TE Bvwg Beschluss 2019/2/11 W238 2184586-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

ABGB §183 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §9
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
ZustG §7

Spruch

W238 2184586-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein ZEIGE, Zentrum für europäische Integration und globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Straße 54/4. Stock/Top 2, 1170 Wien, gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2018, Zahl XXXX, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mangels eines

tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der - damals noch minderjährige - Beschwerdeführer reiste mit seinem älteren Bruder XXXX und dessen Familie in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.01.2018 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken mit sunnitisch-islamischem Glauben sei. Er stamme aus Kabul und habe dort 12 Jahre die Schule besucht. Sein Geburtsdatum wurde mit XXXX aufgenommen. Als Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass sein älterer Bruder bei einer amerikanischen Firma gearbeitet und sich die Taliban zu Feinden gemacht habe. Die Taliban hätten seinen Bruder aufgefordert, Opium in die Firma zu bringen, was dieser jedoch verweigert habe. Deshalb seien sie geflüchtet.

3. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 30.10.2017, GZ XXXX, wurde die Obsorge für den Beschwerdeführer gemäß § 178 ABGB seiner (im Herkunftsstaat aufhältigen) Mutter entzogen und unter Bezugnahme auf § 204 ABGB dem volljährigen Bruder übertragen.

4. Anlässlich der am 19.12.2017 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie des Bruders als gesetzlicher Vertreter durchgeführten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (im Folgenden: BFA), gab der Beschwerdeführer sein Geburtsdatum mit XXXX an. Weiters wiederholte er seine Angaben zu Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Geburtsort sowie Schulbesuch und präzisierte sein Fluchtvorbringen.

5. Mit der nunmehr angefochtenen - als Bescheid bezeichneten - Erledigung des BFA vom 04.01.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.01.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Aus der Zustellverfügung geht hervor, dass die Übermittlung der Erledigung vom 04.01.2018 an den Bruder des Beschwerdeführers als gesetzlicher Vertreter angeordnet wurde, der diese am 08.01.2018 übernommen hat.

6. Gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung des BFA vom 04.01.2018 wurde mit näherer Begründung Beschwerde erhoben. Unter einem wurden Beschwerden gegen Bescheide des BFA betreffend den Bruder des Beschwerdeführers und dessen Familie eingebracht. Die Beschwerdeführer beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, die angefochtenen Bescheide aufheben und ihnen den Status von Asylberechtigten zuerkennen. In eventu wurde beantragt, die Bescheide aufzuheben und den Beschwerdeführern den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder die Rückkehrentscheidungen für auf Dauer unzulässig zu erklären und den Beschwerdeführern einen Aufenthaltstitel zu erteilen oder die Bescheide aufzuheben und zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurückzuverweisen.

7. Die Beschwerden und zugehörigen Verwaltungsakten langten am 30.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.12.2018 wurde die verfahrensgegenständliche Rechtssache der bisher zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der Gerichtsabteilung W238 neu zugewiesen.

Die den älteren Bruder des nunmehrigen Beschwerdeführers und dessen Familie (Ehefrau und drei Kinder) betreffenden Beschwerdesachen wurden im Bundesverwaltungsgericht zu Zahlen W122 2184594-1, W122 2184595-1, W122 2184588-1, W122 2184591-1 und W122 2184592-1 protokolliert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger.

Er wurde am XXXX in Kabul (XXXX) geboren und stellte am 16.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das BFA ging im gesamten Verfahren von diesem Geburtsdatum aus, welches auch im Zentralen Melderegister eingetragen ist.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 30.10.2017, GZ XXXX, wurde die Obsorge für den damals minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 178 ABGB seiner (im Herkunftsstaat aufhältigen) Mutter entzogen und unter Bezugnahme auf § 204 ABGB dessen volljährigem Bruder XXXX übertragen. Auch in diesem Beschluss scheint als Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX auf.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX volljährig. Die Obsorge des Bruders für den Beschwerdeführer ist mit Eintritt der Volljährigkeit erloschen.

Die Zustellverfügung der in Beschwerde gezogenen Erledigung vom 04.01.2018 lautet: "Mit RSa an den gesetzlichen Vertreter des

minderjährigen Asylwerbers ... XXXX (Bruder)."

Der Bruder des Beschwerdeführers hat die nunmehr angefochtene Erledigung am 08.01.2018 übernommen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf den unbedenklichen und von den Verfahrensparteien nicht bestrittenen Akteninhalt, insbesondere auf den Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 30.11.2017, die Zustellverfügung des BFA und den RSa-Rückschein.

Dass (auch) die belangte Behörde im gesamten Asylverfahren vom Geburtsdatum XXXX ausgegangen ist, ergibt sich aus den Niederschriften der Erstbefragung vom 17.01.2016 und der Einvernahme vom 19.12.2017. Dieses Geburtsdatum scheint im Übrigen ebenso im Zentralen Melderegister und im Deckblatt der Beschwerde(n) auf. Zwar wurde das Geburtsdatum des Beschwerdeführers in der angefochtenen Erledigung nicht formal festgestellt. Das BFA nahm darin jedoch mehrfach Bezug auf den Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 30.11.2017 und die dort verfügte Übertragung der Obsorge an den Bruder des Beschwerdeführers. Der Umstand, dass das BFA lediglich in der Adresszeile der angefochtenen Erledigung neben dem Geburtsdatum XXXX auch das vom Beschwerdeführer bei der Einvernahme angegebene Aliasdatum XXXX angeführt hat, vermag daran nichts zu ändern, zumal sich aus der Erledigung in Zusammenschau mit der Zustellverfügung zweifelsfrei ergibt, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Ausfertigung und Übermittlung der Erledigung (fälschlich) von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ausging.

Bezüglich der Feststellung, dass die Obsorge für den Beschwerdeführer mit Eintritt seiner Volljährigkeit am XXXX erloschen ist, wird auf die rechtlichen Ausführungen verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG) lauten wie folgt:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. ‚Empfänger': die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person; ..."

"Zustellverfügung

§ 5. Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten."

"Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist."

"Zustellung an den Empfänger

§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers."

3.3. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Für das Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, dass er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz. Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung bzw. Ausfolgung (§ 24 ZustG) zu erfolgen.

Ist ein Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der belangten Behörde verwehrt, im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung meritorisch über die Beschwerde abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 09.03.1982, 81/07/0212; 30.05.2006, 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten. Ein der Entscheidung in der Sache selbst entgegenstehendes Hindernis liegt dann vor, wenn sich ein Rechtsmittel gegen einen nicht rechtswirksam erlassenen Bescheid richtet (vgl. VwGH 18.06.2008, 2005/11/0171; 30.08.2017, Ra 2016/18/0324).

Voraussetzung für eine Beschwerdeführung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist daher, dass ein Bescheid überhaupt erlassen wurde, also durch Zustellung bzw. Ausfolgung (oder mündliche Verkündung) rechtlich existent geworden ist.

3.4. Die vom Beschwerdeführer bekämpfte Erledigung wurde ihm gegenüber nicht rechtswirksam erlassen.

Die Zustellung, entsprechend der Zustellverfügung, an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten, dies selbst im Fall des tatsächlichen Zukommens an die Partei. Auch bewirkt weder die bloße Kenntnisnahme von einem Bescheid noch die private Anfertigung einer Fotokopie davon noch etwa die Übermittlung einer Telekopie durch eine von der Behörde verständigte andere Person, dass das Schriftstück tatsächlich zugekommen und eine Heilung des Zustellmangels im Sinn des § 7 ZustG eingetreten ist (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/05/0013). Die Heilung eines Zustellmangels nach § 7 Abs. 1 ZustG setzt voraus, dass das Schriftstück in die Verfügungsgewalt des "Empfängers", welcher aus dem Grunde des § 2 Z 1 ZustG die in der Zustellverfügung bezeichnete Person ist, gelangt. War bereits eine unzutreffende Person in der Zustellverfügung als Empfänger bezeichnet, so liegt kein Fall des § 7 Abs. 1 ZustG vor (vgl. VwGH 07.09.2005, 2004/12/0212; 18.06.2008, 2005/11/0171; 26.02.2014, 2013/04/0015; 23.11.2016, Ra 2015/05/0092; 20.03.2018, Ro 2017/05/0015). Weist daher die Zustellverfügung einen nach den Verfahrensgesetzen falschen Empfänger auf, kommt die Heilung einer Zustellung für die in der Zustellverfügung nicht genannte Person nicht in Frage (vgl. auch Stummvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 7 ZustG Rz 17, Stand 01.07.2016 rdb.at)

3.5. Nach § 9 AVG sind Fragen der persönlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit von am Verwaltungsverfahren Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. § 10 BFA-VG sieht in seinem Abs. 1 vor, dass für den Eintritt der Handlungsfähigkeit in Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG und in einem Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 BFA-VG vor dem Bundesverwaltungsgericht ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich ist. Damit handelt es sich insoweit um eine lex specialis zum Internationalen Privatrechts-Gesetz (IPRG).

Demnach bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit eines Menschen primär nach seinem Alter. Mit der Volljährigkeit (= Vollendung des 18. Lebensjahres) erreicht der geistig gesunde österreichische Staatsbürger die volle Geschäftsfähigkeit und ist daher jedenfalls auch prozessfähig (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I2, § 9 Rz 14). Dies gilt zufolge § 10 Abs. 1 BFA-VG auch für Fremde, die sich in einem in dieser Bestimmung genannten Verfahren befinden. Hingegen stehen Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs. 2 ABGB), unter dem besonderen Schutz der Gesetze (§ 21 Abs. 1 ABGB) und können daher an sich ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Sie sind also grundsätzlich geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO).

Personen, die nicht prozessfähig sind, nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten. Zudem enthält das BFA-VG betreffend die gesetzliche Vertretung Minderjähriger sowie die von einem oder mehreren gesetzlichen Vertretern gesetzten Prozesshandlungen weitere Regelungen, insbesondere auch für jenen Fall, in dem die Interessen eines Minderjährigen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können (vgl. dazu in erster Linie die Bestimmungen des § 10 BFA-VG; zu dem vorher Gesagten VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007; 18.10.2017, Ra 2016/19/0351).

3.6. Wie festgestellt, wurde der Beschwerdeführer am XXXX in Kabul geboren. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 30.10.2017 wurde die Obsorge für den damals minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 178 ABGB seiner (im Herkunftsstaat aufhältigen) Mutter entzogen und unter Bezugnahme auf § 204 ABGB dessen volljährigem Bruder XXXX übertragen. Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde bereits dargelegt, dass die belangte Behörde das Geburtsdatum des Beschwerdeführers - sowohl im Asylverfahren als auch bei Ausfertigung und Übermittlung der angefochtenen Erledigung - ebenso wie das zuständige Bezirksgericht mit XXXX angenommen hat.

Gemäß § 183 Abs. 1 ABGB erlischt die Obsorge für ein Kind mit Eintritt der Volljährigkeit, sodass sich der Volljährige ab diesem Alter gesetzlich selbst vertritt (vgl. hierzu Deixler-Hübner in Kletecka/Schauer, ABGB-ON Stand 01.08.2017, § 183 ABGB).

Bezeichnet die Behörde fälschlich nicht den volljährigen Asylwerber, sondern einen - vermeintlichen - gesetzlichen Vertreter als Empfänger einer Erledigung, so liegt ein Mangel des Zustellvorgangs vor, der nicht geheilt werden kann. Auf ein Verschulden der Behörde kommt es dabei nicht an.

Zum Zeitpunkt der Ausfertigung und Übermittlung der angefochtenen Erledigung vom 04.01.2018, welche am 08.01.2018 vom Bruder des Beschwerdeführers übernommen wurde, war der Beschwerdeführer bereits 18 Jahre alt und somit volljährig. Aus des Zustellverfügung des BFA ergibt sich, dass die Übermittlung der Erledigung "[m]it RSa an den

gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Asylwerbers ... XXXX

(Bruder)" angeordnet wurde. Damit wurde die als Bescheid bezeichnete Erledigung vom 04.01.2018 dem Beschwerdeführer gegenüber nicht wirksam erlassen. Da der Beschwerdeführer nicht in der Zustellverfügung genannt wurde, kam eine Heilung gemäß § 7 Abs. 1 ZustG nicht in Betracht.

Die Beschwerde richtet sich, da ein Bescheid mangels rechtswirksamer Zustellung nicht existent wurde, gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand ist. Dem Bundesverwaltungsgericht fehlt für eine meritorische Entscheidung - etwa auf Grundlage des Beschwerdevorbringens - die Zuständigkeit.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

Das Verfahren betreffend den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.01.2016 ist sohin (nach wie vor) beim BFA anhängig.

3.7. Entfall der mündlichen Verhandlung

Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen. Zudem war aufgrund des unbestrittenen Akteninhalts durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Pkt. II.3. zitierte Rechtsprechung); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Anfechtungsgegenstand, Bescheiderlassung, Bescheidqualität,
gesetzlicher Vertreter, Nichtbescheid, Obsorge, Volljährigkeit,
Zurückweisung, Zustellmangel, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W238.2184586.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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