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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/21/0347 E 6. November 1998Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des SK, (geboren am 7. Juli 1954), in Maria Enzersdorf, vertreten durch Dr. Andreas Reiner, Rechtsanwalt in Wien I, Freyung 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. November 1995, Zl. Fr 4184/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrungsvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. November 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsbürger, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992 idF vor der Novelle BGBl. Nr. 436/1996, ausgewiesen und sein Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer keine Mittel zu seinem Unterhalt besitze und daher gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG im Interesse der öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden könne. Auch die Angaben des Beschwerdeführers, daß er von der Caritas betreut werde, reichten nicht für die Erbringung des Nachweises der Mittel zum Unterhalt aus. Eine nicht bloß vorübergehende Sicherung des künftigen Unterhaltes könne daraus mangels eines durchsetzbaren Rechtsanspruches nicht abgeleitet werden. Es liege eine gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen in der Lage sei. Es läge am Fremden initiativ zu beweisen, daß er über diese Mittel verfüge. Aufforderungen seitens der Behörde an den Fremden, dieser Beweislast entsprechend zu handeln, seien demnach keineswegs geboten. Den Antrag auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes wies die Behörde wegen Unzuständigkeit zurück.
Gegen diesen Bescheid - soweit der Beschwerdeführer durch ihn ausgewiesen wurde - richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof wie folgt erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer sei nicht mittellos, weil er in der Betreuung der Heilsarmee bzw. der Caritas sei und die von diesen Organisationen ihm zur Verfügung gestellten Leistungen seinen Unterhalt in Österreich gewährleisteten. Aber selbst wenn diese Voraussetzungen vorlägen, wäre die Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung dennoch nicht geboten. Auffassung der belangten Behörde sei es offenbar, daß die Ausweisung immer schon dann im Interesse der öffentlichen Ordnung liege, wenn einer der Tatbestände des § 17 Abs. 2 FrG erfüllt sei. Vielmehr stelle die Wortfolge "im Interesse der öffentlichen Ordnung" eine eigene Voraussetzung für eine gerechtfertigte Ausweisung dar und müsse daher zusätzlich zum Vorliegen eines der im § 17 Abs. 2 FrG genannten Tatbestände geprüft werden.
Aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ist ersichtlich, daß der am 24. August 1995 nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer am 28. August 1995 gegenüber dem Bundesasylamt angegeben hat, gemeinsam mit seiner Frau und seinem Kind über etwa 100 US-Dollar zu verfügen. Die offensichtlich von der belangten Behörde daraus sowie aus dem bloßen Hinweis des Beschwerdeführers, er werde von der Caritas betreut, auf das Vorliegen von Mittellosigkeit iS des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG gezogene rechtliche Schlußfolgerung, begegnet daher keinen Bedenken.
Die Beschwerde ist im Ergebnis dennoch berechtigt: Gemäß § 17 Abs. 2 FrG hat die Behörde bei Heranziehung der dort umschriebenen Tatbestände Ermessen zu üben. Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde damit begnügt, mangels Nachweises der Mittel zum Unterhalt des Beschwerdeführers seine Ausweisung als im Interesse der öffentlichen Ordnung gelegen anzusehen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keinerlei Gründe dafür angegeben, warum sie von dem ihr in § 17 Abs. 2 leg. cit. eingeräumten Ermessen, von einer Ausweisung Abstand zu nehmen, nicht Gebrauch gemacht hat. Die im Bescheid verwendete Formulierung, "eine gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen liegt dann vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen in der Lage ist", stellt in Wahrheit keine fallbezogene Begründung dar. Die belangte Behörde hätte vielmehr darzulegen gehabt, warum im vorliegenden Fall nicht eine (bloß) geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung vorlag. Selbst ein bloßer Hinweis auf das der Behörde eingeräumte Ermessen reichte zur Begründung einer Entscheidung jedenfalls in den Fällen nicht aus, in denen eine Überprüfung der getroffenen Maßnahme dahingehend, ob sie mit dem Sinn des Gesetzes in Einklang zu bringen ist, ohne eine die Erwägungen der Behörde darlegende Begründung nicht möglich ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. November 1966, Zl. 1990/65, Slg. Nr. 7022/A). Zweifellos gibt es auch im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 FrG Fälle, die so beschaffen sind, daß die für die Handhabung des von der Behörde zum Nachteil des Betroffenen geübten Ermessens maßgebliche Gründe auch ohne ausdrückliche Erwähnung klar auf der Hand liegen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 95/21/0463). Von einem solchen Fall kann aber hier nicht die Rede sein, wenn der Beschwerdeführer - wie von ihm im Verwaltungsverfahren vorgebracht - von der Heilsarmee bzw. der Caritas versorgt wird. Nach § 17 Abs. 2 FrG hat die Behörde überdies darauf Bedacht zu nehmen, daß eine solche Ausweisung von Gesetzes wegen sofort vollstreckbar ist. Bei einer Ausweisung nach § 17 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. - bei der hier gegebenen Sachlage - liegt eine solche Notwendigkeit ohne Darlegung der für einen sofortigen Vollzug des Bescheides sprechenden Erwägungen in der Bescheidbegründung nicht auf der Hand (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1995, G 1306/95, sowie das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 95/21/0463).
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. November 1998
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Ermessen Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996210392.X00Im RIS seit
11.07.2001