TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/29 W274 2181595-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2019
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Entscheidungsdatum

29.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W274 2181595-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Iran, XXXX , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2017, Zl. 1093363109/151687864, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 10.10.2015 bei der Landespolizeidirektion Wien einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am 04.11.2015 gab er an, er sei im Iran zum Christentum konvertiert, die islamische Geheimgarde habe dies herausgefunden.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 11.10.2017 gab der BF im Wesentlichen an, er habe das Christentum über seinen Onkel im Iran kennengelernt, nachdem jener vier Jahre wegen seines christlichen Glaubens im Gefängnis verbracht habe. Bei einem Besuch in Shiraz habe der Onkel ihm eine Person namens Josef vermittelt, die den BF in eine Hauskirche in Teheran eingeführt habe. Eines Tages sei die Hauskirche jedoch "aufgeflogen". Da der BF von einem Freund rechtzeitig gewarnt worden sei, sei er einer Festnahme entgangen. Daraufhin habe er sich ein Monat im Norden des Irans aufgehalten und danach den Iran verlassen. Er sei zum christlichen Glauben übergetreten, da seine Eltern eine Zeit lang getrennt gelebt hätten und dies für ihn eine Belastung dargestellt habe. Der starke Glaube seines Onkels, der viele Jahre lang unter Drogendealern im Gefängnis ausgehalten habe, habe den BF beeindruckt. Ergänzend gab der BF an, dass sein Onkel sich auf Hafturlaub befunden habe, als der BF ihn besucht habe. Zurück in Teheran habe der BF einmal die Woche Hauskirchen besucht, insgesamt sei er zehnmal dort gewesen. Als der BF im Norden des Irans gewesen sei, hätten Beamte das Haus der Familie in Teheran durchsucht. Sie hätten seinen Reisepass sowie Broschüren und Poster von Christus sichergestellt. In Österreich lebe der Beschwerdeführer seinen Glauben aus, indem er in der Küche der Kirche helfe und in die Messe gehe. Im Falle einer Rückkehr in den Iran würde der BF als Christ hingerichtet werden oder aber seinen Glauben nicht ausüben können.

Das BFA wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der BF zum Christentum konvertiert sei und im Iran eine begründete Furcht vor Verfolgung zu gewärtigen habe oder aktuell einer relevanten Bedrohungssituation für Leib und Leben ausgesetzt sei. Ebensowenig habe eine Verfolgung oder Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem primären Antrag, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Am 16.01.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) statt, in der der BF sowie Ing. Ewald XXXX und Gholamreza XXXX als Zeugen einvernommen und weitere Urkunden vorgelegt wurden.

Festgestellt wird:

Die Situation im Iran stellt sich derzeit wie folgt dar:

Allgemeine Lage:

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Grundversorgung und medizinische Versorgung:

Die Grundversorgung ist im Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro. Die Arbeitslosenrate in Iran betrug im Juni 2016 zwischen 10 und 20%. Ausgebildete Arbeitskräfte finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast vollständig unter staatlicher Kontrolle. Ein zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind halbstaatliche religiöse Stiftungen, die Bonyads. Viele davon sind heute international agierende Großkonzerne. Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Es gibt einen Anspruch auf Kindergeld sowie auf Arbeitslosengeld in Höhe von 70-80% des Gehaltes. Die gering verdienenden Teile der iranischen Bevölkerung erhalten zur Sicherung der Grundversorgung monatlich eine "Yarane" von ca. 11€. Es besteht kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung.

98% aller Iraner haben Zugang zu ärztlicher Versorgung. Die Qualität ist in Teheran und den großen Städten ausreichend bis gut. In vielen Landesteilen ist sie nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In jeder Provinz ist mindestens eine medizinische Universität. Die Medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, ca. 3.000 ländlichen Gesundheitszentren und 730 städtischen öffentlichen Krankenhäusern in jeder größeren Stadt. Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben in bar bezahlt werden. In zahlreichen Apotheken sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer.

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Zum BF:

Der in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene (Strafregisterauskunft vom 15.01.2019) BF ist am XXXX in Teheran im Iran als schiitischer Moslem geboren und besuchte neun Jahre lang die Grundschule. Er hatte in Teheran ein Mantelgeschäft, das er gemeinsam mit einem Geschäftspartner selbstständig betrieb und im Rahmen dessen er auch Kleidung entwarf. Er war gläubiger Moslem und nahm als solcher an religiösen Ritualen teil. Der BF ist ledig und lebt in keiner Lebensgemeinschaft.

Nicht festgestellt werden konnte, dass die Eltern des BF zweimal getrennt waren, zuletzt auch einen längeren Zeitraum vor seiner Ankunft in Österreich, und dass die Trennung seiner Eltern der Grund war, keine "Hoffnung mehr fürs Leben" gehabt zu haben.

Fest steht, dass der Onkel des BF mütterlicherseits, XXXX (alias XXXX alias XXXX ) im Jahr 2012 im Iran verhaftet und unter anderem wegen der Teilnahme an Hauskirchengottesdiensten und "Propaganda gegen das Regime" zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Nicht festgestellt werden konnte hingegen, dass der BF gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester seinen Onkel XXXX im März 2015, als jener zehn Tage "Freigang" gehabt habe, in seiner Villa in Shiraz besuchte und dort für zehn Tage Urlaub machte. Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass der BF bei diesem Besuch von der christlichen Einstellung und Zuversicht seines Onkels derart begeistert wurde, dass er unmittelbar nach Rückkehr von diesem Urlaub einer - vom Onkel vermittelten - Hauskirche in Teheran beitrat und sich innerlich dem Christentum zuwandte. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF in Teheran an Treffen einer Hauskirche teilnahm, diese Hauskirche "aufflog" und der BF aufgrund einer rechtzeitigen Verständigung einer Festnahme entkommen konnte. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens, "Beamte" hätten während seines Aufenthalts im Norden des Iran das Haus der Familie in Teheran durchsucht und dort seinen Reisepass, Broschüren und Poster über Christus sichergestellt. Auch unabhängig von diesem konkreten Vorfall konnte nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund von Hauskirchenbesuchen oder anderweitiger christlicher Praxis im Iran gesucht wurde oder wird.

Der BF verließ den Iran im September 2015 und reiste in weiterer Folge auf dem Landweg Richtung Europa. Nicht festgestellt werden konnte, welche genauen Zeiträume er in welchem Land verbrachte. Schließlich reiste er im November 2015 ohne gültige Reisedokumente in Österreich ein. Er befand sich zunächst in unterschiedlichen Asylquartieren in Wien. Ab Dezember 2017 wohnte er in einem Notquartier des Fonds Soziales Wien und seit Juli 2018 lebt er in einem Asylquartier der Volkshilfe in 1120 Wien. Er befindet sich in Grundversorgung.

Etwa drei bis vier Monate nach der Einreise des BF in Österreich kamen Iraner in das Asylquartier, in dem sich der BF aufhielt, um den dortigen Asylwerbern zu helfen. Der BF lernte einen der Iraner näher kennen, der ihm die Hamgam-Gemeinde vorstellte. Die Hamgam-Gemeinde ist in Österreich derzeit keine anerkannte Kirche bzw. Religionsgemeinschaft; es handelt sich um eine Tochtergemeinde der englischen Mutterkirche "Iranian Christian Fellowship". Die Pastoren der Hamgam-Gemeinde stammen alle aus dem Iran. Die Gemeinde hat in Österreich etwa 75 Mitglieder, wobei 90% der Gemeindemitglieder als Flüchtlinge von Afghanistan oder dem Iran nach Österreich kamen. Die dortigen Kurse und Gottesdienste finden auf Farsi statt. Weil der BF sich taufen lassen wollte, erkundigte er sich nach dem Procedere und nahm für sieben bis acht Monate am verpflichtend vorgeschriebenen Taufvorbereitungskurs der Hamgam-Gemeinde teil. Am 07.08.2016 wurden der BF und etwa 10-15 andere Personen in der Donau getauft. Nach der Taufe nahm der BF an einem ebenfalls verpflichtenden Mitgliedschaftskurs teil. Der BF nimmt am sonntäglichen Gottesdienst teil und arbeitet seit zwei Jahren alle drei Wochen freiwillig in der Küche der Hamgam-Gemeinde.

Weder im Iran noch in Österreich fand eine derartige Hinwendung des BF zum Christentum statt, dass er auch unter geänderten Rahmenbedingungen wie einer Rückkehr in den Iran das Bedürfnis hätte, innerlich und äußerlich als Christ zu leben.

Der BF wurde in Österreich zweimal wegen Nierensteinen und einmal an der Brust operiert. In der Zwischenzeit ist er vollständig genesen und gesund. Der BF hat telefonischen Kontakt zu seiner Familie, bei der er auch bis zu seiner Ausreise aus dem Iran lebte.

Der BF besuchte Integrationskurse sowie mehrere Deutschkurse bis zum Niveau B1. Per 25.04.2018 bestand er die Prüfung zum ÖSD-Zertifikat A2 gut. Er leistet für "Le+O" XXXX , ein gemeinsames Projekt der Pfarre XXXX und der Caritas zur Ausgabe von Lebensmittel an armutsbetroffene Menschen, jeden Montag freiwillige Arbeit im Verkauf, macht dort einen guten Eindruck und beweist Sorgfalt und Zuverlässigkeit. Auch im Notquartier des Fonds Soziales Wien war der BF als ruhiger, rücksichtsvoller und hilfsbereiter Bewohner bekannt.

Beweiswürdigung:

Die Länderfeststellungen folgen dem LIB der Staatendokumentation Iran in der (aktuellen) Fassung von Juni 2018, basierend auf den dort genannten Quellen.

Die Feststellungen zur Person des BF und seiner Lebens- und Berufsbiographie im Iran ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichlautenden und in sich schlüssigen Angaben vor dem BFA sowie vor dem BVwG. Die Feststellungen zur Fluchtroute und dem bisherigen Aufenthalt des BF in Österreich sowie seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus den im Akt befindlichen Unterlagen und seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Eine Lebensgemeinschaft in Österreich wurde nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen. Der BF gab vor dem BFA selbst an, fast jeden Tag Kontakt zu seiner Familie im Iran zu haben.

Zu seiner bisherigen Glaubenspraxis gab der BF zwar an, nicht strenggläubig gewesen zu sein, seine Aussage zur Teilnahme an religiösen Ritualen (etwa sich "in Erinnerung an die Tötung des Propheten Hossain" mit Ketten zu schlagen) deutet jedoch durchaus auf eine entschiedene Ausübung des muslimischen Glaubens hin. Daraus ist zu schließen, dass der BF im Iran als gläubiger Moslem gelebt hat.

Die mangelnde Glaubhaftigkeit der Fluchtgeschichte des BF ist bereits in der von ihm geschilderten Motivlage, warum er seinen Glauben gewechselt habe und zum Christentum übergetreten sei, begründet. Dazu führte der BF aus, seine Eltern hätten sich zweimal getrennt, was den BF sehr belastet hätte. Die Aussage in der mündlichen Verhandlung, sein Vater habe seine Mutter erst (wieder) geheiratet, als der BF nach Österreich gekommen sei (also im November 2015) und sei davor nicht bei der Familie gewesen (Protokoll BVwG S. 3), erweist sich jedoch als widersprüchlich, legte der BF doch selbst ein im Mai oder Juni 2015 aufgenommenes Foto vor, auf dem die Familie des BF gemeinsam mit Vater und Mutter abgebildet ist (Protokoll BVwG S. 5). Kurz nach dem behaupteten Besuch in Shiraz (März 2015) und somit auch zu jenem Zeitpunkt, in dem der BF erstmals eine Hauskirche besuchte, war der Vater des BF demnach bei seiner Familie. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der BF sich aufgrund eines durch die Abwesenheit des Vaters bedingten "inneren Vakuums" zum Christentum bekannte und er aus diesem Grund an hauskirchlichen Treffen teilnahm. Im Übrigen erscheint die vom BF behauptete, angeblich durch die Trennung seiner Eltern verursachte Gebrochenheit ("Ich hatte keine Hoffnung fürs Leben") auch vor dem Hintergrund seines Alters und der erfolgreichen Berufstätigkeit in der geschilderten Dimension nicht plausibel. Somit ist kein nachvollziehbares Motiv für die Hinwendung zum Christentum erkennbar.

Zum Beweis der Behauptung, XXXX sei sein Onkel und mehrere Jahre lang aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer Hauskirche inhaftiert gewesen, wurden in der Beschwerde mehrere Webseiten genannt, Ausdrucke der angegebenen Berichte und Bilder jedoch nicht vorgelegt. Zwar unterblieb eine Erörterung dieser Quellen in der mündlichen Verhandlung, eine Einschau durch des Gerichtes in die genannten Webseiten zeigte aber ein einheitliches Bild zur Person des XXXX . Den Berichten zufolge wurde dieser im Februar 2012 im Zuge einer Razzia in einer Hauskirche in Shiraz festgenommen und im Juni 2013 unter anderem wegen des Besuches einer Hauskirche und "Propaganda gegen das Regime" zu einer mehrjährigen Haft verurteilt. In zwei Artikeln wird berichtet, dass XXXX im Jahr 2014 unter Auflagen gegen Kaution freigelassen wurde, jedoch ab Jänner 2015 den Rest seiner Strafe in Haft verbüßen musste und Ende Juni 2015 entlassen wurde (vgl. XXXX ). Auch dem vom BF vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Urteil ist zu entnehmen, dass XXXX im Oktober 2013 vom Revolutionsgericht in Shiraz in Zusammenhang mit Missionierungstätigkeit unter dem Aspekt des Verstoßes gegen die Sicherheit des Staates zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Aufgrund des Vorliegens mehrerer Quellen mit im Wesentlichen übereinstimmendem Inhalt besteht kein Zweifel, dass XXXX aufgrund der Übung christlicher Praxis im Februar 2012 verhaftet und später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Bei einem Vergleich der auf den genannten Webseiten im Zusammenhang mit dem Namen XXXX abrufbaren Bilder und den vom BF vorgelegten Fotos ist durchaus eine Ähnlichkeit zwischen der im Internet als XXXX bezeichneten Person und der auf den Fotos als "Onkel" bezeichneten Person zu erkennen. Es erscheint daher plausibel, dass XXXX zumindest in einem familiären Naheverhältnis zum BF steht. Darauf deutet auch die teilweise Übereinstimmung mit dem Namen seiner Mutter (BFA S. 9: XXXX ) hin. Das Gericht geht daher davon aus, dass es sich um den Onkel des BF handelt.

Zwar konnte der BF damit nachvollziehbar darlegen, dass sei Onkel aufgrund von Hauskirchenbesuchen inhaftiert und zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, doch erscheint die darauf aufbauende Fluchtgeschichte aus folgenden Überlegungen nicht glaubhaft:

Die Schilderungen zum angeblichen Treffen mit dem Onkel in Shiraz und der damit einhergehenden Hinwendung zum Christentum sind in wesentlichen Punkten widersprüchlich. Vor dem BFA nach seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, dass er seinen Onkel "nach seiner Freilassung" besucht und über jenen das Christentum kennengelernte habe (BFA S. 57). Auf Nachfrage führte der BF aus, dass er den Onkel besucht habe, als dieser "sich auf Hafturlaub befand". Der Onkel sei erst vier Monate später freigelassen worden (BFA S. 58). Der BF war bereits widersprüchlich, als er erst behauptete, er habe das Christentum "nach der Freilassung" seines Onkels kennengelernt, später aber angab, dies sei während eines "Freiganges" gewesen. In der mündlichen Verhandlung gab der BF dann an, dass er den Onkel im März 2015 für zehn Tage besucht habe (Protokoll BVwG S. 4). Im Zusammenhalt mit den Aussagen vor dem BFA hätte der Onkel des BF daher zumindest ab Anfang April 2015 für weitere vier Monate wieder inhaftiert sein müssen. Auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, dass der BF aber ein Foto mit dem Onkel vorgelegt habe, das im Mai oder Juni 2015 entstanden sei, führte der BF - ohne dies zuvor jemals erwähnt zu haben - nunmehr aus, dass der Onkel wohl ein zweites Mal einen "Freigang" gehabt habe. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass der BF sich an ein so gravierendes Ereignis (Treffen mit dem Onkel während seines zweiten Freiganges) nicht erinnert hätte. Im Übrigen sind die Angaben des BF zu seinem Besuch beim Onkel im Shiraz auch nicht mit den von ihm selbst ins Verfahren eingebrachten Unterlagen in Einklang zu bringen: Wie aus den oben angeführten Internetquellen einheitlich hervorgeht, wurde XXXX im Jahr 2014 unter Auflagen gegen Kaution freigelassen, war jedoch von Jänner 2015 bis Ende Juni 2015 wieder in Haft. Dass der BF ihn im März 2015 besuchen konnte, ist daher bereits auf Basis dieses Beschwerdevorbringens ausgeschlossen. Auch ein zweiter "Freigang" wird in keiner der genannten Internetquellen erwähnt.

Ferner sind die Schilderungen des BF vor dem BFA zu den Hauskirchenbesuchen und der Flucht (BFA S. 57) kurz und oberflächlich. Details finden sich in den diesbezüglichen Angaben des BF kaum. Auch auf ergänzende Fragen antwortete der BF vordergründig und floskelhaft. Dass der BF tatsächlich eine Hauskirche besucht habe, erscheint nicht plausibel. Weder konnte er konkret sagen, wo und wann die Treffen stattgefunden hätte, noch konnte er einheitliche Angaben zur Anzahl der Hauskirchen-Teilnehmer machen (BFA S. 59: 8-10 Leute; Protokoll BVwG: 5 Personen). Schließlich erweisen sich auch die Darstellungen des BF zum konkreten fluchtauslösenden Ereignis, nämlich dem Aufdecken der Hauskirche, als sehr knapp, widersprüchlich und nicht glaubhaft. Zunächst konnte der BF nicht erklären, wie die Hauskirche "aufgeflogen" sei. Während er vor dem BFA behauptete, ein Freund hätte ihn noch rechtzeitig verständigt und gewarnt, an besagtem Tag nicht in die Hauskirche zu kommen, wurde in der Beschwerde angegeben, der BF habe sich bei seinem Freund gemeldet, um sich nach der genauen Adresse zu erkundigen, und bei dieser Gelegenheit habe sein Freund ihm gesagt, er solle nicht kommen. Es ist nicht überzeugend, dass sich der BF an Details dieses wichtigen Anrufes nicht mehr erinnern kann. Unwahrscheinlich erscheint es außerdem, dass die Hauskirche gerade an jenem Tag aufgedeckt worden sein soll, an dem sie das erste Mal an einem anderen Ort stattgefunden habe soll.

Auch die Angaben des BF zu dem Vorfall, bei dem "Beamte" ihn zu Hause gesucht hätten, erscheinen nicht nachvollziehbar und entbehren jeglicher Details. Während der BF in der Erstbefragung behauptete, die "islamische Geheimgarde" habe herausgefunden, dass er konvertiert sei, gab er vor dem BFA an, dass ein Freund ihm mitgeteilt habe, dass "Beamte" ihn zuhause gesucht hätten. Zunächst ist wenig plausibel, woher der BF den "Beamten" bekannt hätte sein sollen - wurde er selbst doch in der Hauskirche nicht angetroffen. Die vom BF artikulierten Vermutungen, "sie" seien schon lange "von der Behörde beschattet" worden und "Glaubensbrüder" hätten "vielleicht" seinen Namen preisgegeben, erweisen sich in diesem Zusammenhang als reine Spekulation. Darüber hinaus ist es kaum vorstellbar, dass der BF, hätte er tatsächlich eine Flucht aufgrund der Angst wegen seiner Hauskirchenbesuche angetreten, seinen Reisepass zuhause gelassen und auch Broschüren und Poster von Christus im Haus seiner Familien zurückgelassen hätte (BFA S. 59). Unmittelbar nach dem behaupteten Vorfall ("Auffliegen" der Hauskirche) wäre die Bedrohungssituation wohl nicht so hoch gewesen, dass es dem BF unmöglich gewesen wäre, noch einmal nach Hause zu kommen, um die wichtigsten Dinge mitzunehmen, sich von der Familie zu verabschieden und Beweismittel, die auch eine Gefahr für seien Familie darstellen könnten, wegzuschaffen. Derartiges wurde vom BF nicht behauptet.

Schließlich ist es auch nicht überzeugend, dass der BF sich im Iran aufgrund eines "inneren Vakuums" und starker psychischer Belastungen dem Christentum zuwandte und regelmäßig hauskirchliche Treffen besuchte, ab dem Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Iran aber keine derartigen Aktivitäten mehr setzte. Insbesondere erscheint es nicht schlüssig, dass sich der BF - wie von ihm beschrieben - im Iran beeindruckt vom Glauben seines Onkels mit voller Überzeugung dem Christentum zuwandte und sogar mit dem Wissen, dass ihm ein (langer) Gefängnisaufenthalt drohe, an hauskirchlichen Treffen teilnahm, in Österreich angekommen zunächst aber nicht einmal versuchte, eine für ihn passende Glaubensgemeinschaft zu finden. Trotz seiner behaupteten ursprünglichen Motivation, sich dem Christentum zuzuwenden, lebte der BF offenbar ab seiner Ausreise aus dem Iran sechs Monate ohne Glaubensgemeinschaft und suchte auch nicht initiativ nach einer Möglichkeit, seinen Glauben weiter ausleben zu können. Mitglied der Hamgam-Gemeinde in Wien wurde er erst auf Initiative anderer Iraner. Dieses Verhalten steht in Diskrepanz zu seinem Vorbringen, dass das Christentum seine (einzige) Hoffnung für das Leben gewesen sei (siehe dazu auch Protokoll BVwG S. 7: "Ich war wie ein Toter, der sich bloß bewegen konnte").

Insgesamt konnte der BF das Gericht somit weder davon überzeugen, im Iran aus innerer Überzeugung an hauskirchlichen Treffen teilgenommen zu haben, noch aufgrund von Verfolgung gegen diese Hauskirche selbst Verfolgungshandlungen oder Ermittlungsschritten der iranischen Behörden ausgesetzt gewesen zu sein. Nachdem die vom BF geschilderte Motivlage, weshalb er sich im Iran dem Christentum zugewandt habe, als nicht glaubhaft erschien, bedurfte es der Beurteilung der Motivation in Österreich.

Zur Hamgam-Gemeinde gelangte der BF, wie er angab, durch Zufall, als er in der Asylunterkunft von Iranern besucht wurde und diese ihm die Gemeinde vorstellten. Er setzte sich im Vorhinein nicht mit den Glaubensinhalten der Hamgam-Gemeinde auseinander und gab an, bei dieser Glaubensgemeinde geblieben zu sein, weil sie farsi-sprachig gewesen sei (Protokoll BVwG S. 14). In der mündlichen Verhandlung konnte er zum Begriff "evangelikal" keine Assoziationen herstellen. Der Umstand, dass die Mitglieder der Hamgam-Gemeinde zu einem Großteil Iraner sind, alle Pastoren aus dem Iran stammen und die Gottesdienste und Kurse immer auf Farsi stattfinden (Protokoll BVwG S. 9, 16), erweckt den Eindruck, dass der BF sich insbesondere aufgrund der sprachlichen und kulturellen Vertrautheit dieser Glaubensgemeinde anschloss. Auch der Umstand, dass die Taufe des BF in einer größeren Gruppe von farsi-sprechenden Erwachsenen und ohne Teilnahme anderer Bezugspersonen des BF erfolgte, lässt nicht auf eine individuelle Glaubensgeschichte des BF schließen.

Eine Abkehr von der bisher praktizierten, oben dargestellten muslimischen Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers und eine echte innere Konversion des BF zum christlichen Glauben ist vor diesem Hintergrund schwer nachvollziehbar. Der BF wurde zwar getauft (Taufbestätigung der Evangelikalen Freikirche Hamgam Wien ohne Datum), weist ein gewisses Wissen zur Bibel auf und hat darin oft gelesen. Aufgrund seiner Teilnahme am Taufvorbereitungs- und Mitgliedschaftskurs liegt nahe, dass er sich dort derartiges Wissen aneignete. Im gesamten Verfahren brachte der BF aber nicht nachvollziehbar zum Ausdruck, warum er sich vom Islam abgewendet habe und zum Christentum konvertiert sei. Der BF gab an, als Moslem immer dann gebetet zu haben, wenn er das Gefühl gehabt habe, etwas zu brauchen (Protokoll BVwG S. 3). Im gegenständlichen Verfahren wurde nicht klar, welchen religiösen "Mehrwert" die Mitgliedschaft des BF in der Hamgam-Gemeinde für diesen aufweist. In der mündlichen Verhandlung schloss dieser auch nicht aus, später eine andere Kirche zu besuchen (Protokoll BVwG S. 14). Bei einer Gesamtbetrachtung entsteht der Eindruck, dass der BF an der Hamgam-Gemeinde (unabhängig von seiner religiösen Überzeugung) Gefallen gefunden hat, dort Freunde gefunden hat und sich gerne engagiert. Dies ist angesichts der insbesondere iranischen Asylwerbern gegenüber offenen Gemeinde nicht verwunderlich, für sich aber kein Hinweis auf besondere religiöse Motive. Darüber hinaus unterstützt der BF auch das gemeinnützige Projekt "Le+O" der katholischen Pfarre XXXX sowie der Caritas, womit er allgemein Hilfsbereitschaft und Integrationsbemühungen beweist. Dass der BF gerne anderen hilft und anderen Leuten vergeben kann, zeugt zwar von einem ehrenhaften Lebensstil, ist aber kein zwingender Beweis für eine Konversion.

Dass eine christliche Überzeugung des BF für Außenstehende nicht erkennbar ist, zeigt die Aussage des Zeugen XXXX , der den BF von der "Le+O"-Essensausgabe bereits seit einem halben Jahr kannte und wöchentlich sah, über seine religiöse Orientierung bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch nicht Bescheid wusste. Wenn der BF aber kein Interesse zeigt, seinen Glauben auch außerhalb seiner Glaubensgemeinde auszuüben und nach außen hin zu zeigen, liegt eine innere Konversion nicht nahe. Der Zeuge XXXX ist Gründer und Pastor der Hamgam-Gemeinde, die in Österreich derzeit nicht gesetzlich anerkannt ist. Seiner Aussage liegt daher nicht die Autorität eines für eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgemeinschaft sprechenden Amtsträgers zu Grunde. Aus seiner Aussage kann zwar abgeleitet werden, dass der BF eine "nette und ruhige Person" ist, seine Arbeit macht und immer zu den Gottesdiensten kommt. Es ist auch erfreulich, dass der BF offenbar ein Vorbild für den Zeugen ist (Protokoll BVwG Seite 18: "Ich versuche oft zu sein wie er"). Aus diesen Eigenschaften alleine jedoch kann noch nicht geschlossen werden, dass der BF tatsächlich zum Christentum konvertiert ist. Darüberhinausgehende Darstellungen über die Person und das Wirken des BF in der Hamgam-Gemeinde, worin sich eine innere Überzeugung des BF manifestieren könnte, erfolgten durch den Zeugen nicht. Glaubhaft ist zwar, dass der BF trotz Diskussionen in der Hamgam-Gemeinde, ob man in anderen Kirchen bessere Asylchancen hätte, geblieben ist. Der Zeuge gab aber auch an, über die Vergangenheit des BF im Iran nichts zu wissen. Der Versuch der Erklärung, welche Gründe den BF bewogen haben könnten, trotz seiner Vergangenheit als Moslem zum Christentum zu konvertieren (im Iran würden die Leute Religion hassen und besonders vom Islam weggehen wollen), ist keine taugliche Grundlage für die vom BF behauptete Konversion.

Letztlich gewann der Richter aus der Zusammenschau obiger Überlegungen, insbesondere aufgrund der insgesamt nachdruckslosen Angaben des BF seinen Glauben betreffend, nicht den Eindruck, dass - abseits gewisser religiöser Pflichtübungen - der BF innerlich vom Christentum durchdrungen ist und dieses für seinen Lebenswandel von entscheidender Bedeutung ist. Eine innere Konversion war insgesamt nicht glaubhaft. Aufgrund dessen besteht auch kein Grund zur Annahme, dass im Sinne einer Prognose der BF unter geänderten Rahmenbedingungen, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätte, die derzeit äußerlich gelebte Glaubenspraxis aufrechtzuerhalten.

Die Feststellungen zur Integration ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen im Zusammenhalt mit den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF sowie der Zeugen. Die näheren Feststellungen zur Hamgam-Gemeinde ergeben sich aus den schlüssigen Angaben des Zeugen

XXXX .

Rechtlich folgt:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylauschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

-

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

-

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

-

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

-

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

-

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

-

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Nach den alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Absatz 1 b, RL 2011/95/EG, kann einem Flüchtling nicht zugesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das "Forum Internum" zu beschränken, somit seinen Glauben heimlich auszuüben. Diesem muss die öffentliche Ausübung des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein ("Forum Externum").

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB. Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Da fallbezogen weder jene Umstände, die als Fluchtgrund behauptet wurden (Verbindung zu anderen Christen im Iran), noch eine innere Konversion vom Islam zum Christentum im Iran oder in Österreich festgestellt werden konnten, liegt kein auf die oben dargestellten Rechtsgründe zu stützender Asylgrund, auch kein Nachfluchtgrund, vor.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden bei Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("sufficiently real risk") im Herkunftsland zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573). Die reale Gefahr muß sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu erreichen (zB. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294). Die bloße Möglichkeit einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in dem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (zB. VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

Der VwGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (zB. VwGH 26.6.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

Die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit nicht so dar, dass ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 2 und 3) gegeben ist. Gegenteiliges ist auch den aktuellen Länderberichten zu entnehmen, wonach die Sicherheitslage im Iran allgemein als ruhig bezeichnet werden kann und es nur in vereinzelten Regionen unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund oder zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und anderen Gruppierungen kommt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.

Der BF konnte auch darüber hinaus insgesamt keine individuellen Umstände glaubhaft machen, die im Falle einer Rückführung in den Iran die reale Gefahr einer Verletzung aus Art. 2 oder 3 EMRK entspringenden Rechte (oder der anderen im Lichte von § 8 AsylG 2005 relevanten Grundrechte) für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.

Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jüngeren Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er spricht die Sprache der Majoritätsbevölkerung Farsi und verfügt im Herkunftsstaat auch über Angehörige (Eltern und Geschwister), zu denen er in Kontakt steht und bei denen er vor seiner Ausreise gewohnt hat. Es sind jedenfalls keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener im Iran keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte, hat er dies doch bisher auch getan. Er ist im Iran aufgewachsen, dort mehrere Jahre zur Schule gegangen und hat als Selbstständiger mit einem Mantelgeschäft seinen Lebensunterhalt verdient.

Fallbezogen liegen auch keine Hinweise für das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) vor und die Grundversorgung der Bevölkerung ist gesichert, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

An dieser Stelle ist gleichfalls auf die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, in welcher dieser darauf hinweist, dass - ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH zur Statusrichtlinie - vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden, sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt umfasst sind. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher, etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. Dem nationalen Gesetzgeber ist es verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten, unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Herkunftsstaat, zuerkennen. Die Bestimmung des § 8 AsylG 2005 ist daher richtlinienkonform auszulegen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Fallbezogen ist der BF durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt. Weder droht ihm im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte nach der EMRK. Eine solche Gefahr hat der BF weder glaubhaft gemacht, noch ist eine solche von Amts wegen hervorgekommen oder dem BVwG bekannt. Selbiges gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

Zu den Spruchpunkten III. - VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine der oben genannten Entscheidungen mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung der Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs 3 a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.

Unter den in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt wurde oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG erreicht wird.

Liegt nach Abs 2 nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 gilt, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nach Abs 2 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist ein Eingriff in das Privat- und Familienleben durch eine Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach Abs 2 sind dabei insbesondere zu berücksichtigen,

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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