TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 W251 2182040-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §53 Abs3 Z6
FPG §53 Abs3 Z7
FPG §53 Abs3 Z8
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2182040-1/27E

W251 2182040-2/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 19.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. 1097562307 - 151910644, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2018, Zl. 1097562307 - 151910644, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte ./I bis ./IV des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt ./VI wird insoweit stattgegeben, als gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 01.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 02.12.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass es Grundstücksstreitigkeiten zwischen seiner Familie und den Taliban gegeben habe. Er sei mit dem Umbringen bedroht worden. Da sein Leben in Gefahr gewesen sei, sei er geflüchtet.

3. Am 07.11.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er in Kabul für eine ausländische Firma, die Straßen gebaut habe, gearbeitet habe. Er sei nach Kunduz zu seiner Familie gefahren. Die Taliban haben die Stadt Kunduz erobert und ein Krankenhaus sei von den Amerikanern bombardiert worden. Er sei mit seinem verletzten Bruder nach Kabul geflogen, dort sei der Bruder in ein Krankenhaus gekommen. Bereits zuvor sei der Beschwerdeführer von den Taliban telefonisch und mit einem Drohbrief bedroht worden.

4. Mit Bescheid vom 01.12.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, zwar sei seine Heimatprovinz wegen der allgemeinen Sicherheitslage volatil, es stehe dem Beschwerdeführer jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul und in Mazar-e Sharif zur Verfügung. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Beweiswürdigung mangelhaft sei. Er werde aufgrund seiner politischen Gesinnung und religiösen Überzeugung von den Taliban in Afghanistan verfolgt. Rückkehrer würden als verwestlichst angesehen und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar. Eine Rückkehr nach Afghanistan würde zudem ist das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifen.

6. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 16.07.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz und wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31.07.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe (Spruchpunkt (IV). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Es wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt .VI).

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer aufgrund seines Familien- und Privatlebens auf Dauer unzulässig sei, der Beschwerdeführer sei um eine erfolgreiche Integration sehr bemüht. Die Verhängung eines Einreiseverbots sei unverhältnismäßig. Jedenfalls sei die Dauer des Einreiseverbots zu hoch bemessen, da eine positive Zukunftsprognose zu treffen sei. Es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

9. Mit Teilerkenntnis vom 04.09.2018, betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 31.07.2018, wurde der Beschwerde des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom

01.12.2017 sowie betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom

31.07.2018 durch.

Nach Schluss der Verhandlung verkündete die erkennende Richterin mündlich gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG das Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilte Rechtsmittelbelehrung. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.12.2017 wurde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 31.07.2018 wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. bis IV. als unbegründet abgewiesen. In Stattgebung der Beschwerde wurde hinsichtlich Spruchpunkt VI. die Ausreisefrist mit 14 Tagen festgesetzt.

11. Mit Schriftsatz vom 27.11.2018 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des am 19.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses betreffend die Aktenzahl W251 2182040-1 (sohin betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 01.12.2017).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache (AS 1; Verhnaldungsprotokoll vom 19.11.2018, OZ 21, S. 3, S. 6f).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kunduz, in der Stadt Kunduz geboren. Der Beschwerdeführer ist in Kunduz aufgewachsen und hat dort acht Jahre lang die Schule besucht. Anschließend war er mit seiner Familie sieben Jahre lang in Pakistan (OZ 21, S. 7). Anschließend hat er mit seiner Familie ca. fünf Jahre lang wieder in Kunduz gelebt und dort mehrere Jahre ein Lebensmittelgeschäft geführt. Danach hat der Beschwerdeführer drei Jahre lang in Kabul gelebt und dort als Koch gearbeitet (OZ 21, S. 8, S. 11). Der Beschwerdeführer hat eine Ausbildung zum Koch gemacht (OZ 21, S. 11).

Der Beschwerdeführer ist verlobt, er hat keine Kinder. Die Verlobte des Beschwerdeführers lebt bei ihrer Familie in Kunduz (OZ 21, S. 7; AS 183).

Der Beschwerdeführer ist mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aufgewachsen (OZ 21, S. 9). Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers leben in Kunduz. Eine Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt in der Stadt Kabul, eine weitere Schwester des Beschwerdeführers ist ebenfalls verheiratet und lebt in der Stadt Mazar-e Sharif. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in England, einer in Frankreich, einer in Deutschland und zwei in der Ukraine. Eine Tante väterlicherseits lebt in Mazar-e Sharif, eine in der Stadt Kabul und vier Tanten väterlicherseits leben in der Stadt Kunduz. Zwei Onkel väterlicherseits leben in Tadschikistan, einer lebt in der Stadt Kunduz. Eine Tante mütterlicherseits lebt in Takhar, eine in der Stadt Kabul und zwei Tanten mütterlicherseits leben in der Stadt Kunduz. Zwei Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in der Stadt Kabul. Ein Onkel mütterlicherseits lebt in England, eine Tante mütterlicherseits lebt in den USA. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie (OZ 21, S. 9-10).

Die Brüder des Beschwerdeführers schicken Geld zur Mutter und zur Schwester des Beschwerdeführers nach Kunduz. Die Familie des Beschwerdeführers hat ein Eigentumshaus in Kunduz (OZ 21, S. 10).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Dezember 2015 durchgehend in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer hat einen Alphabetisierungskurs und einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht. Der Beschwerdeführer hat nur sehr geringe Deutschkenntnisse (As 39; OZ 21, S. 11f).

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Inhaftierung in Österreich von der Grundversorgung und ging keiner Erwerbstätigkeit nach. Seit seiner Inhaftierung arbeitet der Beschwerdeführer in der Haftanstalt (OZ 21, S. 12).

Der Beschwerdeführer hat im Dezember 2015 gemeinnützige Arbeit bei der Caritas verrichtet, nämlich im Bereich der Essensversorgung bzw. hat er kurz nach seiner Ankunft für drei Monate in einem Flüchtlingscamp gekocht. Seitdem hat er jedoch keine gemeinnützige Arbeit mehr verrichtet (OZ 21, S. 12; OZ 10). Der Beschwerdeführer ist weder Mitglied in einem Verein, noch besucht er eine Schule oder nimmt an (Integrations-)Kursen teil (OZ 21, S. 12).

Der Schweigervater eines Onkels des Beschwerdeführers lebt in Österreich. Diesen sieht er alle drei bis vier Monate. Dessen Söhne trifft er gelegentlich. Der Beschwerdeführer hat in

Österreich zu vielen Afghanen freundschaftliche Kontakte knüpfen können. Er verfügt weder über enge Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (OZ 21, S. 13).

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund (OZ 21, S. 13).

Der Beschwerdeführerwurde von einem Landesgericht am 16.07.2018 wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtmitteln sowie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels (§§ 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs 2 SMG; 28a Abs 1 5. Fall SMG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt (Beilage ./I).

Der Beschwerdeführer hat von ca. Dezember 2015 bis zumindest März 2018 in zahlreichen Fällen Cannabisprodukte zum Eigenverbrauch erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum bzw. bis zur Sicherstellung durch die Polizei besessen. Der Beschwerdeführer hat von ca. Jänner 2016 bis zumindest Mitte Februar 2018 zumindest 737 Gramm Cannabiskraut an andere Personen durch gewinnbringenden Verkauf zu einem Preis von je EUR 10,00 je Gramm überlassen, wobei er auch Minderjährigen Cannabiskraut gewinnbringend überlassen hat (OZ 14).

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht und sieht das Unrecht seiner Taten nicht ein.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht oder zur Zusammenarbeit aufgefordert. Es gab keine Grundstücksstreitigkeiten mit den Taliban oder mit anderen Personen. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan nicht für eine ausländische Firma oder für eine ausländische Organisation gearbeitet.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlasen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.

1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Provinz Kunduz aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Kabul und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Kabul oder Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorrübergehend finanziell oder durch die Zurverfügungstellung einer Unterkunftsmöglichkeit unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Kabul oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im

Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom

29.06.2018 mit Kurzinformation vom 19.10.2018 - LIB 19.10.2018, S.36).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 19.10.2018, S. 37).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah- Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 19.10.2018, S. 39).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 19.10.2018, S. 47).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 19.10.2018, S. 40).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high- profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 19.10.2018, S. 40). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 19.10.2018, S.40 ff).

Rekrutierung durch die Taliban:

Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind. Aus Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven schließen sich viele den Taliban an (Beilage ./III, S. 12-13). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Beilage ./III, S. 14).

Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./III, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechtsund Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./III, S. 19).

Kunduz:

Kunduz liegt 337 km nördlich von Kabul. Die Provinz hat 1.049.249 Einwohner. In der Provinz leben Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara und Paschai. Kunduz zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind. In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische; die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden. Im gesamten Jahr 2017 wurden 377 zivile Opfer (93 getötete Zivilisten und 284 Verletzte) in der Provinz Kunduz registriert. Hauptursache waren Bodenangriffe, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen (LIB 19.10.2018, S. 146ff).

Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken,

Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 19.10.2018, S. 61f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 19.10.2018, S. 62f).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 19.10.2018, S. 48).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt (LIB 19.10.2018, S. 63f).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 19.10.2018, S. 64).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in

Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 19.10.2018, S. 79).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 19.10.2018, S. 80).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 19.10.2018, S. 80).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 19.10.2018, S. 79f).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 19.10.2018, S. 332f).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 19.10.2018, S. 334 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 19.10.2018, S. 334).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 19.10.2018, S. 328).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Mehr

als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 19.10.2018, S. 328f).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht- regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 19.10.2018, S. 341).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das

Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB

19.10.2018, S. 342f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB

19.10.2018, S. 343f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB

19.10.2018, S. 344f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 19.10.2018, S. 345f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem

Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 19.10.2018, S. 346).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 19.01.2018, S. 346).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan, sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 19.10.2018, S. 289f).

Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 19.10.2018, S. 279). Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./V (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 19.10.2018, Beilage ./II; Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017, Beilage ./III;

Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV,;

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Taliban Drohbireife, Bedrohung militärischer Mitarbeiter vom 28.07.2016, Beilage ./V).

Dem Erkenntnis werden die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulbildung und Berufserfahrung) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Dass der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, er ist dort zur Schule gegangen und hat dort mehrere Jahre gearbeitet.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden engen familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem GrundversorgungsInformationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm beim Bundesamt vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen zu den geringen Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die sehr einfachen auf Deutsch gestellten Fragen nur teilweise verstanden hat (OZ 21, S. 11f).

Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (AS 177; AS 184; OZ 21, S. 5, S. 13) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er sich bereits einmal in einer ihm fremden Stadt, nämlich Kabul, ansiedeln konnte. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er bereits mehrere Jahre in Kabul bzw. in Kunduz einer Arbeit nachgegangen ist. Seit er in Österreich inhaftiert ist, geht er in der Haftanstalt einer Arbeit nach (OZ 212, S. 12). Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister und aus dem im Akt erliegenden Strafurteil (Beilage ./I; OZ 14). Der Beschwerdeführer übernahm in der mündlichen Verhandlung keine Verantwortung für seine Taten, sondern stritt eine Beteiligung, trotz rechtskräftiger Verurteilung, ab. Der Beschwerdeführer gab an, dass er keine Straftaten in Österreich verübt habe (OZ 21, S. 14). Es ist daher nicht von einer Einsicht in das Unrecht der Taten durch den Beschwerdeführer auszugehen. Dieser missachtet die österreichische Rechtsordnung. Zudem sprechen sowohl der lange Tatzeitraum, als auch die hohe Menge an gehandelten Drogen für eine besonders schlechte Zukunftsprognose und eine hohe Rückfallgeneigtheit.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch die Taliban, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen gleichbleibend, umfassend und detailliert zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten und Widersprüche, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

2.2.2. Während der Beschwerdeführer in der freien Erzählung beim Bundesamt den Schwerpunkt seiner Erzählung auf seine Arbeit bei einer ausländischen Firma und einen Angriff in Kunduz legte, gab dieser in der mündlichen Verhandlung an, dass er von den Behörden Grundstücke zugesprochen bekommen habe, die die Taliban seinem Vater weggenommen habe. Deshalb sei er 2013 und 2014 durch einen Anruf der Taliban bedroht worden. Die freien Erzählungen des Beschwerdeführers machen einen sehr inkonsistenten Eindruck.

2.2.3. Während der Beschwerdeführer beim Bundesamt angab, dass er insgesamt viermal telefonisch von den Taliban bedroht worden sei (AS 181), gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass er nur zwei Mal telefonisch bedroht worden sei (OZ 21, S. 15). Es müsste sich jedoch bei einem Anruf der Taliban um ein sehr einprägendes Ereignis handeln, dass jedenfalls in Erinnerung bleiben würde. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer einmal von vier Drohanrufen und einmal nur von zwei Drohanrufen spricht. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er das erste Mal im Jahr

2013 und das zweite Mal im Jahr 2014 einen Drohanruf der Taliban bekommen habe. Im Jahr

2014 habe er den letzten Drohanruf erhalten, 2015 habe er nur den Drohbrief erhalten (OZ 21, S. 16). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer jedoch - befragt ob es nach dem 07.05.2015 (nach Erhalt des Drohbriefes) noch weitere direkte Drohungen gegen ihn in Kabul gegeben habe - an, dass er dann (also im Jahr 2015) per Telefon bedroht worden sei (AS 182). Nach dieser Darstellung müsste er jedoch nach Erhalt des Drohbriefes im Jahr 2015 nochmals telefonisch von den Taliban bedroht worden sein. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass er den Drohbrief am 06.05.2015 erhalten habe (AS 182). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er den Drohbrief im November 2015 erhalten habe (OZ 21, S. 17). Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.

2.2.4. Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass im Drohbrief gestanden habe, dass er sein Leben ohne Probleme gestalten könne, wenn er mit den Taliban Zusammenarbeiten würde. Ansonsten würden er und seine Familie umgebracht werden. Er würde auch seine Grundstücke zurückerhalten (AS 181). Dies deckt sich jedoch nicht mit dem Inhalt des vom Beschwerdeführers vorgelegten Drohbriefs, diesem ist nämlich zu entnehmen: "Sie werde aufgefordert für rechtmäßige Ermittlungen beim Komitee des islamischen Emirats im Distrikt XXXX vorstellig zu werden." (OZ 21, S. 16; AS 33).

Den Länderberichten ist zudem zu entnehmen (Beilage ./V), dass in Afghanistan gefälschte Drohbriefe verkauft werden, da Afghanen in der Hoffnung in Europa als Flüchtling aufgenommen zu werden gefälschte Drohbriefe vorlegen. Dies deckt sich auch mit dem Korruptionsindex in Afghanistan, der besonders hoch ist (LIB 19.10.2018, S. 259f).

Zudem senden Taliban keine Drohbriefe mehr, wenn diese auf ernsthafte Probleme stoßen, verwenden diese das Telefon (Beilage ./V, S. 3).

2.2.5. Die Angaben des Beschwerdeführers, dass die Taliban ihm gedroht haben, dass er mit diesen zusammenzuarbeiten müsse, sonst würden sie den Beschwerdeführer und seine Familie umbringen (AS 181), sind zudem nicht mit den Länderberichten in Einklang zu bringen. So ist diesen zu entnehmen, dass die Taliban nunmehr bemüht sind Personen mit militärischem Wissen, Erfahrung sowie mit militärischen Fertigkeiten, wie das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte, zu rekrutieren. Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen. Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend

Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./NI).

Das Gericht geht daher davon aus, dass weder der Beschwerdeführer noch seine Familie jemals von den Taliban angegriffen, bedroht oder zur Zusammenarbeit aufgefordert wurden.

2.2.6. Der Beschwerdeführer konnte zudem weder den Namen der behaupteten ausländischen Firma, bei der er in Kabul als Koch gearbeitet habe, nennen, noch das Logo dieser vermeintlichen Firma beschreiben. Da beides jedoch auf dem Dienstausweis abgebildet ist (den der Beschwerdeführer täglich bei sich gehabt habe) und der Beschwerdeführer angeblich sehr lange dort gearbeitet habe, ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keine nachvollziehbaren Angaben dazu machen konnte. Der Beschwerdeführer verfügt über Schulbildung, sodass dieser bei einer dreijährigen Tätigkeit bei einer Firma wohl sowohl den Namen kennen als auch das Logo beschreiben können müsste.

Zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen als Koch für eine ausländische Firma ist zu sagen, dass Afghanistan auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International von 180 Ländern den 177. Platz belegt. Bestechung bleibt auch im öffentlichen Sektor weiterhin verbreitet und Schmiergeldzahlungen können direkt oder indirekt von Beamten gefordert oder auch von den Bürgern und Bürgerinnen selbst angeboten werden. Afghanen zahlen in den folgenden Bereichen Bestechungsgelder: Rechtswesen, Arbeitsmarkt, an administrativen Behörden auf Provinz- und Distriktebene, Sicherheitsbehörden (ANA und ANP) sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen (LIB 2018.10.19, S. 259f). Es ist daher für Afghanen möglich gefälschte Dokumente oder echte Dokumente mit unrichtigem Inhalt zu erwerben.

Zudem waren die Angaben des Beschwerdeführers beim Bundesamt zur Dauer seiner Arbeitstätigkeit nicht nachvollziehbar. So gab der Beschwerdeführer an, dass er im November 2015 in Kunduz auf Urlaub war (AS 183), es also noch ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis hätte geben müssen. Einer beim Bundesamt vorgelegten Bestätigung vom 04.10.2015 ist jedoch als Arbeitsbeendigung der 30.09.2015 zu entnehmen (AS 57). Der Beschwerdeführer gab jedoch auch an, dass diese Bestätigung nach seiner Ausreise aus Afghanistan ausgestellt worden sei. In der Erstbefragung im Dezember 2015 gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass, dass er vor einem Monat aus Afghanistan ausgereist sei, sohin im November 2015. Das Schreiben ist jedoch bereits mit 04.10.2015 datiert, sodass dieses wohl nicht nach seiner Ausreise ausgestellt worden ist. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht für eine ausländische Organisation oder ausländische Firma gearbeitet hat.

2.2.7. Aufgrund der insgesamt nicht glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer - individuell und konkret - im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder durch andere Personen drohen würde.

2.2.8. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er abgesehen von den Taliban bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine weiteren Probleme habe (OZ 21, S. 15). Es sind daher weder aus den Länderberichten noch aus den Angaben des Beschwerdeführers sonstige Umstände zu entnehmen, die ein Verfolgungsrisiko begründen könnten.

2.2.9. Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, dass aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes die Gefahr besteht als "verwestlicht" angesehen zu werden, ist auszuführen, dass nicht ersichtlich ist wodurch sich sein "westlicher Lebensstil" äußern würde. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre. Zudem verfügt der Beschwerdeführer über ein familiäres Netzwerk in Afghanistan, sodass nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer als gänzlich Fremder wahrgenommen werden würde.

Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr

des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen

Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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