TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/19 W154 2193364-3

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Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W154 2193364-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen die Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2019, Zahl: 1168232200 - 190242006/BMI-BFA_WIEN_RD,

A)

beschlossen:

I. Die Beschwerde gegen die Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2019, Zahl: 1168232200 - 190242006/BMI-BFA_WIEN_RD, wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

zu Recht erkannt:

II. Der Beschwerde wird insofern, als sie sich gegen die Anhaltung in Schubhaft von 10.03.2019, 17.45 Uhr, bis 19.03.2019 (Zeitpunkt der Zustellung dieses Erkenntnisses), richtet, gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

III. Ein Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ist nicht zu treffen.

IV. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in Folge als BF bezeichnet) wurde am 10.03.2019 festgenommen und zur Anordnung der Schubhaft einvernommen. In Folge wurde dem BF ein mit "Mandatsbescheid" bezeichnetes Schriftstück, datiert mit 10.03.2019, ausgehändigt, mit dem über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde. Das Schriftstück wurde dem BF am 10.03.2019, um 17.45 Uhr, durch persönliche Übergabe zugestellt.

Am 12.03.2019, um 11.32 Uhr, langte die mit selben Tag datierte Beschwerde des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung zur Klärung des Sachverhalts durchzuführen, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen, sowie Kostenersatz im bezeichneten Umfang zuzuerkennen.

In der Beschwerde wurde unter anderem darauf Bezug genommen, dass dem BF ein als "Mandatsbescheid" bezeichnetes Schriftstück ausgehändigt wurde, das weder eine handschriftliche Unterschrift des genehmigenden Organes noch eine elektronische Amtssignatur oder eine Beglaubigung der Kanzlei gemäß § 18 Abs. 4 AVG enthält, weshalb von der Nichtigkeit des "Mandatsbescheides" auszugehen sei.

Am 13.03.2019 wurden auf Ersuchen der zuständigen Gerichtsabteilung von der belangten Behörde die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht elektronisch übermittelt. In der dem Bundesverwaltungsgericht in weiterer Folge vorgelegten Stellungnahme der belangten Behörde zur verfahrensgegenständlichen Beschwerde wurde unter anderem ausgeführt, dass bei der Erlassung des Schubhaftbescheides die Unterschrift der Referentin bzw. die Anbringung der Amtssignatur für eine Übermittlung per Mail in das Polizeianhaltezentrum zur Zustellung verabsäumt worden seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF wurde am 09.03.2019, um 10.00 Uhr, gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Wien, Hernalser Gürtel, verbracht.

Am 10.03.2019, um 10.27 Uhr, erfolgte die Einvernahme des BF zur Anordnung der Schubhaft.

Dem BF wurde ein mit "Mandatsbescheid" bezeichnetes Schriftstück, datiert mit 10.03.2019, ausgehändigt, mit dem über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde. Das Schriftstück wurde dem BF persönlich am 10.03.2019, um 17.45 Uhr, zugestellt.

Die den BF betreffende Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2019, Zahl: 1168232200 - 190242006/BMI-BFA_WIEN_RD, enthielt weder die Unterschrift des Genehmigungsberechtigten noch eine Amtssignatur oder die Beglaubigung der Kanzlei.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der beim Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakte.

Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung der Beschwerde):

§ 28 VwGVG lautet:

"(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

----------

1.-der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.-die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

..."

Die Behörde hat die Erledigung vom 10.03.2019 betreffend den BF durch das Fehlen der Unterfertigung durch den Genehmigungsberechtigten bzw. das Fehlen der Amtssignatur mit einem Fehler belastet. In der Folge sind die Auswirkungen dieses Fehlers zu klären.

Zur Erzeugung eines bestimmten Rechtsaktes - hier eines Bescheides - müssen bestimmte, taxativ aufgezählte Voraussetzungen vorliegen. Die Grenze zwischen dem Vorliegen eines Rechtsaktes und eines Nicht-Rechtsaktes zieht das sog. Fehlerkalkül. Fehler außerhalb des Fehlerkalküls verhindern das Entstehen eines Rechtsaktes; "Bescheide", die an einem derartigen Fehler leiden, sind absolut nichtig (siehe auch Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht 10. Auflage 2014, Rz 436). Als ein solcher wesentlicher Fehler, der zur absoluten Nichtigkeit eines (erlassenen) "Bescheids" führt, ist auch das Fehlen der ordnungsgemäßen Fertigung iSd § 18 Abs. 4 AVG 1991 idgF anzusehen (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht 10. Auflage 2014, Rz 440). Fehlt einer behördlichen Erledigung, etwa einem schriftlichen Bescheid, eine den Vorgaben des § 18 Abs. 4 AVG 1991 entsprechende Fertigung, so ist sie absolut nichtig (VfSlg 14.857).

§ 18 Abs 3 und 4 AVG 1991 idgF lauten:

"(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt."

Für eine korrekte Fertigung sieht das Gesetz somit die eigenhändige Unterschrift des Genehmigenden/Genehmigungsberechtigten, die elektronische Fertigung durch Amtssignatur sowie die Beglaubigung vor.

Gegenständlich fehlt bei der Erledigung vom 10.03.2019, Zahl:

1168232200 - 190242006/BMI-BFA_WIEN_RD, betreffend den BF die Unterschrift des Genehmigenden bzw. die Amtssignatur, was diese Erledigung zu einem "Nicht-Bescheid" bzw. einem rechtlichen Nullum macht (siehe oben).

Ein "Bescheid" ist nach dem Gesagten gegenständlich nicht rechtswirksam zustande gekommen, weshalb die Beschwerde, die gegen einen "Nicht-Bescheid" gerichtet war, als unzulässig zurückzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II. (Anhaltung in Schubhaft):

§22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet wie folgt:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 22a 1 Z 2 leg. cit. - Beschwerde gegen die Anhaltung "unter Berufung auf dieses Bundesgesetz" - bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da die Festnahme am 09.03.2019 und die darauf aufbauende Anhaltung nach § 40 BFA-VG erfolgte.

Letztere Norm stellt in materieller Hinsicht eine der entscheidungswesentlichen Grundlagen dar:

§ 40 BFA-VG

(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2. gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

Da die Festnahme am 09.03.2019 wegen des illegalen Aufenthalts des BF erfolgte, ist die Anhaltung gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 iVm § 40 Abs. 4 2 Satz BFA-VG im Höchstausmaß von 48 Stunden rechtskonform.

Jede darüber hinausgehende Anhaltung hat in der Form der Schubhaft aufgrund eines Schubhaftbescheides zu erfolgen - argum "auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise" (Art 1 Abs. 2 BVG PersFrG; Art 5 Abs. 1 EMRK).

Indem die Verwaltungsbehörde am 10.03.2019, um 17.45 Uhr, einen "Mandatsbescheid" "erließ", bringt sie hinreichend zum Ausdruck, dass ab diesem Zeitpunkt eine rechtswirksame Anordnung der Schubhaft möglich war.

Auf Grund des oben Gesagten ergibt sich im vorliegenden Fall, dass ein Bescheid, mit dem über den BF die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde, nicht rechtswirksam zustande gekommen und die Anhaltung des BF in Schubhaft in der Zeit von 10.03.2019, 17.45 Uhr, bis 19.03.2019 (Zeitpunkt der Zustellung dieses Erkenntnisses), sohin ohne Rechtsgrundlage erfolgt ist, weshalb die Anhaltung bzw. der Freiheitsentzug in dem im Spruch genannten Zeitraum antragsgemäß für rechtswidrig zu erklären ist.

Zu Spruchpunkt III. (Fortsetzungsausspruch):

Ein Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BF-VG setzt voraus, dass die angefochtene Anhaltung noch andauert und sich der BF nicht aus anderen Gründen in Haft befindet. Die vom BF angefochtene Anhaltung endet am 19.03.2019 mit Zustellung dieses Erkenntnisses, sohin liegt die Voraussetzung für den Abspruch über die Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG nicht vor, zumal sich der BF gegenwärtig nicht auf Grundlage eines rechtsgültigen Schubhaftbescheides in Schubhaft befindet.

Zu Spruchpunkt IV. (Kostenbegehren):

Der BF begehrte den Ersatz seiner Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verfassungsgerichtshof hat (in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Amtssignatur, Anhaltung, fehlende Bescheidgenehmigung, Fortsetzung
der Schubhaft, Kostenersatz, Nichtbescheid, Rechtsgrundlage,
Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde, Unterschrift,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W154.2193364.3.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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