TE Bvwg Beschluss 2019/1/11 I401 2110935-2

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Veröffentlicht am 11.01.2019
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Entscheidungsdatum

11.01.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I401 2110935-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2018, Zl. 1021216706/180801355/180891915, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA.

Nigeria, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Fremde, ein aus dem Bundesstaat Edo stammender, in Benin City geborener Staatsangehöriger von Nigeria, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.06.2014 den ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, homosexuell zu sein und aus diesem Grund Nigeria verlassen zu haben.

Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (in der Folge: BFA), vom 17.03.2015 gab er unter anderem an, er gehöre der Volksgruppe der Urhobo an, sei verheiratet und habe zwei Kinder. Auf Vorhalt zu seinen im Rahmen der Erstbefragung gemachten Angaben führte der Fremde aus, dass er nicht homosexuell sei. Er habe nicht die Wahrheit gesagt, weil er wisse, dass man in Europa nicht an spirituelle Sachen glaube. Er habe Angst gehabt, dass seinen wahren Gründen nicht geglaubt werde. Mit einem Visum für Frankreich sei er im Mai 2014 nach Frankreich gereist und sei dann von Frankreich nach Österreich weitergereist. In Nigeria habe er nichts, sondern habe dort Mietrückstände gehabt, weshalb ihm die Wohnung gekündigt worden sei. Mittlerweile sei seine Gattin in einer Psychiatrie, weil sie wegen spiritueller Sachen attackiert worden sei. Er sei in Armut aufgewachsen; er habe aus dieser Armut ausbrechen wollen und habe deswegen seine Fortbildung selber finanziert. Er habe Nigeria nicht aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, sondern seine Mutter sei zu ihnen gekommen und habe ihr Glück stehlen wollen. Deswegen habe er Nigeria verlassen und habe ein neues Leben in den USA beginnen wollen, sei dann aber auf Umwegen nach Österreich gekommen. In Nigeria habe er ums Leben gekämpft. Obwohl er sehr talentiert und zielstrebig sei, habe er keinen Wohlstand erlangen können. Der Grund dafür seien die spirituellen Attacken seiner Familie auf ihn und seine Familie gewesen.

Bei einer weiteren Einvernahme des Fremden vor dem BFA vom 12.5.2015 gab er an, dass er in einem Traum seine Mutter gesehen habe, sie gegen seinen Hals gedrückt und seine Familie, auch sein kleines Mädchen, gequält habe. Dieser Traum sei nicht nur einmal gekommen, sondern regelmäßig. Seit er nach Österreich gekommen sei, habe er diese Träume nicht mehr.

1.2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 03.07.2015 negativ entschieden, gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.07.2018, Zl. I404 2110935-1/13E, als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

2. Am 24.08.2018 stellte der Fremde den verfahrensgegenständlichen (Folge-) Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen bei seiner Ersteinvernahme am selben Tag damit, dass er keine neuen Asylgründe habe. Er sei homosexuell, was er bereits bei seinem ersten Antrag angegeben habe. Er habe Angst, weil Homosexualität in seiner Heimat einem Todesurteil gleichkomme. Er wisse, dass seine Botschaft wisse, dass er schwul und ein Christ sei. In Nigeria gebe es Moslems, die das Christentum nicht tolerieren würden. In Wien werde er von Freunden unterstützt. Er habe eine Adresse, wo er bleiben könne. Der Staat müsse ihn daher nicht unterstützen.

Bei einer Rückkehr fürchte er den Tod oder zumindest eine Inhaftierung.

3. Mit Verfahrensanordnung gemäß §§ 29 Abs. 3 und 15a AsylG vom 31.08.2018 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (in der Folge: Bundesamt), dem Fremden mit, dass es beabsichtige, den faktischen Abschiebeschutz mit mündlich zu verkündendem Bescheid aufzuheben. Somit gelte die Zwanzigtagefrist für das Zulassungsverfahren nicht mehr.

4.1. Am 20.09.2018 wurde der Fremde vom Bundesamt einvernommen. Befragt, ob er bisher der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe, erklärte er, zu seiner Person, nicht jedoch zur ganzen Fluchtgeschichte die Wahrheit gesagt zu haben.

Auf die Frage, was gegen die (in Aussicht genommene) aufenthaltsbeendete Maßnahme spreche, äußerte der Fremde, sein Leben sei in Gefahr, er werde in Nigeria gesucht. Sein Freund, dessen Freund bei der SSS (State Security) sei, habe ihn Anfang dieses Jahres angerufen und ihm erzählt, dass er auf der Fahndungsliste der SSS stehe, weil er schwul sei. Die nigerianische Botschaft in Österreich und die österreichische Botschaft in Nigeria wüssten Bescheid.

Die nochmals gestellte Frage, ob er zu seinen Fluchtgründen und persönlichen Angaben die Wahrheit gesagt habe, bejahte er, und erklärte erneut, keine vollständigen Angaben gemacht zu haben.

Auf Vorhalt, dass er bei seiner Erstbefragung vom 24.08.2018 zu Protokoll gegeben habe, seine Situation habe sich seit seiner Flucht nicht geändert und sein Fluchtgrund bestehe nach wie vor, gab er an, das stimme nicht. Er habe das gesagt, aber es sei nicht vollständig gewesen.

Auf nochmalige Nachfrage äußerte der Fremde, in Nigeria habe er einmal einen Freund besucht. Als er von ihm weggegangen sei, habe er einen Mann mit einem Mobiltelefon gesehen und ein Geräusch von Schlägen vernommen. Er habe seinen Freund rufen gehört, dass er (sein Freund) nicht schwul sei. Deshalb sei er von seinem Freund weggelaufen. Er habe alles seiner Frau erzählt und seine Sachen gepackt. Danach habe er seine Frau angerufen, die ihm dabei erzählt habe, dass die Polizei bei ihr gewesen sei und nach ihm gefragt habe. Seine Frau sei wegen dieses Vorfalls ganz durcheinander gewesen. Er habe ihr schon vorher erzählt, dass er schwul sei, jedoch ihr auch gesagt, dass er damit aufgehört habe. Da er gesucht worden sei, habe er Nigeria zwei Tage später mit dem Flugzeug verlassen. In der Zwischenzeit habe er bei einem Freund, der ihn nunmehr angerufen habe, geschlafen.

Die Frage, seit wann er homosexuell sei, beantwortete er dahingehend, es sei in der Volksschulzeit gewesen. Sein älterer Bruder habe ihn missbraucht. In seinem bisherigen Verfahren habe er dies nicht angegeben.

Auf die Frage, ob er seit seinem Aufenthalt in Österreich sexuelle Kontakte zu männlichen Partnern gehabt habe, gab der Fremde an, im ersten Jahr seines Aufenthaltes. Sein Name sei P. gewesen. Beweismittel wolle er nicht "einbringen".

Auf die Frage, warum er neuerlich einen Asylantrag gestellt habe, antwortete er, dass ihm gesagt worden sei, dass er abgeschoben werde. Im ersten Asylverfahren habe er keine vollständigen Angaben gemacht. Er habe sich gedacht, dass er auch mit seinen unvollständigen Angaben weiterkommen werde. Jetzt wisse er, dass er alles erzählen müsse. Die Gemeinschaft in der Kirche habe ihm geraten, dass er die Geschichte mit der Homosexualität nicht aufrechten erhalten solle, weil er auch Kinder unterrichte und das einen negativen "Effekt" habe. Deshalb solle er die Geschichte mit dem spirituellen Angriff weiterführen. So sei es zu seinen verschiedenen Aussagen gekommen. Jetzt sage er aber die ganze Wahrheit, weil sein Leben in Gefahr sei.

Die (rhetorisch getroffene) Feststellung, dass er das mit dem spirituellen Angriff bereits im Vorverfahren erwähnt habe, bejahte der Fremde.

Der Bewertung durch das Bundesamt, dass bereits im Vorverfahren erkannt worden sei, dass sein Fluchtvorbringen nicht zur Gänze der Wahrheit entsprochen habe und eine Rückkehr nach Nigeria nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung bzw. Gefährdung im asylrelevanten Ausmaß nach sich ziehen werde, hielt der Fremde entgegen, dass in Österreich die Leute nicht an spirituelle Sachen glauben würden, für sie (in Nigeria) sei das selbstverständlich.

Auf Vorhalt, dass sein nunmehr dargelegtes Vorbringen dennoch nicht geeignet sei, einen asylrelevanten Sachverhalt zu begründen, und es keinen glaubhaften Kern aufweise, sowie es beabsichtigt sei, ihn nach Nigeria auszuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, wiederholte der Fremde, dass sein Leben in Nigeria gefährdet sei. Er werde dort gesucht, er sei auf einer Fahndungsliste. Die Botschaft wisse Bescheid. Wenn er an diese Leute ausgeliefert werde, dann wäre es so, als ob er umgebracht werde. Bei einer Rückkehr befürchte er, inhaftiert und umgebracht zu werden.

Die Frage, ob er außer den genannten, noch irgendwelche andere Probleme mit privaten Personen, Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen im Heimatland gehabt habe, bejahte er und erklärte, nach der Schule Probleme mit Bandenmitgliedern in Benin (City) gehabt zu haben.

4.2. Nach Abschluss der Vernehmung sowie nach Unterbrechung und Fortsetzung der Amtshandlung hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem am 20.09.2018 mündlich verkündeten Bescheid den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.

4.2.1. Der Fremde sei gesund. Es würden unter Berücksichtigung aller Tatsachen keine Umstände existieren, welche seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden. In Österreich verfüge er über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

4.2.2. Der nunmehrige Antrag des Fremden auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen.

Zu den Gründen für die voraussichtliche Entscheidung führte das Bundesamt aus, dass er sein bisher getätigtes Vorbringen, im Wesentlichen die Probleme auf Grund seiner Homosexualität, aufrecht halte. Darüber sei bereits rechtskräftig negativ abgesprochen worden. Die nunmehrigen Fluchtgründe hätten sich weder verändert noch verschlimmert. Er habe keine Beweismittel vorlegen können. Es liege ein gesteigertes Vorbringen vor. Mit dem nunmehrigen Asylantrag bezwecke der Fremde offenbar die wiederholte Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache.

4.2.3. Auch habe sich die allgemeine Lage in seinem Herkunftsland nicht entscheidungswesentlich geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass dem Fremden bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert habe, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat zu keiner Bedrohung seiner Menschenrechte führen werde.

Auch bezüglich der persönlichen Verhältnisse des Fremden sei im Vergleich zur vorherigen Entscheidung keine Veränderung eingetreten.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland des Fremden in Verbindung mit seinem Vorbringen könne davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung, wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben, drohe.

4.2.4. Auf die Frage, ob er bezüglich der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben wolle, erklärte der Fremde, er wolle eine Beschwerde erheben.

4.2.5. Die Rechtsmittelbelehrung enthält den Hinweis, dass diese Beurkundung als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gelte und die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt würden und dies als Beschwerde gelte.

4.2.6. Mit dem am 26.09.2018 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangten Schreiben übermittelte das Bundesamt seine den Fremden betreffenden Akten und wies auf die gegen die ergangene Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG erhobene Beschwerde hin.

Am selben Tag bestätigte das Bundesverwaltungsgericht (per E-Mail) dem Bundesamt, dass die Verwaltungsakte in der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt sind.

5. Der Verwaltungsgerichtshof stellte an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die gesetzliche Bestimmung des § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, als verfassungswidrig aufzuheben, und mehrere Eventualanträge.

6. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 26.09.2018, I401 2110935-2, ebenfalls einen Antrag auf Aufhebung der zuvor zitierten Bestimmungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.

Zu Spruchpunkt A):

1. Feststellungen:

Der volljährige Fremde ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Urhobo an. Er ist in Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaates Edo, geboren. Seine Identität steht nicht fest.

Der Fremde hält sich seit (zumindest) 08.06.2014 in Österreich auf.

In Nigeria verfügt der Fremde über Familienangehörige. So leben seine Frau mit den beiden Kindern, seine Mutter und mehrere Geschwister in Nigeria. Er hat auch noch Kontakt zu Familienangehörigen, insbesondere zu zwei Brüdern und seiner Frau.

In Österreich verfügt der Fremde über keine Verwandten. Er lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft mit Tina G, einer österreichischen Staatsbürgerin.

Der Fremde besuchte 16 Jahre die Schule und hat seine Ausbildung mit einem Diplom in Kunst in Nigeria abgeschlossen. Er wohnte zuletzt zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in Lagos und hat als Musiker sowie Maler gearbeitet und so das Leben für sich und seine Familie finanziert.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht keine Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Er verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Außerdem besucht er ein Lern-Cafe. Seit Jänner 2017 ist er Schüler im Rhema Bibeltrainingszentrum Austria.

Er ist Mitglied der Kirchengemeinde "The Lords Pentecostal Evangelistic Ministry" und arbeitet dort als Chorverantwortlicher mit und gibt Klavierunterricht. Außerdem ist er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Mitglied in einer Band.

Der Fremde ist unbescholten.

Er stellte am 08.06.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 03.07.2015 entschied die belangten Behörde über diesen Antrag negativ und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.07.2018 als unbegründet abgewiesen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Fremde in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.

Der Fremde weist kein schützenswertes Privat- oder Familienleben auf. Er leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig.

Wie aus den umfangreichen, vom Bundesasylamt im Vorverfahren sowie im gegenständlichen Verfahren getroffenen aktuellen Länderfeststellungen zu Nigeria hervorgeht, liegt für den Fremden bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung der Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nicht vor. Auch ist für den Fremden als Zivilperson im Fall einer Rückkehr keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes zu erwarten. Ebenso wird er im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Im Verfahren des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Folgeantrag sowie in jenem vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die diesen Feststellungen zur Lage in Nigeria entgegenstünden.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie in den zu überprüfenden Bescheid Beweis erhoben.

Die Feststellungen zur Person, der Herkunft, zum Gesundheitszustand sowie zu den Lebensumständen des Fremden gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt.

Dass der Fremde mit Tina G in keiner Lebensgemeinschaft lebt, ergibt sich aus der Tatsache, dass er "nur" in der Zeit vom 27.03. bis 07.08.2018 an derselben Adresse wie Tina G, die unverändert dort gemeldet ist, mit Hauptwohnsitz (in Gablitz) gemeldet war. Vom 07.08. bis 23.08.2018 hielt er sich in einer Betreuungsstelle in Tirol auf und ist seit 20.09.2018 in Wien gemeldet, wobei Unterkunftgeberin Tina G ist. Er erhielt auch (Geld-) Leistungen aus der Grundversorgung (wie für die Unterbringung und Taschengeld bis 21.09.2018 sowie Verpflegung bis 23.08.2018 (vgl. den aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 11.01.2019). Zudem gab er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt vom 20.09.2018 zwar an, Tina G seit ca. drei Jahren zu kennen und dass die Beziehung seit ca. einem Jahr eine "richtige" sei, jedoch mit ihr nicht zusammenzuleben (AS 123).

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit leitet sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug der Republik Österreich ab.

Die Feststellung, dass er über keine bzw. hinreichenden Deutschkenntnisse verfügt, ist darauf zurückzuführen, dass er kein "Deutsch-Zertifikat (A2)" vorgelegt hat bzw. sich in der aufgenommenen Niederschrift vom 20.09.2018 die Anmerkung findet, "Einvernahme auf Deutsch nicht möglich" (vgl. AS 124).

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Fremden wurden dem "Länderinformationsblatt" zu Nigeria entnommen. Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Länderfeststellungen, welche der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde gelegt wurden, zeigen keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Nigeria gegenüber der Zeit der vorangehenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.07.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. § 12a Abs. 1 und 2 AsylG 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) lauten:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Der § 22 Abs. 10 AsylG 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016) lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

3.1.2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.1.3. Voranzustellen ist, dass der Fremde einen weiteren Asyl- bzw. einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vorliegt.

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005.

Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüber hinaus gehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

Gegenständlich besteht gegen den Fremden auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.07.2018 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005. Mit dieser Entscheidung wurde die - den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz und damit auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abweisende - Entscheidung der belangten Behörde bestätigt, sodass feststeht, dass ihm in Nigeria keine asylrelevante Verfolgung droht.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ist nicht eingetreten. Das Vorbringen des Fremden im gegenständlichen Verfahren war ihm bereits zum Zeitpunkt der Stellung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz bekannt. Es ergibt sich aus dem nunmehrigen Vorbringen kein gegenüber den Vorfahren geänderter Sachverhalt im Sinne neuer zu beachtender Fluchtgründe. Auch die Situation in Nigeria hat sich seit den vorangegangenen Entscheidungen nicht geändert. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des Fremden.

Im vorangegangenen Verfahren hat das Bundesamt bereits ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). In der Begründung des Bescheides des Bundesamtes wird ausgeführt, dass der Fremde keine Gefährdung seiner Person glaubhaft machen konnte. Es sei nicht anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein würde. Auch aus der allgemeinen Situation im Heimatland bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine ließe sich eine solche nicht ableiten.

Auch gibt es dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erk. VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, zumal der Fremde an keiner schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die es nahelegen würden, dass, bezogen auf den Fremden, ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Der Fremde führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht den Umstand nicht verkennt, dass der Fremde durchaus Integrationsbemühungen (Mitglied in der Kirchengemeinde, Tätigkeit als Chorverantwortlicher und Klavierlehrer, Mitglied in einer Band) zeigt, so sind diese doch für sich alleine nicht ausreichend um eine Integration von maßgeblicher Intensität zu begründen. Zudem ist ins Treffen zu führen, dass er, obwohl er sich seit ca. vier Jahren in Österreich aufhält, über keine anerkennenswerten Deutschkenntnisse verfügt.

Der neuerliche Antrag bzw. Folgeantrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 24.08.2018 wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig war.

Da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende ohne Durchführung einer Verhandlung zu treffende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu erledigen.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I401.2110935.2.00

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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