TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/2 W115 2190015-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AVG §68 Abs2
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z4
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W115 2190015-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wegen Abänderung gemäß § 68 Abs. 2 AVG des Bescheides vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom XXXX des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Kurzbezeichnung BFA; in der Folge belangte Behörde genannt) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.); der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.); gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.); gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.) sowie gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren hat (Spruchpunkt VII.).

3. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde, mit der der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde.

4. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist noch nicht abgeschlossen.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX hat die belangte Behörde gemäß § 68 Abs. 2 AVG den unter Punkt I.2. angeführten Bescheid vom XXXX wie folgt abgeändert:

"IV. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

V. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

VI. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 und 4 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

VII. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

VIII. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.

IX. Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 1 Asylgesetz haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren."

6. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde, mit der der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde.

7. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Feststellungen entsprechen dem oben dargelegten Verfahrensgang.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu A) Zur Entscheidung in der Sache:

3.2.1. Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG). BGBl. Nr. 51/1991 idgF, sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Ziel und Zweck der Regelung des § 68 AVG ist, die Bestandskraft von Bescheiden zu schützen (Kopp, ZfV 1977, 390), oder anders ausgedrückt, eine Aufhebung oder Abänderung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde, insbesondere der im Spruch des Bescheides getroffenen normativen Anordnung, außerhalb des Rechtsmittelverfahrens nur unter bestimmten, vom Gesetz eng begrenzten Voraussetzungen zuzulassen. Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt nach hA gemäß seinem Abs. 1 weiterhin, daran hat die AVG-Nov BGBl. I Nr. 33/2013 nichts geändert, das Vorliegen eines "der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides" voraus. Dies hat sich mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit dahingehend geändert, dass nun unter formeller Rechtskraft die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht nur mit ordentlichen Rechtsmitteln iSd AVG, sondern auch mit Beschwerde (Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG) an das Verwaltungsgericht (VwG) zu verstehen ist (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 558; Leeb, Änderung 132 f; Palmstorfer/Reitshammer, ZÖR 2014, 362;

Raschauer, Auswirkungen 240 f; Stolzlechner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Betriebsanlage4 Rz 359;

Unterpertinger, ÖJZ 2013, 998 ff; vgl. auch Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 453/1, die zwischen formeller Rechtskraft im engeren Sinn [Unanfechtbarkeit mit verwaltungsinternen ordentlichen Rechtsmitteln] und im weiteren Sinn [Unanfechtbarkeit mit Beschwerde an ein VwG] unterscheiden).

§ 68 AVG stellt nicht auf die formelle Rechtskraft von Bescheiden ab, sondern macht seine Anwendbarkeit ausschließlich davon abhängig, dass der Bescheid der Berufung (gemeint sind alle im AVG geregelten ordentlichen Rechtsmittel) nicht oder nicht mehr unterliegt. Die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde vor dem VwG steht einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG nicht entgegen (vgl. VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0029; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 8, 9). Dass der Gesetzgeber eine gebotene Anpassung der Norm schlicht übersehen hat, ist ein Argument, das im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - angesichts der zahlreich zu adaptierenden Regelungen - häufig verfängt, bei § 68 AVG ist dies aber gerade nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat diese Bestimmung nämlich im Zuge der Reform adaptiert: Er hat die Unabhängigen Verwaltungssenate aus dem Normtext gestrichen, die Bestimmung im Übrigen aber unverändert gelassen. Zugleich hat er - mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz 2013 - zahlreiche andere Bestimmungen im AVG und VStG an das neue Rechtsschutzsystem angepasst. All dies spricht letztlich gegen eine Lücke und vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber es in § 68 AVG eben (bewusst) bei der Berufung belassen wollte (vgl. auch Khakzadeh-Leiler, Die amtswegige Abänderung und Aufhebung von Bescheiden - neue Rechtsfragen, ZfV 2018). Daraus folgt, dass der Verwaltungsbehörde bereits mit Erlassung des Bescheides die Möglichkeit offensteht, nach § 68 AVG vorzugehen; da bereits zu diesem Zeitpunkt der Bescheid nämlich - abgesehen von Teilen der Gemeindeselbstverwaltung - keiner Berufung mehr unterliegt.

Dies bedeutet, dass Bescheide, die nur noch mit Beschwerde an das VwG bekämpft werden können und gegen die ein im AVG vorgesehenes ordentliches Rechtsmittel iSd § 68 Abs. 1 AVG nicht mehr zur Verfügung steht, gemäß § 68 AVG von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden können. Die Möglichkeit sowie die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde beim VwG stehen der Anwendung des § 68 AVG grundsätzlich nicht entgegen.

Dem Wortlaut nach käme eine amtswegige Aufhebung oder Abänderung von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden nach § 68 Abs. 2 AVG nur für rein belastende Bescheide, eben solche, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist", in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) vertritt allerdings in stRsp über den Wortlaut des § 68 Abs. 2 AVG hinausgehend die Auffassung, dass es letztendlich nicht darauf ankommt, ob der abzuändernde Bescheid selbst begünstigende oder belastende Wirkung hat. Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 2 AVG ist der Effekt der Aufhebung oder Abänderung. Wirkt sie zugunsten der Partei(en), ist sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach § 68 Abs. 2 AVG stets zulässig, gleichgültig, ob der Partei aus dem Bescheid ein Recht erwachsen ist oder nicht. Belastende Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden können nicht auf § 68 Abs. 2 AVG gestützt werden (vgl. VwGH 27.05.2014, 2011/10/0197), auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist (vgl. VwSlg 1293 A/1950; 17.05.2001, 2001/07/0034; ferner Antoniolli/Koja 581; Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 347 f; Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 654; Raschauer, Rechtskraftdurchbrechungen 289; Thienel/Schulev-Steindl5 302). Der VwGH beruft sich bei seiner den Wortlaut des § 68 Abs. 2 AVG ergänzenden bzw. berichtigenden Interpretation auf den "Sinn der Vorschrift" im "Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen dieser Gesetzesstelle" (VwSlg 4187 A/1956) sowie auf das dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot (VwSlg 9875 A/1979) (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 81).

Im Ergebnis vertritt der VwGH den Standpunkt, dass es unmaßgeblich ist, ob es sich um einen begünstigenden oder belastenden Bescheid handelt, die Behörde aber von der ihr in § 68 Abs. 2 AVG eingeräumten Möglichkeit nur dann Gebrauch machen darf, wenn damit keine Verschlechterung der Rechtsstellung einer Partei verbunden ist, weshalb eine Vorgangsweise, durch welche die Rechtslage - nicht sonstige Umstände - ungünstiger als durch den ursprünglichen, aufgehobenen oder abgeänderten Bescheid gestaltet wird, nicht auf § 68 Abs. 2 AVG gestützt werden kann (VwSlg 1293 A/1950; VwGH 20.03.1996, 95/21/0369; 24.02.2005, 2004/11/0215).

Da durch den nunmehr angefochtenen Abänderungsbescheid dem Beschwerdeführer gegenüber ein Einreiseverbot erlassen und ihm zudem keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt wird, wird durch den Abänderungsbescheid unzweifelhaft belastend auf die Rechtsposition des Beschwerdeführers eingewirkt. Die Rechtsposition des Beschwerdeführers ist daher ungünstiger gestaltet als durch den ursprünglichen Bescheid vom XXXX . Daher ist die belangte Behörde nicht zur amtswegigen Abänderung des Bescheides vom XXXX befugt.

Der auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte verfahrensgegenständliche Abänderungsbescheid ist bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

3.2.2. Ersatzlose Behebung des verfahrensgegenständlichen Abänderungsbescheides:

Wie (bisher) die Entscheidung der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG bedeutet also die Entscheidung "in der Sache selbst" gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG iVm § 28 Abs. 2 und Abs. 3 erster Satz VwGVG - im Gegensatz zur kassatorischen Erledigung (§ 28 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 VwGVG) - nicht nur eine Entscheidung über die (Begründetheit der) Beschwerde bzw. die Rechtmäßigkeit des Bescheides (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2015/03/0015), sondern eine Entscheidung in der Sache der Unterinstanz (z.B. über einen Antrag auf Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung) aufgrund einer Bescheidbeschwerde (siehe schon Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 1060).

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 28 Abs. 5 VwGVG).

Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann. Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde, das Fehlen eines verfahrenseinleitenden Antrages, die Unzulässigkeit des Einschreitens von Amts wegen oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrages (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 17 und 18 zu § 28 VwGVG mwN).

Hat die Unterbehörde von Amts wegen einen Bescheid erlassen, der nicht hätte ergehen dürfen, weil in der betreffenden Angelegenheit die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen ist oder weil die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, hat die Berufungsbehörde den zu Unrecht ergangenen Bescheid ersatzlos zu beheben (Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 105, mwH).

Aufgrund der umfassenden Sachentscheidungs- und Sacherledigungskompetenz des VwG beseitigt jedes Erkenntnis "in der Sache selbst" den bekämpften Bescheid aus dem Rechtsbestand (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/03/0032; Leeb, Verfahrensrecht 111; vgl. auch VfGH 06.06.2014, B 320/2014).

Demgegenüber handelt es sich bei der ersatzlosen Behebung gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 3 erster Satz VwGVG (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) um eine - wenn auch "negative" - Entscheidung "in der Sache selbst" (VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003; 25.02.2016, Ra 2015/07/0170; 28.06.2016, Ra 2015/17/0082), die erst dann getroffen werden darf, wenn der dafür maßgebende Sachverhalt geklärt ist, dh von vornherein feststeht oder vom VwG festgestellt wurde (vgl. auch VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0208). Eine sog "ersatzlose" Behebung hat daher dann zu erfolgen, wenn am Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens feststeht, dass in dieser Sache überhaupt kein förmlicher Abspruch erfolgen darf oder zumindest von der belangten Behörde kein Bescheid erlassen werden durfte. Eine solche Behebung ist insofern "ersatzlos", als weder das VwG darin einen über die Kassation des angefochtenen Bescheides hinausgehenden Spruch in der Sache der Unterinstanz treffen soll (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 1061) noch die(selbe) Verwaltungsbehörde ein weiteres Mal über dieselbe Sache befinden soll (vgl. VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003; 23.03.2016, Ra 2016/12/0008). Durch die ("negative") Entscheidung in der Sache selbst spricht vielmehr bereits das VwG "endgültig" darüber ab (vgl. VwGH 28.06.2016, Ra 2015/17/0082; 25.02.2016, Ra 2015/07/0170).

Erst die Beseitigung ex tunc im Berufungsweg oder durch ein Erkenntnis des VwG stellt jenen Rechtszustand her, der vor Erlassung des rechtswidrigen Derogationsbescheides bestanden hat (vgl. Wiederin, ZfV 1992, 255), dh es tritt der ursprüngliche, bereits in Rechtskraft erwachsene Bescheid, welcher rechtswidrigerweise aufgehoben oder abgeändert wurde, mit der Behebung dieses ihn aufhebenden oder abändernden Bescheides rückwirkend wieder in Kraft (vgl. VwGH 24.01.1995, 93/04/0203; 21.12.2011, 2011/12/0089).

Da die amtswegige Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom XXXX nicht zulässig war, ist der beschwerdegegenständliche Abänderungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Dadurch tritt der ursprüngliche Bescheid vom XXXX wieder im vollen Umfang in Kraft.

3.2.3. Aufschiebenden Wirkung:

Da mit der gegenständlichen Entscheidung in der Hauptsache abgesprochen wird, kommt der Ausspruch einer aufschiebenden Wirkung im Rahmen dieser inhaltlichen Entscheidung nicht in Betracht.

3.2.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da bereits aufgrund der Aktenlage festgestanden ist, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - in der Begründung zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Abänderung eines Bescheides, amtswegige Abänderung, aufschiebende
Wirkung, Ausreise, Behebung der Entscheidung, Bescheidabänderung,
Einreiseverbot aufgehoben, ersatzlose Behebung, Frist,
Rückkehrentscheidung behoben, Verschlechterung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W115.2190015.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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