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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des VG in Wien, geboren am 14. Juni 1977, vertreten durch
Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. März 1998, Zl. Fr 1076/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (belangte Behörde) vom 18. März 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen. Diese Entscheidung wurde nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 23. September 1997 von Ungarn kommend, in einem "Kombi" versteckt und damit unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal nach Österreich eingereist sei. Er sei nicht im Besitz eines Reisedokumentes oder einer Aufenthaltsbewilligung gewesen.
Der am 24. September 1997 eingebrachte Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit - vorerst mündlichem - Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. März 1998 abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht direkt aus jenem Staat eingereist, in dem verfolgt zu werden er behaupte, und daher sei ihm auch nicht das vorläufige Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Asylgesetz 1991 "zuerkannt" worden. Das Asylverfahren sei rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers unterliege daher uneingeschränkt den Bestimmungen des Fremdengesetzes. Der Mißachtung der für die Einreise nach und die Ausreise aus Österreich bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der fremdengesetzlichen Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege. Der Beschwerdeführer habe keine privaten oder familiären Beziehungen zu in Österreich lebenden Personen. Seine Eltern sowie Geschwister seien in seinem Herkunftsland aufhältig. Daher sei durch die Ausweisung auch kein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers gegeben. Der durch die Ausweisung bewirkte Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 31 Abs. 1, § 33 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 lauten:
"Rechtmäßiger Aufenthalt
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2. wenn sie aufgrund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder
4. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.
Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel
§ 33. (1) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 37. (1) Würde durch eine Ausweisung gemäß den §§ 33 Abs. 1 oder 34 Abs. 1 und 3 oder durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist."
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellung der belangten Behörde, daß er unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sei und ihm keine Bewilligung zum Aufenthalt in Österreich erteilt worden sei. Er bekämpft nicht die darauf beruhende Rechtsansicht der belangten Behörde, daß er sich unrechtmäßig im Sinn des § 33 Abs. 1 FrG im Bundesgebiet aufhalte. Gegen diese Beurteilung hegt auch der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid auch nicht wegen einer fehlerhaften Berücksichtigung seiner privaten oder familiären Interessen für rechtswidrig. Auch der Verwaltungsgerichtshof erachtet den angefochtenen Bescheid insofern für unbedenklich: Denn selbst unter der Annahme, daß bei Berücksichtigung des etwa sechsmonatigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich mit seiner Ausweisung ein relevanter Eingriff in sein Privatleben verbunden wäre, erwiese sich diese Maßnahme insoweit nicht als rechtswidrig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften kommt nämlich aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu, weshalb die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers durchaus als dringend geboten und somit als zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG ansehen durfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zl. 98/21/0252).
Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid aber deswegen, weil die belangte Behörde von dem ihr in § 33 Abs. 1 FrG 1997 eingeräumten Ermessen nicht im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht habe. Der Beschwerdeführer sei in Österreich beim evangelischen Flüchtlingsdienst untergebracht und erfahre dort auch seine soziale Integration. Es sei auch zu berücksichtigen, daß er in seinem Heimatland Verfolgungen ausgesetzt sei, dort verhaftet, angehalten und geschlagen worden sei. Die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Kosovo sei für ihn mit Sicherheit mit weiteren Verfolgungen, Mißhandlungen und dergleichen verbunden. Dieses persönliche Schicksal des Beschwerdeführers wiege schwerer als eine einmalige Verfehlung, wie sie durch eine illegale Einreise in das österreichische Bundesgebiet gegeben sei. Es sei daher auch zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer im September 1997 in großer Bedrängnis nach Österreich gekommen sei. Demgegenüber sei das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung von eher abstraktem Stellenwert. Eine Ausweisung allein aus diesem Grund wäre somit von äußerst inhumanem Charakter und insbesondere nicht im Sinn der EMRK.
Auch mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar entbindet der hohe Stellenwert der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Einhaltung durch die Normadressaten die Behörde nicht von ihrer gesetzlichen Verpflichtung, die für die Ermessensübung gemäß § 33 Abs. 1 FrG maßgebenden Umstände und Erwägungen soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz erforderlich ist. Auch trifft die in der Gegenschrift vertretene Auffassung der belangten Behörde nicht zu, der Gesetzgeber habe mit den in § 33 Abs. 1 FrG des Fremdengesetzes 1997 verwendeten Worten "Fremde können ... ausgewiesen werden" gegenüber "Fremde sind ... auszuweisen" in § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 bloß klargestellt, "dass gewichtige Bindungen an die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele im Hinblick auf den Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des § 37 im Spiel" seien. Für die Übung des Ermessens gemäß § 33 Abs. 1 FrG können nämlich auch andere Gesichtspunkte als die privaten und familiären Interessen des betroffenen Fremden von Bedeutung sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0175).
Im vorliegenden Fall sind jedoch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde Umstände ersichtlich, welche gegen die Ausweisung sprächen. Mit der Ausweisung wird nämlich nicht angeordnet, daß der Fremde in einen bestimmten Staat auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde. Die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat stellt sich etwa im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 75 FrG oder betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG, nicht aber im Verfahren betreffend eine Ausweisung. Die im Heimatstaat dem Beschwerdeführer allenfalls drohenden Gefahren können im vorliegenden Zusammenhang daher nicht gegen seine Ausweisung ins Treffen geführt werden. Die belangte Behörde hat vielmehr zutreffend auf den hohen Stellenwert des öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens hingewiesen. Angesichts der unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgten Einreise des Beschwerdeführers, seines unrechtmäßigen Aufenthaltes und seiner persönlichen Verhältnisse kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß sie bei Erlassung der Ausweisung von dem ihr eingeräumten Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen gehabt hätte (vgl. das hg.
Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0249).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als
unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG
i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 6. November 1998
Schlagworte
Ermessen Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998210305.X00Im RIS seit
11.07.2001