TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/27 I421 2199802-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.03.2019
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Entscheidungsdatum

27.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2199802-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch die RA florianer-anwälte, Marktplatz 10, 4490 St.Florian/Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018, Zl. 1119620706-160866881/BMI-BFA_OOE_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.02.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben. XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger Nigerias, stellte am 21.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte er, dass er Nigeria verlassen habe, da er aufgrund seiner Hautfarbe gehänselt worden sei und seine Familie deswegen Probleme gehabt habe. Sein Vater sei ein Soldat gewesen und sei von Aufständischen umgebracht worden. Auch das Familienhaus sei in Brand gesteckt worden.

Am 05.10.2016 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) unter Heranziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch einvernommen. Der Beschwerdeführer erklärte, dass er in Nigeria Probleme aufgrund seiner hellen Hautfarbe gehabt habe und als Albino bezeichnet worden sei. Die Menschen in Nigeria würden glauben, dass Personen wie er magische Kräfte haben, weswegen man sie den Geistern Opfern würde. Er habe bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt, welcher negativ entschieden worden sei.

Mit Schreiben vom 04.10.2016 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderberichten beim BFA ein.

Das BFA wies mit Bescheid vom 22.11.2016 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Ungarn für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.02.2017, Zl. W243 2141830-1 wurde der Beschwerde vom 06.12.2016 gem. § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben, da die Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Ungarn verstrichen war.

Am 20.02.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut niederschriftlich durch das BFA unter Heranziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch einvernommen. Der Beschwerdeführer wiederholte, dass er in Nigeria Probleme aufgrund seiner Hautfarbe und seinen Augen gehabt habe, da man ihn deswegen für einen Albino gehalten habe. Er sei deswegen auch für zwei Tage in Polizeigewahrsam genommen worden. Die Familie seines Vaters habe ihn auch Opfern wollen, da man ihm magische Kräfte zugeschrieben habe. Nach dem Tod seines Vaters habe er dann keine Hilfestellung mehr bekommen und beschlossen das Land zu verlassen.

Mit Bescheid des BFA vom 09.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Antrag wurde gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Der Bescheid wurde am 11.05.2018 zugestellt und wurde dagegen am 08.06.2018 Beschwerde erhoben. Der Bescheid wurde seinem vollen Umfang nach angefochten.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 02.07.2018 vorgelegt.

Aufgrund einer Änderung in der Geschäftsverteilung wurde die Rechtssache mit 01.10.2018 der Gerichtsabteilung I421 des erkennenden Richters zugeteilt.

Am 14.02.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer erklärte, dass er aufgrund seiner Hautfarbe und seiner Augen von der Regierung gejagt und deswegen auch verhaftet worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Gastritis, einem Reflux, einer Hausstauballergie und einer Skoliose der Wirbelsäule. Außerdem hat er ein Lipom, also eine gutartige knotenartige Ansammlungen aus Fettgewebe direkt unter der Haut. Im Jänner 2019 zog er sich einen Meniskusriss zu. Schließlich hat er Probleme mit seinen Augen und leidet an Nystagmus, d.h. an Augenzittern.

Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben und die Mutter hat gemeinsam mit den zwei Schwestern Nigeria verlassen. Es leben noch andere Angehörige des Beschwerdeführers in Nigeria, deren Aufenthaltsort dem Beschwerdeführer allerdings nicht bekannt ist und zu welchen kein Kontakt besteht.

Der Beschwerdeführer besuchte in Nigeria die Schule und konnte dort Arbeitserfahrung als Maler sammeln.

Der Beschwerdeführer hält sich seit (mindestens) 21.06.2016 in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer war in Österreich gemeinnützig tätig, ist Mitglied in einem Fußballverein und hat Deutschkurse besucht. Er hat Deutschprüfungen Niveau A1, A2 und B1 bestanden. Er hat von 08.01.2018 bis 21.12.2018 einen Pflichtschulabschluss-Lehrgang besucht und die Pflichtschulabschluss-Prüfung bestanden. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen und Freundschaften geschlossen.

Es liegen keine Asylausschlussgründe im Sinne des § 6 AsylG 2005 vor; der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde in Nigeria als Albino angesehen, da er eine hellere Hautfarbe und sogenannte zitternde Augen hat. Die Bevölkerung hat geglaubt, dass er magische Kräfte besitze und hat ihn deswegen opfern wollen. Außerdem wurde er aufgrund seines Äußeren einmal für zwei Tage in Polizeigewahrsam genommen und auch mehrmals körperlich angegriffen. Als schließlich sein Vater verstarb, hatte er überhaupt keine Unterstützung mehr. Seine Mutter hat mit seinen beiden Schwestern, welche eine noch hellere Hautfarbe haben als er, Nigeria verlassen.

Laut Anfragebeantwortung von ACCORD zur Lage von Albinos in Nigeria gehören Albinos in Nigeria zu den vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Albinos werden diskriminiert, als Unglück erachtet und manchmal bei der Geburt verstoßen oder zum Zwecke der Hexerei getötet. Zudem leben Albinos oft in Armut und leiden unter mangelnder Bildung, was jedoch nicht auf physische oder psychische Einschränkungen zurückzuführen ist, sondern auf Diskriminierung, soziale Ausgrenzung sowie Diskriminierung und manchmal auch Verletzungen der Menschenrechte. Albinos, die in die Schule gehen, werden unablässig von ihren Schulkameraden geärgert und gemobbt, was zu mangelndem Selbstwertgefühl und Durchsetzungsvermögen beiträgt. Hautkrebs, Sehbehinderung, Armut, soziale Ausgrenzung, Diskriminierung und Stigmatisierung sind wohl die größten Herausforderungen, mit denen Albinos in Nigeria konfrontiert sind. Albinos werden wegen Ritualen und Amuletten gejagt und getötet. Außerdem ist eine der größten gesundheitlichen Folgen des Albinismus die Anfälligkeit für Hautkrebs, der für die meisten Albinos lebensbedrohlich ist. Es gibt Studien, wonach die meisten Albinos zwischen 30 und 40 Jahren an Hautkrebs sterben würden.

Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria wegen seiner hellen Hautfarbe und seinen Augen als Albino angesehen würde und in seiner körperlichen Unversehrtheit bzw. in seinem Leben bedroht wäre. Er würde in eine ausweglose Lebenssituation geraten, zumal er keine Chance hätte am nigerianischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und ihm kein familiärer Rückhalt zur Verfügung stünde.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist nicht gegeben.

1.3. Zur Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 09.05.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein.

Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert. Muslimische Hirten (meist Fulani) aus dem Norden liefern sich im Middlebelt und südlich davon einen blutigen Konflikt mit dort traditionell ansässigen christlichen Bauern.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria und die Anfragebeantwortung von ACCORD zur Lage von Albinos in Nigeria vom 15.11.2017. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Darüber hinaus wurde am 14.02.2019 im Beisein des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Das BFA hatte sich für die Verhandlung entschuldigt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellung betreffend die Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den diversen vorgelegten medizinischen Befunden.

Die Feststellungen zur Ausbildung und zur Berufserfahrung des Beschwerdeführers in Nigeria sowie zu seinen familiären und privaten Verhältnissen ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen betreffend den Aufenthalt, die persönlichen Verhältnisse, die Lebensumstände und die Integration des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht sowie den diversen vorgelegten Dokumenten.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 26.03.2019.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte - auf das Wesentlichste zusammengefasst - behauptet, in Nigeria verfolgt zu werden, da er aufgrund seiner hellen Hautfarbe und seiner zittrigen Augen als Albino angesehen worden sei.

Das BFA hatte im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei, denn er habe zwar eine etwas hellere Haut an Händen und Füßen, jedoch gebe es keine Anzeichen von einer für Albinos charakteristischen durchgehend weißen Hautfarbe, einer weißen Haarfarbe oder roten Augen. Diesbezüglich sei erwähnt, dass der Beschwerdeführer zwar kein ganz weißes, allerdings durchaus ein deutlich helleres Hautbild als der "typische" Nigerianer aufweist. Der erkennenden Richter verkennt zwar nicht, dass das Erscheinungsbild des Beschwerdeführers nicht zu hundert Prozent dem eines Albinos entspricht (weiße Haut, weiße Haare, rote Augen), allerdings ist es durchaus plausibel und nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in Nigeria seitens der Bevölkerung dieser Gruppe zugeordnet wird, zumal er eine deutlich hellere Hautfarbe hat und auch an einer Augenerkrankung (zitternde Augen) leidet.

Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks geht der erkennende Richter davon aus, dass der Beschwerdeführer bei der Schilderung seines Fluchtvorbringens reale Gegebenheiten wiedergibt. So konnte der Beschwerdeführer durchaus glaubhaft schildern, dass er in Nigeria von Diskriminierung betroffen gewesen sei, von Schulkameraden gehänselt und einmal sogar wegen seines Äußeren in Haft genommen worden sei. Dies Erzählungen decken sich auch mit dem Inhalt der Anfragebeantwortung zur Lage von Albinos in Nigeria vom 15.11.2017.

Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid erklärt, dass der Beschwerdeführer abgesehen von einem Angriff seiner Freunde und verbalen Angriffen 18 Jahre lang eine normales Leben in Nigeria geführt habe, dann ist dem entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich glaubhaft angab, dass sich seine Situation nach dem Tod des Vaters verschlechtert habe, da er keine Hilfeleistung mehr gehabt habe.

Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die im angefochtenen Bescheid vorgebrachten Argumente nicht geeignet sind, um Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Beschwerdeführers zu erzeugen. Vielmehr ergab sich in der am 14.02.2019 durchgeführten Verhandlung, dass der Beschwerdeführer stets gleichlautende und inhaltlich äußerst detaillierte und konkrete Angaben erstattete. Er konnte sein Vorbringen, auch bei näheren Nachfragen nach Details, plausibel und nachvollziehbar schildern und steht eine Bedrohung aufgrund seiner Zurechnung zur Gruppe der Albinos in Einklang mit der oben wiedergegebenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation. Sein Vorbringen ist daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes glaubhaft.

Aus einer Zusammenschau seiner übereinstimmenden Aussagen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht sowie in der Beschwerde ergibt sich der in den Feststellungen wiedergegebene Sachverhalt. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch für den Fall seiner Rückkehr nach Nigeria verfolgt werden würde.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Nigeria, welche ihn unterstützen könnten. Seine Mutter hat mit seinen Schwestern nach dem Tod des Vaters Nigeria verlassen und sein Onkel hat ihn bereits aufgrund seiner Andersartigkeit bedroht. Eine Niederlassung an einem anderen Ort in Nigeria ist nicht möglich, da eine Verfolgung von Albinos im ganzen Land möglich ist. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist daher gegenständlich nicht gegeben.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Die Feststellungen betreffend die Lage von Albinos in Nigeria ergeben sich aus der Anfragebeantwortung des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) vom 15.11.2017.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Der Beschwerdeführer hat glaubhaft vorgebracht, dass er in Nigeria bedroht worden war, da er der vulnerablen Bevölkerungsgruppe der Albinos zugeordnet wurde. Auch für den Fall seiner Rückkehr ist zu erwarten, dass er aufgrund seiner hellen Haut und seiner zitternden Augen von der Bevölkerung verfolgt werden würde. Dass Albinos in Nigeria von Diskriminierung, Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung, Armut, Verletzung von Menschenrechten und sogar Tötungen sowie Opferungen betroffen sind, ergibt sich aus der oben angeführten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation.

Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung dieser Frage haben die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zu berücksichtigen.

Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vg. zum Ganzen VwGH, 24.02.2015, Ra 2014/18/0063).

Im Falle des Beschwerdeführers, welcher von der nigerianischen Bevölkerung zur Gruppe der Albinos gezählt wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er in Nigeria bei der Polizei Schutz vor Angriffen finden könnte. Laut den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers wurde dieser von der Polizei aufgrund seines Äußeren sogar einmal in Haft genommen. Es kann daher von keiner Schutzwilligkeit bzw. -fähigkeit des Staates ausgegangen werden.

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt wurde, besteht für den Beschwerdeführer aufgrund des Fehlens familiärer Netzwerke in Nigeria und einer nigeriaweiten Bedrohung keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative.

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung, nämlich aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Albinos, außerhalb Nigerias befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG 2005) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist nicht hervorgekommen.

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerdeführer stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz am 21.06.2016 und damit nach dem 15.11.2015, wodurch § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") Anwendung findet.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
begründete Furcht vor Verfolgung, Fluchtgründe,
Flüchtlingseigenschaft, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit,
inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative,
körperliche Übergriffe, mündliche Verhandlung, Schutzfähigkeit des
Staates, staatlicher Schutz, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung,
vulnerable Personengruppe, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I421.2199802.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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