.03.2012 stellte der Beschwerdeführer in Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Wesentlichen damit, nicht abgeschoben werden zu wollen. Seine Schwester in der Türkei habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass die Polizei nach ihm suchen würde.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.03.2012, Zl. XXXX, wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes nicht vorliegen würden und der Beschwerdeführer in weiterer Folge am 07.03.2012 nach Istanbul abgeschoben.

5. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner neuerlichen unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet im Luftweg am 12.09.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger der Türkei zu sein. Er sei am XXXX in XXXX geboren, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und ledig.

Befragt nach dem Grund der neuerlichen Ausreise gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er werde seit dem Jahr 2005 in der Türkei unterdrückt und ein Großcousin sei als Kämpfer der PKK inhaftiert gewesen. Aufgrund des identen Familiennamens würden sämtliche Familienmitglieder vom türkischen Staat unterdrückt. Polizisten hätten ihn im Jahr 2012 nach einem Besuch bei seinen Eltern erstmals zu seinem Großcousin einvernommen und in der Folge sei er bis zu fünf Mal angehalten und gefoltert worden. Er sei kürzlich der Halklarin Demokratik Partisi (HDP) beigetreten.

Ferner sei er im Jahr 2011 in Linz zum Christentum konvertiert und sei deshalb nach seiner Rückkehr von Familienmitgliedern ausgegrenzt und der türkischen Gesellschaft nicht aufgenommen wurden.

Im Fall einer Rückkehr in die Türkei fürchte er Festnahme und Inhaftierung, da sein Großcousin Kämpfer der PKK sei und ihm deshalb unterstellt werde, für die PKK zu arbeiten.

6. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 06.09.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Neuerlich zu den Ausreisegründen befragt gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, sein Großcousin XXXX gehöre seit mehr als 20 Jahre der PKK an und habe nach seiner Verurteilung im Gefängnis von Diyarbakir seine Haftstrafe verbüßt. Dabei sei er so stark gefoltert worden, dass er nunmehr "auf dem Stand eines 4,5-Jährigen" sei. Sämtliche Verwandte des Genannten würden regelmäßig festgenommen. Er selbst habe mit der PKK nichts zu tun und sei Sozialdemokrat, Kurde und würde seine Rechte verteidigen. Dennoch sei auch er festgenommen worden.

Darüber hinaus sei er im Jahr 2011 zum Christentum konvertiert und deshalb im Ramadan angesprochen wurden, weshalb er nicht fasten würde. Nachdem er sich erklärt habe, hätte er seinen Arbeitsplatz verloren. Dies hätte sich mehrere Male wiederholt.

7. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2016, Zl. 820269707-151327051, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei ebenso abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - nach der Wiedergabe der Einvernahmen des Beschwerdeführers insbesondere aus, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung durch den türkischen Staat zu befürchten und es bestehe außerdem eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Dem Vorbringen zu den Ausreisegründen komme keine Glaubwürdigkeit zu.

8. Gegen den dem Beschwerdeführer am 18.10.2016 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde sich die im Wege der beigegebenen Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.05.2017, L521 1307540-2/13E, wurde die gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2016, Zl. 820269707-151327051, erhobene Beschwerde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde seitens des Beschwerdeführers nicht erhoben.

10. Da der Beschwerdeführer der Ausreiseverpflichtung keine Folge leistete, wurde er über Anordnung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl am 11.09.2017 festgenommen und am 14.09.2017 dem türkischen Konsulat in Wien zum Zweck der Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgeführt. Im Anschluss an die Vorführung wurde die Festnahme aufgehoben.

Das türkische Konsulat stellte am 21.09.2018 ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer aus.

11. Der Beschwerdeführer setzte sich in der Folge zunächst nach Italien und dann in die Bundesrepublik Deutschland ab. Am 23.07.2018 wurde er von deutschen Behörden gemäß der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 nach Österreich rücküberstellt und im Anschluss an die Rücküberstellung in Salzburg festgenommen.

Zunächst legte der Beschwerdeführer niederschriftlich am 23.07.2018 gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes dar, in Österreich keinen neuen Asylantrag stellen zu wollen. Er strebe eine Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland an, wo er sich zuletzt mehrere Monate bei Verwandten aufgehalten und einen Asylantrag gestellt habe.

12. Mit Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2018, Zl. 820269797-180694147, wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängt.

13. Am 26.07.2018 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen vierten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Polizeianhaltezentrum Salzburg erstbefragt.

Zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung befragt führte der Beschwerdeführer aus, er habe in der Türkei der HDP angehört und in der Wohnung seiner Eltern diverse Bücher und Informationen über Abdullah ÖCALAN versteckt. Diese Wohnung sei im Jahr 2017 durchsucht worden, dabei hätten die Polizisten seine Eltern nach seinem Verbleib befragt. Im Anschluss an die Durchsuchung habe die Polizei die Eltern festgenommen. Seine Mutter habe die Polizei nach kurzer Zeit wieder freigelassen, sein Vater sei von den Polizisten geschlagen und gefoltert worden, damit er den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers preisgebe. Im Jahr 2018 sei die Wohnung seiner Eltern nochmals durchsucht und sein Vater abermals auf der Polizeiwache geschlagen worden. Dort habe er preisgegeben, dass sich der Beschwerdeführer in Europa aufhalten würde. Er selbst habe außerdem von Bekannten erfahren, dass er gesucht werde.

Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde in weiterer Folge nicht zugelassen und die verhängte Schubhaft fortgesetzt.

14. Am 09.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin zu seinem neuerlichen Asylantrag einvernommen.

Seitens des Beschwerdeführers wurde im Wesentlichen vorgebracht, sich nach der Vorführung zum türkischen Konsulat zunächst nach Italien begeben zu haben. Da er dort unter freiem Himmel habe übernachten müssen, sei er nach Deutschland gereist. Dort habe er sich acht oder neun Monate als Asylwerber aufgehalten, ehe er nach Österreich rücküberstellt worden sei. Den gegenständlichen vierten Antrag auf internationalen Schutz begründe er damit, dass ein Freund von ihm nach Neujahr 2018 eine versperrte Tasche bei seinen Eltern in der Türkei deponiert habe. Dieser Freund sei anschließend festgenommen worden, woraufhin Polizisten die Wohnung seiner Eltern durchsucht und in der Tasche Unterlagen der HDP aufgefunden hätten. Seine Eltern wären sodann zur Dienststelle verbracht und dort beschimpft, geschlagen und nach seinem Verbleib befragt worden.

15. Am 13.08.2018 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin zu seinem neuerlichen Asylantrag einvernommen.

Dabei legte der Beschwerdeführer ergänzend dar, dass er nach seiner letzten Abschiebung in die Türkei am Flughafen in Gewahrsam genommen und anschließend geschlagen worden sei.

16. Am 24.08.2018 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesamt ein schriftliches Vorbringen in türkisches Sprache. Eine Übersetzung dieses Schriftstückes wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht angefertigt.

Die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers übermittelte dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.09.2018 Ablichtungen von Lichtbildern und Dokumenten in türkischer Sprache zum Beweis des Vorbringens des Beschwerdeführers. Übersetzungen dieser Schriftstücke in die deutsche Sprache wurden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wiederum nicht angefertigt.

17. Am 06.09.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin in türkischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen. Dabei legte der Beschwerdeführer zu den vorgelegten Beweismitteln dar, sein Neffe sei seit neun Monaten inhaftiert, da er für einen nunmehr verbotenen Fernsehsender gearbeitet habe. Da er mit seinem Neffen Kontakt gepflegt habe, befürchte er nunmehr, ebenfalls inhaftiert zu werden.

Im Anschluss an die Einvernahme wurde ein Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG mündlich verkündet und die Verkündung niederschriftlich beurkundet.

18. Im amtswegig eingeleiteten Überprüfungsverfahren beurteilte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11.09.2018, L504 1307540-3/3E, die erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes als nicht rechtmäßig und führte begründend insbesondere aus, dass sich der angefochtene Bescheid auf veraltete Länderberichte stützen würde und ausgehend davon eine Rückkehrprognose zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich sei.

19. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2018, Zl. 820269707-180707508, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI). Schließlich wurde wider den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreisverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

Das BFA stellte fest, dass der Beschwerdeführer im vorangehenden Asylverfahren vorgebracht habe, die Türkei aufgrund von Schwierigkeiten nach seiner Konversion zum Christentum verlassen zu haben. Im gegenständlichen Verfahren habe sich der Beschwerdeführer "auf die von Ihnen bereits im Vorverfahren vorgebrachten Gründe" bezogen und angegeben, dass seine Eltern neuerlich von der Polizei festgenommen und zur Dienststalle verbracht worden wären. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich daher nicht geändert. Außerdem wird wörtlich festgestellt: "Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein". Die allgemeine Lage im Herkunftsland habe sich seit rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens nicht geändert.

In der Beweiswürdigung wird dazu wörtlich ausgeführt:

"Sie geben im gegenständlichen Verfahren dieselben Antragsgründe an, die Sie bereits im Vorverfahren angegeben haben bzw. bezogen sich auf diese. Damit deckt sich Ihr Parteibegehren im gegenständlichen Antrag mit dem in vorherigen Anträgen.

Ein entscheidungsrelevanter neuer Sachverhalt liegt nicht vor und es wird voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen.

Auch vermochten Sie es nicht im Zuge Ihrer weiteren drei Einvernahmen vor dem Bundesamt, neue Asylrelevante Gründe vorzubringe und geben wiederum an mit der Polizei und den Behörden in der Türkei aufgrund Ihrer Vergangenheit mit der HDP Partei und der Verbindung zu Ihrem, Ihren Angaben zu Folge verhafteten Cousin, Probleme zu haben. Beweismittel hinsichtlich dieser Schilderungen vermochten Sie nicht vorzulegen. So ergibt sich keine Abänderungen seit Rechtskraft des Vorverfahrens vom 15.05.2017."

20. Mit Verfahrensanordnung vom 15.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

21. Gegen den dem Beschwerdeführer am 15.11.2017 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes eigenhändig zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag richtet sich die im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In der Beschwerde wird - soweit hier von Relevanz - ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und insbesondere vorgebracht, dass die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides unschlüssig sei. Der Beschwerdeführer habe sehr wohl neue Asylgründe vorgebracht, dass sich die vorgebrachte Verfolgung von seiner bereits im Vorverfahren vorgebrachten Mitgliedschaft bei der HDP ableite stehe einer neuen Sache nicht entgegen. Der angefochtene Bescheid lasse außerdem jede Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden und einem von ihm gestellten Beweisantrag vermissen.

22. Die Beschwerdevorlage langte am 26.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen und ist Staatsangehöriger der Türkei. Er wurde am XXXX in der Türkei im Landkreis XXXX der Provinz XXXX geboren, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zur evangelischen Kirche augsburgischen Bekenntnisses in Österreich. Der Beschwerdeführer ist ledig, lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder.

Im Alter von einem Jahr zog der Beschwerdeführer mit seinen Eltern nach XXXX, wo er auch aufwuchs und fünf Jahre die Volksschule und drei Jahre die Hauptschule besuchte. Er brach die Hauptschule 1985 ab, um eine Schneiderlehre in XXXX zu absolvieren. In XXXX arbeitete der Beschwerdeführer für etwa viereinhalb Jahre als Schneider, bis er im Alter von 20 Jahren zum Wehrdienst eingezogen wurde. Der Beschwerdeführer leistete seinen 19 Monate dauernden Wehrdienst in XXXX ab und arbeitete anschließend wieder als Schneider in XXXX und in einem Kino als Hausmeister.

Bis zu seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer abwechselnd in XXXX in einer Wohnung und in XXXX an seinem Arbeitsplatz. Vor der Ausreise hielt sich der Beschwerdeführer etwa vier Wochen in Istanbul auf.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind nach wie in XXXX aufhältig. Der Beschwerdeführer steht Kontakt mit seinen Familienangehörigen. In der Türkei halten sich ferner Geschwister des Beschwerdeführers auf.

1.2. Am 03.10.2005 reiste der Beschwerdeführer unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses mit dem Flugzeug von Istanbul nach Österreich und stellte dort am 07.10.2005 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.11.2006, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 07.10.2005 auf Gewährung auf internationalen Schutzes abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt. Außerdem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.03.2011, Zl. XXXX, als unbegründet ab. Die Behandlung einer gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 10.06.2011 abgelehnt.

Da der Beschwerdeführer der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nicht Folge leistete und sich einer für den 28.11.2011 terminierten Abschiebung durch Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland entzog, wurde am nach Wiedereinreise am 13.02.2012 in Schubhaft genommen. Am 06.03.2012 stellte der Beschwerdeführer in Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.03.2012, Zl. XXXX, wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes nicht vorliegen würden und der Beschwerdeführer in weiterer Folge am 07.03.2012 im Luftweg nach Istanbul abgeschoben.

Während der Aufenthaltes in der Türkei bis zur neuerlichen Ausreise zu Beginn des Monats September 2015 arbeitete der Beschwerdeführer aufgrund seiner Kenntnisse der deutschen und der englischen Sprache als Kellner und dann als Oberkellner in Hotels in XXXX.

1.3. Am 12.09.2015 stellte der Beschwerdeführer den dritten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2016, Zl. 820269707-151327051, wurde der dritte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei ebenso abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.05.2017, L521 1307540-2/13E, wurde die gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2016, Zl. 820269707-151327051, erhobene Beschwerde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

1.5. Am 26.07.2018 stellte der Beschwerdeführer nach Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung den verfahrensgegenständlichen vierten Antrag auf internationalen Schutz.

Er begründete diesen mit dem Vorbringen, er habe in der Türkei der HDP angehört und in der Wohnung seiner Eltern diverse Bücher und Informationen über Abdullah ÖCALAN versteckt. Diese Wohnung sei im Jahr 2017 durchsucht worden, dabei hätten die Polizisten seine Eltern nach seinem Verbleib befragt. Im Anschluss an die Durchsuchung habe die Polizei die Eltern festgenommen. Seine Mutter habe die Polizei nach kurzer Zeit wieder freigelassen, sein Vater sei von den Polizisten geschlagen und gefoltert worden, damit er den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers preisgebe. Im Jahr 2018 sei die Wohnung seiner Eltern nochmals durchsucht und sein Vater abermals auf der Polizeiwache geschlagen worden. Dort habe er preisgegeben, dass sich der Beschwerdeführer in Europa aufhalten würde. Er selbst habe außerdem von Bekannten erfahren, dass er gesucht werde.

Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde in weiterer Folge nicht zugelassen.

1.6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2018, Zl. 820269707-180707508, wurde der in diesem Verfahren gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 26.07.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI). Schließlich wurde wider den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreisverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

Das BFA stellte begründend fest, dass der Beschwerdeführer im vorangehenden Asylverfahren vorgebracht habe, die Türkei aufgrund von Schwierigkeiten nach seiner Konversion zum Christentum verlassen zu haben. Im gegenständlichen Verfahren habe sich der Beschwerdeführer "auf die von Ihnen bereits im Vorverfahren vorgebrachten Gründe" bezogen und angegeben, dass seine Eltern neuerlich von der Polizei festgenommen und zur Dienststalle verbracht worden wären. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich daher nicht geändert. Außerdem wird wörtlich festgestellt: "Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein". Die allgemeine Lage im Herkunftsland habe sich seit rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens nicht geändert.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dazu wörtlich aus: "Sie geben im gegenständlichen Verfahren dieselben Antragsgründe an, die Sie bereits im Vorverfahren angegeben haben bzw. bezogen sich auf diese. Damit deckt sich Ihr Parteibegehren im gegenständlichen Antrag mit dem in vorherigen Anträgen. Ein entscheidungsrelevanter neuer Sachverhalt liegt nicht vor und es wird voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen. Auch vermochten Sie es nicht im Zuge Ihrer weiteren drei Einvernahmen vor dem Bundesamt, neue Asylrelevante Gründe vorzubringe und geben wiederum an mit der Polizei und den Behörden in der Türkei aufgrund Ihrer Vergangenheit mit der HDP Partei und der Verbindung zu Ihrem, Ihren Angaben zu Folge verhafteten Cousin, Probleme zu haben. Beweismittel hinsichtlich dieser Schilderungen vermochten Sie nicht vorzulegen. So ergibt sich keine Abänderungen seit Rechtskraft des Vorverfahrens vom 15.05.2017."

1.7. Der weitere Verfahrensgang vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestaltete sich wie unter Punkt I. dieser Erledigung dargestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben wurde durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers sowie des Inhaltes der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde sowie durch die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister den Beschwerdeführer betreffend.

2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang sowie der festgestellte Inhalt der im Verfahren ergangenen Entscheidungen ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensakts der belangten Behörde.

2.3. Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie dessen persönliche Lebensumstände im Herkunftsstaat ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde sowie den vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Verfahren L521 1307540-2 durchgeführten Beweisverfahren, sie sind im Beschwerdeverfahren nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht.

In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050).

Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).

Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089).

In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048).

Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

3.2. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (Satz 3). Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen (Satz 2).

3.3. Zum gegenständlichen Verfahren:

3.3.1. Nach der eingangs zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die von einem Asylweber behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie einen glaubhaften Kern aufweisen oder nicht. Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofs zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit. Hat das Bundesamt die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen, kann dieser mangelhafte Sachverhalt vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den glaubhaften Kern abspricht. Vielmehr ist der Beschwerde - in einem nicht zugelassenen Verfahren - im Sinne des § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 stattzugeben (VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren brachte der Beschwerdeführer entgegen den Feststellungen des belangten Bundesamtes sehr wohl Tatsachen vor, die sich (angeblich) nach dem Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens in der Türkei ereignet haben sollen. Die vorgebrachten Tatsachen sind auch grundsätzlich geeignet, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt zu konstituieren.

Der Beschwerdeführer stellte in diesem Zusammenhang einerseits in den Raum, dass bei einer Durchsuchung seines Elternhauses, wo er zuvor gewohnt habe, Dokumente der HDP beschlagnahmt worden wären, ferner, dass er dort auch "diverse Bücher und Informationen über Abdullah ÖCALAN versteckt" gehabt habe. Infolge dieser Ereignisse sei sein Vater unter Folter nach seinem Verbleib befragt worden. Ferner sei sein Neffe aufgrund von dessen Tätigkeit für einen nunmehr geschlossenen Fernsehsender inhaftiert worden und er befürchte aufgrund seiner Kontakt zu seinem Neffen nunmehr auch die Festnahme.

Der Beschwerdeführer hat mit diesen Ausführungen jedenfalls ein neues - zeitlich nach dem Eintritt der Rechtskraft des Vorverfahrens gelegenes - Vorbringen erstattet. Dass dieses neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit einem Vorbringen steht, dass bereits von der Rechtskraftwirkung des abgeschlossenen Erstverfahrens umfasst ist, ändert nichts an dem Umstand, dass dieses neue Vorbringen im gegenständlichen Verfahren daraufhin zu überprüfen ist, ob es einen glaubhaften Kern im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufweist oder nicht.

Dies wurde vom belangten Bundesamt jedoch rechtswidrig unterlassen und dem Bundesverwaltungsgericht ist es nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0025) verwehrt, diesen Mangel selbst zu beheben.

Im angefochtenen Bescheid begnügt sich das belangte Bundesamt diesbezüglich nämlich mit der in der Beweiswürdigung angestellten Erwägung (die grammatikalischen Unrichtigkeiten wurden aus dem Original übernommen) "Auch vermochten Sie es nicht im Zuge Ihrer weiteren drei Einvernahmen vor dem Bundesamt, neue Asylrelevante Gründe vorzubringe und geben wiederum an mit der Polizei und den Behörden in der Türkei aufgrund Ihrer Vergangenheit mit der HDP Partei und der Verbindung zu Ihrem, Ihren Angaben zu Folge verhafteten Cousin, Probleme zu haben. Beweismittel hinsichtlich dieser Schilderungen vermochten Sie nicht vorzulegen. So ergibt sich keine Abänderungen seit Rechtskraft des Vorverfahrens vom 15.05.2017". Die vorstehende Erwägung ist schon deshalb verfehlt, weil der Beschwerdeführer entgegen der Auffassung des belangten Bundesamtes sehr wohl ein potentiell asylrelevantes Vorbringen - nämlich eine Verfolgung im Rückkehrfall aufgrund von angeblich bei seinen Eltern bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Schriftstücken bzw. aufgrund von Kontakten zu einem inhaftierten Neffen - erstattete. Eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen kann dem angefochtenen Bescheid nicht einmal im Ansatz entnommen werden. Vielmehr unternimmt das belangte Bundesamt den Versuch, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu ignorieren.

Dass der Beschwerdeführer keine Beweismittel vorzulegen vermochte entbinden das belangte Bundesamt im Übrigen einerseits auch nicht davon, das Vorbringen des Beschwerdeführers den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen folgend auf einen glaubhaften Kern zu untersuchen. Andererseits erweist sich diese Behauptung des angefochtenen Bescheides als aktenwidrig, zumal der Beschwerdeführer sehr wohl schriftliche Beweismittel in Vorlage brachte, darunter etwa ein Schreiben in türkischer Sprache einer in Deutschland lebenden Verwandten. Der angefochtene Bescheid lässt nun - wie in der Beschwerde zutreffend hervorgehoben wird - nicht nur jede Auseinandersetzung mit den in Vorlage gebrachten Urkunden vermissen, eine solche Auseinandersetzung war dem Bundesamt von vornherein gar nicht möglich, da die in Fremdsprache vorgelegten Urkunden weder einer schriftlichen Übersetzung zugeführt wurden, noch ihr wesentlicher Inhalt im Gefolge einer Einvernahme festgestellt und niederschriftlich festgehalten wurde. Der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides ist damit die Grundlage entzogen, zumal dem belangten Bundesamt gar nicht sämtliche Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zugänglich waren.

3.3.3. Der gewonnene Eindruck setzt sich dahingehend fort, dass auch das vom Beschwerdeführer in türkischer Sprache erstattete Vorbringen seitens des belangten Bundesamtes weder einer schriftlichen Übersetzung zugeführt wurde, noch der Beschwerdeführer im Gefolge einer der folgenden Einvernahmen dazu angehalten wurde, das Vorbringen mündlich zu erstatten (damit dieses Vorbringen Eingang in die Niederschrift findet). Das Verfahren bleibt damit grob mangelhaft und ist dem belangten Bundesamt eine in die Verfassungssphäre reichende Fehlleistung, nämlich ein Abgehen vom Akteninhalt und das Ignorieren von Parteivorbringen, vorzuwerfen (VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Wie oberflächlich sich das belangte Bundesamt mit der gegenständlichen Rechtssache auseinandergesetzt hat zeigt sich auch darin, dass die Feststellungen und die Beweiswürdigung des vorangehenden mündlich verkündeten Bescheides vom 06.09.2018 über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wortwörtlich übernommen wurden, anstatt selbständige Feststellungen zu treffen und eine den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechende Beweiswürdigung vorzunehmen. Dass eine Feststellung des Inhaltes "Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein" in einer Entscheidung, mit welcher ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wird, vollkommen deplatziert ist, bedarf aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keiner weiteren Erörterung. Der angefochtene Bescheid lässt insgesamt erkennen, dass die Erlassung einer den Verwaltungsverfahrensgesetzen und der zur Entscheidung über Asylfolgeanträge ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung entsprechenden Entscheidung gar nicht erst versucht wurde, sondern lediglich auf der (vom Bundesverwaltungsgericht zuvor bereits aufgehobenen) Entscheidung über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes beharrt wird.

3.3.4. Im fortgesetzten Verfahren wird daher jedenfalls der Beschwerdeführer selbst im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme zu seinem Vorbringen detailliert zu befragen sein. Zuvor ist der Inhalt der vorgelegten Beweismittel bzw. des schriftlichen Vorbringens zu erforschen.

In weiterer Folge wird das belangte Bundesamt das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung allfälliger Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, wobei vom Beschwerdeführer dabei behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, von der belangte Behörde daraufhin zu überprüfen sein werden, ob diese einen glaubhaften Kern im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes aufweisen oder nicht.

3.3.5. Da das Verfahren mangelhaft geblieben ist und dem Bundesamt die erstmalige Beurteilung eines Vorbringens im Hinblick auf dessen glaubhaften Kern im Rechtsmittelverfahren der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0025, zufolge untersagt ist, ist der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattzugeben und der angefochtene - im Zulassungsverfahren ergangenen - Bescheid ist aufzuheben. Das Verfahren ist somit zugelassen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

4.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC nicht entgegenstehen.

4.2. Im gegenständlichen Fall hat das belangte Behörde keine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt. Der für die Entscheidung maßgebliche und unter Punkt 2. festgestellte Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde im Sinn des Beschwerdevorbringens als geklärt anzusehen, sodass gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden konnte. Darüber hinaus kann der dem gegenständlichen Bescheid anhaftende Mangel dem Erkenntnis vom 13.11.2014, Ra 014/18/0025, zufolge auch nicht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung saniert werden. Schließlich ist das Bundesverwaltungsgericht durch § 21 Abs. 6a BFA-VG explizit ermächtigt, von einer Verhandlung in Fällen wie dem hier gegenständlichen von einer Verhandlung abzusehen (VwGH 17.10.2018, Ra 2018/01/0435).

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere dem Erkenntnis vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0025) ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung,
berücksichtigungswürdige Gründe, Beweiswürdigung, Christentum,
Einreiseverbot, entschiedene Sache, Ermittlungspflicht,
Fluchtgründe, Folgeantrag, freiwillige Ausreise, Frist,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, Identität der Sache, Kassation,
Konversion, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, real risk, reale Gefahr, Rechtskraft der
Entscheidung, Rechtskraftwirkung, res iudicata,
Rückkehrentscheidung, subsidiärer Schutz, Verfahrensmangel,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L521.1307540.4.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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