TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/19 I420 1436176-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I420 1436176-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2018, Zl. 322184101/1662613, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.03.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der erste Asylantrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beschwerdeführer sei aus seinem Heimatstaat geflohen, weil er als Jugendrebellenführer Erdölgesellschaften an der Ölforderung gehindert und Soldaten der Regierung getötet habe. Es seien einige Jugendliche verhaftet worden; die Rebellengruppe heiße Youth Star. Ein Pastor aus Lagos, zu dem er nach den Vorfällen gegangen sei, habe ihm geholfen nach Österreich zu kommen. Der Beschwerdeführer sei Fischer in seinem Heimatstaat gewesen; durch Ölbohrungen sei Öl ins Wasser gekommen, weshalb sie die Firmen an den Bohrungen hätten hindern wollen. Es habe sich ein Kampf zwischen der Polizei und den Jugendlichen entwickelt, der ungefähr zwei Wochen gedauert habe. Die Polizei fahnde nach dem Beschwerdeführer und sein Leben stünde auf dem Spiel. Sein Bild sei überall in Nigeria ausgehängt; er könne auch nirgendwo anders hingehen. Es sei leicht, jemanden in Lagos zu finden. Politisch habe sich der Beschwerdeführer nie beteiligt und er sei nie festgenommen worden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.07.2006, Zl. 05 02.436-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig erachtet. Schließlich wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Das Bundesasylamt qualifizierte das Vorbringen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen als unglaubwürdig.

Dieser Bescheid wurde - nachdem eine Zustellung an die damalige Adresse des Beschwerdeführers nicht erfolgreich war - beim Postamt hinterlegt und dem Beschwerdeführer am 14.07.2006 eine schriftliche Hinterlegungsanzeige im Briefkasten hinterlassen. Der Beschwerdeführer erhob keine Beschwerde, weshalb der Bescheid am 29.07.2006 in Rechtskraft erwuchs.

2. Am 04.06.2013 brachte der Beschwerdeführer im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung in einem internationalen Reisezug von Italien kommend in Fahrtrichtung Villach einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein. Bei der anschließend abgehaltenen Befragung am selben Tag vor der Landespolizeidirektion Kärnten gab er Folgendes an: Er wolle in Österreich zur Schule gehen und lernen. Österreich müsse ihm Dokumente geben; sein Asylverfahren in Österreich sei nicht abgeschlossen. Von 2006 bis 2013 habe er sich in Italien aufgehalten. Er habe dort eine Freundin und drei Kinder. Nach Nigeria könne er nicht zurück, da seine damaligen Probleme, die ihn zur Asylantragstellung im Jahr 2005 bewogen hätten, noch bestünden. Angaben zu seinem Wohnsitz in Österreich wollte der Beschwerdeführer nicht machen, gab aber an, einige Freunde im österreichischen Bundesgebiet zu haben.

Bei der Erstbefragung im Sinne des Asylgesetzes, welche ebenfalls am 04.06.2013 stattfand, gab der Beschwerdeführer an, dass er Österreich nie wirklich verlassen habe, er habe nur teilweise in Italien gelebt, sei aber immer wieder in XXXX oder bei Freunden gewesen. Demnach sei er von 2006 bis 2013 in Italien und in Österreich aufhältig gewesen. Der Beschwerdeführer sei der Meinung, dass sein ursprüngliches Asylverfahren noch immer laufe, deshalb habe er sich auch in Österreich aufgehalten. Seit seinem letzten Verfahren habe sich nichts geändert. Der Beschwerdeführer wurde belehrt, dass sein Asylverfahren damals rechtskräftig entschieden worden sei und in Österreich nur einmal in der Sache entschieden werden könne. Es seien somit für einen neuen Asylantrag jene Gründe entscheidend, die zwischen der Rechtskraft des Bescheides und dem heutigen Tag entstanden seien. Der Beschwerdeführer gab an, nicht nach Nigeria zurück zu können, weil er dann umgebracht werde. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass das kein neuer Asylantrag sei, sondern sein Asylantrag von 2005 noch aufrecht sei.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 10.06.2013 machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgende Angaben: Er habe drei Kinder, die in Italien leben würden. Er sei seit der Antragstellung im Jahr 2005 immer zwischen Österreich und Italien herumgefahren. Über Nachfrage, warum der Beschwerdeführer einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stelle, wenn sein Verfahren bereits am 29.07.2006 rechtskräftig beendet worden sei, gab er an, damals keine Verständigung erhalten zu haben, dass er einen Bescheid bekommen habe. In der Unterkunft seien sie damals zu sechst gewesen und keiner habe ihm gesagt, dass er irgendetwas bekommen habe oder abholen solle, weshalb er auch nicht zur Post gegangen sei. Der Beschwerdeführer sei seit 2005 nicht mehr in Afrika gewesen; an seinen Asylgründen habe sich seit dem letzten Verfahren deshalb nichts geändert. Mit Nigeria habe er nichts mehr zu tun; er wolle in Österreich bleiben. Er habe hier Freunde; ab und zu habe er als Zeitungsverkäufer gearbeitet. Das Vorliegen von gesundheitlichen Beschwerden wurde vom Beschwerdeführer verneint.

Bei nochmaliger Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12.06.2013 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihn nach Nigeria auszuweisen, woraufhin der Beschwerdeführer ausführte, dass seine "Geschichte" noch immer dieselbe sei und er bereits alles gesagt habe.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2013, Zl. 13 07.402-East West, wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.06.2013 gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria verfügt. Begründend wurde im Bescheid angeführt, dass insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden könne bzw. keine weiteren asylrelevanten Gründe hervorgekommen seien. Das Parteibegehren decke sich im zweiten Antrag auf internationalen Schutz mit dem ersten Antrag. Da sich der Beschwerdeführer auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stütze, könne kein neuer Sachverhalt vorliegen.

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2015, Zl. W153 1436176-1/6E, hinsichtlich des Spruchpunktes I. gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 Z 2 AsylG wurde das Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Der Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters wurde gemäß § 52 BFA-VG abgewiesen.

Mit Beschluss vom 12.06.2015, E 321/2015-13, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 08.01.2015 ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.12.2015, Ra 2015/20/0040-10, wurde die Revision des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

3. Mit Parteiengehör vom 27.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben eine Stellungnahme binnen zwei Wochen betreffend sein Privat- und Familienleben und seinen Aufenthalt in Österreich abzugeben.

Mit Stellungnahme vom 11.12.2017 wurde erklärt, dass sich der Beschwerdeführer seit 2005, mit Unterbrechungen durch Aufenthalte in Italien, in Österreich aufhalte. Von 2013 bis 2017 sei der Beschwerdeführer durchgehend in Österreich gewesen. Er sei nicht verheiratet, habe aber zwei Kinder in Italien und drei weitere in seiner Heimat. Er habe einen A2-Kurs besucht und möchte die Prüfung alsbald absolvieren. Er bekomme ca. € 350 monatlich von der Caritas und komme selbst für seine Mietkosten auf.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 12.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz (AsylG) nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 9 BFA- VG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).

In der Folge erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.02.2018 rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel der Beschwerde. In dieser brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, dass er sich in Österreich gut integriert habe und in Italien über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Kinder verfüge. Außerdem habe es das BFA unterlassen der Entscheidung aktuelle Länderfeststellungen zu Grunde zu legen und sei der Beschwerdeführer zuletzt 2013 niederschriftlich einvernommen worden, weshalb ein schriftliches Parteiengehör nicht ausreichend sei.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.03.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte am 04.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2013 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2015 wurde die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz bestätigt, das Verfahren aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 hinsichtlich der Prüfung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen, das im gegenständlich angefochtenen Bescheid zum Ergebnis kam, dass eine Rückkehrentscheidung nicht unzulässig ist.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und somit Drittstaatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer befindet sich mit Unterbrechungen (Aufenthalte in Italien) seit 2005 in Österreich. Von November 2006 bis Juni 2013 war er in Österreich nicht behördlich gemeldet.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Sein Gesundheitszustand steht seiner Rückkehr nicht entgegen.

In Nigeria verfügt der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte, zu welchen er monatlicher Kontakt hat. Auch leben dort drei seiner Kinder.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Bindungen. In Italien leben zwei Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Er besuchte zwar einen Deutschkurs A2, hat einen Bekanntenkreis aufgebaut und besucht regelmäßig ein Spital, um dort mit Leuten zu beten, doch kann alleine deswegen noch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden.

Der Beschwerdeführer befindet sich in der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 12.01.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich und seinem Asylverfahren lassen sich dem vorliegenden Verwaltungsakt und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister entnehmen.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine schwere gesundheitliche Einschränkung bzw. auch keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorbrachte. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Die Feststellung über die Familie des Beschwerdeführers in Nigeria beruht auf den Angaben in seiner Stellungnahme vom 11.12.2017 und seiner Beschwerde vom 09.02.2018.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich resultieren aus dem Verwaltungsakt und insbesondere aus den Angaben in seiner Stellungnahme vom 11.12.2017 und seiner Beschwerde vom 09.02.2018.

Dass in Italien zwei Kinder des Beschwerdeführers leben, ergibt sich ebenso aus seiner Stellungnahme vom 11.12.2017 und seiner Beschwerde vom 09.02.2018.

Die Feststellung betreffend seine Integrationsbemühungen ergeben sich aus seinen Angaben sowie den vorgelegten Dokumenten.

Die Feststellungen zu ihrem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 13.03.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.2. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

Trotz der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass das Parteiengehör aufgrund der fehlenden persönlichen Übersetzung der Länderberichte verletzt worden sei, dann darf diesbezüglich darauf hingewiesen werden, dass nach ständiger höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs dann durch die mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden kann, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (vgl. etwa Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.01.2015, Ra 2014/07/0102), was gegenständlich der Fall ist, zumal im Bescheid aktuelle Länderinformationen zu Nigeria enthalten sind und der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt hätte, diesen in der Beschwerde substantiiert entgegenzutreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen sind § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018 (AsylG), und § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie § 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018 (FPG).

Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2.2. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht bei einem mit Ablauf des 31.12.2013 noch beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, so hat es aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 idF 144/2013, darüber zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Diesbezüglich wurde das Verfahren mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2015 an das Bundesamt zurückverwiesen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

In weiterer Folge ist eine individuelle Abwägung der berührten Interessen vorzunehmen, um zu beurteilen, ob ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Hinsichtlich eines in Österreich im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben führt, und er hat ein solches auch nicht behauptet.

Zum Familienleben in Italien ist auszuführen, dass laut Angaben des Beschwerdeführers zwei seiner Kinder in Italien aufhältig sind. Selbst wenn der Beschwerdeführer tatsächlich ein Familienleben in Italien führen sollte, wird, was die Rückkehrentscheidung anbelangt, dabei der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Italien angesichts der Tatsache, dass aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich kein gemeinsamer Haushalt und regelmäßige Besuche bestehen, wenig Gewicht haben, sodass der Eingriff keine solche Bedeutung erlangt, dass von der - grundsätzlich nicht im Ermessen stehenden (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) - Rückkehrentscheidung abzusehen wäre.

Dabei ist aber noch die Frage zu klären (vgl. VfGH 01.07.2009, U 992/08), ob ein Kontakt auch bei einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria fortgesetzt werden könnte, hier ob Besuche - respektive auch längere Aufenthalte - oder sonstiger Kontakt (etwa telefonischer oder mit Internettechnologien) faktisch möglich und rechtlich ausreichend wären. Dass Besuche tatsächlich möglich sind, steht außer Zweifel. Zudem steht einem Kontakt des Beschwerdeführers zu seinen Kindern mittels Telefon, E-Mail und anderen modernen gebräuchlichen Kommunikationsmitteln oder sozialen Netzwerken nichts entgegen.

Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

In Fällen, in denen ein inländischer Aufenthalt eines Fremden mehr als zehn Jahre gedauert hat, geht die Rechtsprechung des VwGH (siehe etwa das Erkenntnis des VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253, mwN) davon aus, dass regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sein wird. Allerdings bleibt eine Einzelfallbetrachtung unabdingbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter anderem folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - als Anhaltspunkte dafür anerkannt, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren:

Dazu zählen die Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 26.02.2015, Ra 2014/22/0025, vom 18.10.2012, 2010/22/0136, sowie vom 20.01.2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, sowie das Erkenntnis des VwGH vom 26.03.2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie das Erkenntnis des VwGH vom 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 23.05.2012, 2010/22/0128, sowie (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) vom 09.09.2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0129, sowie vom 31.01.2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 10.12.2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16.10.2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. das zitierte Erkenntnis 2011/23/0365).

Keiner dieser "positiven" Punkte ist im Fall des Beschwerdeführers gegeben.

Umgekehrt hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, und vom 10.11.015, Ro 2015/19/0001, sowie die Beschlüsse des VwGH vom 03.09.2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe das Erkenntnis des VwGH vom 16.10.2012, 2012/18/0062, sowie den Beschluss des VwGH vom 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. den Beschluss des VwGH vom 20.06.2016, Ra 2016/22/0039, sowie das zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 31.01.2013, 2012/23/0006).

Diesbezüglich muss festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer jahrelang seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und einen - letztlich unbegründeten - zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Im Erkenntnis VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Kriterien rekapituliert und ausgesprochen, dass auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen ist, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer. Im dem VwGH-Judikat zugrunde liegenden Fall war die Revisionswerberin, eine russische Staatsangehörige, im Jahr 2004 eingereist, ihr Asylantrag vom August 2004 wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AsylGH) im November 2011 rechtskräftig in Verbindung mit einer Ausweisung abgewiesen; im Dezember 2011 stellte sie einen weiteren Asylantrag, der vom AsylGH (neuerlich in Verbindung mit einer Ausweisung), rechtskräftig seit Februar 2013, zurückgewiesen wurde; sie lebt in einem Wohnheim der Caritas und finanziert ihren Lebensunterhalt durch Unterstützung der Caritas, und ist sonst keiner versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Obwohl sie ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A2 vorgelegt habe, war eine Kommunikation mit ihr in deutscher Sprache anlässlich der mündlichen Verhandlung nicht möglich. Intensive familiäre Bindungen sind ebenfalls nicht vorhanden. Aus diesem Gesamtbild, zu dem auch die zweimalige Beantragung von Asyl gehörte, schloss der VwGH, dass die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG197 rechtmäßig war.

Entsprechend dieser Judikatur muss im Falle des Beschwerdeführers, der 2005 nach Österreich eingereist wa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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