TE Bvwg Beschluss 2019/3/26 W172 2164674-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2019
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Entscheidungsdatum

26.03.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W172 2164674-3/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin MORITZ als Einzelrichter im Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2018, Zl. 1091151304-181239685, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. am XXXX , StA.

Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: "BF") stellte erstmals am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 I.d.g.F. (im Folgenden auch: "AsylG 2005").

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: "BFA") vom 24.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und es wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden auch: "BFA-VG") eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden auch: "FPG") erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) sowie dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

3. Die gegen alle Spruchpunkte dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden auch: "BVwG") vom 19.02.2018, Zl. W265 2164674-1/12E als unbegründet abgewiesen, das mit 20.02.2018 in Rechtskraft erwuchs.

4. Die gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 11.06.2018, E 738/2018-7, abgelehnt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 03.09.2018, E 738/2018-9, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

5. Die gegen dieses Erkenntnis ebenfalls erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.11.2018, Ra 2018/20/0506-6, zurückgewiesen.

6. Am 14.09.2018 bzw. mit erneuter Eingabe vom 17.09.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG zur Zahl W265 2164674-1.

7. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.11.2018, Zl. W265 2164674-2/10E, gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

8. Am 10.12.2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde dazu am selben Tag einer Erstbefragung unterzogen.

9. Aufgrund des zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Ermittlungsergebnisses erging am 12.12.2018 eine schriftliche Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und Z 6 AsylG 2005.

10. Mit Schreiben vom 17.12.2018 erstattete der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderinformationen zu Afghanistan.

11. Der Beschwerdeführer wurde am 28.12.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Im Anschluss daran wurde mit mündlich verkündetem Bescheid der nach § 12 AsylG 2005 bestehende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben; dieser Bescheid wurde in der Niederschrift der Einvernahme beurkundet.

12. In der Folge legte das BFA den Bescheid mit Schreiben vom gleichen Tag dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Der per Post übermittelte Verwaltungsakt langte am 04.01.2019 in der Gerichtsabteilung ein und am selben Tag erging die Mitteilung gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass er nach dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel mütterlicherseits aufgewachsen sei, der ihn schlecht behandelt habe. Der Beschwerdeführer habe von Kind an arbeiten und das Geld an den Onkel abliefern müssen. Drei Tage vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan habe ihn sein Onkel als Drogenkurier eingesetzt. Es sei dann zu einer Schießerei mit der Polizei gekommen und der Empfänger der Tasche mit den Drogen habe dem Beschwerdeführer zur Flucht verholfen.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde von der belangten Behörde abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2018, Zl. W265 2164674-1/12E als unbegründet abgewiesen, das mit 20.02.2018 in Rechtskraft erwuchs.

Die gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 11.06.2018, E 738/2018-7, abgelehnt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 03.09.2018, E 738/2018-9, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die gegen dieses Erkenntnis ebenfalls erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.11.2018, Ra 2018/20/0506-6, zurückgewiesen.

Am 14.09.2018 bzw. mit erneuter Eingabe vom 17.09.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG zur Zahl W265 2164674-1.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.11.2018, Zl. W265 2164674-2/10E, gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Am 10.12.2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen - erstmals - damit, dass er vor 2,5 Monaten von seiner in Österreich lebenden Schwester erfahren habe, dass sein Onkel mütterlicherseits mit seiner Familie in den Iran geflüchtet sei. Sein Onkel sei ein Spieler gewesen und habe beim Spielen jemanden getötet. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan wäre das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr, da er der Neffe seines Onkels sei und alle Leute ihn kennen würden. Er habe nun Feinde in Kabul. Des Weiteren behalte er seine Gründe von der ersten Asyleinvernahme aufrecht. Zum Beweis für die Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers wurde die zeugenschaftliche Einvernahme seiner Schwester beantragt.

Der Beschwerdeführer führt den oben im Spruch wiedergegebenen Namen, ist am XXXX 1998 in Kabul in Afghanistan geboren und auch dort aufgewachsen, ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara sowie dem schiitischen Glaubensbekenntnis an. Sein Familienstand ist ledig und er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Dari.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, zum anzuwendenden Recht und zur Zulässigkeit der Beschwerde

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 i.d.g.F. entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 i.d.g.F. entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 i. d.g.F. (VwGVG) geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg. cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 i. d.g.F. (AsylG 2005) ist mit 01.01.2006 in Kraft getreten und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Im vorliegenden Fall wurde die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes durch die gesetzliche Fiktion einer Beschwerdeerhebung gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 begründet.

3.2. Zu Spruchpunkt A.) betreffend die Unrechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

3.2.1. Gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 kann ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 leg. cit. ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn [...]

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor, kann das Bundesamt gemäß § 12a Abs. 2 leg. cit. den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG ist eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 binnen acht Wochen zu entscheiden.

3.2.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Gegen den Beschwerdeführer besteht aufgrund des - rechtskräftigen - Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2018 eine aufrechte Rückkehrentscheidung.

Im Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 (dies ist hier der Fall) müssen sämtliche Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sein.

§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt gemäß seinem Wortlaut, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein muss, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

Weiters verlangt diese Bestimmung eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S. 284, angeführte Gesetzesmaterialien zu § 22

BFA-VG).

Im vorliegenden Fall ist eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob der Folgeantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.12.2017, Ra 2017/18/0451 ausgeführt hat, genießt ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, gemäß § 12 AsylG 2005 grundsätzlich bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 nicht mehr zulässig ist, faktischen Abschiebeschutz; das bedeutet, dass er weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf. Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, wurden für Folgeanträge auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 Sonderregelungen geschaffen, die in bestimmten Fällen Ausnahmen vom faktischen Abschiebeschutz vorsehen. Sie haben - nach den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP 11) -

"unter Wahrung der notwendigen rechtsstaatlichen Garantien ... das

Ziel, jene Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse an einem neuerlichen Asylverfahren besteht, möglichst früh von klar missbräuchlichen Antragstellungen zu unterscheiden und diese in weiterer Folge als Mittel zur Hintanhaltung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unbrauchbar zu machen." Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte.

3.2.3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 10.12.2018 bildet den ersten Folgeantrag des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat sich in seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz zwar wieder auf seinen bereits im Erstverfahren erwähnten Onkel mütterlicherseits bezogen, hat jedoch nunmehr von neu hinzugetretenen Ereignissen berichtet, die sich nach seinen Angaben nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2018 zugetragen haben. Sinngemäß wird vorgebracht, der Onkel habe beim Spielen jemanden getötet und nun sei der Beschwerdeführer als Neffe deshalb im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan in Gefahr. Dieses Vorbringen lässt eine genauere Überprüfung notwendig erscheinen. Der Umstand allein, dass eine spätere Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt nicht schon zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes. Die belangte Behörde führt im gegenständlichen Bescheid mehrfach aus, die nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe seien im Wesentlichen ident mit denen des Vorverfahrens (vgl. etwa S. 179 und 180 des Bescheides). Das nunmehrige Vorbringen beziehe sich auf das Vorbringen des vorangehenden Asylverfahrens bzw. leite sich daraus ab (vgl. etwa S. 15 und 179). Bezüglich der Fluchtgründe habe sich nichts geändert (S. 179). Das Vorbringen habe sich lediglich gesteigert bzw. die Fluchtgründe hätten sich verschlimmert (vgl. etwa S. 15, 179 und 180) und die nunmehrigen Angaben würden nur einen Nebenaspekt der ursprünglichen Verfolgungsbehauptung darstellen (etwa S. 180). Der Beschwerdeführer habe betreffend der gesteigerten Fluchtgründe keinerlei Beweismittel in Vorlage bringen können (etwa S. 179). Es sei kein glaubwürdiger Kern des neuen Vorbringens ersichtlich (S. 180). Das BFA hält fest, dass sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe und der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein (etwa S. 180 und 191).

Diese Beurteilung der belangten Behörde greift im Ergebnis zu kurz. Keinesfalls kann davon ausgegangen werden, dass die nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe mit jenen des Vorverfahrens ident sind. Wie oben festgestellt, brachte der Beschwerdeführer im ersten Verfahren im Wesentlichen vor, er sei unter sehr schlechten Bedingungen bei seinem Onkel aufgewachsen und dieser habe ihn schließlich als Drogenkurier eingesetzt. Der Beschwerdeführer hat zwar nunmehr angegeben, seine im ersten Verfahren vorgebrachten Gründe aufrecht zu erhalten. In seinem Folgeantrag hat er jedoch zusätzlich die Tötung einer Person durch seinen Onkel vorgebracht. Dabei handelt es sich folglich nicht um dasselbe Vorbringen, sondern um einen von den früheren Ereignissen unabhängigen Vorfall, von dem der Beschwerdeführer seinen Angaben nach erst vor relativ kurzer Zeit erfahren habe. Im vorliegenden Fall kann auch nicht von einer "Steigerung" des Vorbringens im engeren Sinn gesprochen werden. Der Beschwerdeführer hat seinem Fluchtgrund keine zusätzlichen Aspekte hinzugefügt (etwa bezogen auf den Vorfall, bei dem er als Drogenkurier eingesetzt worden sein soll), sondern, wie bereits ausgeführt, von einem damit nicht in Zusammenhang stehenden Vorfall betreffend seinen Onkel berichtet. Nachdem es sich weder um ein identes Vorbringen, noch um eine Steigerung handelt, ist schlussendlich auch nicht relevant, dass das frühere Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung als unglaubwürdig beurteilt wurde. Die belangte Behörde führt zwar auch aus, dass kein glaubwürdiger Kern des neuen Vorbringens ersichtlich sei, dies allerdings lediglich pauschal und ohne nähere Begründung. Der Beschwerdeführer konnte für sein nunmehriges Vorbringen zwar tatsächlich keine schriftlichen Beweise vorlegen. Seine Rechtsberatung hat allerdings in der Einvernahme des Beschwerdeführers am 28.12.2018, in deren Rahmen auch der gegenständliche Bescheid verkündet wurde, die zeugenschaftliche Einvernahme der in Österreich lebenden Schwester des Beschwerdeführers beantragt, zum Beweis für die Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers. Mit diesem Beweisantrag hat sich die belangte Behörde im Bescheid nicht näher auseinandergesetzt, sondern lediglich ausgeführt, betreffend den Antrag der Rechtsberatung des Beschwerdeführers werde angemerkt, dass diesem nicht stattgegeben werde (S. 192). Die belangte Behörde führt im Bescheid an, selbst wenn das nunmehrige Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft zu beurteilen wäre (das sich auf Kabul bezieht, Anm.), so stehe ihm dennoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder auch Herat zur Verfügung (S. 185). In diesem Zusammenhang hat sich die belangte Behörde jedoch nicht konkret mit den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner am 17.12.2018 zu den ihm übermittelten Länderinformationen zu Afghanistan erstatteten Stellungnahme auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer nimmt darin zunächst zur derzeitigen Lage in Kabul Stellung und geht dann in der Folge auch auf die Situation in Mazar-e Sharif und Herat ein. Unter Bezugnahme auf aktuelle Quellen verweist der Beschwerdeführer unter anderem auf eine dort herrschende Dürrekatastrophe und eine sehr schlechte Versorgungslage.

Das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers weist somit insgesamt darauf hin, dass eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sein könnte. Die belangte Behörde hat sich mit diesem konkreten Vorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt. Dass die neuerliche Antragstellung einzig zu dem Zweck erfolgte, die Durchsetzung der gegen den Beschwerdeführer ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.02.2018 zu verhindern, kann im Rahmen der hier vorzunehmenden Grobprüfung nicht ohne weiteres als gegeben angenommen werden.

Im derzeitigen Verfahrensstadium und aufgrund der hier lediglich vorzunehmenden Grobprüfung kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Antrag vom 10.12.2018 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist damit nicht rechtmäßig, weshalb der vorliegende Bescheid vom 28.12.2018 aufzuheben war. Mit Aufhebung des vorliegenden Bescheides kommt dem Beschwerdeführer faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu.

3.2.4. Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der Begründung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Bezüglich der näheren Begründung mit Judikatur-Verweisen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen (s. zu Spruchpunkt A).

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig,
Folgeantrag, non-refoulement Prüfung, private Verfolgung,
Prognoseentscheidung, soziale Gruppe, Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W172.2164674.3.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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